Wer ist denn eigentlich dieser Figaro ?

  • Weiter geht es im Zyklus der Analyse von Charaktären berühmter Opernfiguren.
    Zunächst stellt sich die Frage: WELCHER Figaro ist denn da eigentlich gemeint ??
    An sich stellt sich die Frage gar nicht, denn der Figaro aus "Figaros Hochzeit" und jener aus dem "Barbier von Sevilla" sind ja an sich identisch...


    Im Barbier ist er noch Verbündeter des Grafen Almaviva, in der Fortsetzung gibt es einen Interessenkonflikt, welchen Figaro mit der ihm eigenen Listigkeit zu lösen versucht.


    Wie seht Ihr diese Figur, ist sie ein "loyaler Diener" oder ein "Nutzniesser" ein "Till Eulenspiegel" oder ein Querulant ?


    Da gibt es viele Interpretationsmöglichkeiten.


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • .... oder gar ein "REVOLUZZER"???


    Harald (Alt68er)

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • vielleicht eher ein "Hans Dampf in allen Gassen", denn wie du schon geschrieben hast ist er nicht auf den Hinterkopf gefallen, sprich listig.


    LG


    Maggie

  • "Listig" ? Ich weiß nicht.....


    Im Barbier macht Figaro das "Spiel" gerne mit und vermutlich verspricht er sich auch etwas davon. Man könnte die Anstellung als Kammerdiener Almavivas ja durchaus als Belohnung für die Mithilfe bei der Gewinnung Rosinas sehen.


    Als Figaro dann später selbst Opfer eines "Spiels" des Grafen zu werden droht, reagiert er mit Zorn, aber nicht gerade mit sprühenden Einfällen. Die Aufdeckung des "Spiels" geht ja wohl eher auf die Initiative der Damen zurück, oder sehe ich das jetzt ganz falsch?!


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Hallo Rosenkavalier,


    du siehst das nicht falsch nur anders.


    Er merkt ja wen er da im Park vor sich hat und lässt es sich dennoch nicht sofort anmerken. Außerdem ist er im Barbier wie du schon schreibst ja nicht wirklich uneigennützig. Dazu gehört schon etwas Bauernschläue oder auch List.


    LG


    Maggie

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  • Aber die "Inszenierung" im Park erfolgt zunächst ohne sein Zutun. Er reagiert eigentlich die meiste Zeit (zumindest in der Nozze), während die Damen agieren. Im Barbier ist er zweifelsohne der aktive Teil und wie Du sagst auch mit einem gewissen Maß an Listigkeit.


    Gruß
    Rosenkavalier.

  • In dem Zusammenhang kann ich nur empfehlen, sich mal die Orginalversionen von Monsieur de Beaumarchais vorzunehmen, die beim Insel-Verlag in einer Übersetzung von Gerda Scheffel erschienen sind:
    Der Barbier von Sevilla oder Die nutzlose Vorsicht / Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit / Ein zweiter Tartuffe oder Die Schuld der Mutter



    Allein schon der Vergleich mit den ja viel bekannteren Opernfassungen der ersten beiden Teile ist interessant: Was haben die Librettisten aus den Stücken herausgekürzt, an welchen Stellen hat man Arien und Ensembles geschaffen, etc.


    Gerade der Figaro bekommt in diesen Stücken eine wirklich viel "aufrührerische" Facette, wie ich finde. Er verbreitet sich des öfteren über seinen Stand, bzw. den des Grafen Almaviva und die daraus resultierenden Gegebenheiten/ Ungerechtigkeiten, usw.


    Kein Wunder, dass man in diesen Stücken so etwas wie "Vorboten der Französischen Revolution" sah...
    Und wiederum kein Wunder, dass Lorenzo Da Ponte seine "Nozze di Figaro" erst "entschärfen" musste, bevor sie 1786 in Wien in Opernform über die Bühne gegangen ist...


    Kennt eigentlich jemand den dritten Teil der Trilogie als Oper ("Ein zweiter Tartuffe oder Die Schuld der Mutter")?
    Es müsste eine Vertonung aus dem 20. Jahrhundert geben, wenn ich nicht irre? Mir fällt zur Zeit aber nicht ein, von wem die stammen könnte.
    Hat mich sowieso immer gewundert, warum der 3. Teil der Figaro-Trilogie so im Schatten der ersten beiden Teile steht... ?(

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von MarcCologne
    Kennt eigentlich jemand den dritten Teil der Trilogie als Oper ("Ein zweiter Tartuffe oder Die Schuld der Mutter")?
    Es müsste eine Vertonung aus dem 20. Jahrhundert geben, wenn ich nicht irre? Mir fällt zur Zeit aber nicht ein, von wem die stammen könnte.
    Hat mich sowieso immer gewundert, warum der 3. Teil der Figaro-Trilogie so im Schatten der ersten beiden Teile steht... ?(


    Der dritte Teil (Chérubin, 1905) ist von Massenet vertont worden. Eine seiner erfolgreicheren Opern ist es nicht geworden ...


    LG Peter

  • Hallo,


    es gibt noch einen anderen 3. Teil der Figaro-Trilogie, vertont von Giselher Klebe:


    Figaro lässt sich scheiden, Oper in 2 Akten von Giselher Klebe, Text vom Komponisten nach Ödön von Horváths gleichnamigem Schauspiel (1934), Uraufführung: 28.6.1963 Hamburg unter Ludwig und Egon Monk. Horváths Komödie ist eine Fortsetzung der Figaro-Trilogie von Beaumarchais, spielt aber nach der Frz. Revolution. Das Grafenpaar befindet sich verarmt im Exil, nachdem der Graf (Bariton) eine Gefängnisstrafe verbüßt hat; Figaro (Bariton) ist ein Vorstadtbarbier, und Susanna (Sopran) tritt in Cherubinos (Tenor) Nachtlokal auf. Figaro wird schließlich Verwalter des ehemaligen gräflichen Schlosses, auf dem der Graf nach dem Tod seiner Gattin (Sopran) ein Wohnrecht genießt.


    [Figaro lässt sich scheiden. Reclams Opernlexikon, S. 892 (c) 2001 Philipp Reclam jun.]

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Danke für den Hinweis, Harald.
    Der 3. Teil wird nur allzu gerne vergessen. Ob es an der Musik liegt?

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Siegfried
    Da hast Du sicher recht, aber auch die Story hört sich reichlich krude an. Es gibt wohl auch keine Tonaufnahme davon - vermutlich mit recht!
    Grüße
    Harald


    Im Fernseh-Tread habe ich schon mal darauf aufmerksam gemacht:


    Der ZDF-Theaterkanal bringt im August "Figaros Hochzeit" als Theaterstück von Beaumarchais - ohne Musik!


    Vielleicht ganz interessant anzusehen.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Nach meiner Interpretation haben in Mozarts Figaro eindeutig die Damen das Sagen und Figaro wird eigentlich nur dadurch geadelt, dass die alles überragende Susanna ihn liebt und heiraten wird.
    Er ist zwar charakterlich /menschlich dem Conte Almaviva überlegen und das ist gleichzeitig das revolutionäre Element an dieser Oper; Der Adel ist hier sozusagen moralisch auf dem Prüfstand, so wie er es ja in der frz. Revolution dann schlesslich blutigst zu spüren bekam. Aber da Ponte geht noch einen Riesenschritt weiter: wirklich klug, alles durchschauend und immer auf der Höhe ist in dieser Oper nur Susanna. Eine Frau. Ein Dienstmädchen.Wenn man sich die leicht lächerliche Eifersucht des Figaro während der Verkleidungsszene im Garten ansieht, seine Geschcihte mit Marcellina, seine Verhöhnung des kleinen Cherubino: da haben wir es keinesfalls mit einer nur positiv und als Gegenbild zum Conte gezeichneten eindimensionalen Figur zu tun. :no: In der Eifersucht zeigen sich sogar Parallelen zwsichen beiden Männern. Dass sie im selben Stimmfach singen, ist auch kein Zufall. :no:
    Es steckt im Figaro immer noch ein bisschen Commedia dell Arte und auch eine kleine Portion Leporello mit drin. Figaro ist deutlcih sympathischer als der Conte, aber der Held ist er nciht.
    Auch wenn er sich mit seinem "Se vuol ballare signor Contino" schon eindeutiger als Massetto es mit seinem "Ho capito, signor si" im Don Giovanni, gegen erotische übergriffe aus dem Adel auflehnt, ist es doch letztilch Susanna zu verdanken, dass der Graf seine veralteten Privilegien nciht noch einmal reanimeiren und sie schnell noch vor der Hochzeit vernaschen kann.
    Für mich ist in dieser Oper Mozarts Susanna(da sind wir wieder bei seiner ersten Susanna Nancy Storace =)) die absolute Heldin. :jubel:
    Dass Figaro von ihr geliebt wird, macht ihn aber mindestesn zum Co-Hero. ;) :yes:


    Fairy Queen :angel:

  • Zitat

    Original von Siegfried
    Drum wurde im Salzburger Jubiläums-Figaro die Susanna mit Anna Netrebko besetzt :jubel:.


    OT: Muss das nicht heißen FEHLbesetzt? Für mich war sie die langweiligste Susanna, die ich bis dahin gehört hatte.
    Kann aber auch an der nicht gerade "spritzigen" Inszenierung gelegen haben.....


    Gruß
    Rosenkavalier

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  • Und genau deshalb fand ich es so total ignorant, dass sich etliche Menschen erdreisteten zu sagen: Was, die singt NUR die Susanna??? so nach dem Motto: das ist doch ncihts für eine echte Diva...... :boese2:
    Noch hab ich die Dvd nciht und weiss nciht genau, wie sie's gemacht hat, da ich nur Ausschnitte im Radio gehört habe. Vorstellen kann ich es mir aber bestens. Sowohl vom Typ als auch von der Stimme und der Schauspielkunst allemal. :yes:


    Gibts hier einen Thread über en Salzburger Mozart??? Seinerzeits war ich nämlich LEIDER noch nciht hier gelandet :(


    F.Q.


    Nachtrag: habe gerade erst Rosenkavaliers Post gesehen und muss Dir ausnahmsweise mal widersprechen. LANGWEILIG kann ich mir nun gerade bei ihr gar nicht vorstellen ?( ?( ?(

  • Zitat

    Original von pbrixius


    Der dritte Teil (Chérubin, 1905) ist von Massenet vertont worden. Eine seiner erfolgreicheren Opern ist es nicht geworden ...


    Zitat

    Original von Harald Kral
    Da hast Du sicher recht, aber auch die Story hört sich reichlich krude an. Es gibt wohl auch keine Tonaufnahme davon - vermutlich mit recht!


    Von Massenets "Chérubin. Comédie chantée en trois actes" gibt es allerdings für Massenet-Verhältnisse sogar sehr viele Aufnahmen! Und die Musik ist, glaube ich, auch nicht schlecht (ohne sie zu kennen). Massenet ist nicht schlecht. ;)


  • Zitat

    Original von Philhellene


    Von Massenets "Chérubin. Comédie chantée en trois actes" gibt es allerdings für Massenet-Verhältnisse sogar sehr viele Aufnahmen! Und die Musik ist, glaube ich, auch nicht schlecht (ohne sie zu kennen). Massenet ist nicht schlecht. ;)


    Lieber Philhellene,


    leider ist die Qualität der Musik nicht immer ein Garant für den Erfolg. Manchmal kann es einfach am Libretto liegen. Dieser dritte Teil war ja selbst ein Spätling bei Beaumarchais.


    Aber dank der Hinweise kann ich mir ja demnächst ein eigenes Bild machen. Vielen Dank dafür.


    LG Peter

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  • Zitat

    Original von pbrixius


    leider ist die Qualität der Musik nicht immer ein Garant für den Erfolg. Manchmal kann es einfach am Libretto liegen. Dieser dritte Teil war ja selbst ein Spätling bei Beaumarchais.


    Lieber Peter,


    gerade bei Massenet weiß ich oft wirklich nicht, was die Ursache für die Ablehnung ist. Im Fall des "Chérubin" ist es ja so, dass der Misserfolg schon bei der Uraufführung aufgetreten ist. Aber viele Massenet-Opern, eigentlich alle mit Ausnahme von "Manon" und "Werther", werden heute nicht mehr aufgeführt, trotz sehr schöner Musik und einem Text, der zumindest nicht schlechter als bei vielen anderen Opern ist. "Thais" ist z. B. so ein Fall - mir unbegreiflich, wieso diese wunderschöne Oper nicht öfter aufgeführt wird (abgesehen von der Méditation, die auf Klassiksamplern regelmäßig fröhliche Urständ feiert... :rolleyes: ). Bei "Esclarmonde" sind ja wenigstens die enormen Anforderungen an die Sängerin der Titelpartie ein einleuchtender Grund...


    Liebe Grüße,
    Martin

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier
    Als Figaro dann später selbst Opfer eines "Spiels" des Grafen zu werden droht, reagiert er mit Zorn, aber nicht gerade mit sprühenden Einfällen. Die Aufdeckung des "Spiels" geht ja wohl eher auf die Initiative der Damen zurück, oder sehe ich das jetzt ganz falsch?!


    Lieber Rosenkavalier,


    das siehst Du tatsächlich meiner Meinung nach falsch. Es ist sicher nur eine Verkürzung des Stückes von Beaumarchais (das damals die Zuschauer sehr gut kannten), aber das Entscheidende ist auch hier nicht verloren gegangen. Im Kampf gegen die Adelsprivilegien gibt es zwei Wege. Der eine ist ein "systemimmanenter", eine höfische Intrige. Diesen Weg gehen die Damen, unterstützt von Figaro - der oft genug improvisieren muss, um den Damen aus der Patsche zu helfen. Der andere, der "zukunftsweisende", ist die Einbeziehung des Volkes, das eben Figaro mobilisiert: Er stellt immer wieder eine Öffentlichkeit her, er fordert die Abschaffung der alten Privilegien ein. Die Vereinigung aller Kräfte am Ende bringt den Erfolg, nun dem einen oder den anderen den Vorzug zu geben, scheint mir eher eine Geschmackssache zu sein.


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von pbrixius


    Der dritte Teil (Chérubin, 1905) ist von Massenet vertont worden. Eine seiner erfolgreicheren Opern ist es nicht geworden ...


    LG Peter


    Aber eine mindestens sehr gut und gern hörbare, wie diese Aufnahme belegt:



    Im übrigen stimme ich den Damen zu: Figaro ist eigentlich nur bei Rossini (und, nicht ganz zu vergessen, Paisiello) wirklich gewitzt, aber bei Mozart/Da Ponte scheint ihn seine Karriere denkfaul gemacht zu haben. Manchmal ist er geradezu tapsig, und so müssen ihm die Damen immer wieder gewaltig auf die Sprünge helfen. Das erste Beispiel dafür kommt gleich am Anfang, wenn Susanna ihn darauf aufmerksam machen muss, dass er die vermeintliche Großmut des Grafen ziemlich falsch einschätzt. Da ist er seinem Brötchengeber zur Abwechslung sogar unterlegen.


    Sind Revoluzzer nicht allgemein Menschen, die ihren Ehrgeiz nicht auf herkömmlichem Wege befriedigen können oder dürfen? Womit nicht gesagt sein soll, dass sie historisch nicht auch mal Recht haben können, wie eben Figaro. Er ist ja weder der erste noch der letzte, dessen Lebensweg ihn vom radikalen Protest zum Bollwerk des Establishments führte.


    :D Rideamus

  • Schließe mich den Danksagungen für die Tipps für Massenets Chérubin an :hello:


    Gerade die Aufnahme mit den von mir sehr geschätzten Damen June Anderson und Frederica von Stade finde ich außerordentlich sympathisch (und habe sie mal auf meinen wie immer viiiiiel zu langen Wunschzettel gesetzt) :] - ich kannte sie noch gar nicht.


    Opern von Jules Massenet mag ich eigentlich sehr gerne (vor ein paar Jahren hatte ich mal die wirklich lohnende Gelegenheit, seinen selten gespielten Don Quixotte in der Kölner Oper zu erleben) - ein kompletter Reinfall dürfte der Kauf daher sicher nicht werden.


    Müsste mich in den dritten Teil nochmal einlesen, um zu sehen, ob Figaro wenigstens einen Bruchteil seines ursprünglich ja so reichhaltig vorhandenen Witzes auch in dieses Stück hinüberretten konnte... ;)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Im übrigen stimme ich den Damen zu: Figaro ist eigentlich nur bei Rossini (und, nicht ganz zu vergessen, Paisiello) wirklich gewitzt, aber bei Mozart/Da Ponte scheint ihn seine Karriere denkfaul gemacht zu haben.


    Er ist dies vielleicht Deiner Meinung nach, aber Du erlaubst, dass ich das anders sehe. Ich kann in der Argumentation da weitgehend dem Essay folgen, den Joachim Kaiser über den Figaro geschrieben hat. Der hat nicht so schnell das diskriminierende "denkfaul" im Köcher, sondern er gestattet es der Susanna, dass sie manchmal flinker kapiert als Figaro - ist er deshalb denkfaul? Er ist kein wirbelnder Allerweltskopf, kein sich rasch erregender Schreihals - wie leicht hätte es Almaviva mit einem solchen Gegenspieler? Figaro bei Mozart tendiert zum Leisen, zum Verhaltenen. Schau nur mal hin, wie lange es dauert, bis ihn der Zorn zum Forte animiert! Aber dann dauert der Zorn auch - und er ist zielbewusst. Das "denkfaul" wirst Du mir erst einmal nachweisen müssen, da bin ich gespannt.


    Zitat

    Manchmal ist er geradezu tapsig, und so müssen ihm die Damen immer wieder gewaltig auf die Sprünge helfen. Das erste Beispiel dafür kommt gleich am Anfang, wenn Susanna ihn darauf aufmerksam machen muss, dass er die vermeintliche Großmut des Grafen ziemlich falsch einschätzt. Da ist er seinem Brötchengeber zur Abwechslung sogar unterlegen.


    Beaumarchais/de Ponte sind eben keine Leichtgewichte wie andere Librettisten. Sie verlangen schon ein wenig Einfühlung und psychologisches Verständnis - und Mozart ist ein fantastischer Partner. Warum wohl braucht Figaro in der 1. Szene so lange, bis er kapiert, was Sache ist? Aus dem einsichtigsten Grunde der Welt: Er war darauf stolz, dass er befördert werden sollte und hat das seinen - durchaus vorhandenen - Fähigkeiten zugeschrieben. Dass der Graf andere Pläne hatte, heißt er einmal, dass Figaro sich überwindet und seine eitle Freude ablegt. Ich kenne genug Menschen, die mit ihrer Eitelkeit - trotz hoher Intelligenz - mehr Schwierigkeiten haben und länger ihrem Wunschbild glauben als Figaro in der 1. Szene. Gleich ein psychologisches Meisterwerk - und da hörst Du Tapsigkeit heraus (da musst du mal unterwegs die Notenwerte hören, die Dein tapsiger Figaro bewältigen kann).


    Susanna hat es da ein wenig leichter, den Grafen einzuschätzen, denn sie kennt ja seine Nachstellungen. Wie weit hat sie Figaro schon informiert? Hätte sie ihn da mehr sensibilisiert, wäre er auch auf die erste Andeutung angesprungen. Es ist also auch eine Frage der Kommunikation zwischen den beiden, etwas, das auch im Weiteren eine Rolle spielen wird, etwa in Bezug auf die Eifersucht Figaros.


    Ich habe einmal diese Frage ausführlicher diskutiert, um aufzuzeigen, dass man mit solchen "Hämmern" bei der Charakteristik einer Figur von da Ponte/Mozart eigentlich notwendig daneben liegt. Mein Widerspruch war auch erst einmal ein vorläufiger im Sinne der Dialektik, damit man anfangen kann im Hin und Wieder nun Konturen zu gewinnen. Um Parteinahmen geht es da nicht, sondern um Differenzierungen - und nicht um Mehrheiten, sondern um Argumente.



    Zitat

    Sind Revoluzzer nicht allgemein Menschen, die ihren Ehrgeiz nicht auf herkömmlichem Wege befriedigen können oder dürfen?


    Ich denke nicht, dass Du so einen Satz Ernst meinst. Zwischen Revoluzzer und einem Vertreter eines bewussten Bürgertums, in dem auf Recht und Gericht gesetzt wird (ähnlich Don Ottavio) statt auf Privileg und Faustrecht, ist doch wohl ein großer Unterschied. Ich bin hier nicht bereit, parteipolitisch zu diskutieren, denn da befinde ich mich eher im Bereich vom Tritsch-Tratsch. Ich könnte mit einer ebenso differenzierten psychologischen Einsichtsweise sagen: Sind CD-Sammler nicht allgemein Menschen, die ihren Ehrgeiz nicht auf herkömmlichen Weg befriedigen können oder dürfen? Wenn ich dazu meinen Freud zitiere, komme ich gleich wieder in einen anderen Thread. Also bitte, halten wir es mit Sachlichkeit. Figaro ist so wenig ein Weichei wie ein Revoluzzer - und mit herabsetzenden Wörtern hat man kein besseres Argument.


    Zitat

    Womit nicht gesagt sein soll, dass sie historisch nicht auch mal Recht haben können, wie eben Figaro.


    Der nächste Allgemeinplatz - und ich dachte, es ginge um Argumente. Noch einmal, ich dachte, es ginge um eine Charakterisierung Figaros und nicht die Abarbeitung der Weltgeschichte unter besonderer Berücksichtigung von "Revoluzzern".


    Figaro hat nicht historisch Recht - er hat in dem Stück Recht - darum geht es doch wohl erst einmal. Ob er historisch Recht behalten wird oder nicht (das ist die interessante Frage, die etwa die Inszenierung von Guth diskutiert), spielt auf der Ebene der Oper keine Rolle. Ich habe es doch eigentlich gut verständlich gesagt: Figaro sucht den Weg der Öffentlichkeit, es geht ihm nicht um den Einzelfall, es geht ihm um das Recht des Einzelnen auf Unversehrtheit (seiner Ehe). Was ist denn da ein "Revoluzzer", der seinen Ehrgeiz nicht auf anderem Wege befriedigen kann?



    Gruß Peter

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  • Ist es nicht so, dass Almaviva das Privileg bereits abgeschafft hat und der durch Figaro initiierte Aufzug des Volkes (also die Herstellung der Öffentlichkeit) nur dazu dient, ihn im Zusammenhang mit Susanna daran zu "erinnern"? Kann man diese Aktion dann tatsächlich als "zukunftsweisend" ansehen, oder ist sie reiner Eigennutz? Oder sieht sich Figaro tatsächlich als Vorreiter einer neuen Zeit?
    Ich gestehe natürlich ein, dass die Geschichte eine "Aufhänger" haben muss, aber da es hier um die Frage geht, "Wer ist denn eigentlich dieser Figaro", ist dieser Aspekt vielleicht auch interessant.


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier
    Ist es nicht so, dass Almaviva das Privileg bereits abgeschafft hat und der durch Figaro initiierte Aufzug des Volkes (also die Herstellung der Öffentlichkeit) nur dazu dient, ihn im Zusammenhang mit Susanna daran zu "erinnern"? Kann man diese Aktion dann tatsächlich als "zukunftsweisend" ansehen, oder ist sie reiner Eigennutz? Oder sieht sich Figaro tatsächlich als Vorreiter einer neuen Zeit?
    Ich gestehe natürlich ein, dass die Geschichte eine "Aufhänger" haben muss, aber da es hier um die Frage geht, "Wer ist denn eigentlich dieser Figaro", ist dieser Aspekt vielleicht auch interessant.


    Das Zukunftsweisende ist ja unter anderem, dass der Bürger auch Eigennutz haben kann, der ihm vom Vertreter des Staates nicht strittig gemacht werden kann. Öffentlichkeit ist ja das neue einer bürgerlichen Gesellschaft, in der das Meinungsmonopol des Absolutismus gebrochen ist. Und soweit kann man da durchaus die Intentionen von Beaumarchais wieder finden, die da Ponte aufgenommen hat.


    Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: auch heute ist es oft günstiger für den Betroffenen, über eine Einzelfallregelung etwas für ihn zu erreichen (und ich weiß, wovon ich spreche!) Aber dass es Änderungen im Bleiberecht gegeben hat, war nicht eine Frage von einvernehmlichen Regelungen in Einzelfällen, sondern eine Folge der öffentlichen Diskussion, die auch immer erheblichen Mut von Seiten der Betroffenen erforderte. Insoweit stellt sich diese Frage, die man im Figaro finden kann, heute genauso. Natürlich ist das im Figaro nur eine Ebene, aber ich finde, keine so unwichtige.


    Gruß Peter

  • Zitat

    Original von pbrixius
    Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: auch heute ist es oft günstiger für den Betroffenen, über eine Einzelfallregelung etwas für ihn zu erreichen (und ich weiß, wovon ich spreche!) Aber dass es Änderungen im Bleiberecht gegeben hat, war nicht eine Frage von einvernehmlichen Regelungen in Einzelfällen, sondern eine Folge der öffentlichen Diskussion, die auch immer erheblichen Mut von Seiten der Betroffenen erforderte.


    Ich führe den Gedanken mal weiter: Das Pochen auf den Einzelfall kann möglicherweise als Präzedenzfall angesehen werden kann. Also - wenn der Graf die Finger von Susanna lässt, was ohne Zweifel Figaros vordringlichstes Interesse ist - dann kann er künftig nicht mehr in das alte Schema zurück fallen. Indem Figaro seine Interessen öffentlich macht, schafft er Tatsachen auch für nachfolgende Fälle.



    Gruß
    Rosenkavalier


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier
    Ich führe den Gedanken mal weiter: Das Pochen auf den Einzelfall kann möglicherweise als Präzedenzfall angesehen werden kann. Also - wenn der Graf die Finger von Susanna lässt, was ohne Zweifel Figaros vordringlichstes Interesse ist - dann kann er künftig nicht mehr in das alte Schema zurück fallen. Indem Figaro seine Interessen öffentlich macht, schafft er Tatsachen auch für nachfolgende Fälle.


    Lieber Rosenkavalier,


    Du liest meine Gedanken :) Ziemlich revoluzzerhaft ...


    Liebe Grüße Peter

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