Johann Caspar Ferdinand Fischer, der große Unbekannte

  • Um „Fischer“ gab es lange Verwirrung, denn es gab mehrere Fischers, die im ausgehenden 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jh. als Musiker und Omponisten tätig waren. Da man die Daten alle in einen Topf warf, kamen abenteuerliche Biografien zustande.
    Erst in den 70er Jahren des letzten Jh. setzte sich die Wissenschaft etwas ernsthafter mit „Fischer“ auseinander, und es erschien eine Reihe von Aufsätzen zu Fischer in den einschlägigen Zeitschriften. Rudolf Walters Bio/Monographie von 1990 referiert den Stand der Dinge, noch neuere Erkentnisse gibt es von ihm in der MGG-Neuauflage zu lesen. Seither sind die Verhältnisse zwar klar, es werden aber immer noch viele der alten Irrtümer weiter verbreitet. Erst einmal kurz derjenige, der am häufigsten mit JCFF verwechselt wurde und wird:
    Johann Fischer
    1646 in Augsburg geboren, Schüler von Capricornus und etwa zwischen 1665 und 1670 in Paris als Notenschreiber Lullys tätig. Später in Stuttgart, Augsburg, Ansbach, dann Kopenhagen, Schwerin als Kapellmeister des Herzogs von Mecklenburg, Stralsund, Stettin, Stockholm und Schwedt als markgräflicher Kapellmeister, wo er um 1716 starb.
    Abgedrehter Violinist französischer Observanz mit abenteuerlichen Skordatur-Vorschriften.
    Werke: Tafelmusik (Blockfl., Bratsche & B. c.), Sonaten für 2 Violinen & B. c., „Feld- und Heldenmusik auf die Schlacht von Höchstadt“, „Himmlische Seelenlust“ (Arien und Madrigale) etc. pp.


    Der richtige Fischer
    Johann Caspar Ferdinand Fischer wurde am 6. 9. 1656 im böhmischen Schönfeld geboren. Er absolviert das Piaristen-Gymnasium in Schlackenwerth. Danach macht er offensichtlich Karriere und unterhält Kontakte nach Dresden – Zelenka war auch Böhme – und Prag.
    Wahrscheinlich 1686 wird er Hofkapellmeister des Herzogs von Sachsen-Lauenburg. Kurz darauf ist er bereits hochfürstlicher markgräflicher badischer Kapellmeister, bleibt aber zunächst in Böhmen, weil die Verhältnisse im Badischen infolge des Pfälzischen Erbfolgekrieges nicht so sind, wie sie sein sollten. Erst 1715 folgt er seinem Dienstherren in die neu erbaute Residenz nach Rastatt. Er behält sein Amt bis zu seinem Tod 1746, also bis in sein 90. Lebensjahr.
    Ein Aufenthalt in Paris kann nicht belegt werden, ist auch nicht allzu wahrscheinlich. Es wurde ihm aber eine andere besondere Ehre dort zuteil: Sein „Journal de Printemps“ (acht Orchestersuiten, 1695) ist vollständig in die Collection Philidor aufgenommen worden, eine handschriftliche, vielbändige Sammlung der am Hofe gespielten Musik. Damit ist er der einzige „deutsche“ Vertreter und einer von zwei ausländischen Komponisten darin – der andere ist Cavalli mit der Oper „Xerxes“.
    Fischers Kompositionen waren zu seinen Lebzeiten bekannt und beliebt. Seine gedruckten Werke erlebten mehrere Auflagen kurz hintereinander. Auch von seinen Kollegen wurde er hoch geschätzt.
    Wie er ausgesehen hat, wissen wir nicht.


    Wo kann man ihn stilistisch einordnen? Gar nicht so einfach.
    Er hat im „Journal du Printemps“ (gedruckt 1695), einer Sammlung von acht groß besetzten Orchestersuiten, das Modell Lullys aufgenommen, verfährt allerdings kompositorisch anspruchsvoller, indem er etwa die Mittelstimmen erheblich aufwertet und die Oboen nicht durchgehend unisono mit den Violinen spielen lässt. Hier zeigt er auch, was ein Fischer mit den Ostinato-Modellen Passacaglia und Chaconne anstellen kann, und wird damit konkzurrenzlos.


    Die 20 kürzeren Präludien und Fugen (Ariadne Musica, 1702) durch fast alle Tonarten für Orgel sind möglicherweise als Gebrauchsmusik für Gottesdienste im böhmischen Stift Tepl entstanden. Die Verwendung auch der entlegeneren und vorzeichenreicheren Tonarten lässt den Schluss zu, dass es hier auch um den Beweis der Tauglichkeit einer nichtmitteltönigen, gemäßigteren Stimmung ging – und das 20 Jahre vor dem Wohltemperierten Klavier. Bach zitiert bisweilen daraus, übernimmt einzelne Motive und sogar ganze Themen.
    Der „Blumenstrauß“ (um 1735 gedruckt, entstanden wahrscheinlich um 1700) besteht aus acht Suiten für die Orgel durch die Kirchentonarten. Die Satzfolge ist immer dieselbe: Präludium, sechs Fugen, Finale. Es handelt sich wohl ebenfalls um Musik für böhmische Gottesdienste.


    Dazu kommt ein ziemlich umfangreiches Oeuvre an geistlicher Musik, das vom Hymnus für Chor, zwei Violinen & B. c. (1680) über „Vesperae seu Psalmi vespertini“ (1701) bis zu den „Lytaniae Lauretanae VII“ (1711) reicht, beides Sammlungen unterschiedlich besetzter geistlicher Musik. Oft fühlt man sich an Fux oder Zelenka erinnert, manchmal scheint Bach durch, und dann wieder klingt der Chorsatz ein bisschen französisch.


    Für die Clavieristen wichtig sind die Suitensammlung „Musicalischer Parnassus“ für Cembalo (1738 ) und ein Band meist kleinerer Stücke „Musicalisches Blumen-Büschlein“ (1696), in dem er ausdrücklich auch das Clavichord zur Ausführung empfiehlt.
    Im Parnassus überträgt er das französische Suitenmodell aufs Cembalo, stellt aber immer ein Präludium voran, das sich oft am clavecinistischen non-mesuré orientiert. Manchmal klingen da die Eltern der Chromatischen Fantasie durch, dann wieder meint man, dass er auch seinen Buxtehude gekannt hat. Das Präludien-Suiten-Modell haben Bach und Händel, der Fischer ebenfalls öfter zitiert, übernommen.
    In den folgenden Sätzen folgt er nicht dem Schema der Frobergerschen Suite (Allemande, Courante, Sarabande, Gigue), sondern wieder französischen Vorbildern, indem er unterschiedlich viele und völlig andersartig charakterisierte Sätze einander folgen lässt. Zwei der neun Suiten enden mit einer Chaconne bzw. Passacaglia, die zu den Höhepunkten barocker Cembalomusik gehören.


    Fischers nicht gedruckte Werke aus der Rastatter Zeit gelten allesamt als verloren, was einen enormen Verlust bedeutet, denn Fischer hat in diesen über 30 Jahren die Musik bei den Gottesdiensten, bei Festlichkeiten und zwei wöchentliche Konzert- und Kammermusikveranstaltungen geleitet und wohl auch zu einem Gutteil mit eigenen Kompositionen ausgestattet.
    Allerdings liegen hier und da verstreut noch ungesichtete Manuskripte und Drucke, die wohl mit ihm zu tun haben könnten und noch begutachtet werden müssen. So gibt es einen Druck eines "Concerto p. le Clavecin av. Acc.“ eines gewissen „Fischer“ von „17..“ (Rest unleserlich). Wer weiß, was sich dahinter verbirgt?


    Eine Schubladisierung Fischers ist schwierig. Vielleicht ist ihm gelungen, was in Frankreich – weil ja in Frankreich :D – nicht gelingen konnte, die Vereinigung der Geschmäcker. Er war kein Lullist, sondern einer der kompetentesten Vertreter des „vermischten Geschmacks“, der sich bei allen Vorbildern bediente, die ihm qualitativ geeignet erschienen. Dass er daneben ein ausgesprochen „starker Fugist“ war, ist zu dieser Zeit eine Selbstverständlichkeit.
    Dazu kommt sein Genie als Motiviker und Melodiker. Besonders in seinen Cembalokompositionen legt er eine Originalität an den Tag, die ihn mindestens an die Seite Rameaus stellen. Allerdings kommt bei den großen Ostinato-Variationen Chaconne und Passacaglia auch kein Rameau mehr mit.


    Damit das hier nicht zu sehr ausufert, kommen die Einspielungen Fischerscher Werke später – gleiche Welle, gleiche Stelle.


    edit: Johann Fischer war nur 5 Jahre bei Lully, nicht 105 :D

  • Lieber Hildebrandt,


    eine wunderbare Einführung- die macht wirklich Lust auf´s Hören! :jubel: :jubel:



    Hättest Du noch eine Hörempfehlung auf Lager?



    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Jetzt zu den Einspielungen, von denen es leider in jeder Rubrik immer noch viel zu wenige gibt. Zuerst der sehr übersichtliche Sektor


    Instrumentalwerke.


    Das „Journal du Printemps“ lag nicht nur im Originaldruck, sondern seit 1902 auch in einer Denkmäler-Ausgabe vor, die in jeder besseren Bibliothek steht. Als wir junge Studenten da vor vielen Jahren :D reingesehen haben, fragten sich alle, warum das keiner aufführt. Ein Blick in die Noten hätte jedem einigermaßen barockfreudigen Impressario Schreie des Entzückens entlocken müssen. Aber nein. Fischer? Kennt doch keiner.
    Dann erschien (in en 70ern) eine LP mit einigen Suiten, über die ich lieber den Mantel der Nächstenliebe breiten möchte.
    1982 hat Goodman mit „The Parley of Instruments“ in „German Consort Music, 1660-1710” (hyperion) die 5. Suite aufgenommen.




    Alle anderen – also 1 – 4 und 6 – 8 – liegen jetzt in der cpo-CD mit Michi Gaigg und L’Orfeo vor.
    Zumindest einmal kann man die Suiten also komplett bekommen. (Den Goodman gibt es wohl nur noch "gebraucht".)




    Das mir unbekannte Kammerorchester der Universität Darmstadt hat ebenfalls zwei Suiten aufgenommen. Auf dieser CD ist dann auch noch einiges an Cembalowerken versammelt. Die CD kenne ich nicht. Vielleicht ist sie ganz famos. Falls jemand dazu etwas beitragen kann, nur zu.




    Und wenn jemand noch andere nennenswerte Aufnahmen kennt oder gar besitzt, bitte ich um sofortige Zusendung der CD... :D, nein, äh, um Nachricht.
    Die Goodman-Aufnahme hat zwar 25 Jahre auf dem Buckel, wirkt aber noch kein bisschen angestaubt. Hübsch ist auch die Zusammenstellung mit Sachen, die man nicht alle Tage hört, von Rosenmüller, Schmelzer, Böhm und Telemann. Musiziert wird auf höchstem Niveau, mit Schwung und Spaß an der Melodie.
    Ein Bad im Wohlklang ist die Aufnahme unter Michi Gaigg. Da stimmt einfach alles, und es wird auch noch bis ins delikateste Detail ausgekostet – allein die „Plainte“ der 2. Suite, wo man die Blockflöten weinen und die Laute trösten hört – da muss man einfach eine Flasche Rotwein aufmachen. Außerdem steht der Tonmeister offensichtlich noch mit der Peitsche hinter den Mikros – Barockoboen haben nun mal wenig Klappen, aber selbst die hört man noch klappern – das Fagott noch öfter. Die Aufnahmetechnik ist wirklich kaum zu überbieten. Präzision und Geschmack bekommen höchste Noten. Und ein bisschen Salz zur Suppe gibt’s von der effektvollen, aber stilsicheren Perkussion.
    Das Beiheft geht ausführlich auf die Suiten und instrumentenspezifische Besonderheiten ein, ist aber bezüglich der Fischerschen Vita leider nicht auf der Höhe der Zeit.
    Aber – wie soll ich sagen? Gäbe es noch eine Aufnahme mit der Batzdorfer Hofkapelle oder dem Freiburger Barockorchester, meinen derzeitigen Lieblingscombos, die auch einmal ein noch überschäumenderes Temperament zulassen, würde ich die sofort auch noch kaufen.
    Aber damit keine Missverständnisse aufkommen: Nein, keine Frage, Frau Gaigg hat mit dieser Einspielung sämtliche Schallplattenpreise auf einmal verdient.

  • Hallo Hildebrandt,


    zuerst einmal herzlichen Dank für diesen längst überfälligen , höchst notwendigen UND sehr gut recherchierten Beitrag ! :D


    Meine erste Begegnung mit dem Komponisten hatte ich mit fünf oder sechs Jahren, als kleiner Blötflocken-Tröter. In meinem Spielbuch waren mehrere Tanzsätze dieses Komponisten enthalten. Fischer zählt zweifellos zu den lange vernachlässigten UND unterschätzetn Komponisten seiner Generation. Der Hauptteil seines Schaffens bzw. dessen, was überliefert wurde, ist dem späten 17. Jahrhundert sowohl formal wie auch geistig verpflichtet. Ob er die großen Veränderungen in der Musik, die nach 1720 einsetzten, für sein Spätwerk noch mitvollzogen hat, halte ich für wenig wahrscheinlich.


    Fischer, dessen Werke für Tasteninstrumente wohl seine eigentliche Leistung sind, wurde nicht nur von Bach, sondern mit Sicherheit auch von Pachelbel, Buxtehude, Reincken und Händel goutiert, in deren Werken sich Spuren seines Schaffens finden.


    Alle Musik des Rastatter Meisters, die mir bislang zugänglich wurde, ist meisterhaft gearbeitet, aber ein wirklich unverwechselbares Persönlichkeitsprofil vemag sich für mich aus dem Ganzen NICHT herauszukristallisieren, denn es klingt wirklich abwechselnd nach Pachelbel, Fux, Kuhnau. Die harmonischen Kühnheiten eines Zelenka finden sich ebensowenig wie die zuweilen bizarre Phantastik speziell der norddeutschen Tastengötter.


    Möglichwerweise hat dieses dazu beigetragen, daß man erst vergleichsweise
    spät damit begonnen hat, den noch verfügbaren Werkbestand zu sichten und zu erschließen.


    Meine Lieblings-Fischer-CD ist eine Einspielung mit Geistlicher Musik des Meisters, die vom Gestus und der Klanglichkeit am ehesten an die Kompositionen des Wiener Hofes unter Fux und Caldara erinnert, eine in jeder Hinsicht empfehlenswerte Einspielung, von der ich mir wünschte, daß weitere folgen, denn der vorhandene Bestand ist beachtlich:


    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo,
    mein erster Kontakt kam durch das Radio zustande.
    Ich dachte es läuft J.S. Bach...dann sagte der Sprecher irgenwas mit Fischer,
    spielt der jetzt Cembalo?
    Bis mir dämmerte der meint den Komponisten.


    Dann hab ich mir die Antes CD und eine mit Orgelwerken zugelegt,
    diese hier:


    Und es werden bestimmt noch mehr. :D


    Man kann ahnen woher Bach seine Ideen nahm.
    Vieles erinnert mich an ihn.
    Jedenfalls begrüße ich diese Ausgrabungen.


    Leider kann ich zu den Interpretationen nichts sagen mangels Vergleichsmöglichkeit. Finde die beiden CDs aber handwerklich gut gemacht.
    Die Musik ist wunderbar.


    Gruß
    embe

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  • Zitat

    Orchestersuiten, das Modell Lullys aufgenommen, verfährt allerdings kompositorisch anspruchsvoller, indem er etwa die Mittelstimmen erheblich aufwertet und die Oboen nicht durchgehend unisono mit den Violinen spielen lässt. Hier zeigt er auch, was ein Fischer mit den Ostinato-Modellen Passacaglia und Chaconne anstellen kann, und wird damit konkzurrenzlos.



    Deine Lobrede in allen Ehren, aber einiges scheint mir doch etwas zu sehr in den Himmel gehoben :D


    Mir wäre neu, dass Lully jemals angegeben hätte, wann Oboen spielen sollen und wann nicht, in den zeitgenösischen Drucken ist nichts dergleichen zu sehen, entweder ist nur "Violons" oder in einigen speziellen Fällen "Trompettes"oder "Flutes" angegeben, aber das war es auch schon.
    Das bereitet ja auch vielen Musikern Probleme da sie das eben willkürlich entscheiden müssen.
    Die einzige "Anleitung" die es gibt, stammt von einem weiteren Lully Schüler, Georg Muffat.


    Die Mittelstimmen, wurden immer von den Assistenten Lullys verfollständigt, das war übliche Praxis, warum sollte das etwas qualitativ abwerten ?
    Bei Rubens interessiert es doch auch niemanden dass die Farbe meist von seinen Schülern aufgetragen wurde.


    Und dem Punkt mit den Ostinato Kompositionen muss ich auch wiedersprechen.
    Sicher, Fischers Chaconnen und Passacaillen sind fantastisch - aber an die einmaligen Werke eines Lully kommen sie bei weitem nicht heran.


    Ich habe bisher nur eine Chaconne gehört, die in etwa die gleiche Qualität aufweist, die Schlusschaconne aus der Tragèdie "Alcyone" vom Lully Schüler Marin Marais und selbst die ist so dicht an der Chaconne aus der Tragèdie "Amadis" angelegt, dass sie nur eine "Kopie" bleiben kann.


    Ich kann auch keinen wirklichen persönlichen Stil erkenne, denn er steht wie viele andere Komponisten dieser Epoche im Zeichen des "Goût reuins" und gehört damit in die Riege wie Steffani, Torri oder Erlebach, alles großartige Meister ihres Faches, aber so sehr ich sie auch schätze, sie stehen für mich nie und nimmer auf der gleichen Stufe wie die Großmeister Monteverdi, A.Scarlatti, Lully, Rameau, Händel oder Bach.


    Allerdings würde ich mir auch viele weitere Aufnahmen wünschen, zumindest gibt es von seiner wunderschönen Cembalomusik schon einiges.

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Hallo Hildebrandt,


    zuerst einmal herzlichen Dank für diesen längst überfälligen , höchst notwendigen UND sehr gut recherchierten Beitrag ! :D


    Gern geschehen.


    Zitat

    Der Hauptteil seines Schaffens bzw. dessen, was überliefert wurde, ist dem späten 17. Jahrhundert sowohl formal wie auch geistig verpflichtet.


    Kein Wunder, da ist es ja auch geschrieben worden. Die Druckdaten liegen gerade bei Fischer sehr viel später als die eigentliche Entstehung.
    Außerdem muss man berücksichtigen. dass es sich um Musik für eine bestimmte Liturgie in einer bestimmten Region handelt.
    Beim Parnassus sieht es ganz anders aus, und bei dem kann ihm niemand den Personalstil absprechen.


    Zitat

    Ob er die großen Veränderungen in der Musik, die nach 1720 einsetzten, für sein Spätwerk noch mitvollzogen hat, halte ich für wenig wahrscheinlich.


    Kann sein, kann sein nicht... Dass wir es erfahren werden, ist eher unwahrscheinlich.


    Zitat

    Fischer, dessen Werke für Tasteninstrumente wohl seine eigentliche Leistung sind, wurde nicht nur von Bach, sondern mit Sicherheit auch von Pachelbel, Buxtehude, Reincken und Händel goutiert, in deren Werken sich Spuren seines Schaffens finden.


    Und von Gerber, Mattheson, Walter und und und. Alle wollte ich nicht aufzählen.


    Zitat

    Alle Musik des Rastatter Meisters, die mir bislang zugänglich wurde, ist meisterhaft gearbeitet, aber ein wirklich unverwechselbares Persönlichkeitsprofil vemag sich für mich aus dem Ganzen NICHT herauszukristallisieren, denn es klingt wirklich abwechselnd nach Pachelbel, Fux, Kuhnau. Die harmonischen Kühnheiten eines Zelenka finden sich ebensowenig wie die zuweilen bizarre Phantastik speziell der norddeutschen Tastengötter.


    Oder andersrum. :D
    Nein, da ist schon mehr als die bloße Einverleibung fremder Modelle - auch wenn das schon Grund genug für erheblich mehr Wertschätzung wäre. Es gibt bei einigen Zelenka-Werken Zweifel, ob das nicht etwa von Fischer sein könnte.
    Mit dieser Art von Stilurteilen wäre ich vorsichtig, es gibt ja immer noch Leute, die BWV 565 für ein Bachwerk halten. :D :D :D


    Zitat

    Möglichwerweise hat dieses dazu beigetragen, daß man erst vergleichsweise
    spät damit begonnen hat, den noch verfügbaren Werkbestand zu sichten und zu erschließen.


    Nein, das Schicksal teilt er mit vielen seiner Zeitgenossen. Oder stand vor 30, 40 Jahren übermäßig viel Zelenka und Pisendel auf dem Spielplan?


    Zitat

    Meine Lieblings-Fischer-CD ist eine Einspielung mit Geistlicher Musik des Meisters, die vom Gestus und der Klanglichkeit am ehesten an die Kompositionen des Wiener Hofes unter Fux und Caldara erinnert, eine in jeder Hinsicht empfehlenswerte Einspielung, von der ich mir wünschte, daß weitere folgen, denn der vorhandene Bestand ist beachtlich


    Naja, Cantus Cölln wäre mir lieber... :D

  • Zitat

    Mit dieser Art von Stilurteilen wäre ich vorsichtig, es gibt ja immer noch Leute, die BWV 565 für ein Bachwerk halten.


    Ja, das ist wohl nicht auszurotten und als ich vor 20 Jahren zum ersten Mal in dieser Hinsicht vorsichtig etwas andeutete, erhielt ich nachts Drohanrufe darob ! :D



    Zitat

    Oder stand vor 30, 40 Jahren übermäßig viel Zelenka und Pisendel auf dem Spielplan?


    Bereits zu Beginn der 60ger gab es sowohl in Prag aber auch in der Schweiz Versuche, Zelenka aus der Schlummerkiste zu holen. Mit Pisendel siehts eh etwas anders aus, denn die Werke, die man ihm eindeutig zuschreiben kann, sind gemütlich auf 2 Silberscheiben unterzubringen.


    Zitat

    Naja, Cantus Cölln wäre mir lieber.


    MIR in seiner derzeitigen Verfassung und Besetzung eher nicht ! :stumm:


    :hello:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Lieber Bär, lieber Lullist,


    lasst mich wenigstens in Ruhe zu Abend essen... :D



    Zitat

    Original von der Lullist


    Deine Lobrede in allen Ehren, aber einiges scheint mir doch etwas zu sehr in den Himmel gehoben :D


    Haaalt! Niemand will Dir Deinen Lully madig machen. Außerdem müssen wir in dieser Diaspora sowieso zusammenhalten.


    Aber später muss ich dann doch was zur Orchestrierungspraxis von mir geben. Aber gönn mir erst meinen Thunfisch. :yes:


    Bis später
    Hildebrandt

  • Zitat

    Original von der Lullist


    Mir wäre neu, dass Lully jemals angegeben hätte, wann Oboen spielen sollen und wann nicht, in den zeitgenösischen Drucken ist nichts dergleichen zu sehen, entweder ist nur "Violons" oder in einigen speziellen Fällen "Trompettes"oder "Flutes" angegeben, aber das war es auch schon.
    Das bereitet ja auch vielen Musikern Probleme da sie das eben willkürlich entscheiden müssen.
    Die einzige "Anleitung" die es gibt, stammt von einem weiteren Lully Schüler, Georg Muffat.


    Eben. Das ist ein Automatismus, die Oboen spielen immer colla parte mit den dessus und/oder den haute-contre, beide mit Violinen besetzt – das nehme ich noch Händel übel.


    Zitat

    Die Mittelstimmen, wurden immer von den Assistenten Lullys verfollständigt, das war übliche Praxis, warum sollte das etwas qualitativ abwerten ?
    Bei Rubens interessiert es doch auch niemanden dass die Farbe meist von seinen Schülern aufgetragen wurde.


    Eine Farbe im Bild ist etwas anderes als eine, zwei oder drei Mittelstimme(n) im vier- bis sechsstimmigen Satz. Fischer komponiert sie selbst, aber nicht, weil er als armer Mann keine Schreiberlinge dafür gehabt hätte, sondern weil er sie selbstständiger machen will. Daher gehorchen sie nicht den Vorgaben der Oberstimme und des Generalbasses, sondern machen etwas Eigenes. Das ist ja mit ein Grund dafür, dass Deutschland zur zweiten Heimat des Kontrapunkts wird. Wenn Bach seine Mittelstimmen von seinem Schülerhaufen hätte ausführen lassen, wären wir heut aber arm dran. :D



    Zitat

    Und dem Punkt mit den Ostinato Kompositionen muss ich auch wiedersprechen.
    Sicher, Fischers Chaconnen und Passacaillen sind fantastisch - aber an die einmaligen Werke eines Lully kommen sie bei weitem nicht heran.



    Zu einem Teil ist das sicher Geschmacksache. Aber man sollte dabei bedenken, dass die Cembalo-ostinato-Formen Fischers etwas ganz anderes sind. Bei Lully wurde sie als Musik für das Ballet fortentwickelt und endet daher in der Rondoform. Bei Fischer und anderen instrumental komponierenden Zeitgenosse diesseits des Rheins bekommt sie eine dramatische Steigerung bis zum Schluss, ohne dass auf die „störenden“ Wiederholungen Rücksicht genommen werden muss.
    Die großen Chaconnes Fischers sind jedenfalls einzigartig und würden sogar alleine schon für die Zuerkennung eines „Personalstils“ ausreichen.



    Zitat

    Ich habe bisher nur eine Chaconne gehört, die in etwa die gleiche Qualität aufweist, die Schlusschaconne aus der Tragèdie "Alcyone" vom Lully Schüler Marin Marais und selbst die ist so dicht an der Chaconne aus der Tragèdie "Amadis" angelegt, dass sie nur eine "Kopie" bleiben kann.
    Ich kann auch keinen wirklichen persönlichen Stil erkenne, denn er steht wie viele andere Komponisten dieser Epoche im Zeichen des "Goût reuins" und gehört damit in die Riege wie Steffani, Torri oder Erlebach, alles großartige Meister ihres Faches, aber so sehr ich sie auch schätze, sie stehen für mich nie und nimmer auf der gleichen Stufe wie die Großmeister Monteverdi, A.Scarlatti, Lully, Rameau, Händel oder Bach.


    Erst einmal ist der „vermischte Geschmack“ – so die durchaus korrekte Bezeichnung hierzulande für etwas anderes als die „gouts reunis“, von denen man in Frankreich sprach – kein Qualitätskriterium für irgend etwas. Bach begriff sich ebenfalls als zu dieser Riege gehörig; bei Händel gibt es auch noch genug davon, etwa diese grässlichen colla-parte-Oboen. :D
    Und wir sind damit schon wieder beim vom persönlichen Geschmack geprägten Urteil. Dass das aber etwas anderes ist als eine an nachvollziehbaren Feststellungen aufgehängte Einstufung – darüber sind wir uns doch einig.


    Zitat

    Allerdings würde ich mir auch viele weitere Aufnahmen wünschen, zumindest gibt es von seiner wunderschönen Cembalomusik schon einiges.


    Na also, geht doch. :untertauch:

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  • ich hoffe ich hab nicht zu scharf geschrieben, so war es jedenfalls nicht gemeint.


    Allerdings bei der Aufführungspraxis in Sachen Lully, hat sich etwas eingeschlichen, das man eigentlich nicht so lassen sollte, ich denke er hat viel farbiger Instrumentiert, allein weil er schon alle Möglichhkeiten hatte.


    Einige Dirigenten, wie z.B. Reyne tun dies ja auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten, aber ich glaube dass es nicht richtig wäre die Oboen ständig spielen zu lassen.
    Sicher gibt es einige Passagen, in denen es gut kommt damit die Violinen zu verstärken, aber generell stelle ich mir doch was anderes vor.
    Ich habe mich im Lully Thread darüber schon einmal ausgelassen, allein schon über die Instrumente die man eigentlich verwenden sollte.



    Ich nehme mal an dass Du die Chaconnen und Passacaillen von Lully kennst, ich finde z.B. die Chaconne aus Amadis ist sein gelungenstes Werk in dieser Form und ich finde auch, dass er dort eine dramatische Steigerung eingebaut hat, besonders wenn die Solisten und der Chor miteinsetzen.
    Das gleiche auch in Acis et Galatée.


    Fischers Cembalochaconnen sind natürlich etwas ganz anderes, ich meinte auch eher die Beispiele aus dem "Journal des Printemps" - die sind schon verdammt toll - gerade die Passacaille aus der 5. Suite, die Goodman ja auch eingespielt hat.


    Aber trotzdem finde ich nicht, dass sie an die Originalität der Lullyschen Vorbilder heranreichen, aber das hat bisher kein Komponist geschafft, weder Muffat mit seiner Chaconne über das glückliche Gestirn, noch Fux, Erlebach, Kusser oder eben die frz. Kollegen.


    Gespannt bin ich jedenfalls auf die von BBB angepriesene Aufnahme mit den geistlichen Werken, denn wenn sie wirklich an den Kompositionen für den kaiserlichen Hof orientiert sind, dann rückt das Fischer immer mehr in die Nähe von Steffani und Torri.


    Beide konnten exzellent im frz. Stil komponieren, Torris Werke für den Münchner Hof sind z.T. sogar in frz. Sprache abgefasst (Le Triomphe de la Paix) doch seine Kirchenmusik ist im italinischen Stil geschrieben, fast altertümlich, als ob da zwei verschiedene Meister am Werke waren.


    Ich halte Fischer dennoch für einen "Lullisten" da er wohl maßgeblich an der Verbreitung des frz. Orchesterstils beteiligt war - ich habe ja eine Vorliebe für diese Lullisten, auch wenn sie meiner Meinung nach nie das große Vorbild erreichten.
    Aber das haben auch nicht Delalande oder Campra geschafft - das ist also keineswegs eine Schande :D

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Ich halte Fischer dennoch für einen "Lullisten" da er wohl maßgeblich an der Verbreitung des frz. Orchesterstils beteiligt war - ich habe ja eine Vorliebe für diese Lullisten, auch wenn sie meiner Meinung nach nie das große Vorbild erreichten.


    Von Fischer besitze ich eine CD mit Cembalomusik (wenn ich mich richtig erinnere, aus dem "Parnasse Musical"), gespielt von William Christie (aus der HMF-Reihe "Musique d'abord"). Unbedingt hörenswert, aber natürlich aus dem Katalog gestrichen. X(


    Fischers Leistungen als Komponist darauf zu reduzieren, dass er - überspitzt formuliert - Lully kopiert hat, aber natürlich daran gescheitert ist, halte ich für sehr gewagt. Er hat nach meinem Empfinden durchaus einen Personalstil, der aber eben nicht nur aus Elementen der französischen Musik besteht. Vielmehr hat er - wie Hildebrandt richtig anmerkte - Stilelemente der französischen und italienischen Musik aufgenommen und (wie auch andere deutsche Komponisten seiner Zeit) daraus einen neuen Stil, den "vermischten", entwickelt.


    Vielleicht sollten wir mal darüber diskutieren, was ein "Lullist" ist: Ein unkritischer Bewunderer und Nachahmer Lullys, der aber nie an sein Vorbild heranreichte? Oder jemand, der unter anderem auch Stil- und Formelemente der Musik Lullys in seinen Personalstil übernommen hat? Dann wäre jeder Barockkomponist, der eine Ouvertüre im französischen Stil geschrieben hat, ein Lullist. :D


    :hello: Andreas

  • Zwischendurch vielleicht mal zwei CDs mit Fischers


    „Ariadne Musica“:


    Vorneweg noch etwas zur Zweckbestimmung, die nicht nur auf die liturgische Verwendbarkeit bezogen werden darf. Der vollständige Titel des Zyklus’ ist ein typischer barocker Bandwurm und erheblich länger, wenigstens die nächste Zeile sollte man aber einmal beachtet haben:
    „Ariadne Musica
    Neo-Organoedum“
    Es geht also um etwas Neues im Orgelbau, was Fischer als praktikabel beweisen möchte. Es geht um die Stimmung der Orgel, und offenbar wollte Fischer von der mitteltönigen Stimmung weg. Der Aufbau der „Ariadne...“ ist dem WTK ganz ähnlich: 20 Präludien und Fugen in fast allen Tonarten, dazu 5 Ricercare.
    Weggelassen hat der Komponist nur die Tonarten, die wohl selbst in der neuen Stimmung, die wir aber nicht kennen, immer noch unerträglich wären.




    Die Aufnahme stammt von 1985. Die Schnitger-Orgel (20/II+P) klingt wunderbar, der Organist nicht. Der spielt nämlich ein derartiges Dauerlegato, dass einem ganz schwindlig wird :kotz: (das macht er mittlerweile anders). Das Instrument steht in einer stark gemäßigten ungleichschwebenden Stimmung (die es zum Zeitpunkt seiner Erbauung 1694 garantiert nicht gehabt hat): Neidhardt III „für die große Stadt“ – es gibt auch noch „für das Dorf“ (= Neidhardt I) und „für die kleine Stadt“ (= Neidhardt II). Diese Stimmung ist eine ganz gute Wahl, denn sie hat kaum noch Schärfen, die Tonarten sind aber immer noch so unterschiedlich, dass sie den Charakter nicht ganz verlieren.




    Schoobroodts Instrument ist kleiner, aber nicht farbloser (Niederehe; 12/I+P, B. König). Rätselhaft finde ich die Wahl aber trotzdem, denn die Orgel ist ziemlich rein mitteltönig gestimmt, was Fischers Absicht eigentlich widerspricht. Dafür spielt Schoonbroodt wie ein junger Gott, phrasiert bis ins letzte Tüpfelchen und macht allerlei komische Sachen mit dem Örgelchen (4’-Flöte + Tremulant z. B.). Quasi als Dreingabe ist der komplette „Blumen-Strauss“ ebenfalls eingespielt: 8 seltsame Suiten – bestehend aus Präludium, 6 Fugen, Finale – in den 8 alten Kirchentonarten.
    Beim Wiederhören kommen mir die Stücke spannender vor, als ich sie in Erinnerung hatte. Bisher habe ich aber noch keinen Blick in die Noten geworfen :O – das sollte schleunigst nachgeholt werden - am besten von jemand anderem. :D
    Wenn ich wählen müsste, würde ich Schoonbroodt nehmen. Das Überlegato bei Baumgratz verleidet mir den Spaß doch zu sehr.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    ich hoffe ich hab nicht zu scharf geschrieben, so war es jedenfalls nicht gemeint.


    Und ich hatte schon befürchtet: Wer Lully beleidigt, beleidigt mich, und wer mich beleidigt... :stumm:


    Zitat

    Allerdings bei der Aufführungspraxis in Sachen Lully, hat sich etwas eingeschlichen, das man eigentlich nicht so lassen sollte, ich denke er hat viel farbiger Instrumentiert, allein weil er schon alle Möglichhkeiten hatte.


    Mhm, ich denke, eher nicht. Denn in Frankreich ist schon damals der Standard Trumpf, neue Moden gibt’s erst später, so 1789 :D
    Und die Hautbois emanzipiert sich im Ensemble bis auf die Trio-Einlagen ja lange nicht, obwohl sie dort zum Orchesterinstrument entwickelt worden ist. In Italien und Deutschland gibt es schon die virtuosesten Solostückchen, als die Franzosen kammermusikalisch immer noch „nur“ in die Traverse pusten dürfen. Und im Ensemble geht es eigentlich erst richtig bei Telemann und Bach los, die ohne Rücksicht auf Verluste ihre Oboisten in den Wahnsinn getrieben haben.
    In Fronkreisch bleibt die Hautbois in erster Linie Booster und Soundmacher für die Violinen. :pfeif:



    Einige Dirigenten, wie z.B. Reyne tun dies ja auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten, aber ich glaube dass es nicht richtig wäre die Oboen ständig spielen zu lassen.
    Sicher gibt es einige Passagen, in denen es gut kommt damit die Violinen zu verstärken, aber generell stelle ich mir doch was anderes vor.
    Ich habe mich im Lully Thread darüber schon einmal ausgelassen, allein schon über die Instrumente die man eigentlich verwenden sollte.



    Zitat

    Ich nehme mal an dass Du die Chaconnen und Passacaillen von Lully kennst,


    Seit Malgoires „Alceste“ schon ein paar... :D


    Zitat

    Aber trotzdem finde ich nicht, dass sie an die Originalität der Lullyschen Vorbilder heranreichen, aber das hat bisher kein Komponist geschafft, weder Muffat mit seiner Chaconne über das glückliche Gestirn, noch Fux, Erlebach, Kusser oder eben die frz. Kollegen.


    Bitte nicht schon wieder das mit den Äpfeln und Birnen.
    Vielleicht mal so rum: Lullys Monopol und der französische Zentralismus wirken als Fluch und Segen zugleich. Über den Segen müssen wir nicht reden, den hörst Du Dir ja pausenlos an.
    Der Fluch liegt aber in der dazu noch lange dauernden Unterdrückung aller Strömungen und Talente, die den beiden – Lully und dem Zentralismus – zuwiderlaufen. Indirekt ist das wieder ein Segen für die staatlich verzettelten Deutschen und Italiener, wo sich jede freie Stadt und jedes Fürstlein eigene Musiker hält und damit etwas für die Nachwuchsförderung tut. Die Talente haben ungeheure Chancen. Wer es in Frankreich dagegen nicht nach Paris schafft oder sogar von dort wieder verschwindet, der wird nicht wahrgenommen.
    Und das Lully-Monopol ist jenseits der Grenzen auch wieder ein kleiner Segen, denn da dürfen die Fischers und wie sie alle heißen schon anders walten und auch kompositorisch über den Tellerrand schauen. Da nehmen sie sich aus Frankreich das, was passt, und aus Italien eben was anderes. Dass sie obendrein keine eigenen Ideen dazu gehabt und eifrig mit hineinkomponiert hätten, hat außer Dir – glaube ich – noch niemand behauptet. 8o


    Am Schluss kommt ja doch nur wieder heraus, dass die Franzosen einen Italiener importieren mussten, der ihnen zeigt, wie’s geht. :D

  • Zitat

    Seit Malgoires „Alceste“ schon ein paar...



    aber in der Alceste gibt es doch gar keine Orchester-Chaconne :pfeif:


    es sei denn man bezeichnet die Chöre "que nos pleurs, que nos cris" (Act III, Scene V) und das Finale "Triomphez genereux Alcide" noch als Chaconnen.
    Wobei ich ersteren eher als Sarabande und letzteren als Rondeau ansehen würde.


    :hello:

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    Original von Fugato
    Von Fischer besitze ich eine CD mit Cembalomusik (wenn ich mich richtig erinnere, aus dem "Parnasse Musical"), gespielt von William Christie (aus der HMF-Reihe "Musique d'abord"). Unbedingt hörenswert, aber natürlich aus dem Katalog gestrichen. X(


    Fischers Stücke für Cembalo waren bis zum Erscheinen der Neuaufnahme des Journal de Printemps der am besten auf Tonträger dokumentierte Teil seines Werkes. (Die Orgel-CD von Schoonbrodt ist ja auch noch nicht alt, und ich habe mich offen gesagt gewundert, warum nicht schon längst jemand seine Suiten aufgenommen hat ... ?()


    Es gibt zwei größere Sammlungen von Cembalostücken:
    Pièces de Clavessin (1696) (I) (1698 als Musicalisches Blumen-Büschlein nachgedruckt)
    Le Parnasse Musical (1738 ) (II)


    Die CD von William Christie (Harmonia Mundi France HMC 90126, 1980) war (meines Wissens) die erste mit zwei der den neun Musen gwidmeten Suiten aus dem Parnasse Musical und drei Einzelstücken aus II. Seine Chaconne ist nach heutigem Konsens zu langsam gespielt, mir aber trotzdem die liebste Aufnahme, da sie Fischer effektvolle Verwendung von Trillern über den Chaconne-Bass viel besser zur Geltung bringt.


    Des weiteren gibt (oder gab) es:


    Siegbert Rampe (Virgin Veritas 5 45307 2, 1998 ) - 2 Suiten aus I, 3 aus II


    Mitzi Meyerson (MDG 605 0877-2, 2000) II komplett


    Walter Geist (MAT FCD 97136 und 97137) II komplett


    Luc Beauséjour (Naxos 8.554218 und 8.554446) II komplett und 2 Suiten aus I


    Meyerson wurde von Klaus Miehling in seiner Rezension in Concerto wegen ihrer Tempowahl ziemlich kritisiert, aber sie hat sich in einem ausführlichen Interview im Booklet ihrer Böhm-Einspielung verteidigt und ihre Erarbeitung der Tempi mit Tänzern angeführt - das klingt plausibel und nachvollziehbar. Schön und spielerisch überzeugend ist ihre Aufnahme allemal. Ob sie schnellere Tempi nimmt oder Wiederholungen auslässt (die Kollegen brauchen mehr als eine CD!) kann ich ohne Notentext nicht beurteilen.
    Beauséjour ist für den schmalen Geldbeutel sicher eine gute Wahl; Meyerson und Rampe haben die besseren Instrumente und Spielkonzepte. Geist kann da nicht ganz mithalten. So schwelgerisch wie Christie klingt keiner von ihnen .....




    Dann gibt es noch eine CD von Gerald Hambitzer, die ich noch nicht gehört habe:


  • Zitat

    Original von miguel54
    Die CD von William Christie (Harmonia Mundi France HMC 90126, 1980) war (meines Wissens) die erste mit zwei der den neun Musen gwidmeten Suiten aus dem Parnasse Musical und drei Einzelstücken aus II. Seine Chaconne ist nach heutigem Konsens zu langsam gespielt, mir aber trotzdem die liebste Aufnahme, da sie Fischer effektvolle Verwendung von Trillern über den Chaconne-Bass viel besser zur Geltung bringt.


    Da ist mir wer mit den Clavierwerken zuvorgekommen. :D
    Besten Dank für die Übersicht! :jubel:


    Zitat

    Meyerson wurde von Klaus Miehling in seiner Rezension in Concerto wegen ihrer Tempowahl ziemlich kritisiert, aber sie hat sich in einem ausführlichen Interview im Booklet ihrer Böhm-Einspielung verteidigt und ihre Erarbeitung der Tempi mit Tänzern angeführt - das klingt plausibel und nachvollziehbar.


    Obwohl sie dann Böhm wesentlich langsamer und konzentrierter als Fischer spielt? Sie hat sich bei Böhm doch sehr gebremst gegenüber früher, als z. B. auch ihre Buxtehude-Aufnahmen streckenweise zur Raserei ausarteten.
    Und ob die nur noch nominellen "Tänze", die inzwischen doch eher zu Charakterstücken geworden sind, nach einer Erarbeitung mit Tänzern zu umsetzbaren Ergebnissen führen, wage ich zu bezweifeln. Bei vielen Sätzen ist die Tanzbarkeit schon früher stellenweise dem Satz geopfert, und eine Bachsche Gigue – aus den Englischen Suiten etwa – lässt sich überhaupt nicht mehr tanzen – jedenfalls nicht als barocke Gigue.


    Zitat

    Schön und spielerisch überzeugend ist ihre Aufnahme allemal. Ob sie schnellere Tempi nimmt oder Wiederholungen auslässt (die Kollegen brauchen mehr als eine CD!) kann ich ohne Notentext nicht beurteilen.


    Bei diesen Tempi gehen manche Finessen doch völlig unter. Und sie spielt vieles zu ähnlich, da geht ihr bei Fischer manchmal die Phantasie ab.


    Zitat

    Beauséjour ist für den schmalen Geldbeutel sicher eine gute Wahl; Meyerson und Rampe haben die besseren Instrumente und Spielkonzepte. Geist kann da nicht ganz mithalten. So schwelgerisch wie Christie klingt keiner von ihnen .....


    Rampe spielt womöglich noch schneller als Meyerson und richtet die Musik streckenweise einfach hin, weil außer Tempo nichts bleibt. Manchmal glaube ich, der Mann weiß zuviel über die Kompositionen, die er spielt, und will einfach schnell fertig werden.
    Ich denke, wir sollten uns auf Christie einigen , und empfehlen allen das Warten auf eine preiswerte Wiederveröffentlichung.

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    Original von miguel54
    Heute habe ich mir diese SACD von Olga Martynova geleistet, Bericht folgt:



    Da bin ich gespannt.



    Zitat

    Kennt jemand diese neue SACD von MDG?



    Nach dem 24. 12. kann ich dazu etwas sagen. :yes:

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  • Nachdem ich ein paar Tage mit Olga Martynova's CD verbracht habe: Unter dem Strich nicht ganz zufriedenstellend, würde ich sagen.
    1 - der Klang ist zwar mit erstklassigen Mikrofonen im DSD-Verfahren aufgenommen, das Dowd-Cembalo nach französischen Vorbildern klingt schön, aber nicht so begeisternd grandios wie bei William Christie - der ist und bleibt die Referenz.
    2 - in den 3 Stücken, die auch Christie spielt - Präludium aus Suite # VI und Suite # VIII (da gibt es nur Präludium und eine Chaconne) - fällt auf, dass sie den gleichen interpretatorischen Ansatz verfolgt - die Arpeggien und schnellen Läufe spielt sie etwas schneller, trotzdem wirken sie bei Christie verbundener und fliessender.
    Bei den auf Tanzmodellen basierenden Stücken fällt es ihr schwer, den jeweiligen Charakter rüberzubringen - sie nimmt sich relativ viel Freiheit im Sinne von rubato, bei doch sehr ähnlichen Grundtempi, sowohl für den Taktschlag als auch für die kleinsten Notenwerte, so dass man sich hinterher fragt, worin denn der Unterschied zwischen einer Gavotte und einem Passepied besteht. Die Gigue ist zu langsam, die Allemande zu schnell ...
    Bei aller Kritk an Rampes Temperament: Bei ihm und auch bei Luc Beauséjour, die beide zwei Suiten aus dieser Sammlung ausgewählt haben, ist man hinterher gefesselter als bei Frau Martynova, bei der doch alles ein wenig vor sich hin plätschert. Richtig begeistert wie Christie hat mich ihr Spiel nie, selbst da, wo sie ihm recht nahe kommt. Beauséjour und Rampe brauchen übrigens etwa die gleiche Zeit für eine der Suiten wie Frau Martynova - an der Tempowahl kann es also nicht liegen.


    Fazit: Anschaffenswert, nur weil es die einzige Gesamtaufnahme dieses Opus ist. Interpretatorisch geht das noch besser.


    Da Beauséjours zwei Naxos-CDs nur jeweils eine Stunde laufen, fragt man sich, warum er nicht noch ein paar mehr von diesen relativ kurzen Suiten untergebracht hat! Hörenswerte Stücke sind das allemal. Mr. Christie, stauben sie bitte ihr Cembalo ab! :yes:

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    Original von Hildebrandt
    Instrumentalwerke.


    Das „Journal du Printemps“ ...
    Dann erschien (in en 70ern) eine LP mit einigen Suiten, über die ich lieber den Mantel der Nächstenliebe breiten möchte.


    Ja, die kenne ich ..... hatte ich auch mal, und vermisse sie überhaupt nicht.

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    ..... So gibt es einen Druck eines "Concerto p. le Clavecin av. Acc.“ eines gewissen „Fischer“ von „17..“ (Rest unleserlich). Wer weiß, was sich dahinter verbirgt?


    Tja, welches Ensemble könnte man darauf stossen? Müsste doch eines der frühesten Konzerte dieser Art sein?

  • Zitat

    Original von miguel54



    Tja, welches Ensemble könnte man darauf stossen? Müsste doch eines der frühesten Konzerte dieser Art sein?


    Es sieht mir ein bisschen zu "modern" aus. Wer weiß, welcher Fischer da noch herumspuken könnte. Eine Zuschreibung ist jedenfalls im Moment bestimmt noch nicht möglich.


    Satzbezeichnungen: Allegro - Adagio - Rondeau
    Stimmsätze: Cembalo, Violino primo, Violino secundo, Alto Viola, Corno primo, Corno secundo, Basso (beziffert)



  • Zitat

    Original von Hildebrandt


    Nach dem 24. 12. kann ich dazu etwas sagen. :yes:


    weil ich immer nur bestimmte Komponisten höre und andere ignoriere kann ich nur begrenzt etwas dazu sagen. Ich kenne die Stücke auf der CD nicht, aber ein Freund von mir hat bei der Aufnahme mitgesungen. Chor und Orchester sowie Herrn Homburg habe ich in anderem Zusammenhang Anfang November gehört, und da gelangen ihnen sehr gute und insbesondere in der Gesangskultur des Chores sehr ansprechende Aufführungen von Buxtehudes "Das jüngste Gericht" sowie von Bach h-moll.

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    Original von miguel54


    Kennt jemand diese neue SACD von MDG?



    Die Suite ist mit Trompeten, Pauken und Schlagwerk sehr lebendig eingespielt, also eine gute Ergänzung zur Aufnahme von Michi Gaigg.
    Bei der Missa Sancti Michaeli gibt es nichts auszusetzen, vielleicht hätte manchmal ein bisschen rascheres Tempo für mehr Leben gesorgt.
    Das gilt auch für die Missa in contrapuncto, einer reinen Chormesse, die dafür voller kontrapunktischer Gemeinheiten steckt.

  • Zitat

    Original von miguel54


    Unter dem Strich nicht ganz zufriedenstellend, würde ich sagen.


    Hier liegen wir mal wieder ein bisschen auseinander.


    Bevor der Strich gezogen wird, sollte man vielleicht folgende Punkte in Abzug bringen:
    1. Das Blumenbüschlein ist eine Spur bescheidener als der Parnaß konzipiert, sowohl in Hinsicht auf die Faktur der Stücke als auch auf das zu verwendende Instrument. Im Tonumfang ist das Blumenbüschlein so reduziert, dass es auf alle Fälle auf ein Clavichord passt, Ausflüge in die tiefsten Bassregionen entfallen also. Im Ganzen ist das Büschlein etwas dikreter und intimer.
    2. Auch wenn Christie bewunderungswürdig spielt, er zieht zugleich eine gewaltige Show ab. Das betrifft neben der Theatralik, die er bis an den Anschlag ausreizt, vor allem die Texttreue, die er z. B. mit Bassoktavierungen nicht so genau nimmt – das dröhnt dann schon sehr eindrucksvoll.


    Damit im Hinterkopf liegen für mich Christie und Martynova gleichauf, denn sie nimmt die Stücke eher so, wie sie sind, ohne sie noch aufzupusten.
    Phrasierung, Tempowahl und Agogik finde ich sehr gelungen, ähnlich wie bei Christie. Beide treffen den Fischer-Ton wohl am besten, so erkennt man ihn jedenfalls am ehesten wieder.


    Hinter den beiden kommt in Sachen Fischer lange nichts. Die Rasereien von Rampe und Meyersson nehmen den Stücken viel.
    Beuséjour erledigt seine Hausaufgaben zwar zuverlässig, wirkt aber eher unbeteiligt.
    Die Geist-Aufnahme kenne ich nicht, muss ich aber wohl auch nicht.
    Neugierig wäre ich noch auf Hambitzers Einspielung – die kommt auf den Zettel.


    Unter dem Strich ist das Blumen-Büschlein mit Olga Martynova für mich bis jetzt die Cembalo-CD des Jahres. :yes:

  • "Cembalo-CD des Jahres" finde ich dann doch etwas übertrieben. Klar reisst Christie die Show, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es zu einem gewissen Grad notwendig ist. Myerson und Rampe versuchen es im wesentlichen durchs Tempo, und das kommt in der Tat weniger gut. Aber für mich liegen die Schwächen von Frau Martynovas Einspielung im Detail: Die Präludien riechen für mich etwas mehr "non mesuré" als sie sie nimmt, etwas zu schnell, da könnte sie den einzelnen Phrasen mehr nachhorchen. Das von Suite nr. 2 dagegen, das nur aus Akkorden besteht, da muß man was machen, und das gelingt Christie besser, wenn er die Arpeggien schwelgerisch ausspielt - in der eröffnenden Toccata von Suite 9 "Uranie", die praktisch das gleiche Stück ist. Beauséjour hämmert die Akkorde in beiden Versionen ziemlich einfallslos durch ... ansonsten bringer er wie Rampe und Myerson mir die Tanzcharaktere besser rüber.
    Ich war zugegebenermaßen etwas streng in meinem Urteil, aber mir macht sie nicht genug aus diesen Stücken, und ihre Tempowahl ist mir zu gleichförmig, die rhythmischen und Tempocharakteristiken der einzelnen Tanzmodelle könnten ruhig deutlicher sein, vor allem in aufeinanderfolgenden Sätzen, die auch metrisch unterschiedlich sind. Ihr Spiel fesselt mich einfach nicht, die anderen schaffen das alle.
    Leider sind mir meine Fischer-Noten offenbar bei einer Verleihaktion abhanden gekommen, also kann ich nicht vergleichen, aber bei der Passacaille von Suite nr. 3 scheint sie mir die Pausen am Ende der Phrasen zu verhuddeln, sodaß auftaktige und auf dem ersten Schlag beginnende Phrasen verschwimmen.


    Habe mir eben die Noten bestellt und werde nach dem mitlesenden Hören berichten.


    ... und nach der Hambitzer CD suchen. Auf seiner bei Concerto Bayreuth erschienenen CD auf dem Hubert-Clavichord ist die Uranie-Suite auch drauf, wird als nächstes gehört.


  • Auch wenn die CD "Musikalischer Parnassus" betitlet ist, enthält sie Suiten aus beiden Sammlungen. Inhaltsangaben etc. hier.


    Die CD auf dem Hubert-Clavichord gibt es hier :


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