Rossini VS Paisiello : Der Barbier von Sevilla

  • Liebe Forianer,


    Eine Meiner Lieblingsopern ist Rossinis Barbier von Sevillia (wobei ich jenen von Paisiello auch nicht verachte :yes: ).


    Diese Oper enthält fast alles was man sich von einer komischen Oper wünschen kann: Wunderbare Musik, ein interessantes Ambiente, viel Humor und ein Happy End.





    Selbst die "Bösewichte" haben etwas unvergleichlich komisches an sich, dazu kommt der verschlagen-listige Figaro und ein noch junger Graf Almaviva und die auch nicht gerade langweilige Rosina. Auch die Nebenrollen haben es in sich: Der dümmliche Anführer der Wache,
    und die verschmähte Haushälterin all das ist ein Garant für einen heiteren Abend.


    Rossini nahm, als er das Werk komponierte, ein ziemliches Wagnis auf sich. Das Werk hatte vor ihm bereits Giovanni Paisiello, noch dazu äußerst erfolgreich vertont. Der Form halber suchte Rossini um die "Erlaubnis" beim greisen Paisiello an, welcher sie ihm erteilte, was hätte ersonst tun sollen.



    Ich muß vorausschicken, daß ich ein großer Bewunderer von Rossinis Barbier bin, möcht aber gleichzeitig sagen, daß ich nicht verstehen kann, wieso Paisiellos Oper fast total von ihr verdrängt werden konnte, die Kompositionen sind einander ebenbürtig IMO.



    Über die Uraufführung gibt es viele Gerüchte, man erzählt von einem Flop, einer gerissenen Gitarrensaite, einer miauenden Katze (angeblich von Paisiello-Anhängern auf die Bühne gebracht) und einem höhnischen Publikum.


    Wie dem auch sei: Relativ schnell setzte sich das Werk durch und wird seither auch allen Bühnen der Welt gespielt.



    Ich besitze das Werk in 9 Einspielungen auf CD und einigen auf LP. Aber auch die Paisiello-Oper ist 2 mal in meinem Schrank: Ein ebensogroßer Genuß wie Rossinis Werk....



    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred


    Ich würde mich auch sehr für Paisiellos Barbier interessieren, kenne aber keine Aufnahme davon.


    Lediglich einen zu kurzen Ausschnitt kenne ich aus dem kunstvollen und empfehlenswerten Meisterwerk von Stanley Kubrick "Barry Lyndon".
    Auch wegen seiner liebevollen Musikintegration ist dieser beste aller "Historienfilme" jedem zu empfehlen.


    bringt mich auf die Idee ein Thread zum Thema "intelligente Klassikverwendung im anspruchsvollen Film" zu starten. Neben allen Kubrick-Filmen wäre da noch an "Apocalypse now" und einige andere Filme zu denken.

  • Hallo,


    Fast hätte ich vergessen die Frage zu beantworten:



    Mir persönlich sind 3 Aufnahmen des Barbier von Sevilla von Paisello bekannt:


    1) Eine historische Mono-Aufnahme aus 1959, die unter verschiedenen No-Name Labels vertrieben wird. Ich bestize diese Aufnahme deshalb, weil jahrelang nichts anderes am Markt war.



    2) Eine digitale Stereoaufnahme von 1984 für Hungaroton unter Adam Fischer, die mir persönlich sehr gelungen erscheint. (2CDs)
    (und die ich besitze)



    3) Eine Aufnahme aus Cotbus unter Wilhel Keitel, veröffentlicht auf ARTE NOVA.
    Ich kenne diese Aufnahme lediglich auis dem Katalog, gesehen hab ich sie noch nirgends, geschweige denn gehört.
    Meine Internet Recherche, so richtig, zeigte mir daß diese Gesamtaufnahme bei Amazon um ca 17 Euro erhältlich ist



    Beste Grüße


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salut,


    ich hatte diese Paisiello-Oper eh auf meiner endlos langen Liste [La Serva Padrona strht noch aus...]. Nachdem ich bei Alfred fast den ganzen ersten Akt gehört habe, habe ich gleich bestellt und mich für diese Einspielung entschieden:



    Giovanni Paisiello [1740-1816]


    Il barbiere di Siviglia
    ovvero
    La precauzione inutile


    Il conte Almaviva • Patrizio Saudelli, tenor
    Rosina • Marina Ivanova, soprano
    Bartolo • Giancarlo Tosi, bass
    Figaro • Gianpiero Ruggeri, baritone
    Don Basilio • Ezio Maria Tisi, bass
    Giovinetta • Mojca Vedernjak, mezzosoprano
    Svegliato • Christian Tschelebiev, bassbarintone
    Un notaio • Guido Boesi, baritone
    Alcade • Klaudiusz Kaplon


    Putbus Festival Orchestra • Putbus Festival Chorus
    Wilhelm Keitel, musical director
    August Haltmayer, musical advisor


    Ich bin mit dieser Einspielung extrem zufrieden.


    "Hinfahren, sehen, hören, staunen" [Der Tagesspiegel, Berlin 07.08.1995]


    Sehr witzig, würde ich gerne tun - Zurück in die Zukunft, oder was?


    Wer hätte es gedacht, dass mir Paisiellos "barbiere" weitaus besser gefällt, als der Rossinis!? Das Werk trifft genau meinen Geschmack und den Buffostil, Uraufführung 15. September 1782. Das Werk ist wirklich überwältigend und ich glaube schon, dass Rossini Schwierigkeiten hatte, sein Werk durchzusetzen, war doch Paisiellos Kunststück noch 1816, also ganze 34 Jahre [sic!] später noch höchst beliebt und unerreicht.


    Eine meiner Lieblingsarien ist "Saper bramate" [eigentlich eine Cavatina, Conte Almaviva, begleitet von einer Zither] und das Duetto "Lode al ciel". Berühmt wurde die Oper durch ihr unschlagbares "Nies-Terzett" , ein königliches Amusement, welches sich Rosiini nicht wagte, zu kopieren.


    Nichtsdestotrotz sollte man die beiden Opern eigentlcih nicht unmittelbar vergleichen oder auf die Waagschale legen, es sind zwei unterschiedliche Genres - Rossini hatte es seiner Zeit schwer, gegen die Paisiello-Anhänger durchzukommen - dennoch hat er es eigentlich geschafft, Paisiello vergessen zu machen. Dagegen ist nun dieser Thread gerichtet.


    Trés amicalement
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo


    Bevor ich mich in den nächsen Tagen Rossinis Barbier widme, möchte ich hier unbedingt festhalten, daß jener von Paisiello absolut ebenbürtig ist. Diese Oper nicht zu kennen ist zwar keine Schande, aber für den betreffenden IMO ein große Verlust. Ich meine natürlich für jene, die dieses Genre generell lieben - wer ausschließlich "schwere Kost" bevorzugt kommt natürlich nicht auf seine Rechnung - auch nicht bei Rossini.
    Ein heisser Tip. Anders als uns die Geschichte glauben machen will war Paisellos Oper in keiner Hinsicht "altväterlicher" als jene von Rossini.


    Es wird immer wieder behauptet Paisellos "Erlaubnis" (er schrieb einen freundlichen Brief an Rossini) sei nicht von Herzen gekommen, war vielmehr nur eine Finte.
    Das glaube ich indes nicht: Paisiello war damals soo berühmt, daß er sich sicher sein konnte, das sein Werk das Rennen machen würde. Wer die Oper mal gehört hat, wird zumindest verstehen warum.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Salut,


    Paisiellos Figaro-Arie [eben gehört] Scorsi già molti paesi ist an einer Stelle zu Anfang identisch mit dem Fuora, guardie della rocca aus Mozarts L'Oca del Cairo, Finale [Einsatz Don Pippo].


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Miteinander


    Das ist ja interessant - Paisiello - wusste nicht, dass Rossini die Oper
    nur "ge-covered" hatte. Leider habe ich das Originalwerk von Paisiello
    noch nie in der Schweiz zum kaufen gesehen. Ich kann aber die Rossini-
    Fassung, aufgenommen im September 1971 in London sehr empfehlen.
    Es handelt sich um eine Vinyl-Ausgabe von 1972 der Deutschen
    Grammophon. Erhältlich auch als CD: 457 733-2.


    Besetzung:


    Il Conte d'Almaviva: Luigi Alva
    Bartolo: Enzo Dara
    Rosina: Teresa Berganza
    Figaro (il barbiere): Hermann Prey
    Basilio: Paolo Montarsolo
    Fiorello: Renato Cesari
    Berta: Stefania Malagu
    Un ufficiale: Luigi Roni


    Leitung: Claudio Abbado


    The Ambrosian Opera Chorus
    London Symphony Orchestra


    Die Oper ist in italienischem Originalton.


    Ich hatte zuerst gestutzt als ich die Platten in den Händen hielt.
    Mit der Besetzung konnte ich bis auf Hermann Prey und Claudio Abbado
    wenig anfangen, doch die Aufnahme hat mich trotzallen Bedenken
    positiv überrascht - Die DG preist die CD sogar als "Legendäre Aufnahme"
    an:



    Ich werde auf alle Fälle noch die Paisiello Originalversion kaufen.


    Greets, Carl

    Our cultural heritage belongs to all of us, that's why we must preserve it
    Unser Kulturgut gehört uns allen, deshalb müssen wir es bewahren
    http://www.publicdomain.ch

  • @ Carl


    In der Tat galt die Aufnahme seinerzeit als Non-Plus ultra - hatte sie doch die erste Sängerbesetzung anzubieten, die damals für diese Oper möglich war.


    Luigi Alva war der Parade-"Almaviva" auf etlichen Aufnahmen dieser Zeit.
    Die Berganza galt als perfekte Rosina. Paolo Monarsolo und Enzo Dara waren auch eine Klasse für sich...



    Indes hat sie auch ein Manko - bzw 2.


    Sie strotzt IMO nicht gerade vor Spielfreude - das Spritzige, Knackige wird man bei ihr - vergleicht man mit anderen Aufnahmen - kaum finden.



    Zudem ist sie ein kleinwenig weich aufgenommen


    Dennoch - man sollte sie besitzen


    LG


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salut,


    mich würde Pauls Meinung zum Thema "Paisiello vs. Rossini" bei dieser Oper sehr interessieren. Denn [ich weiß es!]: er ist paisiello- und rossiniphil.


    Also: Sprich, Weiser aus den Niederlanden!


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ich nehme hier die Anregung von Alfred im Paisiello-Thread auf, um nochmals mein Zitat zu wiederholen, der "Barbier von Sevilla" von Paisiello, den ich sehr schätze, sei durch Rossini "von der Opernbühne gefegt" worden. Wie gesagt, der Satz stammt nicht von mir, sondern aus einer Programmvorschau zu der Übertragung der Oper aus dem Brüsseler Opernhaus im letzten Jahr.


    Zitat

    Durch Rossini von der Opernbühne gefegt
    Giovanni Paisiellos „Barbier“ aus dem Théâtre de la Monnaie Brüssel
    Ein dichtender Barbier verhilft seinem ehemaligen Herrn Graf Almaviva und Rosina zu ihrem Glück und befreit so das Mündel von den Nachstellungen ihres Vormunds Bartolo, der nur auf ihre Mitgift aus ist. Paisiellos Vertonung dieser bekannten Komödie von Beaumarchais ist sicherlich das beste unter seinen rund 100 Bühnenwerken. Es gehört zu den europaweiten Erfolgsopern des 18. und noch frühen 19. Jahrhunderts.


    Mozart, der Paisiello sehr schätzte, sah den "Barbier" 1783 in Wien. Einflüsse auf Stoff-Wahl und musikalische Umsetzung seiner "Nozze di Figaro" sind offensichtlich. Für eine deutschsprachige Aufführung, die allerdings erst 1796 zustande kam, hatte Mozart sogar eine Arie hinzu komponiert. Uraufgeführt wurde "Il barbiere di Siviglia" 1782 in St. Peterburg, wo Paisiello am Hoftheater als Kapellmeister bei Katharina der Großen in Diensten stand.
    Wieder zurück in Italien, arbeitete er 1784 die Oper völlig um. Aber zum durchschlagenden Erfolg wurde die Erstfassung. Noch im Februar 1816 gab es in Rom einen Skandal. Ein gewisser Gioacchino Rossini hatte sich erdreistet, auf denselben Stoff von Beaumarchais ebenfalls eine Oper zu komponieren. Die Entrüstung war jedoch nur von kurzer Dauer. Sein "Barbier" stellte alsbald das Paisiello-Stück in den Schatten. Der Publikumsgeschmack hatte sich gewandelt. Über die nächsten Jahrzehnte war Paisiellos "Barbier" nur vereinzelt auf den Spielplänen großer Häuser zu finden. Erst nach dem 2. Weltkrieg kamen auch einige seiner anderen Opern wie "Don Quijote" oder "Der eingebildete Sokrates" zur Wiederaufführung.


    (Deutschlandradio Kultur, 20.05.2006)



    Ich habe folgende Aufnahmen in meiner Sammlung:
    IL BARBIERE DI SEVIGLIA, Dramma giocoso in zwei Akten, Libretto von Guiseppe Petrosellini


    Rom 1959 Sciutti, Monti, Capecchi, Panerai – Fasano (DAT)
    Hannover 1960 Altmeyer, Mazura, Hollweg, Rohr, Bell – Schüler (dt.)
    Martina Franca 1982 Cuberli, Visconti, Dara, Corbelli – Campanella
    Putbus 1997 Saudelli, Ivanova, Tosi, Ruggeri – Keitel
    Brüssel 2006 Ferrai, Monti, di Pasquale, Mastrototaro, Morace – Alessandrini (DAT)


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Zitat

    Original von Ulli
    mich würde Pauls Meinung zum Thema "Paisiello vs. Rossini" bei dieser Oper sehr interessieren. Denn [ich weiß es!]: er ist paisiello- und rossiniphil.


    Also: Sprich, Weiser aus den Niederlanden!


    :D
    Lieber Ulli,


    Ich sehe erst jetzt Deine Frage, Da muß ich zuerst wieder beide Opern anhören. Denn es gab erhebliche Unterschiede.
    War das nur eine Frage des Dirigentens, oder sind sie wirklich komplett anders geartet? So wie Mozarts Figaro auch wieder anders ist.
    Ich weiß es nicht (mehr bewußt), und werde also erst nach dem Anhören der beiden Opern etwas sagen können.


    LG, Paul

  • Ich besitze den Paisiello-Barbiere als Live-Aufnahme aus dem Teatro Lirico G.Verdi di Trieste und war sehr angetan. Würde diese Oper auch gerne einmal in Wien sehen - da würde sich doch das Theater an der Wien geradezu aufdrängen..


    Interessant ist es, dass der STOP-"Haus-Almaviva" Antonino Siragusa auch in dieser Aufnahme diese Rolle gibt.


    Weitere Besetzung -


    Maria Dell'Oste - Rosina
    Luciano di Pasquale - Bartolo
    Pietro Spagnoli - Figaro
    Danato di Gioia - Basilio


    Giuliano Carella - Dirigent

    Hear Me Roar!

  • Ich würde nicht so weit gehen wie Alfred und beide Barbiere für absolut gleichwertig erklären. Es geschah nicht von ungefähr, dass sich Rossinis BARBIER nicht nur unumstritten in der Spitzengruppe des beliebtesten Opernrepertoires, sondern sich sogar während der langen Zeit der Geringschätzung der Belcanto-Oper im aktiven Repertoire gehalten hat. Hier war wirklich das Bessere der ärgste Feind des Guten.


    Davon abgesehen, teile ich jedoch die Ansicht, dass auch mir unverständlich ist, wie die Renaissance dieser Epoche auf Bühne und Platte fast vollkommen an dieser meisterhaften Komödie vorüber gehen konnte. Fehlt ihr die brillante Sopranrolle? Der beifallheischende Effekt oder der komische Brüller? Ist sie einfach zu harmlos gefällig? Oder vielleicht zu sehr höfisches Entertainment im Gewand der commedia dell'arte (geschrieben wurde sie für den Hof Katharinas der Großen) gegenüber Rossinis zupackender Komödie für das große Publikum, die etwas mehr von dem revolutionären Anspruch Beaumarchais' ahnen lässt?


    Vermutlich etwas von all dem. Auffällig ist beim direkten Vergleich der Libretti, wie konsequent Rossini in die von Paisiello nicht komponierten Lücken der Geschichte, die er hinein komponiert hat, und wie viel konzentrierter er sich den - einfachen, aber wichtigen - Interessenlagen seiner Hauptpersonen widmet. Er hat definitv das bessere Libretto. Ein, wie alle Stücke dieser Oper hübsches, aber für die Geschichte mehr als marginales Stück wie das Terzett Bartolos mit den beiden erkälteten Dienern wäre bei Sterbini, dem Librettisten Rossinis, undenkbar. Und das, obwohl beide fast dieselbe Geschichte erzählen, bis hin ins Textdetail. Man vergleiche die beiden "Pace e gioia" (bei Paisiello im ersten, bei Rossini im zweiten Akt), die einander wenig nachgeben, obwohl Rossini durch das geschickte Timing der wiederholten Ansätze Almavivas wiederum die Nase vorn hat.


    Dagegen wären die für Rossini so typischen, mitreißenden Crescendi bei Paisiello fast ein Stilbruch. Man vergleiche nur die beiden Aktfinali beider Opern miteinander, und man befindet sich, bei aller Achtung vor den Ensembles im zweiten Akt, in zwei ziemlich anderen Welten. Bleibt Paisiello stets ungefährdet im Bereich der amüsanten Unterhaltung, so ist Rossinis BARBIERE eine handfeste und enorm wirkungssichere Komödie. Braucht Paisiello in jedem Fall eine gute Regie, kann sich Rossinis Barbier notfalls auch gegen eine einfallslose behaupten.


    Überspitzt gesagt: Paisiello verhält sich zu Rossini wie Dittersdorf zu Mozart. Und ich mag Dittersdorf sehr, zumal ich ihn erst kürzlich richtig schätzen lernte!


    Nach all dem möchte ich dennoch klarstellen, dass ich Paisiellos BARBIER jedem, der ihn noch nicht kennt, im Wortsinn un-bedingt ans Herz legen möchte.


    Vielleicht fehlt ihm noch eine Aufnahme durch einen erstrangigen Dirigenten. In Ermangelung einer solchen würde ich die von Fasano mit Graziella Sciutti und Nicola Monti sowie dem großartigen Komödianten Renato Capecchi empfehlen. Wer allerdings den sehr gut klingenden Radiomitschnitt vom Brüsseler Theatre de la Monnaie unter Rinaldo Alessandrini hat, braucht die andere Aufnahme nicht auch noch.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Überspitzt gesagt: Paisiello verhält sich zu Rossini wie Dittersdorf zu Mozart. Und ich mag Dittersdorf, den ich erst kürzlich richtig schätzen lernte, sehr!


    Danke, lieber Rideamus.


    Denn so ungefähr hatte ich es noch im Gedächtnis. Jetzt brauche ich nicht mehr beide Opern anzuhören.
    Um es ganz prägnant zu formulieren: Rossinis Barbier hat mehr "Spirit".


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Rideamus
    I


    Überspitzt gesagt: Paisiello verhält sich zu Rossini wie Dittersdorf zu Mozart. Und ich mag Dittersdorf, den ich erst kürzlich richtig schätzen lernte, sehr!


    :hello: Rideamus


    Aber sehr überspitzt!! Zwischen Dittersdorf und Mozart liegen Welten, zwischen Paisiello und Rossini doch wesentlich weniger. Du magst recht haben, daß der Bessere der ärgste Feind des Guten ist, aber Paisiello war schon sehr gut. Seine Rolle in der Opernwelt ist wohl im Vergleich mehr als das, was Dittersdorf für irgendeine Gattung war.....


    :hello:
    Wulf

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  • Zitat

    Original von Wulf
    Paisiello war schon sehr gut. Seine Rolle in der Opernwelt ist wohl im Vergleich mehr als das, was Dittersdorf für irgendeine Gattung war.....


    :hello:
    Wulf


    Jedem seine Meinung. =)


    Paisiello war in der Tat sehr gut und wird heute fraglos unterschätzt, aber hier scheint mir eine erhebliche Unterschätzung Dittersdorfs vorzuliegen, die leider sehr verbreitet ist. Allerdings gebe ich Dir insofern Recht, als ich Rossini bei aller Liebe zu ihm nicht mit Mozart auf eine Stufe stellen kann, während ich aus musikalischen Gesichtspunkten Paisiello und Dittersdorf gleichwertig finde und dabei Dittersdorf sogar den stärkeren Theaterinstinkt bescheinigen würde.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Wulf


    Aber sehr überspitzt!! Zwischen Dittersdorf und Mozart liegen Welten, zwischen Paisiello und Rossini doch wesentlich weniger.


    Vor allem ist das Verhältnis m. E. eher umgekehrt zu betrachten. Paisiello und Mozart stellen Rossini und Dittersdorf in den schattigsten Flecken dieser Erde.


    :D


    Paisiello war wie Mozart u.a. ein Meister der von mir so sehr geschätzten Kettenfinali - bei Dittersdorf gibt es soetwas großartiges [leider] nicht. Aber Dittersdorfs Niveau ist deswegen keinesfalls schlechter - sein Witz ist eben ein anderer. Allein durch seine Themensinfonien wie "Il delirio del composta" und die glasklare Verballhornung der verschiedenen Stile zeugt von einer Kenntnis der Marterie, die weit über das Schaffen anderer [Zeitgenossen] hinausgeht.


    Und Rossini betrachte ich als längst vergangene und überflüssig gewordene Mode - wie übrigens auch Paganini.


    Rossini komponierte in meinen Ohren genau so, wie Mozart es im Film "Amadeus" so schön ausdrückt: "Liebe...? Das ist alles Quatsch..." :stumm:


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Tja, was dem einen sein Schatten ist dem anderen sein Sonnenbad. :D


    Ist Musik nicht wunderbar?


    :hello: Rideamus


    (PS: bei Mozart wären wir uns ja noch einig, so überraschend das erscheinen mag)

  • Meine Lieben,


    Meine erste Einspielung von Rossinis "Barbiere" war eine Aufnahme der Deutschen Grammophon von 1968, die ich mir ab und zu noch immer gern anhöre. Arturo Basile (er starb wenig später bei einem Autounfall) und das Orchestra Filarmonica sowie der Chor des Teatro Comunale Trieste liefern eine solide Interpretation der besseren Mittelklasse, über die einige Protagonisten aber noch hinausragen (Luigi Alva als Almaviva, Afredo Mariotti als Bartolo, Paolo Washington als Don Basilio). Maria Casula als Rosina und Marco Stecchi wirken verläßlich, ohne besondere Höhepunkte zu setzen.
    Unter den älteren Aufnahmen eine der spielwitzigsten ist der Live-Mitschnitt einer Met-Aufführung aus 1950 unter Alberto Erede, 1950. Erede nimmt recht flotte Tempi, und mitunter zieht die Disziplin gegenüber dem buffonesken Treiben ein wenig den kürzeren, aber die muntere Stimmung, die auf der Bühne herrschte, kommt ausgezeichnet herüber und man kann nachfühlen, warum sich das Publikum immer wieder kugelte (man hört es). Das Ensemble bestand aus lauter ausgezeichneten Sängern, die auf die vergnüglichste Weise zusammenwirkten, wobei Spaß groß geschrieben wurde und ebenso die sängerische Bravour (als Einlage singt die Rosina zudem in der Übungsstunde mit dem falschen Gesangslehrer Adams Bravour-Variationen auf ein Thema von Mozart). Lily Pons, die damals immerhion bereits 52 war, vermittelt einen frappierend echt wirkenden Opern-Teenager, der schon mit allen reizenden Wässerchen gewaschen ist, und liefert akrobatische Koloraturen, was das Zeug hält. Giuseppe di Stefano als Almaviva nimmt die Herausforderung an und dreht stimmlich so richtig auf. Beide machen das aber mit soviel Charme und Ironie, daß man sich so wie das Publikum gern begeistern läßt. Auch die übrigen Mitwirkenden sind Extraklasse - stimmlich und spaßmachermäßig: Giuseppe Valdegno als Figaro, Salvatore Baccaloni als Bartolo und Jerome Hines als Basilio. Ich würde etwas darum geben, hätte ich die Aufführung auch auf der Bühne gesehen. Es muß hinreißend gewesen sein, was einige Schlampereien als nicht weiter wichtig erscheinen läßt.


    In der Edition von 2003 (Label: Gala) sind als Bonus einige Aussschnitte einer etwas älteren Aufnahme angeschlossen: Mexico City 1949. Renato Cellini dirigiert einen deutlich klassischeren und ruhigeren Rossini, der trotzdem über alle nötigen Ingredienzien verfügt. Giuseppe di Stefano beweist, daß er sich auch auf einen vergleichsweise seriösen Almaviva blendend versteht (wenn man vergleicht, wie er das "Almaviva sono io, Lindoro non son'" hier und unter Erede bringt, dann bekommt man Respekt vor so unterschiedlichen Nuancen und dem damit verbundenen Können). Giulietta Simionato ist eine der besten Rosinas überhaupt. Enzo Mascherini als Figaro, Gerhard Pechner als Bartolo und Cesare Siepi als Basilio vervollständigen ein Dokument, das geeignet ist, zur Legende "Früher war alles besser" beizutragen.


    Bezüglich der Tonqualität muß man natürlich jeweils deutliche Abstriche in Kauf nehmen.


    LG


    Waldi

  • Lieber Ulli,


    deine Liebe zu Mozart, die ich teile, sollte dich nicht blind machen für die Werke des Schwans von Pesaro, der Mozart mindestens so glühend verehrt hat wie du.
    Vielleicht lohnte es sich auch für dich, Rossini in Gänze kennen zu lernen.
    In deutschsprachigen Gefilden, das Elsass eingeschlossen, kennt man leider nur
    den arg " amputierten " Komponisten, vor allem nicht den Schöpfer herrlicher opere serie, den geistreichen Bekenner seiner Alterssünden etc.
    Was die Gegenüberstellung der Barbiere Paisiellos und Rossinis betrifft, bin ich Rideamus` Meinung.


    Ciao. Gioachino :pfeif:

    MiniMiniDIFIDI

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  • Von den rund 50 Aufnahmen des "Barbiere", die bei mir im Schrank stehen, habe ich eine ganz besonders ins Herz geschlossen:


    Die Leinsdorf-Aufnahme von 1958:


    Aufnahme: Sept. 1958, Studio
    Spieldauer: 157'44
    Dirigent: Erich Leinsdorf
    Metropolitan Opera Orchestra
    Metropolitan Opera Chorus
    Kommentar: vollständig, 3 CDs RCA


    Rollen und Sänger


    Ambrogio: Carlo Tomanelli
    Berta: Margaret Roggero
    Conte d'Almaviva: Cesare Valletti
    Don Basilio: Giorgio Tozzi
    Dr. Bartolo: Fernando Corena
    Figaro: Robert Merrill
    Fiorello: Calvin Marsh
    Rosina: Roberta Peters
    Un ufficiale: Calvin Marsh


    Obwohl ich eigentlich die Rosina lieber von einem Mezzo höre als von einer Sopranistin, ist dies m.E. die durchgehend am besten besetzte vollständige Einspielung. Auch von den Tonqualität her gibt es nichts zu meckern.


    LG Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Wulf,


    wieso falscher Thread?
    Thema ist: Rossini VS Paisiello.


    Paisiello haben wir schon durchgehechelt,
    Rossinis Oper ist ergiebiger!


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Harald,


    darum geht es ja in diesem thread: um eine gezielte Gegenüberstellung der beiden Werke. Wenn Du nach gründlicher Analyse zu dem Schluss gekommen bist, daß Rossinis Werk ergiebiger ist - ob dem so ist, das soll ja hier gerade kontrovers diskutiert werden - ist ein vergleichsweise - entschuldige - banales Listen der Einspielungen, die man sein Eigen nennt, doch etwas OT - denn das kann man ja auch in den Rossini-threads tun! :untertauch::D


    :hello:
    Wulf

  • Lieber Wulf,


    vielleicht solltest Du den Thread genauer lesen, und dabei feststellen, dass ich 1. nicht angefangen habe, Rossini-Aufnahmen vorzustellen (das haben vor mir mindestens 3 andere auch getan)
    und 2. Vergleiche mit Dittersdorf und Mozart usw. noch viel weniger zum Thema passen!


    Zu Paisiello habe ich in diesem Thread schon mehrere Beiträge abgeliefert - ich würde Dir daher empfehlen, eine andere Zielscheibe für Deine Angriffe zu suchen!


    LG


    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Lieber Wulf,


    Auch ich vermag nicht einzusehen, warum es hier ausschließlich um Gegenüberstellungen gehen soll, zumal der Rossini-"Barbiere" sonst keinen eigenen Thread hat. Aus den Hinweisen auf diverse Einspielungen könnten sich allerdings in manchen Kennerköpfen vielleicht die eine oder andere Gedankenverbindung ergeben, die weiteren Paisiello-Vergleichen dienlich wäre.


    Eine recht gelungene Mischung aus Buffokomik und ernstzunehmenden Rosina-Sorgen bietet die Zürcher Inszenierung Grischa Asagaroffs, von der es eine 2001 aufgenommene DVD mit folgender Besetzung gibt:


    Dirigent: Nello Santi
    Almaviva: Reinaldo Macias
    Dott.Bartolo: Carlos Chausson
    Rosina: Vesselina Kasarova
    Figaro: Manuel Lanza
    Don Basilio: Nicolai Ghiaurov
    Berta: Elizabeth Rae Magnuson


    Asagaroff versetzt die Oper in eine etwas diffuses, stilistisch nicht ganz einheitliches, romantisch-burlesk aufgemascherltes 20.Jahrhundert, was zunächst etwas verblüfft. Da aber damit keine aufdringliche Neudeutung verbunden ist, und der Witz schlüssig funktioniert (Figaro auf dem Motorrad anbrausend paßt hier tatsächlich und würde vermutlich sogar Knuspis strengem Blick standhalten), gewöhnt man sich rasch an Kostüm und Ambiente, das zudem einen gewissen phantastischen Reiz beinhaltet und sich der Drehbühne in richtigem Maß zu bedienen weiß. Da ist Tempo drin und der musikalische Spaß bleibt immer auf Trab. Die Personenführung kann nur als vorbildlich bezeichnet werden.
    Nello Santi ist ein alter Kapellmeisterfuchs, der genau weiß, wie Rossini klingen muß; er bietet für mich die beste Leistung, und man spürt den Hauch einer legendären Dirigentengeneration.
    Der Kubaner Reinaldo Macias hat genau das nötige Timbre (von fern etwas an Luigi Alva erinnernd), das zu dem ja nicht sehr heroischen, etwas verwöhnten Almaviva paßt. Besonders im zweiten Akt agiert er in vergnüglichster und bester Form. Seine gut bewegliche Stimme bewältigt die oft unterschätzten Schwierigkeiten der Rolle wirklich überzeugend. Manches sitzt stimmlich vielleicht noch nicht hundertprozentig, aber diesen Tenor kann man sich öfter gönnen.
    Demgegenüber wirkt der Figaro etwas derb. Lanza ist noch relativ jung, hat sich aber schon einiges an geläufiger Routine angeeignet und kann mit der Zeit ein recht guter Figaro werden, was er vorderhand nur im Ansatz ist. Die bei Macias so treffliche Beweglichkeit schafft er nicht in gleichem Maß. Spielfreude verbreitet er aber durchaus.
    Die Kasarova wurde für ihre Rollengestaltung sehr gerühmt (es ist ja auch angeblich ihre Leibpartie). Ich finde sie gut und absolut stimmig, aber nicht sensationell. Was sympathisch wirkt: Sie versucht nicht, ihr slawisches Temperament gewaltsam auf italienisch zu trimmen.
    Chausson wird für meinen Begriff sehr zu Unrecht kritisiert. Er singt nicht nur gut und deutlich, er verkörpert glaubhaft einen anderen Typ als den gewohnten, mehr einen gealterten französischen Beau, dessen Drängen aber für Rosina noch gefährlich genug erscheint. Und das macht er glänzend.
    Was soll man zu Ghiaurov sagen? In seinem damaligen Alter eine imponierende Gestaltung mit teilweise noch immer eindrucksvollen Tönen und überzeugender Verdeutlichung des etwas schmierigen Charakters. Ein sympathischer Star, aber objektiv gesehen natürlich nicht mehr die Idealbesetzung.


    Insgesamt aber ein"Barbiere", der unstaubig Tradition mit zeitgenössischen Akzenten vereint, immer auf die Musik Rücksicht nimmt und für einen vergnüglichen Abend garantiert. Die Tonqualität ist wie bei allen anderen DVDs dieser Serie bestens.


    LG


    Waldi

  • Zu welcher Erstaufnahme würden mir die geneigten Experten raten?



    Abbado 1971



    Alceo Galliera 1957



    Gui 1962


    Wichtig ist mir in erster Linie ein hervorragender Figaro.
    Klanglich sollte es zudem zumindest gut sein.


    :hello:


    P.S.: Gleich zwei "Great Recordings of the Century" ...

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Gioachino,


    vielen Dank für den spontanten Tipp!
    Diese Aufnahme dürfte auch klanglich die beste der drei genannten sein.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo Felipe,


    hinzu kommt, dass die Berganza und natürlich Abbado noch heute Referenz sind, was man über Alva leider nicht sagen kann, obwohl er seine Meriten hatte. Ein Rossini - Sänger à la Florez ist er nie gewesen, hat jedoch dazu beigetragen, dass dieses Stimmfach bis heute Furore gemacht hat !


    Ciao. Gioachino :hello:

    MiniMiniDIFIDI

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