Im Kampf gegen explodierende Kriminalität und ausufernden Drogenhandel im Berliner U-Bahn-Netz, glauben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) jetzt eine wirkungsvolle Waffe gefunden zu haben. In einem Artikel der Berliner Zeitung vom 03.08.2007 heißt es:
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Orpheus in der Unterwelt
Die BVG will in U-Bahnhöfen klassische Musik spielen, um Drogenhändler zu vertreiben
Zumindest die Freunde italienischer Opern werden es zu schätzen wissen, was die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) derzeit planen. Das Landesunternehmen will auf U-Bahnhöfen klassische Musik und Operettenmelodien spielen, kündigte die Sprecherin Petra Reetz gestern an. "Wir werden dies erst einmal auf zwei Stationen erproben und prüfen gerade, welche das sein werden." Der Test soll noch 2007 beginnen. Wenn sich dieser Versuch als erfolgreich erweist, soll es auch auf anderen U-Bahnhöfen eine leise Dauerbeschallung geben. Reetz: "Ouvertüren italienischer Opern kommen dafür in Frage - allerdings ohne Gesang."
Der BVG geht es jedoch nicht an erster Stelle darum, klassikbegeisterten Fahrgästen eine Freude zu bereiten. Die Musik soll vor allem dazu beitragen, die U-Bahnhöfe sicherer zu machen. Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass eine Klangberieselung Drogenhändlern, Wohnungslosen und anderen, die unberechtigt oder zu lange in den Stationen verweilen, gehörig auf die Nerven geht. Meist mit der Folge, dass sie sich lieber woanders aufhalten - was dazu führt, dass sich die Fahrgäste sicherer fühlen. [...]
"Wir setzen auf den psychologischen Effekt", so Reetz. Auf Fahrgäste, die nur kurz im U-Bahnhof bleiben, kann Klassik beruhigend wirken. Nach dem Motto: Wer in süßen Tönen schwelgt, kommt nicht auf dumme Gedanken. [...]
Quelle: h**p://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/berlin/674961.html
Sarkastisch könnte man anmerken, die Berliner Opernhäuser haben bewiesen, daß das Grundkonzept tragfähig ist. Doch wie reagiert der gemeine Klassikfreund, wenn seine geliebte Kunst zum Abschreckungsmittel degradiert wird? Empören wir uns über den Mißbrauch unserer Musik? Freuen wir uns darüber, daß künftig auch der arglose Nahverkehrsnutzer in unserem Sinne „angefixt“ wird? Oder ist uns die ganze Sache eh egal, da wir ohnehin nur mit dem Auto fahren?
Werde ich mich künftig auf den U-Bahnhof Hermannplatz (zugleich gewaltige Akustik und Schwerpunkt der Drogenszene) setzen, und mir z.B. Turandot oder Il Turco in Italia anhören können? Was ist gegen die allfälligen Huster und Schniefer geplant (von der Zumutung einfahrender Züge ganz zu schweigen).
Ist die (scheinbare) Tatsache, daß die unterpriveligierten Schichten auf klassische Musik allergisch reagieren, ein schlagender Beweis für den elitären Charakter unserer geliebten Tonkunst?
Wie sieht wohl die musikalische Konzeption des Vorhabens aus? Die Aussage der BVG-Sprecherin „Ouvertüren italienischer Opern - allerdings ohne Gesang“ läßt gar Grauenvolles befürchten: Die Wilhelm-Tell-Ouvertüre in Endlosschleife, intoniert auf einer Hammond-Orgel — und dann auch noch „ohne Gesang“!!! :wacky:
In Hamburg, München und anderen Städten sollen bereits ähnliche Projekte laufen. Gibt es Forianer, die eigene Erfahrungswerte aus diesen Orten zu berichten haben?
Zusammenfassend gefragt: Wie denkt ihr über das Thema „Klassik zur Abschreckung“?!
Fragenreiche Grüße sendet Euch
Laurenz