Klassik zur Abschreckung — Sinnvolle Nutzung oder Mißbrauch unserer Musik?

  • Im Kampf gegen explodierende Kriminalität und ausufernden Drogenhandel im Berliner U-Bahn-Netz, glauben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) jetzt eine wirkungsvolle Waffe gefunden zu haben. In einem Artikel der Berliner Zeitung vom 03.08.2007 heißt es:



    Sarkastisch könnte man anmerken, die Berliner Opernhäuser haben bewiesen, daß das Grundkonzept tragfähig ist. Doch wie reagiert der gemeine Klassikfreund, wenn seine geliebte Kunst zum Abschreckungsmittel degradiert wird? Empören wir uns über den Mißbrauch unserer Musik? Freuen wir uns darüber, daß künftig auch der arglose Nahverkehrsnutzer in unserem Sinne „angefixt“ wird? Oder ist uns die ganze Sache eh egal, da wir ohnehin nur mit dem Auto fahren?


    Werde ich mich künftig auf den U-Bahnhof Hermannplatz (zugleich gewaltige Akustik und Schwerpunkt der Drogenszene) setzen, und mir z.B. Turandot oder Il Turco in Italia anhören können? Was ist gegen die allfälligen Huster und Schniefer geplant (von der Zumutung einfahrender Züge ganz zu schweigen).


    Ist die (scheinbare) Tatsache, daß die unterpriveligierten Schichten auf klassische Musik allergisch reagieren, ein schlagender Beweis für den elitären Charakter unserer geliebten Tonkunst?


    Wie sieht wohl die musikalische Konzeption des Vorhabens aus? Die Aussage der BVG-Sprecherin „Ouvertüren italienischer Opern - allerdings ohne Gesang“ läßt gar Grauenvolles befürchten: Die Wilhelm-Tell-Ouvertüre in Endlosschleife, intoniert auf einer Hammond-Orgel — und dann auch noch „ohne Gesang“!!! :wacky:


    In Hamburg, München und anderen Städten sollen bereits ähnliche Projekte laufen. Gibt es Forianer, die eigene Erfahrungswerte aus diesen Orten zu berichten haben?


    Zusammenfassend gefragt: Wie denkt ihr über das Thema „Klassik zur Abschreckung“?!



    Fragenreiche Grüße sendet Euch


    Laurenz :hello:

    `
    (...) Eine meiner frühesten Erinnerungen im Zusammenhang mit der Musik betrifft einen Abend, an dem das Rothschild-Quartett bei uns ein hochmodernes Werk von Egon Wellesz spielen sollte. Die Stühle waren den Musikern zu niedrig, so nahmen sie unsere Bände mit Schubertscher Kammermusik, um damit ihre Sitze zu erhöhen. Ich dachte, wieviel schöner es wäre, wenn sie auf Wellesz sitzend Schubert spielen würden (...)


    — aus „5000 Abende in der Oper“ von Sir Rudolf Bing —
    .

  • Lieber Sonnensucher!
    Oh Gott, was für eine Vorlage für Edwin: allerdings ist fraglich, ob Drogendealern etwaige Intonationsschwächen wirklich auffallen werden....


    Abgesehn davon fangen sich die Leute ja auch hier zu streiten an, wie soll das also funktionieren?


    Anstatt italienischer Opern würde ich eher für "härteren Stoff" des 20. Jahrhunderts plädieren- da hätte ich immer einen Sitzplatz!
    :hello:

  • Hallo Laurenz,


    bei uns in Hamburg läuft in den U-Bahn-Stationen rund um den Hauptbahnhof schon seit Jahren "klassische Musik" zwecks Junkie-, Bettler- und Obdachlosenvergrämung. Der Senat wollte u.a. mit dieser Maßnahme die Drogen- und Obdachlosenproblematik an innerstädtischen Brennpunkten, die vor allem von auswärtigen Pendlern und Touristen frequentiert werden, bekämpfen. Dies hat aber nur dazu geführt, dass sich diese Szene auf U- und S-Bahnstationen jenseits der Innenstadt oder, vor allem beim Drogenhandel, in Nebenstraßen und Privatwohnungen verlagert hat. Insofern also bloß eine für die heutige Zeit typische Maßnahme, welche nur die Symptome, nicht aber die Ursachen selbst bekämpft. Man ist zufrieden damit, dass die Szene aus der "guten Stube" der Stadt verschwunden ist und sich die "City" zahlungskräftigen Touristen und Wochenendshoppern weitgehend fleckenlos präsentieren kann.


    Dass dafür der Typus von Musik, der einem lieb und teuer ist, verwendet wird, stimmt mich schon traurig und verstärkt den Eindruck, geschmacklich zu einer kleinen Minderheit zu gehören (was anderen, elitärer orientierten Klassikfreunden durchaus gefallen könnte). Allerdings ist die Auswahl der Musikstücke denkbar unoriginell und stammt offensichtlich von CDs mit Namen wie "Best of Classics" oder so ähnlich. Ich kann mich jedenfalls noch an einen Tag erinnern, an dem die "Moldau" andauernd über die Stationslautsprecher erklang. Welche Musik ich nehmen würde? Auch wenn ich die ganze Sache ziemlich fragwürdig finde, täte ein bißchen Abwechsluing doch mal ganz gut. Wie wäre es denn mal mit Varèse oder Scelsi? Das könnte, gerade in den Nachtstunden, doch atmosphärisch recht interessant werden...


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • guten morgen...


    also einerseits finde ich die idee nicht schlecht aber andererseits ist das natürlich ein tritt in den allerwertesten jedes einzelnen klassikliebhabers. :untertauch:


    vielleicht ist dies aber auch nur ein weiteres zeichen für uns, dass unsere musik in der heutigen gesellschaft für die meisten leute zumindest nichts besseres ist als jede andere musik. so wie heute die hälfte aller leute den hiphop verdonnert, muss sich auch immer mehr unser klassikstil durchschlagen.
    ich denke also, dass dies nicht nur eine klitzekleine unverschämtheit ist, sondern auch ein gleichstellen mit dem rest der welt. aufregen können wir uns richtig, wenn klassische musik als todesstrafe gespielt wird :rolleyes:
    allerdings könen wir uns auch freuen: wird dort überall klassik gespielt, heißt das, dass das budget erhöht wurde :D


    mit grüßen aus dem halbschlaf...


    widor



    ps: der autor des zeitungsartikels gehört für die zweideutigkeit des titels geknutscht =)

  • ich finde das alles recht jämmerlich und wie Giselher schon gesagt hat, anstatt die bröckelnde Mauer zu reparieren hängt man einfach ein Bild drüber - aber das kennt man ja von diesem Staat.


    Was will man auch von einer Regierung (Hamburg) erwarten die 80 % der Kunststudenten exmatrikulierte weil sie sich den Boykott der Studiengebühren anschlossen und nicht zahlten, da hatte die frz. Revolutionsregierung von 1793 wohl mehr Kulturverständnis und die bestand schon nur aus Dieben, Zuhältern und anderem lichtscheuen Gesindel.


    Ich empfinde das als tiefe Beleidigung (auch wenn ich meine dieses tolle Konzept schon vor Jahren gehört zu haben) - bin mal gespannt, wann sie Reproduktionen von Rubens, van Gogh oder Picasso aufhängen, damit es auch noch eine optische Belästigung gibt.


    Irgendwann wird jeder Künstler hoffentlich dieses Land verlassen, denn soetwas ist nicht nur eine Beleidigung der Klassikhörer sondern vor allem für Musiker und Komponisten, also die Künstler.


    Ich werde jedenfalls einem Staat der so die kulturellen Leistungen "würdigt" den Rücken kehren und ihn von mir aus auch offen bekämpfen - das ist eine Schweinerei ohne Gleichen und ein Schlag ins Gesicht für jeden Künstler!


    bevor ich platze, höre ich lieber auf zu schreiben - Montezumas Rache soll sie alle treffen, dazu kurze Ärmchen, Gewitter und kein Papier :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry: :angry:

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  • Zunächst möchte ich anmerken, daß mein Beitrag durchaus zynisch ironisch zu verstehen ist.


    Man kann letztlich ALLES vielseitig verwenden.


    Als jemand in meiner einstigen Firma ein Kopierprogramm auf dem Computer (damals noch Amiga) entdeckte, meinte er: "Aha - gegens Raubkopieren wettern und selber das Gleiche tun! "


    (Wir kopierten damals Public Domain Disketten mit "Verify" - ein Feature das gleich überprüft ob die Kopie fehlerfrei war)


    Ich drehte mich in Richtung dessen, der diese Bemerkung gemacht hatte und sagte ironisch: "lieber Herr - sie verkennen die Sachlage - Nicht jeder der ein scharfes Küchenmesser sein eigen nennt ist ein potentieller Mörder"


    So ist es auch mit der "klassischen Musik" und ihrem Einsatz - wie mit jeder Sprache oder Ausdrucksform. Wenn ich beleideigen will, dann werde ich (in der Regel) eher nicht ordinör, sondern beginne in hochgestochenem Deutsch zu reden (man vergl. die Sprachmelodie von E. Schwarzkopf)


    Genauso kann man mit "klassischer Musik" das entsprechende Zielpublikum verjagen - ebenso wie man mit "modernen Inszenierungen" an Opernhäusern das etablierte bürgerliche Abonnementpublikum gezielt verjagen will.


    Zitat

    Ist die (scheinbare) Tatsache, daß die unterpriveligierten Schichten auf klassische Musik allergisch reagieren, ein schlagender Beweis für den elitären Charakter unserer geliebten Tonkunst?


    Tendenziell sicherlich ja.
    Klassische Musik wird von vielen als Statussymbol gesehen, sowohl von jenen, die diesen Status besitzen - als auch von jenen die ihn bekämpfen - hier hat sich eine Allianz gebildet die in ihrer Wirksamkeit geradezu unübertroffen zu sein scheint.


    Aber die Zukunft wird es Weisen:


    Stimmt die Lehre vom Gesetz der Anpassung UND jene, daß klassische Musikerziehung die Basis für spätere Klassikfreunde sei, dann könnte die Welt bald anders aussehen:


    Gammler, Sandler und Kleinkrimminelle könnten vor Opern und Konzerhäusern lungern und mit Sprüchen wie: "Bitte um etwas Geld für eine Eintrittskarte" das Stadtbild und die Gesellschaft zu Positiven verändern, bzw die Stadtverwaltungen mit Bittbriefen bombardieren auf den U-Bahn - Stationen doch endlich GANZE Werke zu spielen......


    Die Klassische Musik verlöre ihren Ruf als Statussymbol - Manager und Opinionleader würden - so sie es nicht ohnedies bereits getan haben - der klassischen Musik ihre Aufmerksamkeit entziehen - und anderen Beschäftigungen mit Statussymbolwert nachgehen, wie z. B "Schafe züchten" oder "Kunstwerke die gar keine sind sammeln".


    Insofern ist die Initiative zu begrüßen - der kritische Anklang im Threadtitel gefällt mir überhaupt nicht.


    Es war höchste Zeit, die Auswirkung von Klassischer Musik im einzelnen zu testen. Hier ist noch ein weites Feld zu beackern:



    Klassische Musik am Fließband
    Klassische Musik am Arbeitsamt
    Klassische Musik im Freudenhaus


    etc. etc.



    In Wien läuft ja derzeit bereite seit einigen Jahren ein Pilotprojekt


    Klassische Musik in der Bedürfnisanstalt. Nein das ist bitte KEIN Witz !!
    (auch die vonm Lullisten angeregten optischen Aufmunterungen wurden hier verwirklicht)
    Wie sagt schon der Spruch der Wiener Fremdenverkehrswerbung:
    "WIEN IST ANDERS"


    viele Grüße von ebenda


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Sonnensucher


    Sarkastisch könnte man anmerken, die Berliner Opernhäuser haben bewiesen, daß das Grundkonzept tragfähig ist.


    :hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha::hahahaha:


    Aber zum Thema:


    Natürlich gruselt es mich ein wenig, wenn ich mir vorstelle, daß die armen Berliner von nun an 24 Stunden lang mit der kleinen Nachtmusik und der Moldau berieselt werden sollen. Bis eine Entscheidung gefallen ist, werden die italienschen Opern-Ouvertüren bestimmt als zu ausgefallen schon wieder ad acta gelegt worden sein.


    Andererseits ist diese Art der Beschallung doch allemal besser als irgendwelche Meditations-CDs - auf die Idee hätte die Stadt ja schließlich auch kommen können... 20minütige Keyboardteppiche, unterlegt von Wassergeplätscher, würden ihre Wirkung auch entfalten - und sei es, daß die Toilettendamen mehr verdienen würden :pfeif:


    Erschreckend finde ich allerdings, daß die Beschallung anscheinend wirkt (siehe Hamburg). Was geht in den Menschen vor, die stundenlang irgendwelche Kaufhausmucke ertragen, aber mit Klassik nicht klar kommen?


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Hallo zusammen!


    Die Verwendung klassischer Musik für die oben angesprochenen Zwecke und als Handy-Klingeltöne finde ich :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz:.


    Mich stimmen diese Verwendungszwecke nicht traurig, sondern ich werde aggressiv, wenn ich dieser Dauerberieselung ausgesetzt bin, während ich mich daheim oder im Konzert oder in der Oper beim gezielten Hören von klassischer Musik entspannen kann.


    Bei mir hat diese Vorgangweise also den genau gegenteiligen Effekt. Zudem kommt, dass mir die Melodien der Dauerberieselung dummerweise dann oft stundenlang nicht aus dem Kopf gehen, was mich noch mehr verärgert, weil es manchmal auch nicht sonderlich gute Interpretationen der Werke sind.


    Für mich ist die Verwendung von klassischer Musik für Dauerberieselung in Bahnhöfen und Kaufhäusern und als Handy-Klingeltöne eindeutig Mißbrauch dieser Musikgattung

  • ich glaube außerdem dass dieser Effekt mit jeder Art von Musik zu erreichen ist.


    Dafür allerdings gezielt Klassik auszusuchen ist eben eine Bestätigung dafür wieviel Achtung man vor Kunst im Allgemeinen hat.


    Ich kann das auch keinesfalls belächeln oder mich dadurch elitär fühlen.


    Denn sobald man selbst Kunst macht und dafür lebt, dann ist dieser Mißbrauch eine Schweinerei die sich hoffentlich entsprechend rächt.
    Soetwas hat es in der Form noch nie gegeben, jede Epoche hat der Kunst, auch wenn sie vieleicht oft nur als Handwerk angesehen wurde, stets Respekt entgegengebracht - das sind Methoden die ihre Wurzeln in der Menschenverachtung der vergangenen Diktaturen haben. :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: :kotz:

  • Zitat

    Original von Erna
    ...
    Bei mir hat diese Vorgangweise also den genau gegenteiligen Effekt.
    ...


    Wieso? Du wirst vergrämt und das war doch der Zweck der Übung. :pfeif:


    Dass man über das eigentliche Zielpublikum hinaus auch die Klassikliebhaber vergrault ist ein Nebeneffekt, der bewusst in Kauf genommen wird. Das nennt man Kollateralschaden....


    8)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • ... zumal die Quote an Klassikliebhabern vermutlich ähnlich hoch eingeschätzt wird wie die an Drogendealern...


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Zitat

    Original von Hans Sachs
    ...
    ...zumal die Quote an Klassikliebhabern vermutlich ähnlich hoch eingeschätzt wird wie die an Drogendealern...


    Das habe ich mir nicht mehr zu schreiben getraut!


    :hahahaha:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich sehe eigentlich auch keine neue Qualität gegenüber der seit Jahren nicht unüblichen Verwendung von Klassischer Musik (oft, aber nicht immer in verpoppten Arrangements) in Werbung, Supermarkt, Fahrstuhl, Telephonwarteschleife und was weiß ich noch. Beim legendären Computerspiel "Lemmings" gab es in einigen Levels Mozarts alla turca als Hintergrundmusik.
    So what?


    So wenig ich die Verwendung von Klassik als Hintergrundmusik begrüße, ist es mir meistens doch noch lieber als andere Hintergrundmuzak oder nerviger Pop aus dem Dudelfunk.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Theophilus!


    Mit Deinem Einwand hast Du eigentlich recht, der Zweck ist erreicht, ich flüchte aus dem Bereich der Berieselung und ärgere mich noch dazu fürchterlich. So gesehen, war mein vorheriges Posting, dass der Effekt bei mir ein anderer ist, falsch. Ich werde überhaupt generell aggressiv bei Hintergrundmusik jeglicher Art. sei es in der Werbung und in der Telefonwarteschleife usw., aber am Schlimmsten ist es eigentlich doch, wenn dazu noch Pop-Musik verwendet wird, nicht einmal habe ich dann den Telefonhörer aufgelegt, weil ich so nah am Ohr und vor allem so laut überhaupt keine Musik vertrage und später nochmals angerufen. Ich kann auch z.B neben der Hausarbeit oder im Büro keine Musik hören. Wenn ich mich mit Musik beschäftige, muss sie meine ungeteilte Aufmerksamkeit haben.

  • Auch für mich stellt es keinen qualitativen Unterschied dar, ob im Kaufhaus oder beim Handyläuten Klassik ertönt - dazu kommt, dass ich Musik als Berieselung grundsätzlich ablehne - ich finde es grauenhaft, habe aber überhaupt nicht das Gefühl, dass das etwas mit "meiner" Musik zu tun haben könnte - die erlebe ich anders und woanders, deswegen fehlt mir der konkrete "Aufreger", wenn jetzt die U/S-Bahnstationen mit Klassik beschallt werden - ich empfinde das als akustische Belästigung, aber das wäre es auch, wenn die Yamashta oder Vollenweider spielen würden.


    Mein zuständiges Finanzamt hat als Warteschleifenmusik "Eine kleine Nachtmusik", ich werde da wahnsinnig, zumal ich eigentlich immer warten muss und die Version so eine Computerklingelei ist.


    Als Handyklingelton gefällt mir am besten das Läuten eines ganz alten Telefons: das ist herrlich anachronistisch und passt zu mir, konservativ wie ich nunmal bin :wacky:

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  • Hallo,
    also, vor zwei Jahren stieg ich in Hamburg,
    völlig unbeleckt aus dem Zug (bin ja ein Landei), trat auf den Vorplatz und dachte:
    Was ein schöner Empfang, man spielt Haydn für mich! :jubel:
    Weitere Gedanken:
    Naja den Sound aus diesen quäkenden Lautsprechen kann man nicht direkt genießen, vielleicht sollten die mal bessere Lautsprecher aufhängen... :angel:


    Bis meine bessere Hälfte mich auf den Zweck der Musik aufmerksam machte.
    Völlig von den Socken verpasste ich den nächsten Titel und nach weiterem Grübeln saß ich auch schon in der Taxe zum Hotel....


    Erholt hab ich mich bis heute nicht von dem Schock :faint:


    Kulturell gehts wohl mit Riesenschritten bergab :no:



    Gruß
    embe

  • Hm, in München gibt es das schon länger - in der U-Bahn-Haltestelle "Universität", die ich im Studium regelmäßig frequentierte und (bin mir da nicht mehr ganz sicher) am Odeonsplatz spielten sie in einer Tour Klassikfetzen: Beethovens Pastorale, Vivaldi etc.; in gurkigem Sound und eher dudeligen Interpretationen...


    Ob der Sinn dahinter auch Abschreckung oder doch eher Bildung war blieb mir verschlossen.


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Hallo ihr Lieben,


    wie embe und Barezzi bereits bestätigten ist das nicht neu. Der Trend kommt wohl aus den USA, wo man versuchte die Shopping-Malls für Jugendgangs uncool zu machen.


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    So wenig ich die Verwendung von Klassik als Hintergrundmusik begrüße, ist es mir meistens doch noch lieber als andere Hintergrundmuzak oder nerviger Pop aus dem Dudelfunk.


    Dem schließe ich mich an. Geht mal durch eine durchschnittliche deutsche Einkaufsstraße, dort wo die ganzen Boutiquen und Bekleidungsketten angesiedelt sind, wie in der Disco. Und die Leute erst... :D


    Schöner wäre natürlich gar keine Musik (als Hintergrundbeschallung), es sei denn bespielsweise ein lebendiges Streichquartett spielt vor Ort. Sowas höre ich mir immer gerne an. Aber wenn's denn Beschallung sein muß, nehme ich doch lieber den Haydn...



    :hello:

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Und dann gibt es noch Leute, denen gefällt sowas:



    Für diese Art von "Musik" habe ich mal einen Ausdruck gewählt, der einigen Forumsschreibern mißfallen hat.
    Doch wer Ohren hat zu hören, der höre (Hörbeispiele per Mausklick zu "genießen") und bilde sich seine eigene Meinung. Man darf gespannt sein. :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Siegfried,



    ich würde sagen, Du bist mit falschen Erwartungen an die Sache heran gegangen, sicher das ist auch nichts was ich mir anhören würde wenn ich zu Hause auf der Couch liege - aber ich bezweifle das Nono das dafür auch gemacht hat - die Titel der Werke sind da doch recht eindeutig



    Die Klangbeispiele finde ich z.B. hoch interessant, würde das aber eher unter dem Aspekt "Soundinstallation", also in den Bereich bildenden Kunst stellen.
    Das hat auch etwas mit aus-testen des Machbaren zu tun, so kommt es mir vor, klingt zumindest beängstigend (was bestimmt beabsichtigt ist) sphärisch und wie ein zu Ton gewordenere (Alp)Traum


    Ich kann nicht viel dazu sagen, aber ich finde es ziemlich interessant und würde gerne mehr dazu erfahren (also falls jemand was weiß :D )

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  • Bleibt die Frage, was uns der Autor mit seinen Zeilen mitzuteilen wünscht: plädiert Siegfried dafür, statt Smetana in der U-Bahn-Station lieber Nono zu spielen?


    Das ist ne tolle Idee, so als Performance, inszeniert von Christoph Schlingensief, sowas kann der.


    Vielleicht in der schon angesprochenen U-Bahn-Station "Hermannsplatz" in Berlin. Das Publikum, zufällig zusammengesetzt, wird mit Kunst konfrontiert. Zu Beginn vielleicht von Cage: 4´33´´, im Eingang zum "Karstadt" spielt dann ein Solo-Cellist Varese als Endlosschleife, während im Zwischenstock ein Schlagwerkensemble "Die Karawane" von Hölszky aufführt. Am Bahnsteig direkt kommt Steve Reich zu Gehör, eventuell mit der "Music for 18 musicians".


    Schlingensief, mit wirrem Haar und dem Charme eines durchgeknallten Showmasters fragt die Menschen nach ihren Empfindungen beim Hören der Musik, während im Hintergrund Nackte beiderlei Geschlechts die Menschen auffordern, sich für eine bessere Welt gleichfalls zu entkleiden.


    Hat was... (äh, wo ist der Ausgang aus diesem Thread... :D)


  • :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:
    Jetzt wäre ich beinahe vom Stuhl gekippt!
    lg Severina :hahahaha:

  • Wenn wir hier schon Planspiele betreiben...


    Stockhausens Streichquartett für Helikopter wär doch 'ne prima Sache für Brennpunkte, wo sich die Polizei mit 'nem popligen Streifenwagen nicht mehr reintraut. Kombinieren könnte man das ganze mit Außenlautsprechern aus denen der Ritt der Walküre... Naja, lassen wir das lieber.


    :beatnik:

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Hi , Gentilhombre!


    Ritt... Walküre... Wagner =) :] :D


    :baeh01:


    LG Florian


    PS.: Bin nun mal Wagnerianer und kanns nicht ändern, sorry für OT :untertauch:

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."

  • würdet ihr das alles ernst meinen und nicht nur lästern, könnte man meinen ihr macht Kunst :beatnik:



    aber das ist eben der Klischee Mist den man überall zusehen bekommt,
    keine Performance ohne Saxophon oder Cello :kotz: :kotz: :kotz: :kotz: (etc.)



    Deshalb wollte ich extra für meine Hochschule etwas besonderes machen:


    30 Mann in Barockkostümen (das muss sein) :D


    verprügeln sich gegenseitig mit Schaumstoffschlägern und rezitieren dabei Brechts "Die Maßnahme"


    und dabei spielt ein Cellist Bachs Präludium aus der Suite No.1




    Was das soll ?!


    Also bitte, das ist doch Sonnenklar, soviel Bildung sollte doch jeder nun wirklich haben:




    Es ist der reinste Stuss.
    Das wäre nämlich Kunst so wie sie leider ständig produziert wird, ich kenne keines von Brechts Werken, hab nie was gelesen, interessiert mich auch nicht - aber es ist angeblich hoch intellektuell, nehme dazu das erst beste Stück klassische Musik und mache eine Massenveranstaltung: fertig.


    :D

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  • Zitat

    Original von Siegfried
    Und dann gibt es noch Leute, denen gefällt sowas:



    Für diese Art von "Musik" habe ich mal einen Ausdruck gewählt, der einigen Forumsschreibern mißfallen hat.
    Doch wer Ohren hat zu hören, der höre (Hörbeispiele per Mausklick zu "genießen") und bilde sich seine eigene Meinung. Man darf gespannt sein. :hello:



    Ich weiß nicht, warum dieses Thema in diesem Thread wieder aufgewärmt werden muss. Aber wenn schon, dann bitte korrekt.



    Siegfried hatte im Thread Aufnahmen, die ich nie wieder hören möchte auf den Threadtitel Bezug genommen:



    Zitat

    Original von Siegfried
    Die Irrenhausmusik eines gewissen Luigi Nono (Nomen est omen)



    Darauf hatte ich geantwortet:



    Zitat

    Original von Zwielicht
    Es steht ja jedem frei, die Werke von Luigi Nono nicht zu mögen und nie mehr hören zu wollen. Verbalinjurien wie "Irrenhausmusik" fallen allerdings auf den Verfasser des Beitrags zurück.



    Worauf Siegfried erwiderte:



    Zitat

    Original von Siegfried


    Wie alles, was hier geschrieben wird. Damit kann ich aber leben. :hello:



    Es dürfte klar sein, dass es mir nicht primär um die Wertschätzung oder Ablehnung der Musik Nonos ging, sondern um die Verwendung der Vokabel "Irrenhausmusik" - die sich für mich jenseits eines akzeptablen Sprachgebrauchs bewegt und historisch erheblich belastet ist.


    Was die jetzt von Siegfried gepostete Nono-CD betrifft: Hierauf befindet sich u.a. die Komposition "Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz" ("Erinnere Dich daran, was man Dir in Auschwitz angetan hat"). Sie stammt aus einem größeren Kontext, nämlich aus einer Musik, die von Nono 1966 zum Theaterstück "Die Ermittlung" von Peter Weiss komponiert wurde (das wiederum auf dem Frankfurter Auschwitz-Prozess basiert). Hier sind verschiedene Elemente (u.a. Gesang einer Sopranistin und eines Kinderchors, instrumentale und elektronische Klänge) von Nono für ein Tonband zusammengemischt worden - das Ganze gehört also zum Genre der elektronischen Musik. Dass es schon allein aufgrund der Thematik nicht um das "Genießen" von Musik gehen kann, sollte klar sein (und ist ja auch bereits vom Lullisten erkannt worden).


    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo celloflo,


    Asche auf mein Haupt. Du hast selbstverständlich Recht. Ich habe mir das irgendwann mal falsch gemerkt, und seitdem... :rolleyes: :no:


    Ich habe meinen kulturlosen Fauxpas oben korrigiert und gelobe hiermit Besserung – auch als nicht-Wagnerianer.
    [SIZE=7]Dabei klingt die Pluralform doch noch viel Imposanter im Titel[/SIZE]:P


    Aber zurück zum Thema: es geht schließlich um Musikmißbrauch und nicht um Titelvergewaltigung.



    :hello:

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Hallo Bernd,


    Danke für Deine Erläuterung, dazu muss ich sagen, dass ich ja auch nur die Hörschnipsel kenne, aber jetzt da ich Deine Übersetzung des Titels gelesen habe, kann ich mich vor der Emotionalität und der Sensibilität Nonos nur noch verneigen.


    Ich glaube ich werde mir die Cd kaufen - Danke Siegfried für den Tip :D

  • Hallo,


    ich bin auch nicht überzeugt, dass das Konzept Dealer und Junkies abschreckt. Ein mächtig geschmetterter Walkürenritt lässt den Trip doch gewaltig abgehen!!! :beatnik: :beatnik:


    Hier in München gibt es das tatsächlich, allerdings ohne Walkürenritt - schade -, und überdies eher ziemlich gedudelt und kakophonisch gemischt mit quietschenden Bahnbremsen, quäkenden Lautspechern und Fussballgejohle. Und die Junkies sind erwartungsgemäß gebleiben.


    Wenn mal Ruhe ist im Untergrund, dann ist das eigentlich ganz schön. Was solls auch? Ich sehe hier keinen Grund, mich aufzuregen. Wenn ich eine gute Aufnahme hören will, weiß ich, dass ich die nicht in der U - Bahn finden kann...


    LG


    Ulrica
    (leider im Moment nur phasenweise PC - zugänglich)

  • Hallo Sonnensucher,
    gerade wollte ich meinen ersten thread mit eben diesem Thema eröffnen, aber Du warst schneller. ;( :motz: ;)

    Zitat

    Original von der Berliner Zeitung


    Die BVG will in U-Bahnhöfen klassische Musik spielen, um Drogenhändler zu vertreiben


    Heißt das, ich kann dort nicht mal mehr Bier und Zigaretten kaufen, weil die Kioskbesitzer alle das Weite gesucht haben? :angry: :motz:

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