Klassik für Einsteiger (1) - Wie wichtig ist die Interpretation ?

  • Liebe Forianer


    Wenn ein Einsteiger (das Wort "Anfänger" ist ja seit einigen Jahren verpönt, um wieviel eleganter klingt da "Einsteiger") die Beiträge im Tamino Klassikforum liest, dann muß er schier verzweifeln:


    Etliche Namen werden ihm da an den Kopf geworfen - und grade die supergünstige Aufnahme aller Beethoven-Sinfonien unter "XY" auf die er so stolz ist, und die ihm so gefällt, findet keine Gnade vor den Augen (Ohren !!) der Forengurus......


    Im schlimmsten Fall kauft er dann alternativ die sooo gelobt Aufnahme unter "YZ" und muß traurig feststellen, daß die nur unwesentlich anders klingt aols sein eigene - vielleicht sogar ein wenig "fremd"


    Kenner haben bereits herausgefunden was ich thematisieren will:


    Wie wichtig ist die Interpretation eines Werkes, wenn man es als Einsteiger das erste Mal hört?


    Dazu gibt es viel zu sagen - also lasst uns beginnen:



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salü,


    Der Erstkontakt zu einem Werk ist in der Regel [jedenfalls war es bei mir so - und ich bin die Regel :D ] reiner Zufall. Entweder, das Werk gefällt einem dann, oder eben nicht. In letzterem Falle war es dann eben die "falsche" Interpretation für den betreffenden Interessenten, oftmals wird das Werk nie wieder gehört. Aber das kann man ja nicht steuern. Da helfen höchstens weitere Zufälle, die bedingen, dass der/die Betreffende das Werk erneut in einer anderen Version zu Gehör bekommt.


    Ich jedenfalls war früher fasziniert von "Originalinstrumenten" - eben weil sie original waren. Dass das oftmals schief klang und schepperte, war mir egal. Heute ist das ganz anders - da achte ich zwar noch immer auf die Verwendung historischer Instrumente [oder klangschönen Nachbauten], wichtiger ist mir aber das Ergebnis: der Klang. Daraufhin untersucht habe ich etliche Einspielungen, die ich früher für das A und O hielt, quasi ersetzt.


    Tenor des Threads sollte vielleicht sein, nicht gleich nach einem enttäuschenden Erstkontakt aufzugeben. Mit der Zeit entwickelt sich eine Hörerfahrung, anhand der man auch relativ leicht entscheiden kann, ob einem [nur] die Interpretation oder das Werk als solches [nicht] gefällt.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Alfred,


    Ein sehr interessantes Thema - als ich vor drei Jahren mit dem intensieveren Klassikhören anfing, war mir die Interpretation völlig unwichtig (möglichweise hatte ich auch glück und hörte sofort nur überzeugende sachen...)- ich kannte ja auch kaum Namen der Branche...


    Auch nach den drei Jahren merke ich nur zögerlich, wie wichtig mir eine verscheidenartige Interpretation ist. Oft ertappe ich mich dabei, dass ich die erste Interpretation, mit der ich ein Werk kennengelernt habe, auch nach Vergleichshören, für die Beste halte. Das erste AHA-ERlebniss hatte ich bei Griegs Kalvierkonzert - der dritte Satz wurde mir bei den weitern Interpretationen immer zu langsam gespielt. Auch das Brahmskonzert Nr.1 lernte ich mit einem nie wieder gehörtem Presto im finale - seitdem lasse ich beinahe alle anderen Aufnahmen mit leicht geringerem Tempo liegen.


    Ich denke für jemanden, der noch garkeine Klassik kennt und das nachholen möchte, ist es schon ratsam, eine mitreissende, klare und kräftige Interpretation zu haben - auch wenn es manch bessere, ausbalanciertere gibt, so ist doch zunächst für den Unkundigen der unmittelbare Zugriff der wichtigste!


    Ich halte dennoch die Interpretation zunächst für zweitrangig - Man sollte sich zunächst einmal auf das Kennenlernen der wichtigsten Komponisten und deren Kompositionen konzentrieren, als denn überblick völlig zwischen all den Interpreten zu verlieren...


    LG
    Raphael


  • der Antworten kamen einige, unter anderem die hier:



    Das lasse ich jetzt mal ohne Kommentar hier stehen, weil es sehr schön zeigt, wie meine Einstellung zum Thema war... Morgen noch mehr dazu.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Zitat

    Original von raphaell
    Ich halte dennoch die Interpretation zunächst für zweitrangig - Man sollte sich zunächst einmal auf das Kennenlernen der wichtigsten Komponisten und deren Kompositionen konzentrieren, als denn überblick völlig zwischen all den Interpreten zu verlieren...


    Aber eine schlechte Interpretation [wie auch immer man das nun definieren mag] wirft vor allem zunächst auf das Werk bzw. den Komponisten ein schlechtes Licht. Aber, es gibt - wie gesagt - keine Lösung dafür [oder eher dagegen].


    Zitat

    Oft ertappe ich mich dabei, dass ich die erste Interpretation, mit der ich ein Werk kennengelernt habe, auch nach Vergleichshören, für die Beste halte.


    Das ist ein typischer Gewöhnungseffekt. Ach wenn Mamas Spaghetti bolognese noch so gut schmecken - sie sind in der Regel nicht original italienisch.


    Mich würde schon interessieren, wie es Reinhard in den vergangenen dreieinhalb Jahren ergangen ist. :yes:


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Lieber Alfred,


    das richtige Stichwort hast Du bereits mehrfach gegeben: der Erstkontakt läuft eigentlich außer Konkurrenz.


    Folgendes Beispiel: Mein akademischer Lehrer Manfred Wundram, Kunsthistoriker und Musikwissenschaftler, spielte mir vor Jahren in seinem Hause auf einem Blüthner-Flügel die Schubert-Sonate D 960 vor. Er spielte vom Blatt, und ich habe, da ich keine Partituren lesen kann, auf sein Kopfnicken gewartet, um umzublättern. Ich war begeistert von dieser Sonate, die ich nie zuvor gehört hatte und habe sie mir umgehend als Schallplatte zugelegt. Dabei habe ich auf einen meiner Hausgötter zurückgegriffen, Wilhelm Kempff. Doch: das klang ganz anders, nicht "zum Mitschreiben", die Triller nicht sauber ausgespielt, kurz, ich war mit meinem Kauf so gar nicht glücklich. Von Manfred bekam ich dann einen Tip und der hieß Max Martin Stein. Für Motette hatte der die drei letzten Schubert-Sonaten eingespielt. Bei Max Martin Stein hatte Manfred Wundram übrigens Klavier studiert. Und dessen Einspielung ist für mich bis heute Referenz (neben Curzon und Affanasiev).


    Ich könnte weitere Beispiele berichten. Beethovens 9. zum Beispiel. Bis heute muß sich jede 9. an der Einspielung von Jascha Horenstein messen. Ich habe diese Platte als Kind geliebt, meiner Oma später abgeschwatzt und hüte sie bis heute wie meinen Augapfel. Meine Horenstein-Verehrung kam viel, viel später. Aber hier habe ich seinen Namen zum ersten mal gelesen.


    Es ist sicherlich zu fragen, ob dieser Erstkontakt für einen Klassik-Neuling relevant sein soll oder für einen Klassik-Liebhaber.
    Der Liebhaber geht mit Erstkontakts-Entäuschungen anders um, wird versuchen, sich dem Werk über andere Interpretationen zu nähern.


    Der Klassik-Neuling wird eine in seine Ohren missratene Darbietung wohl über Jahre beiseite legen und sich dem Werk erst einmal verweigern. Leider.


    Das beantwortet nun in gewisser Weise Deine Frage. Dahingehend, daß die Interpretation des Erstkontaktes mit einem Werk sehr wichtig ist. Auf die Weiterführung dieser Frage, welche Interpretation eines Werkes denn die für einen Einsteiger die zu empfehlende sei, habe ich allerdings keine Antwort. Auch in Bezug auf die beiden oben genannten Beispiele nicht.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Das mit dem Gewöhnungseffekt stimmt wohl - und ich hasse es! Es mag ja auch sein, dass ich bisher immer gute Interpretationen erwischt habe [was eher unwahrscheinlich ist] aber es ist ätzend, wenn andere Leute eine Interpretation (einstimmig) hochjubeln und einem selbst das überhaupt nicht zusagt, weil man schon so verbissen in sei erste ist...


    Genau das selbe beim Sacre du Printemps: Ich habe die Muti-Aufnahme zigtausendmal gehört, bsi ich mir andere zugelet habe. Erst kürlich die gelobte mit Chailly - ich fands größtenteils grausig - ich woltle einige Stellen einfach so hören wie Muti sie macht...man denkt nur Muti machts richtig - alles was hier langsamer oder da schneller ist als bei ihm ist falsch...
    Blöde Angewohnheit... :rolleyes: - übrigens: Meine Mutter macht Bologhnese nach original italienischem Rezept mit stundenlangem Kochen... :yes: :D


    LG
    Raphael

  • Hallo Alfred,


    für mich als "Einsteiger" ist die Interpretation noch nicht, bzw. wenig wichtig.


    Da man als Einsteiger keine oder kaum Vergleichsmöglichkeiten hat und ersteinmal lernen muss, unterschiedliche Interpretationen zu erkennen.


    Ein Beispiel: Ich habe gerade vor ein paar Tagen zwei verschiedene Einspielungen von Brahms 2. Sinfonie verglichen. Ich weiß, dass diese unterschiedlich lang sind, dennoch habe ich beim Hören den Temounterschied nicht erkannt. Ein netter Tamino (Norbert) hat mir daraufhin erklärt, dass es darauf ankommt, das Tempo als stimmig zu empfinden.


    Ich denke, das der Zugang zu einem Werk für einen Einsteiger in erster Linie über das einfache Empfinden geht. Sprich, ich bin sofort gebannt, ich kann gar nicht anders und muss zuhören, oder aber es läßt mich kalt.
    Bestimmte Nuanchen oder Tempi, eben Eigenheiten der Interpretation wird ein Einsteiger erst mit der Zeit erkennen und erst dann die Vorliebe für einen bestimmten Dirigenten, oder eine bestimmte Einspielung entwickeln.


    Ich hoffe, meine Gedanken zu diesem Thema sind einigermaßen, verständlich verfaßt.


    LG


    Maggie

  • Dem Anfänger wird es meistens gehen wie der Graugans: Er wird geprägt.


    Was danach kommt, hängt von so vielen Variablen ab, dass das hier ein hübsch langer Thread werden kann.


    Eine Variante, die ich für empfehlenswert halte, ist das sich sofort anschließende Studium der Musikwissenschaft. :D


    Immerhin sagte doch Goethe " verdirb es, um es zu erhitzen"
    :rolleyes: - ich glaub, das war falsch.
    Aber selbst in diesem Kalauer steckt ja noch ein bisschen Wahrheit, umso mehr im richtigen Spruch.


    Und am Schluss bleibt doch die Frage, will ich den Dingen auf den Grund gehen oder mich möglichst komplikationslos unterhalten lassen. Oder irgendwas dazwischen. Alles ist möglich.


    Schöne Grüße
    Hildebrandt

  • Mir geht es mit diesem Thema so:
    je besser ich eine Gattung bzw ein Stück kenne, desto entscheidender wird mir die Interpretation. Am empfindlichsten und anspruchsvollsten bin ich inzwischen bei Allem, was Gesang ist und würde bestimmte Dinge von vorneherein aussortieren udn gar nciht erst anhören wollen.
    Da nimmt dann zunehmend ab bzw meine Toleranz nimmt mit mangelnder Fein-Kenntnis dann zunehmend bei anderen Instrumenten/Gattungen zu.
    Bei der Kammer und Klaviermusik sind mir die "richtigen" Interpretationen noch ziemlich wichtig, je mehr es in die grossen Orchestersachen geht, desto gleichgültiger wird es mir.
    Da bin ich erstmal froh, wenn mir überhaupt schon das Werk gefällt und etwas sagt...... :untertauch:


    Wcihtig ist mir die Interpretation auch noch in einem ganzen Sektor: der sogenannten Alten Musik. Ich bin zwar kein strenger HIPler, aber doch inzwischen so geprägt von Leuten wie Christie, Minkowski und Haïm, dass manches sofort in die Mülltonne wandern müsste, weil ich mich klanggeschändet fühlen würde. :motz:


    Als Klassik-Anfängerin vor sehr vielen Jahren war mir all das aber gar nciht bewusst. Ich konnte nur vage sagen, das mag ich und das mag ich nciht und musste mcih wie oben beschrieben, ertstmal an die WERKE herantasten. :yes:
    In puncto Stimmen war ich allerdings von jeher sehr empfindlcih und habe da sofort Symp/Antipathien gehabt. (lange bevor ich selbst sang, das hat damit ncihts zu tun gehabt)
    Wahrscheinlich, weil die Stimme einfach das persönlcihste Instrument ist, das es gibt.


    Fairy Queen

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  • Ein etwas komplexes Thema vielleicht.
    Ich möchte gleich vorausschicken, dass die Interpretation sicher das Wichtigste ist, da ein Werk falsch oder schlecht interpretiert, nicht mehr viel taugt.


    Zur Gewöhnung vielleicht noch etwas: es gibt natürlich ein subjektives und ein objektives Hören. Ich fand etwa Debussy anfangs grässlich, was sich dann völlig geändert hat.


    Umgekehrt gesehen, also aus der Sicht des Interpreten, besteht immer die große Gefahr, dass er vor lauter Einlernen das Werk gar nicht mehr richtig wahrnimmt, und es somit nicht interpretiert, da er es schon zu oft gehört hat. Daran scheitern wohl auch viele Interpreten. Anders gesagt: höre ich das 1001ste mal ein Werk noch, beim ausführen, oder versinkt es in meinem Unterbewusstsein?


    LG Micha :hello:

  • Meiner Meinung nach spielt die Erwartungshaltung bzw. die Neugier des Einsteigers eine wichtigere Rolle als die erste Interpretation:


    Wer ein Werk überhaupt zum ersten Mal hört und auch keine Vorkenntnisse besitzt, für den kann die Interpretation keine Rolle spielen. Gibt er sich mit dem ersten Höreindruck zufrieden, ist nicht neugierig auf weitere, dann orientiert er sich allein an seinem persönlichen Eindruck und hakt das Stück dann ab.


    Wer aber schon nach weiteren Interpretationen fragt, der zeigt Lernbereitschaft. Die erste Interpretation prägt ihn nur vorläufig und ist nur Ausgangspunkt. Im Laufe der weiteren Erkundungen wird er sich für eine Interpretation oder eine Richtung entscheiden.

  • Als Einsteiger achtet man sicher weniger auf die Interpretation denn darauf, ob einem das Werk überhaupt gefällt. Und da ist viel Bauchgefühl dabei. Ob das Bauchgefühl von der Interpretation beeinflusst wird - gute Frage?! Sofern das Werk nicht völlig verhunzt ist wohl eher nicht.
    Empfehlungen für Einsteiger können immer nur subjektiv sein - wenn Alle sich einige wären, welches die beste Interpretation ist, gäbe es hier ja keine heißen Diskussionen :D


    Später stellt sich dann die Frage, woran ich meine Bewertung der Interpretation festmache. Vergleiche ich mit Aufnahmen, die ich von früher kenne (womit wir bei der von Hildebrandt erwähnten "Prägung" wären)? Entwickle ich meine eigenen Ideen wie ich etwas hören möchte bzw. wie ich es vielleicht selbst machen würde (geht mir z.B. beim Gesang so)? Erhebe ich eine Aufnahme zum "non plus ultra" und messe alle anderen daran?
    Die Bewertung der Interpretation setzt m.E. nach ein bewusstes Hören voraus, dass der Einsteiger möglicherweise mangels Übung noch gar nicht kann. Das ist evtl. auch der Grund, warum man mit zunehmender Beschäftigung mit der Musik auch Zugang zu Werken findet, die man anfangs nicht mochte.


    Ich persönlich gebe zu, dass ich als Einsteiger fast alles gut fand, weil mich die Welt der Klassik einfach überwältigt hat (ich musste mir diese nämlich ganz alleine erschließen, weil Musikunterricht in der Schule meistens ausfiel und der Rest meiner Familie damalsüberhaupt keinen Sinn für Klassik hatte). Heute höre ich mir manchmal meine "CD-Ersterwerbungen" an und denke "Himmel, ist das gruselig" :wacky:


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Die Prägung durch den Erstkontakt ist unbestritten, besonders wenn es lange Zeit die einzige Interpretation ist, die man kennenlernt.


    Ich habe die Frage aber anders verstanden: Wie wichtig ist die Interpretation, um beim Erstkontakt überhaupt das Interesse für ein Werk zu fesseln?
    Ist es wahrscheinlich, dass dem Anfänger ein Stück A in Interpretation X gefällt oder wenigstens Interesse weckt, während es ihn in Interpretation Y langweilt oder gar abstößt?


    Ich bin hier etwas unschlüssig. Als Teenager lernte ich eine Menge des Standardrepertoires in ziemlich zufälligen Interpretationen kennen. Was eben leicht erhältlich, billig oder im Radio aufzunehmen war.
    Ich neige daher dazu, dass es für den blutigen Anfänger meistens eher egal ist, solange es keine technisch völlig miserable Interpretation ist.


    Andererseits kenne ich aus eigener Erfahrung durchaus Fälle, wo sich die Faszination eines Werks durch eine andere Interpretation deutlich verstärkt hat oder der eigentliche Zugang erst eröffnet wurde.
    Das gilt z.B. für Beethovens 1.,2. und 4. Sinfonie (Erstkontakt Kegel etwas behäbig), Schuberts 9. (Erstkontakt Karajans "chromium heaven").
    Aber mein schlagendstes Beispiel hierfür sind Beethovens frühe Klaviersonaten, die ich hauptsächlich in Gilels DG-Interpretationen kennenlernte. Ich fand sie weitgehend langweilig (und das nicht als Anfänger, sondern mit ca. 9 Jahren Hlörerfahrung), erst mit Gulda begeisterten sie mich, so dass ich später auch die breite und etwas übergewichtige Gilels-Lesart schätzen lernte.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Ich habe die Frage aber anders verstanden: Wie wichtig ist die Interpretation, um beim Erstkontakt überhaupt das Interesse für ein Werk zu fesseln?
    Ist es wahrscheinlich, dass dem Anfänger ein Stück A in Interpretation X gefällt oder wenigstens Interesse weckt, während es ihn in Interpretation Y langweilt oder gar abstößt?


    Ich bin hier etwas unschlüssig. Als Teenager lernte ich eine Menge des Standardrepertoires in ziemlich zufälligen Interpretationen kennen. Was eben leicht erhältlich, billig oder im Radio aufzunehmen war.
    Ich neige daher dazu, dass es für den blutigen Anfänger meistens eher egal ist, solange es keine technisch völlig miserable Interpretation ist.


    Für den "Anfänger" spielt sicher zunächst die Frage eine Rolle "Gefällt mir" oder "Gefällt mir nicht". Aber die Interpretation ist hier insofern wichtig, als es nämlich entscheidend sein kann, durch welche Aufnahme ich den Erstkontakt mit einer Komposition erfahre.


    Um das einmal an einem Beispiel zu erläutern:


    Lerne ich Beethovens Fünfte durch Gardiner kennen- und die Interpretatjon sagt mir zu, bin ich schon in eine bestimmte Richtung konditioniert: Gefällt mir Gardiner, werde ich mit Karajans "Fünfter" wahrscheinlich weniger anfangen können. Es ist auch einfach eine Frage, wie ich als Anfänger meine Aufnahmen auswähle: Eben sammele ich einfach wahllos- Hauptsache Beethovens "Fünfte"- um im Bild zu bleiben? Oder gehe ich gezielt vor, wenn ich CD´s kaufe, indem ich mich vorher informiere? Bei mir war es eben am Anfang so: Mitgeschnitten habe ich am Anfang auch, aber wenn ich CD´s kaufte: Lieber weniger und dafür gute Aufnahmen, wobei "gut" am Anfang eben hieß: a) Gefällt mir b) Wurde in FF oder anderswo gut besprochen.
    Da spielt einfach die individuelle Prägung eine Rolle: Wie habe ich überhaupt Zugang zur klassischen Musik gefunden. Ich würde die These vertreten: Wird im Elternhaus viel klassische Musik gehört, ist die Prägung eben eine andere- und dann spielt auch die Frage nach der Interpretation eine andere Rolle, weil man eben das "Hören" klassischer Musik gewohnt ist.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

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  • Reduziert man das Thema wieder auf die Kernfrage, dürfte derjenige mit den Klassik hörenden Eltern eher ausscheiden, weil er ja vorbelastet ist. Es sei denn, er hat den Hass auf seine Eltern auf die Musik projiziert und findet erst im hohen Alter durch den Tod seines Kanarienvogels zum späten Penderecki. :rolleyes:


    Wenn ich vom unbedarften Klassik-Ersthörer (Copyright auf dieses schöne Wort! :D) ausgehe, käme es auf die emotionale Prädisposition an, die die Musik treffen müsste, um einen weiterreichenden Effekt zu erzielen.


    Ob die Interpretation dann gut oder schlecht oder sogar einfach himnmelschreiend falsch ist, spielt zunächst doch keine Rolle, wenn sie das Interesse des Hörers aufrechterhält oder sogar anfacht. Maßstäbe hat ein Neuling per definitionem ja nicht.


    Vielleicht ließen sich Erkenntnisse gewinnen, wenn man persönliche Erfahrungen sammelte. Da man aber auch die Beweggründe derjenigen einholen müsste, die sich mit einem "och nö" wieder Heino zuwandten, lernt man wohl nur die Erfolgsseite kennen.


    Schöne Grüße
    Hildebrandt

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    ........ findet erst im hohen Alter durch den Tod seines Kanarienvogels zum späten Penderecki. :rolleyes:


    Sorry, dass ich das rausgreife, aber als Penderecki-geschädigte Chorsängerin erhälst Du von mir für den Spruch ein dreifach Hip Hip Hurra :jubel: :jubel: :jubel:.


    Zurück zum Thema: Es stellt sich offensichtlich die Frage der Definition des Begriffs "Einsteiger" oder "unbedarfter Klassik-Ersthörer" (copyright Hildebrandt).


    Ist das Jemand, der zum aller ersten Mal mit klassischer Musik konfrontiert wird? (Im Falle des Musikunterrichtes regelmäßig mit dem Freischütz oder der Zauberflöte)
    Oder Jemand, der sich das erste Mal bewusst eine Klassik-Aufnahme kauft?
    Oder Jemand, der im Fernsehn/Radio nicht sofort weiterzappt, sobald er auf eine Klassiksendung trifft?


    Ich kann mir übrigens nicht vorstellen, dass das Thema "Was hält den unbedarften Klassik-Ersthörer (copyright Hildebrandt) bei der Klassik?" nicht schon wissenschaftlich untersucht wurde. Hat da jemand Erkenntnisse?


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Schließe mich vollinhaltlich dem/der Rosenkavalier/in an.


    Vielleicht hilft Alfred weiter, indem er seinen Einsteiger ein bisschen schärfer konturiert.


    Immerhin scheint es ihm ja um ein bestimmtes Werk (welches auch immer) und eine bereits stattgehabte Lektüre verwirrender Threads zu gehen.


    Hilf, Alfred, hilf. ?(


    Schöne Grüße
    Hildebrandt


  • In meinen Augen bringt es die Sache auf den Punkt.
    Für mich sind Einsteiger aktiv Interessierte, die schon klassische Musik "kennen" und sich bewußt vertieft mit dem Thema beschäftigen möchten.
    Für den unbedarften Ersthörer ist meines Erachtens die Interpretation völlig unwichtig, es kommt auf den Eindruck an, den er von der Musik gewinnt und kann eigentlich nur auf "gefällt" oder "gefällt nicht" hinauslaufen.
    Daß der entscheidende Eindruck auch etwas mit der Interpretation des Stückes zu tun haben kann, ist dann nur ein Abfallprodukt.


    Ich glaube, es gibt eine zeitliche Abfolge, in der der Einsteiger dem unbedarften Zuhörer zeitlich nachfolgt.

  • Ich denke schon, dass die Interpretation auch für den Einsteiger eine Rolle spielt. Denke aber andererseits, dass es dem absoluten Einsteiger mehr schadet, als nützt, wenn er sich zu sehr einen Kopf über die Wahl der richtigen Interpretation macht.


    Sehr kontraproduktiv finde ich Empfehlungen bescheiden klingender, historischer Einspielungen für Einsteiger. Wenn der Einsteiger nicht gerade von vornherein Nostalgiefan ist, so sind doch die meisten Einsteiger leichter für die Musik zu begeistern, wenn auch die Tontechnik stimmt. Dies nur als Randbemerkung, da Alfreds Ursprungsfrage ja gar nicht darauf abzielt, ob die Klangtechnik wichtig ist.


    Also zurück zur reinen Interpretationsfrage. Dazu ein paar Beispiele aus meiner Klassikstartphase Anfang der 90er. Durch Elternhaus und Schule war ich kein bisschen vorbelastet.


    Meine ersten Klassik-CDs waren Vivaldis vier Jahreszeiten mit Karajan, Mutter und Dvoraks 9te ebenfalls mit Karajan. Gekauft hatte ich einfach, was ich schon kannte (Dvorak nur, weil mir die ein Freund mal ausgeliehen hatte). Also ganz ohne mich vorher weiter zu informieren - nur die bekannten Namen bei Werk und Interpreten. Dies hat auch funktioniert, denn schon bald wollte ich mehr!
    Ähnlich kann es heute jedem ergehen, der sich CDs der aus der Werbung bekannten "Stars" (z.B. Lang Lang) holt. Bei der Wahl der Aufnahme spielte also die Interpretation keine Rolle, sondern nur die Namen, welche dahinterstehen.


    Schon dann entstand aber das Bedürfnis mich vorab zu informieren. Die Karajan-Aufnahme klang nicht ganz perfekt und Fehlkäufe (auch wenn ich zu dem Zeitpunkt noch keine wirklichen gemacht hatte), wollte ich in Zukunft nicht. Also nahm ich CD-Kritiken zur Hilfe und da mussten es je nach Zeitungen dann bei Interpretation und Klang immer zumindest annähernd 10 oder 20 Punkte sein (5 Ohren gab es da noch nicht und FF war mir zu der Zeit zu "weitschweifig").


    Auch wenn ich inzwischen viele (in meine Augen) Fehlurteile von Kritikern kenne, so hat es mir dies doch sehr geholfen und ich habe viele tolle Aufnahmen für mich entdeckt. Sicher hat es mich auch vor manchem Fehlkauf bewahrt. Auch hat es dann dazu geführt, dass ich mir die ersten Alternativeinspielungen zulegte.


    Dazu ein Beispiel, welches uns der Kernfrage näher bringt. Bald habe ich mir aufgrund einer Kritik Liszts h-moll-Sonate in der Einspielung Krystian Zimermans gekauft. Dies war ein ziemlicher Brocken für mich Einsteiger! Aber nach ein paar Anläufen hat mich das Stück gepackt! Kurz danach las ich die überschwängliche Rezension zu Maurizio Pollinis Version. Ich also neugierig geworden, hole mir die Aufnahme und konnte mit dieser so gegensätzlichen Interpretation gar nichts anfangen.
    Klarer Fall von Prägung wird jetzt jeder sagen! ;)
    Ich behaupte aber, dass mehr dahinter steckt! Ich bin nämlich überzeugt davon, dass ich mir die Zimerman-Interpretation nicht gekauft hätte, wenn Pollinis Version meine erste gewesen wäre. Vor ein paar Monaten habe ich mir - mit vielen Jahren Abstand und ungleich mehr Erfahrung - beide Aufnahmen noch mal angehört. Ich kann die Pollini-Aufnahme nun - um Objektivität bemüht - nur als eine extrem hochwertige Interpretation würdigen. Hier hört man sogar manches, was bei Zimerman untergeht. Aber begeistern kann mich diese analytischere Version immer noch nicht.


    So können "unpassende" (sage bewusst nicht "schlechte") Interpretationen sehr wohl den Klassik-Einstieg erschweren. Ist die Klassik-Begeisterung schon etwas weiter gediehen, wird eine "unpassende" Interpretation nicht viel ausmachen. Ungünstig stelle ich mir aber vor, wenn ein Klassikinteressent mit mehreren "unpassenden" Interpretationen beginnt und nur deswegen das Interesse wieder gänzlich verliert. Andererseits ist dies relativ unwahrscheinlich, da das Interesse für die Klassik in der Regel durch etwas geweckt wird, was für den Moment "passt". Dies muss dann nicht unbedingt eine "hochwertige" Interpretation nach dem Verständnis eine Klassik-Kenners sein, sondern kann durchaus die/der "sexy" Interpret/in oder die mitreißende Verwendung eines Klassikstücks in Film oder Werbung sein.


    Viele Grüße
    Frank

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  • Ja wie meint denn der Alfred seine Frage ?


    Ich hab sie bewusst diffus gehalten, um keine Richtung vorzugeben - und es hat sich IMO gelohnt.


    Ich hätte auch zuerst eine These aufstellen können (was ich jetzt machen werde) und dann auf Reaktionen warten - aber ich wollte den Thread erst ein wenig reifen lassen:


    Ich gehe davon aus, daß wir es beim Klassikeinsteiger, den ich meine - mit einem MÜNDIGEN Klassikeinsteiger zu tun haben, also einer intelligenten, musikalischen Person, welche lediglich bisher - aus welchen Gründen immer - mit Klassischer Musik nur wenig oder gar nicht in Berührung gekommen ist.


    Der Anlass sich ab jetzt für Klassische Musik zu entscheiden spielt im Augenblick eine eher untergeordnete Rolle.


    Dieser User möchte sich nun ein wenig informieren. Er möchte zunächst mal (nur als Beispiel) die Marksteine der Klassik kennenlernen, oder das was als solche bezeichnet wird.


    Und nun ist die Frage: Welche Interpretation ??


    Die Kritiker, die Forianer, die "Experten" - jeder sagt etwas anderes.


    Und hier behaupte ich mal - von Ausnahmen abgesehen - die Interpretation ist RELATIV unwichtig. Es gibt wenig wirklich schlechte Interpretationen (dazu wird noch heute ein Thread von mir eröffnet) allenfalls eigenwillige, verschrobene oder verfremdende.


    Das IMO grösste Risiko wäre, daß bei "ungeeigneter" Interpretation, der Neuling ein Werk "übersieht", bzw seinen Wert nicht erkennt und den Komponisten (für einige Zeit) aus seiner Wunschliste streicht.


    Was nun nehmen ? Eine günstige Naxos Aufnahme, oder etwas von Brillant, eine ausgemusterte EMI oder DGG Einspielung ? Eine "Referenzeinspielung zum Vollpreis ? Oder eine saubere kapellmeisterliche Deutung ohne nennenswerte Eigencharakteristik ?


    Das sind IMO die Fragen die unser Leser-Neulinge beschäftigen.


    Nun kommt die nächste Frage: Wie vermeide ich Prägungen - wie werde ich "richtig" geprägt ?


    Auf die erste Frage gibt es eine Antwort - auf die zweite nicht, bzw eine unbefriedigende...


    Aber ich möchte nicht alle Fragen alleine beantworten, sonst wird der Thread ja langweilig....



    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    zu deinen Fragen:


    Welche Aufnahmen sollte der Einsteiger nehmen zum Kennenlernen der Marksteine der Klassik?


    Diejenige Empfehlung, welche einem auf Nachfrage hier im Forum am sympathischsten erscheint! ;)
    Klingt jetzt ironisch, ist aber tatsächlich schwer konkreter beantwortbar.
    Persönlich denke ich muss es heute fürs Standardrepertoire nicht mehr teuer sein und es gibt wunderbare Aufnahmen z.B. bei Brilliant. Aber wenn der Interessent z.B. keine Ausgaben in Pappbox und Papierhüllen mag und Geld keine Rolle spielt, wieso sollte dann nicht eine Vollpreis-Ausgabe die Richtige/Passende/Geeignete sein?


    Wie vermeide ich Prägungen?


    Da gibt es einige Ansätze:
    - Aufnahmen nicht zu oft hintereinander hören.
    - Nach einer längeren Hörpause, zuerst eine andere Interpretation des gleichen Werkes hören
    - Direkt mehrere Interpretationen gemeinsam anschaffen und schön diszipliniert alle hören


    Aber für mich ergibt sich die viel entscheidendere Frage:
    Wollen wir Prägungen vermeiden?
    Soll es nicht vielmehr einfach Spaß machen Musik zu hören? Gehört dazu nicht, dass man eine Aufnahme, welche einem gefällt, wieder und wieder hört?


    Wie werde ich "richtig" geprägt?


    Dies kann ich nicht beantworten, da es für mich keine "richtige" Prägung gibt. Wie definiert man diese?


    Viele Grüße
    Frank

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  • Man könnte unterscheiden zwischen "Einsteiger im Bezug auf Klassik allgemein" und Einsteiger im Bezug auf ein Werk, einen Komponisten, eine Epoche, eine Gattung. Auf den ersten Fall bezog ich mich oben hauptsächlich; hier teile ich im wesentlichen Alfreds Ansicht, dass es ziemlich unerheblich ist. Zu mancher Musik wird man unabhängig von der Lesart (noch) keinen Zugang finden.


    Im zweiten Fall ist zwar von einem erfahrenen Hörer auszugehen, der eigentlich noch weniger abhängig von der Interpretation sein sollte. Aber das trügt wohl, denn es haben sich Präferenzen gebildet. Wenn jemand bisher hauptsächlich Beethovens Sinfonien gehört hat, werde ich vielleicht eine andere Aufnahme zum Einstieg für Haydn-Sinfonien empfehlen als bei jemandem, der bisher hauptsächlich Barockmusik hörte. Einem "Romantiker" mag man eher Richters Aufnahme des WTK nahelegen als Goulds usw.


    Zum Einstieg werde ich daher mitunter aus meiner Sicht weniger interessante Einspielungen nennen. Da bspw. der Klang eines Streichquartetts häufig zunächst als "dünn", "schrill" usw. empfunden wird, lieber ein klangschönes Ensemble (wie Q. Italiano) als das Juilliard SQ, lieber den gefürchteten, aber etwas glättenden Hall als eine knochentrockene, direkte Aufnahme.


    Bei Standardrepertoire von ca. Bach bis Bartok würde ich im Zweifel wenn es preiswert sein soll, eine Wiederveröffentlichung eines major labels von Material aus den 60er/70er Jahren nehmen. Der Nachteil ist hier für Einsteiger leider, dass neuere Serien wie "eloquence" überhaupt keine Beitexte mehr aufweisen.
    Es mag Ausnahmen geben, aber im Standardrepertoire ist Naxos m.E meistens preislich und qualitativ zu schlagen.


    Bei Barock und älterer Musik muß man evtl. ein bßchen aufpassen, dass man nicht mit stilistisch sehr altmodischen oder "experimentellen" Sachen aus der HIP-Frühzeit abschreckt.


    Prägungen kann man höchstens dann vermeiden, wenn man von Beginn an oder schnell hintereinander unterschiedliche Interpretationen hört.
    Für den Einsteiger finde ich aber viel wichtiger, mehr Musik kennenzulernen als alternative Interpretationen. Prägung ist nicht so tragisch (ich stutze immer noch bei der Originalversion am Ende der Ouverture 1812, weil ich eigentlich die sowjetische Alternativversion erwarte....)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mit der "richtigen" Prägung hab ich auch so meine Probleme. Wer sagt, was richtig und was falsch ist?


    Nehmen wir das Beispiel "Referenzaufnahme". Ich habe mir eine solche gekauft, als ich mich mit dem Brahms-Requiem beschäftigen musste (ist beim Brahms-Requiem zwar eine Freude, aber der Anlass war die Vorbereitung auf Proben und damit erstmal ein Muss). Hab mir dann von EMI eine der "Great Recordings of the Century" gekauft. Danach hatte ich erstmal keine Lust mehr, mich mit dem Brahms-Requiem zu beschäftigen......Wenn ich nicht "gezwungen" gewesen wäre, mich in dieses Werk reinzuhören und mir deswegen eine andere Aufnahme gekauft hätte, hätte ich vermutlich das Brahms-Requiem nie als so schön erachtet, wie ich es heute tue.
    Das Ganze hat aber wieder mit persönlichem Geschmack zu tun - und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Was andere als herausragend empfinden, muss mich nicht unbedingt ansprechen.


    Ich denke, dass ein Einsteiger mit einer günstigen Aufnahme erstmal ganz gut bedient ist. Dann fällt der nächste Schritt, sich eine Vergleichsaufnahme zu kaufen, vielleicht auch leichter.


    Zitat

    Das IMO grösste Risiko wäre, daß bei "ungeeigneter" Interpretation, der Neuling ein Werk "übersieht", bzw seinen Wert nicht erkennt und den Komponisten (für einige Zeit) aus seiner Wunschliste streicht.


    Wäre das bei der Fülle an Werken wirklich so schlimm?


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Ich denke mal, dass heute auch klassische Musik zu einem Konsumgut geworden ist, das jeder konsumieren kann, und darin liegt wohl der große Unterschied gegenüber vor 100 Jahren. Es mag dann wohl darauf ankommen, bildlich gesprochen, in welches Regal ein Mensch greift.


    LG Micha ?(

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  • Zitat

    Ich denke mal, dass heute auch klassische Musik zu einem Konsumgut geworden ist, das jeder konsumieren kann, und darin liegt wohl der große Unterschied gegenüber vor 100 Jahren. Es mag dann wohl darauf ankommen, bildlich gesprochen, in welches Regal ein Mensch greift.


    Garantiert richtig. Und solche Sachen wie Klassikradio liefern mundgerechte Häppchen. Selbst öffentlich-rechtliche Sender verkommen da immer mehr.


    Aber wenn es doch der guten Sache dient? Und das Konsumgut neue, später vielleicht bewusstere Hörer bringt?
    Nebenbei: Warum liegt vielen Klassikfreunden eigentlich so etwas Missionarisches im Blut? Und welche Art von Hörern/Klassikfreunden stellen wir uns letztendlich als Idealbild vor?


    Grüße
    Hildebrandt

  • Hallo Michael,


    ich verstehe nicht ganz worauf du hinauswillst? Vor allem nicht im Zusammenhang mit dem Thema hier. Kannst du dies vielleicht noch etwas näher erläutern?


    Für mich klingt das mit dem Konsumieren recht negativ. Ist es denn nicht grundsätzlich begrüßenswert, dass so viele Menschen die Möglichkeit haben klassische Musik zu hören?


    Viele Grüße
    Frank

    From harmony, from heavenly harmony
    this universal frame began.

  • Zitat

    Original von Frank1970


    Für mich klingt das mit dem Konsumieren recht negativ.


    Frank


    Konsum muß Genuß nicht ausschließen. Ich lasse mich auch gerade bei der Arbeit von Gulda-Beethoven Sonaten begleiten. Das ist reiner Konsum ohne größeren Tiefgang, aber es macht die Arbeit angenehmer. Die Interpreation ist da erst einmal Nebensache.


  • Nein Frank so war das von mir nicht gemeint: es hat auch seine guten Seiten, wenn man an klassische Musik rankommt, ohne ein Vermögen dafür ausgeben zu müssen oder aus einer extrem reichen Familie zu stammen. Ich wollte damit nur sagen, dass sich der Zugang unglaublich verändert hat.


    LG Micha

  • "Klassische Musik" im allgemeinen war IMMER ein "Konsumgut"


    Allerdings in früheren Zeiten eines, das sich nicht alle leisten konnten.


    Heute ist ds anders. Ob das gut ist oder schlicht, das will ich nicht kommentieren - es ist eben so.


    Gegen "Häppchen" - richtig eingesetzt habe ich wenig einzuwenden. Ich erinnere mich, daß ich solche "Häppchen" in meiner Jugend sehr genossen habe - sie haben mir oft - wenn auch nicht immer - Appetit auf das Ganze Werk gemacht.


    "Richtige" Rpägung ist wahrsxheinlich nicht das richtige Wort. "Erwünschte Prägung" wäre richtiger.


    Was ist damit gemeint: Wenn ich einen jungen Hörere von heute auf Interpretationen von Böhm und Karajan präge, so hat er das Problem, daß er kaum je in seinem Leben Live- Interpretationen hören wird, die ihm gefallen.


    Einer Prägung kann man weitgehend dadurch ausweichen, daß man, beispielsweise im Falle der Mozart-Sinfonien - jede unter einem anderen Dirigenten - und einem anderen Orchester erwirbt. Zwangsläufig entstehen in bei dieser Kaufpolitik (durch die diversen Koppelungen) "Doubletten" und ganz zwanglos stellt sich die Möglichkeit des unmittelbaren Vergleichs ein.


    Ich ermuntere Einsteiger auch - völlig uinabhängig von Kritiken einzukaufen.
    Meine Fehlkäufe wurden dadurch wettgemacht, daß ich auf diese Art viele wunderbare Aufnahmen erwqarb, die von der Kritik niedergemacht wurden - die ich aber keinesfalls missen möchte.



    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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