Da heute auf 3sat der Stuttgarter "Ring" komplett übertragen wird, haben sich im Thread Klassiktermine im Fernsehen einige Beiträge zum Thema angesammelt. Zudem haben gleich mehrere Forumsteilnehmer angekündigt, sich Teile der Übertragung anzuschauen oder diese aufzuzeichnen.
Daraus könnte sich doch eine interessante Diskussion entwickeln. Ich kopiere mal einige Beiträge aus dem genannten Thread hierher:
Zunächst die Ankündigung der Übertragung:
ZitatAlles anzeigenOriginal von Michael
Heute
Keine Aufführung von Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen" hat seit dem "Jahrhundert-Ring" aus den Bayreuther Festspieljahren 1976 bis 1980 anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Festspiele so viel Aufsehen erregt wie die vier Inszenierungen von 1999/2000 aus der Stuttgarter Staatsoper. Das lag am ungewöhnlichen und in dieser Konsequenz nie zuvor realisierten Ansatz, jedes der vier Stücke von einem anderen Regie-Team auf die Bühne bringen zu lassen. Das Stuttgarter Opernhaus wurde mit diesem geteilten "Ring" unter der musikalischen Leitung von Lothar Zagrosek von der Kritik zur "Oper des Jahres" gewählt.
Wagner: Das Rheingold
Aufzeichnung aus der Stuttgarter Staatsoper, Dezember 2002. Inszenierung: Joachim Schlömer. Musikalische Leitung: Lothar Zagrosek.
3Sat 9.05 Uhr, 160 Min.
Wagner: Die Walküre Aufzeichnung aus der Stuttgarter Staatsoper, Januar 2003. Inszenierung: Christof Nel. Musikalische Leitung: Lothar Zagrosek.
3Sat 11.45 Uhr, 240 Min.
Wagner: Siegfried
Aufzeichnung aus der Stuttgarter Staatsoper, Januar 2003. Inszenierung: Jossi Wieler, Sergio Morabito. Musikalische Leitung: Lothar Zagrosek.
3Sat 15.45 Uhr, 255 Min.
Wagner: Götterdämmerung Aufzeichnung aus der Stuttgarter Staatsoper, Januar 2003. Inszenierung: Peter Konwitschny. Musikalische Leitung: Lothar Zagrosek.
3Sat 20.15 Uhr, 270 Min.
Und einige Reaktionen:
ZitatOriginal von Theophilus
Der Stuttgarter Ring ist mehr für Freunde ungewöhnlicher Inszenierungsideen und weniger für Freunde des Rings...
ZitatAlles anzeigenOriginal von Andrew
Hochverehrter Theophilus, das hört sich nicht sehr verheißungsvoll an ...
Wagner und sein Ring sind für mich noch ein relativ unentdecktes Land. Ich möchte mir "Rheingold" aufzeichnen und anschauen. Vielleicht springt ja der Funke über, und es wird für mich ein guter Einstieg in die Welt des Ringes. Mit Fauns Organigramm in der Hand kann dann doch eigentlich nichts mehr schief gehen ... oder?
Falls doch, hole ich mir von Euch Rat. Grüße von Andrew
ZitatOriginal von severina
Hallo Andrew,
mir geht's genau wie dir, auch für mich ist das heute die Chance, endlich so richtig mit Wagner zu beginnen. Am meisten freue ich mich auf den Konwitschny-Teil (Götterdämmerung). Leider bin ich da nicht daheim und hoffe inständig, dass mein Videorecorder nict spinnt. (Tut er leider hin und wieder beim Programmieren.... )
lg Severina
Das liest man gern :D:
ZitatOriginal von Dreamhunter
Ich zeichne den Ring auf meinem Festplatten-DVD-Rekorder auf. Wenn jemand von Euch dann den einen oder anderen Teil braucht, kann ich dann gerne eine DVD brennen. Einfach mich privat kontktieren !
Eine erste Reaktion von Rideamus:
ZitatAlles anzeigenOriginal von Rideamus
Dann leg Dir schon mal einen großen Vorrat an Scheibchen zurecht.
Im Ernst: ich glaube, sogar Wagner selbst würde auf dieses Monsterprogramm zwar mit Genugtuung, aber auch mit Unverständnis reagieren. Zum Glück gibt es Aufzeichnungsgeräte. Leider aber auch das ewige Problem, dass man nie dazu kommt, diese Aufzeichnungen auch anzusehen.
Immerhin: das RHEINGOLD - für mich die am leichtesten zugängliche Oper des RING - habe ich inhaliert und mitgeschnitten, und grosso modo hat es mir sogar gefallen. Die Ansiedlung des Stückes in einem Badehaus finde ich einfallsreich und das Geschehen dort mindestens in Teilen sogar überzeugend der Musik nachempfunden.
Bei der WALKÜRE musste ich mich aber spätestens ausklinken, als mir bei der Szene zwischen Wotan und Fricka unweigerlich die Vorstellung von Michael Moore durch den Kopf ging, der wieder einmal über seinen Größenwahn stolperte und sich (wieder einmal) seiner noch gewichtigeren Frau beugen muss. Da ich das selbst erlebt habe, scheint mir die Assoziation legitim.
Legitimer jedenfalls, als dem maßlosen Wotan ausgerechnet einen Zollstock mit Tannhäuserzweig an die Hand zu drücken. Da lobe ich mir doch die Erinnerung an den überzeugenderen RING Götz Friedrichs in Berlin.
Eigentlich sollte jemand diese Übertragung live kommentieren wie es z. B. SPIEGEL ONLINE bei Formel 1 - Rennen oder Fußballspielen macht, denn dieses Ereignis ist sicher nicht weniger sportiv. Nun ist's leider zu spät. Außerdem geht es sicher nicht nur mir so, dass ich Wagner nicht "nebenbei" hören kann, aber erst recht nicht so viel davon mit voller Konzentration.
Da fordert das ausnahmsweise wieder schöne Wetter doch seinen gebührenden Vorrang und drängt den drögen Troll nach draußen.
Bis nach der Ringschmelze, die ich womöglich mit dem wundervollen Gegenprogramm verbringen werde, das in einem ganz anderen, und mich im Gegensatz zu Brünnhildens unfehlbar aufwühlenden, Selbstmord auf dem Scheiterhaufen gipfelt, nämlich dem Didos in Berlioz' LES TROYENS.
Rideamus
In folgendem Beitrag verlinke ich auch einige Passagen aus anderen Threads, in denen der Stuttgarter "Ring" Thema war:
ZitatAlles anzeigenOriginal von Zwielicht
Dass sich das gegenseitig ausschließt, ist mir neu :D. Ich sag's mal so: Wer die Ungewöhnlichkeit von Wagners "Ring" zu schätzen weiß, kann auch an den ungewöhnlichen Inszenierungsideen in Stuttgart Gefallen finden... In puncto Regie bleibt für mich der Stuttgarter "Ring" neben denjenigen von Chéreau (Bayreuth 1976-1980 - kenne ich nur aus der Konserve) und Herbert Wernicke (Brüssel/Frankfurt 1990/1994) der überzeugendste.
Zum erstenmal seit den ersten Stuttgarter Aufführungen vor 8-9 Jahren habe ich heute wieder das "Rheingold" gesehen und bin auch noch beim ersten Akt der "Walküre" vor dem Fernseher hockengeblieben. Schlömers "Rheingold" ist wunderbar durchdacht, überaus poetisch und virtuos in der Personenführung. Und die emotionale Verausgabung von Denoke und Gambill im ersten Akt der von Nel inszenierten "Walküre" bleibt bewegend.
Der Stuttgarter "Ring" ist übrigens nicht zum erstenmal Thema im Forum. Über das "Rheingold" gab es ab diesem Beitrag einige interessante Anmerkungen. Die DVD der "Walküre" hat Sascha hier kurz rezensiert; außerdem gibt es zu dieser Inszenierung hier einige enthusiastische Beiträge von Edwin, Sascha, Medard und Alviano.
Viele Grüße
Bernd
Und noch zwei Beiträge von Theophilus und mir:
ZitatAlles anzeigenOriginal von Theophilus
Wie man auch nur auf die Idee kommen kann, einen derartigen inszenatorischen Fleckerlteppich als "überzeugende Ring-Regie" zu bezeichnen, übersteigt mein Vorstellungsvermögen.
Du kannst du dich ja dann schon darauf freuen, wenn irgendein Opernchef die revolutionäre Idee entwickelt, jeden Akt von einem anderen Regisseur inszenieren zu lassen, auf diese Weise die wirklich totale Ring-Demontage zu betreiben und das seinem Publikum auch noch als Errungenschaft zu verkaufen. Die Klientel dafür scheint ja vorhanden zu sein...
ZitatAlles anzeigenOriginal von Zwielicht
Auch und gerade der "Ring des Nibelungen" ist ein offenes Kunstwerk. Man kann ihn als einen großen, einheitlichen Weltentwurf auffassen und inszenieren - so wie das etwa Götz Friedrich mit seinem "Zeittunnel" oder eben Herbert Wernicke mit einem Einheitsbühnenbild für alle vier Teile gemacht haben. Man kann aber auch mit Fug und Recht gerade diese Einheitlichkeit in Zweifel ziehen: in gewisser Hinsicht ist der "Ring" nichts anderes als ein weltanschaulicher und musikalischer "Fleckerlteppich" - das aber auf höchstem Niveau. Gerade in dieser Buntheit und vielfachen Anschlussfähigkeit, in den unbehauenen Ecken und Kanten und in den losen Fäden kann man viel Interessantes entdecken.
Insofern ist es völlig legitim, vier verschiedene Opern zu inszenieren und nicht die eine große "Megaoper". Das Ergebnis in Stuttgart spricht für sich. Wenn der Regisseur nicht ständig damit beschäftigt ist, die vielen Fäden in der Hand zu behalten und jedes Ereignis auf seine Relevanz für den Untergang der Welt zu überprüfen, dann kommen die einzelnen Fäden viel besser zu ihrem Recht: die Intensität der einzelnen Handlungsstränge (z.B. der Wälsungentragödie) erlebt man selten so intensiv wie hier. Vor allem wird die Verschiedenartigkeit der vier Opern mustergültig herausgetrieben: die Tragikomödie des "Rheingolds", die Tragödie der familiären Beziehungen in der "Walküre", die Groteske "Siegfried" (auch und gerade im dritten Akt!) und schließlich als Höhepunkt eine gar nicht schwarze, finstere und ausweglose, sondern höchst lebendige "Götterdämmerung".
Viele Grüße
Bernd