Bevorzugte Beethoven-Dirigenten

  • Hallo


    Das oben angeschnittene Thema kam soeben in einem anderen Thread zu Sprache. Welche Dirigenten haltet ihr für ideale Beethoven interpreten ? Es ging ursprünglich darum , ob auch Italiener, im dort speziell angesprochenen Fall war das Toscanini, in Sachen Beethoven ganz vorne an der Spitze mitmischen können.



    Beste GRüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred


    ein sehr schönes Thema, was sicherlich dutzende Beiträge bringen wird. Die Beethoven-Sinfonien sind diejenigen Werke, die ich am meisten in vielfacher Interpretation auf CD habe, da ich am liebsten anhand der Beethovensymphonien Dirigenten "kennenlerne" und vergleiche. Mein erster Paket-Zyklus war Gardiners Einspielung, die mich sehr beeinflußt hat. In der falschen zeitlichen Reihenfolge lernete ich dann nach Gardiner erst bewußt die "alten Meister" kennen (von Furtwängler über Klemperer und viele viele andere bis Celibidache und Zinman). Gardiners Beethoven klingt super und ich höre ihn gerne immer wieder (seltsamerweise ausnahmsweise sogar im Gegensatz zu Harnoncourts Zyklus), aber Gardiner fehlt leider doch das gewisse etwas, mit dem die alten Kapellmeister noch eine ganz eigene Aussage, oder einen eigenen Charm mit einbringen. Toscaninis Zyklus höre ich auch sehr gerne obwohl er nun wirklich keinen "Schmäh" hat und mir Interpretationen mit Schmäh (Rubato, Unregelmäßigkeiten, spielerische Phrasierungen, etc. schwer zu formulieren, was ich eigentlich meine) deutlich lieber sind. Auch die vielgepriesene Aufnahme mit Fritz Reiner aus Chicago von Nr. 5+7 ist mir zu diktatorisch dirigiert, während Giulinis DGG 3+9 ein bisschen zu lahm daherkommt.
    Bei Furtwängler sind die Studioaufnahmen aus Wien (EMI) weit weniger spannend als die nervös-spontanen Livedarbietungen.
    Naja und über die vier Karajanzyklen und ihre unterschiedlichen Qualitäten wird ja eh an jeder Straßenecke gesprochen.
    Seltsam, daß ich eine kurze Klempererphase hatte, die zur Zeit eher ruht. Muß ich auch mal wieder hören. Leibowitz und Scherchen hatte ich leider bisher nicht gehört.
    Bin gespannt auf ausführlichere Beiträge
    Gruß aus Frankfurt

  • Hallo Alfred,


    ich wehre mich dagegen, einen Dirigenten automatisch mit einem Komponisten zu koppeln. Ein typischen XY-Dirigenten gibt es meiner Meinung nach nicht.


    Eine interessante und in sich geschlossene Aufnahme haben für mein Empfinden Gardiner und Leibovitz vorgelegt wo hingegen ich den Hype um Zinman nicht nachvollziehen kann. Vielleicht kann mal einer erklären, was an seiner Deutung zu überragend sein soll? :stumm:


    Meine Favoriten sind folgende (auch wenn ich bei einigen Symphonien mehrere Interpretationen angeben könnte)


    Symph. I und II



    Symph. III



    Symph. IV



    Symph. V



    Symph. VI



    Symph. VII


    siehe V


    Symph. VIII



    Symph. IX



    So, jetzt habe ich meine Favoriten erstmal genannt. Zu näherer Erläuterung bin ich gerne bereit :D

    Beste Grüße aus Bonn
    Matthias


    Ich tu', was meine Pflicht gebeut, doch hass' ich alle Grausamkeit (ROCCO)

  • Lieber Alfred,


    danke für dieses Thema, auch wenn es auf einer Fehlinterpretation des Toscanini-Threads von Deiner Seite beruht ;) Es gab in den 20er- und 30er-Jahren nicht die Diskussion, ob er denn, als Italiener, überhaupt qualifiziert sei, Beethoven zu dirigieren. Wagner war damals Thema. Unter Wagnerianern wurde dieses Thema sehr heiß diskutiert ... bis Toscanini 1930/1931 den grünen Hügel im Sturm eroberte (Parisfal, Tristan, Tannhäuser, ingsesamt 10 Aufführungen in zwei Jahren). Thematisiert wurde es prinzipiell aus dem historischen "Dirigentenstreit": hier die Mendelssohn-Schule (in der Folge Toscanini, Szell, Reiner, Karajan, Solti etc.) dort die Liszt/Wagner-Schule (in der Folge Mengelberg, Furtwängler, Bernstein etc.). Konnte ein Dirigent, dessen künstlerisches Chredo fast schon in fundamentaler Opposition zu Wagners Prinzipien stand über des heiligen Meisters Werke verinnerlichen und "passend" interprestieren?


    Und Beethoven-Dirigenten? Es ist, wie auch bei Wagner, die Größe dieses Meisters, dass sich seine Werke auf so verschiedene Art interpretieren lassen. Und entsprechend viele verschiedene Einspielungen habe ich mittlerweile. Von Nikischs legendärer 5. Symphonie bis zu den letzten Zyklen von Norrington und Barenboim. Festlegen will ich mich da auf keine. Spezialisten haben sich viele genannt, viele sind dazu ernannt worden.

    Gruß,
    Gerrit

  • Gerrit schrieb.


    Zitat

    danke für dieses Thema, auch wenn es auf einer Fehlinterpretation des Toscanini-Threads von Deiner Seite beruht


    Fehlinterpretationen und Fehlleistungen haben oft sehr wohlschmeckende Früchte zu Folge :D


    Ursprünglich wollte ich lediglich vermeiden, daß der Toscanini Thread abrutscht, dann kam ich auf dieses Thema, von dem ich mich freue, daß es so gut ankommt.


    Ich erlaube mir aber auch drauf hinzuweisen, daß es zu etlichen Beethoven-Sinfonien Einzelthreads gibt, etwas für Spezialisten halt:




    BEETHOVEN Ludwig van: Sinfonie Nr 3 in Es-dur op 55 Eroica
    BEETHOVEN Ludwig van: Sinfonie Nr 5 in c-moll op 67]Schicksallsinfonie
    BEETHOVEN Ludwig van: Sinfonie Nr 6 "Pastorale" (Alle Wetter !!!)
    BEETHOVEN Ludwig van: Sinfonie Nr 8 op 93 (Im Schatten der Anderen)
    BEETHOVEN Ludwig van: Sinfonie Nr 9 (Freude Schöner Götterfunke)
    BEETHOVEN Ludwig van: Sinfonien (Gesamtaufnahmen)



    Viel Spaß


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ideale Beethoven-Dirigenten sind für mich ganz klar Herbert von Karajan und Wilhelm Furtwängler.
    Gar nichts konnte ich anfangen mit den neun Symphonien von Sir John Eliot Gardiner, v.a. der 9ten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Salü,


    also Gardiner hat mich - ganz entgegen meiner Erwartung - mit seiner Leonoren-Ouvertüre absolut beeindruckt. Er hat das Werk fast zu einem meiner liebsten gemacht! :yes:


    Ich beziehe mich auf diese Leonoren-Ouvertüre [welche von I bis III auch immer es ist]:



    Ich höre sie im Moment rauf und runter. Da bin ich hoffnungslos verfallen. :D


    Ansonsten bin ich schwer abhängig von den Interpretationen des Jaap Schröder mit seinem Smithsonian Chamber Orchestra [1. und 3. - die 2te steht noch aus] sowie der 3. von Savall.


    Alles andere kann ich vorerst ohne mit der Wimper zu zucken ad acta legen.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat Felipe

    Zitat

    Ideale Beethoven-Dirigenten sind für mich ganz klar Herbert von Karajan und Wilhelm Furtwängler.


    Ja , is schon klar, vor allem weil die beiden nichts von Beethoven, sondern nur von sich selbst verstanden haben
    Aber Denken stört ja bekanntlich beim Musikmachen


    Schöne Grüße


    Wiesengrund

  • Seit ich die Einspielung der neun Symphonien schätzen und lieben gelernt habe, gehört Wolfgang Sawallisch für mich zu den großen Beethoven-Dirigenten. :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Das ist eine, so empfinde ich es jedenfalls, sehr schwer zu beantwortenden Frage. Meine bevorzugen Beethoven Dirigenten? Augenblicklich Roy Goodman und Monica Huggett mit der Hanover Band, deren Beethoven Zyklus mit seinem sperrigen Klangbild (leider vom Hall etwas getrübt :( ) aktuell für mich die Messlatte ist. Sehr gut finde ich auch Hogwood als Beethoven-Dirigenten. Insgesamt etwas treibender als Goodman/Huggett aber irgendwie auch kühler oder rationaler. Die Klavierkonzerte macht Hogwood exorbitant.
    Herausragende Beethoveninterpretationen im nicht-HIP-Sektor haben für meinen Geschmack eingespielt: Ferenc Fricsay (ich denke da an seine 9. mit den Berliner Philharmonikern oder auch an die 7. mit demselben Orchester), Hermann Scherchen (wobei ich hier nur Mono-Aufnahmen sämtlicher Symphonien aus den 1950ern kenne, die aber hinsichtlich der inneren Dynamik und des Drives so manchen HIP-Einspielung [etwa Norrington] die Rücklichter zeigen) und natürlich Carlos Kleiber (hier kenne ich aber nur die Studioaufnahmen der 5. + 7. und einen Livemitschnitt der 4.). Furtwänglers 9. mit den Berliner Philharmonikern von 1942 ist von apokalyptischer Intensität - IMO eine Sternstunde der Beethoven-Interpretation, auch wenn man (oder zumindet ich) am Ende immer irgendwie mit einem schalen, unguten Gefühl dasitzt. Weitere Beethoven-Einspielungen von Furtwängler kenne ich leider (noch) nicht.


    Mit Klemperers vielgerühmten Beethoven habe ich mich erst kürzlich beschäftigt. Bisher noch nicht mit rechtem Erfolg - ist vielleicht auch nicht der optimale Moment, da augenblicklich die HIPster mein Beethoven-Ideal bestimmen. Aber Herr Klemperer hat sicherlich Zeit...


    Aktuell höre ich mich durch Gardiners Beethoven-Zyklus. Ansprechende Interpretationen, so mein Eindruck, aber etwas glatt - zu einem bevorzugten Beethoven-Dirigenten wird es es, glaube ich, nicht schaffen.


    Ganz herzliche Grüße,
    Medard

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  • Meine Favoriten ohne jede Reihenfolge:
    Norrington, Gardiner
    Giulini
    Furtwängler


    Schön, dass es bei Beethoven so unterschiedliche Lesarten gibt. :yes:


    Hat eigentlich jemand von euch unter Jeffrey Tate mehrere Beethoven-Sinfonien? Ich habe nur die Siebte (und das Violinkonzert), und ich habe den Eindruck, dass mir sein Beethoven sehr gut gefallen könnte. Gar nichts Spektakuläres bei ihm, er lässt einfach schön musizieren und betont die Satzstrukturen.


  • Das klingt aber jetzt nichts besonders objektiv. :rolleyes:
    Die Karajan'sche Einspielung der 5ten Symphonie von 1961 etwa galt doch Jahrzehnte lang als die Einspielung schlechthin.
    Und Furtwängler wurde doch v.a. als Beethoven-Dirigent bekannt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zit. Felipe

    Zitat

    Die Karajan'sche Einspielung der 5ten Symphonie von 1961 etwa galt doch Jahrzehnte lang als die Einspielung schlechthin.


    So? Bei wem denn? Bestimmt nicht bei Leuten, die sich historisch um Beethoven gekümmert haben. Gleiches gilt für Furtwängler - Beethoven als Wurmfortsatz Wagners...
    Das alles hat viel mit Furtwängler und Karajan, aber nur wenig mit Beethoven zu tun


    Schöne Grüße


    Wiesengrund

  • Zitat

    Original von wiesengrund
    So? Bei wem denn? Bestimmt nicht bei Leuten, die sich historisch um Beethoven gekümmert haben. Gleiches gilt für Furtwängler - Beethoven als Wurmfortsatz Wagners...
    Das alles hat viel mit Furtwängler und Karajan, aber nur wenig mit Beethoven zu tun



    Darüber kann man sich streiten, und auch Dein Nickname-Patron Adorno, der bekanntlich von Furtwängler stellenweise fasziniert war, hat das wesentlich differenzierter gesehen. Ein plumper Dualismus, bei dem der "guten", historisch informierten Linie der Beethoven-Interpretation von Mendelssohn über Toscanini bis zu Gardiner eine "schlechte", subjektivistische von Wagner über Furtwängler bis zu Bernstein (?), Karajan (?) Celibidache (?) oder wasweißichwem gegenübersteht, ist doch reichlich pauschal, zumal sich reihenweise Dirigenten keiner der beiden Linien zuordnen lassen.


    Dank der hervorragenden Dokumentation auf Tonträgern lässt sich die Geschichte der Interpretation bei den Beethoven-Symphonien wie bei kaum einem anderen Werkkomplex detailliert nachvollziehen. Darüber könnte man trefflich diskutieren, aber schon die Fragestellung dieses Threads nach den "bevorzugten" Dirigenten führt ja schon wieder dazu, dass wir mehr über den Geschmack der einzelnen Forumianer erfahren als über die Geschichte der Beethoven-Interpretation und die Veränderung des Werks durch seine Rezeptionsgeschichte ...



    Viele Grüße


    Bernd

  • Ich will noch hinzufügen, daß ich Arturo Toscaninis Beethoven sehr schätze. :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    So? Bei wem denn? Bestimmt nicht bei Leuten, die sich historisch um Beethoven gekümmert haben. Gleiches gilt für Furtwängler .....



    Das kann man SO nicht sagen.


    Beide Dirigenten prägten jeweis DAS Beethovenbild ihrer Zeit - durchaus verschieden - aber (zumindest für die Zeitgenossen) beeindruckend - und - das muß an dieser Stelle gesagt werden - bis in unsere Zeit herüberstrahlend.


    Bei Karajan ist das weniger unverständlich als bei Furtwängler.
    Während Karajans Vermächtnis ja bereits in hervorragender Tontechnik konserviert wurde (auch - und vor allem in der analogen Aufnahme aus den frühen sechzigern des zwanzigsten Jahrhunderts) - so mag es für viele Musikfreunde ziemlich ungewohnt sein den duch recht kompakten Mono-Klang der Furtwängler Einspielungen zu hören.- Dennoch - seine Aufnahmen verkaufen sich noch immer.


    Historisch um Beethoven gekümmert haben sich damals wenige Leute - man wollte ein (damals!!) "zeitgemäßes" Beethovenbild "prägen"


    (Ähnlich wie das heutige "Regietheater" die Stücke auf unser Zeit umgestalten will)


    Heute gibt es einige, die sich (angeblich) un den "historisch korrekten" Beethoven sorgen - mit nicht immer überzeugenden Ergebnissen.


    Aber genau das kann ja in diesem Thread diskutiert werden.


    Aus meiner Sicht hat Furtwängler in Beethoven vor allem den "deutschen Titanen" gesehen - hierin nicht unähnlich mit Klemperer und Celibidache.



    Karajan hat Beethoven Eleganz und polierte Glätte verschafft


    Karl Böhm sah Beethoven etwas weicher, jedoch strahlend und positiv - als Klassiker von apollinarischer Schönheit.



    Das sei fürs erste genug - vielleicht gebe ich in weiterer Folge noch subjektive Einschätzungen über andere Dirigenten ab.


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Historisch um Beethoven gekümmert haben sich damals wenige Leute - man wollte ein (damals!!) "zeitgemäßes" Beethovenbild "prägen".
    (Ähnlich wie das heutige "Regietheater" die Stücke auf unser Zeit umgestalten will)


    Hey, der war gut, Karajans Beethoveninterpretation als Vorläufer des modernen Regie-Theaters :hahahaha:

  • Zitat

    Original von wiesengrund
    So? Bei wem denn? Bestimmt nicht bei Leuten, die sich historisch um Beethoven gekümmert haben. Gleiches gilt für Furtwängler - Beethoven als Wurmfortsatz Wagners...
    Das alles hat viel mit Furtwängler und Karajan, aber nur wenig mit Beethoven zu tun


    Furtwänglers Interpretationen hatten zweifellos ziemlich wenig mit dem zu tun, was Beethoven konkret klanglich vorschwebte.


    Vielleicht können wir uns aber darauf einigen: Furtwänglers Beethoven hatte unheimlich viel mit Musik zu tun. :yes:
    Auch wenn du das Resultat möglicherweise nicht magst oder evtl. von vorne herein kategorisch ablehnst.


    Ich kann nur sagen: Gott sei dank gibt es nicht nur Dirigenten, die sich historisch um Komponisten kümmern. Da ginge der Musikwelt doch reichlich was verloren.
    An dieser Stelle passt auch sehr gut das Wort: Tradition ist nicht die Aufbewahrung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers. Und das bedeutet eben auch, dass man Werke so aufführt, dass sie den Zeitgeist treffen. Wohlgemerkt, die HIP-Einspielungen sagen mir gleichfalls sehr zu.

  • Meine drei großen Favoriten heißen bei Beethoven (wie bei anderen Komponisten auch):


    Harnoncourt
    Kleiber
    Bernstein


    Bei Harnoncourt schätze ich den Klang und die Energie der Interpretation. Bei ihm klingt die Musik einerseits so, dass man glauben kann, dass sie 200 Jahre alt ist und andererseits versteht warum sie die Leute damals begeisterte.



    Zu Kleiber erübrigt sich jeder Kommentar --> Avatar.



    Bernstein ist eine Mischform aus den beiden obengenannten. Hier liebe ich vor allem seine Emotionalität und die Tatsache, dass alles immer typisch Bernstein ist. Mir gefällt das und ich finde auch dass Beethoven gut steht.

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Also, Theodor (ach nee, Wiesengrund),


    die spezifische Form der musikalischen Hermeneutik, die sich anmaßt, das einem vor 200 Jahren schaffenden Tonsetzer vorschwebende Klangbild nachvollziehen zu können, grenzt häufig an bloße Scharlatanerie. Die Äußerungen so vieler Komponisten, die ihre Vorstellungen höchst selten in der zeitgenössischen Aufnahmepraxis verwirklicht fanden, zeugen von der Unmöglichkeit solch sicherer Rekonstruktionen.
    Wieso kann der Notentext nicht schlicht Grundlage der Interpretation sein, wie sonst überall in der Kunst? Zu unterstellen, jemand habe die "Botschaften" der Musik verstanden, halte ich, mit Verlaub, für endgültigen Humbug politisierter Kunstbetrachtung.


    Ausgerechnet Furtwängler und Karajan zu Anti-Beethovens zu erklären ist von besonderer Qualität. Ich hätte etwa gern Deinen Einblick in die Beethovensche Seele, die da vor Wut kocht, weil Furtwängler 1950 den Fidelio so fehlinterpretiert hat. Oder doch nicht? Und Karajans Philharmonia-Zyklus, weit entfernt von gesättigtem Schönklang, ist auch daneben?


    Welches sind denn die entscheidenden Kriterien? Metronomzahlen?


    In der Hoffnung auf Erkenntnisse,



    Christian

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  • Lieber Inquisitor,
    in gewisser Weise stimme ich Dir zu.


    Allerdings scheinen mir folgende Sätze (zusammencollagiert):


    Zitat

    Original von Il Grande Inquisitor
    die spezifische Form der musikalischen Hermeneutik, die sich anmaßt, das einem vor 200 Jahren schaffenden Tonsetzer vorschwebende Klangbild nachvollziehen zu können, grenzt häufig an bloße Scharlatanerie. [...] Zu unterstellen, jemand habe die "Botschaften" der Musik verstanden, halte ich, mit Verlaub, für endgültigen Humbug politisierter Kunstbetrachtung.


    ebenfalls in der Tendenz eine Maximalposition »politisierter Kunstbetrachtung« zu markieren, die, wenn sie mit dem Anspruch der Ausschließlichkeit formuliert wird, die Grenze zum »endgültigen Humbug« gefährlich zu streifen droht.


    Ich habe weder etwas gegen die historisch informierte Praxis, die - so glaube ich jedenfalls - längst das Postulat aufgegeben hat, tatsächlich so zu klingen, wie ein Werk von Komponisten gedacht worden ist, noch etwas gegen streng subjektivistische Interpretationen auf modernen Instrumenten. Die jeweils einzelne Interpretation macht die Musik, nicht die Ideologie einer Schule. Übrigens sind die meisten HIP-Aufnahmen ja nicht unbedingt weniger subjektivistisch oder emotional (man höre etwa einmal Goodmans Beethoven).
    Bei mir im Regal kann Furtwänglers Beethoven jedenfalls gut neben denen Hogwoods, Bernsteins, Fricsays, Harnoncourts, Scherchens, Kubeliks, Goodmans, Gardiners, Norringtons, Klemperers, Carlos Kleibers und einiger anderer stehen.


    Euer Eminenz, ist das jetzt Häresie? ;)


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Oh, da bin ich dem Inquisitor wohl auf die Füße getreten :D
    Ja, ja, wir historischen Musikwissenschaftler sind schon echte Scharlatane, stechen immer so böse ins Wespennest liebgewonnener Gewohnheiten und Gemütlichkeiten :]


    Schöne Grüße aus dem Wiesengrund

  • Zitat

    Original von wiesengrund


    Ja, ja, wir historischen Musikwissenschaftler sind schon echte Scharlatane, stechen immer so böse ins Wespennest liebgewonnener Gewohnheiten und Gemütlichkeiten :]


    In der Tat, vor gut zwei Jahrzehnten war das so. ;)


    Aber jetzt schreib doch mal, welche Interpreten dir nun bei Beethoven am meisten zusagen. Denn das war ja eigentlich die Fragestellung in diesem Thread.

  • Zitat

    Original von wiesengrund
    Oh, da bin ich dem Inquisitor wohl auf die Füße getreten :D
    Ja, ja, wir historischen Musikwissenschaftler sind schon echte Scharlatane, stechen immer so böse ins Wespennest liebgewonnener Gewohnheiten und Gemütlichkeiten :]


    Schöne Grüße aus dem Wiesengrund



    Es sind ja inzwischen ein paar differenzierte Argumente vorgetragen worden, auf die man auch ebenso antworten könnte, wenn man denn wollte. Ab und zu ein bisschen Polemik ist ja ganz nett, aber irgendwann sollte man auch zeigen, dass man Substantielles beizutragen hat... :rolleyes:


    So wie das die historischen Musikwissenschaftler, die ich kenne, meistens auch zu tun pflegen. Unter denen finden sich im übrigen sehr unterschiedliche Ansichten zur Beethoven-Interpretation, wobei das oben von Medard Gesagte einem Minimalkonsens immerhin nahekommt.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von wiesengrund
    Oh, da bin ich dem Inquisitor wohl auf die Füße getreten :D
    Ja, ja, wir historischen Musikwissenschaftler sind schon echte Scharlatane, stechen immer so böse ins Wespennest liebgewonnener Gewohnheiten und Gemütlichkeiten :]


    Schöne Grüße aus dem Wiesengrund


    Äh, ja, hm - wie lange gibt es dich eigentlich schon nicht mehr?

    :hahahaha:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich empfinde Karajan insgesamt als ideal. Wenn es mir recht romantisch-metaphysisch zumute ist, würde ich für die 5. oder 9. auch mal auf Furtwängler zurückgreifen. Und wenn es zur Abwechslung doch einmal "hippig" zugehen soll, dann bevorzuge ich Gardiner.


    Loge

  • Karajan galt vielleicht im Einzugsbereich seiner mächtigen Marketingmaschinerie (und der der DGG) als "einsame Referenz", aber schauen wir doch einmal, was es ca. 1965 außerdem noch für Zyklen gab (bitte nicht steinigen, wenn einer davon vielleicht erst ein oder zwei Jahre später vollständig vorlag):


    Szell/Cleveland
    Klemperer/Philharmonia
    Leibowitz/Royal PO
    Cluytens/Berliner PO
    Bernstein/NYPO (?)
    Monteux (?)
    Konwitschny/Leipziger Gewandhaus
    (alle stereo)


    dann noch, teils mono


    Jochum/? (DGG)
    Toscanini (RCA)
    Scherchen (Westminster)
    Furtwängler (evtl. nicht komplett)
    Schuricht


    (Vorkriegsaufnahmen mal ganz weggelassen, da gäbe es noch Mengelberg, Weingartner)


    Dazu noch signifikante einzelne Aufnahmen von E.Kleiber, Fricsay, Munch, Reiner u.a.
    Dass in dieser Gesellschaft HvK die einsame Referenz sein soll, ist ein reiner Marketinggag.
    Karajan ist ja nicht völlig schlecht bei Beethoven, man kann aber kaum sagen, dass er in diesem Interpretenkonzert eine besonders originelle Stimme wäre. Grob gesagt ist sein Ansatz ein (mehr oder minder stark) geglätteter Toscanini mit besserem und satterem Klang. Es gibt (für mich) wesentlich schlimmeres bei Beethoven. Am ähnlichsten (nicht ganz so smooooth) sind diesem Ansatz von den genannten vielleicht Reiner und Szell. Aber es gibt auch interessanteres, z.B. ungeglätteter, originaler Toscanini ;) Oder expresssionistisch-wilder Scherchen, oder nüchtern-sachlicher Klemperer. Oder Kleiber, Munch oder Fricsay, die ohne zu glätten, etwa die Mitte zwischen den Polen Toscanini und Furtwängler halten. Oder manchmal vielleicht auch mal Furtwängler, für einen Ansatz, der seit über 40 Jahren praktisch verschwunden ist.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Im Prinzip teile ich die Position des Großinquisitors, werde mich aber in diesen Teil der Diskussion nicht weiter einmischen. Ich muß immer gähnen, wenn jemand - Wiesengrund macht es vor - mit einem derartigen Anspruch auf Ausschließlichkeit auftritt, oft gepaart mit einer gewissen schnoddrigen Überheblichkeit, die aber lediglich den ungenügend informierten Zeitgenossen verrät.


    Bevorzugter Beethoven-Dirigent im HIP-Bereich ist klar Brüggen. Auch wenn Norrington und Gardiner nicht schlecht sind (besser als ich zuerst annahm), bevorzuge ich doch Brüggens Einspielungen aller Symphonien.


    Ansonsten steht im modernen non-HIP - Bereich Wand ganz oben, klar vor Harnoncourt. Zinman unter ferner liefen. Bei der 4. auch Carlos Kleibers Liveaufnahme auf Orfeo.


    Bei älteren Nachkriegsaufnahmen höre ich am häufigsten Leibowitz, auch Horenstein.


    Bei den historischen Aufnahmen steht Furtwängler unangefochten an der Spitze, meist die Live-Aufnahmen aus dem Kriege (die 3.-7. und die 9.) Gelegentlich auch Mengelberg oder Weingartner.


    Rein zahlenmäßig sind Furtwängler und Brüggen bei mir am häufigsten zu hören. Ich muß aber dazu ergänzen, daß ich in diesem Jahr oft ein satzweises Vergleichshören veranstaltet habe. Funktioniert sehr gut seit die kpl Sammlung auf Festplatte gespeichert und es demzufolge einfach ist, mehrere Sätze hintereinander zu hören.

  • Nur zur Klärung:
    Ich habe nicht die historische Musikwissenschaft verdammt (wie auch, als Historiker), sondern mich gegen die Vokabeln "Beethoven verstehen" u. ä. gewandt.
    Selbstverständlich kann und soll man den Kontext der Entstehung und das historische Klangbild analysieren, aber einen - so von Wiesengrund insinuierten - Anspruch auf die somit "richtige" Deutung wird auf diesem Weg nicht gewonnen werden.
    Ich hoffe auch nicht, daß Wiesengrund bei mir in ein Wespennest voll Gemütlichkeit gestoßen hat, ich muß das mal mit meinem Therapeuten klären.


    LG,




    Musikneurotiker Christian


  • Ich persönlich habe mich jedenfalls unbeeinträchtigt von einer angeblichen Marketingmaschinerie letztlich für Karajans Einspielungen entschieden. Altersbedingt, und weil ich zunächst einmal vom Klavier und der Kammermusik kam, habe ich Karajans Einspielungen der Beethoven Sinfonien (60er und 80er) erst Jahre nach seinem Tod erworben und intensiv analysiert. Zu der Zeit sprach alles um mich herum von Darmsaiten! Als Kind und Jugendlicher hatte ich zunächst elterliche Platten u. a. von Szell, Kegel und die Gesamteinspielung von Konwitschny zur Verfügung. Später kamen dann einzelne Beethoven-Sinfonien unter Böhm, Bernstein, Levine, Fricsay, C. Kleiber, Brüggen, Toscanini, Furtwängler, Gardiner (Gesamteinspielung), Mravinsky und eben Karajan (Gesamteinspielung 60er; 3., 4., 5., 6. 7. u. 9. der 80er) dazu. Nachdem ich das alles gehört - und nicht nur gehört, sondern auch analysiert hatte (mein persönliches, detailiiertes Analyseergebnis zur 5. habe ich ja hier gepostet), bildete sich in mir eine Meinung, und die fiel - lieber Johannes Roehl, bitte verzeih, wenn Du kannst - zugunsten von Karajan aus. ALLES IN ALLEM sind das für mich interpretatorisch, strukturell und klanglich ganz außerordentliche gelungene (nahezu perfekte) Resultate - der Rest ist Geschmackssache. Als Marketing-Opfer sehe ich mich nicht.


    Dessen ungeachtet glaube ich aber auch nicht daran, dass über Jahrzehnte währende Ausnahme-Karrieren wie die Toscaninis, Karajans, Bernsteins, Carusos oder der Callas im Bereich der klassichen Musik auf geschicktem Marketing beruhen.


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Oder Kleiber, Munch oder Fricsay, die ohne zu glätten, etwa die Mitte zwischen den Polen Toscanini und Furtwängler halten.


    Wie kommst Du nur darauf, dass Kleiber (ich nehme an, Du meinst den Carlos) oder auch Fricsay in etwa die Mitte zwischen Toscanini und Furtwängler hielten? Allenfalls könnte man argumentieren, dass die 60er Karajans sich in der Mitte zwischen Tocsanini/Reiner einerseits und Furtwängler andererseits bewegt. Das wurde auch schon vielfach von anderen so beschrieben. Deutlich wird das, wenn Du z. B. die 9. unter Fricsay mit der 9. unter Karajan (60er) vergleichst. Die Aufnahmen ähneln einander durchaus. Beide sind dabei mit demselben Orchester und zeitlich dicht aufeinander entstanden. Bei beiden kannst Du den Einfluss Furtwänglers hören, aber nur bei Karajan deutlich auch den Einfluss Toscaninis und Reiners. Die Einspielung C. Kleibers mit den Wienern ist letztlich eine Synthese aus Karajan (60er), den jener verehrte, und Böhm, der wenige Jahre zuvor eine 5. und 6. mit den Wienern vorgelegt hatte. Bei Munch muss ich bezüglich Beethoven passen. Was ich aber in Sachen Berlioz von ihm gehört habe, lässt mich an Deiner Einordnung erheblich zweifeln.


    Loge

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