Reinhard KEISER, der größte deutsch-komponierende Opernkomponist des Barock

  • Hallo!


    Heute möchte ich euch einen der wichtigsten deutschen Opernkomponisten des Barocks vorstellen, nämlich
    Reinhard KEISER 1674-1739


    Reinhard Keiser wurde im Januar 1674 als Sohn des Organisten von Teuchern geboren. Der Vater verlies die Familie schon im selben Jahr, sodass er alleine bei seiner Mutter aufwuchs.


    1685 ging er nach Leipzig und trat in die Thomasschule ein, die damals von einem gewissen Johann Schelle geleitet wurde. Dort genoss er eine umfassende musikalische Ausbildung, und im Jahre 1693 ging er nach Braunschweig, wo er am Opernhaus am Hagenmarkt, das neu gegründet wurde, seine ersten Opern, unter anderem „Basilius in Arkadien“ herausbrachte. Im Jahr darauf wurde er zum „Cammer-Componisten“ ernannt.


    1697 ging er nach Hamburg ans Opernhaus am Gänsemarkt, wo er begann das Musikleben der Hansestadt zu revolutionieren. Er brachte dort viele Opern heraus, z.B. „Der beglückte Adonis“. In den Jahren 1703-1707 leitete er das Opernhaus selbst, und brachte z.B: auch einige Händelopern auf die Bühne, z.B. „Almira“.


    Hier eine Listung der frühen Opern Keisers:
    Der Königliche Schäfer oder Basilius in Arkadien, in einer Opera auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet. (1694)
    Procris und Cephalus (1694 Braunschweig)
    Der geliebte Adonis (1697)
    Der bei dem allgemeinen Welt-Frieden von dem Großen Augustus geschlossene Tempel des Janus (1698 )
    Die wunderbar errettete Iphigenia (1699)
    Die Verbindung des großen Herkules mit der schönen Hebe (1699)
    La forza della virtù oder Die Macht der Tugend (1700)
    Störtebeker und Jödge Michels 1701
    Die sterbende Eurydice oder Orpheus 1702)
    Die verdammte Staat-Sucht, oder Der verführte Claudius (1703)
    Der gestürzte und wieder erhöhte Nebukadnezar, König zu Babylon (1704)
    Die römische Unruhe oder Die edelmütige Octavia (1705)
    Die kleinmütige Selbst-Mörderin Lucretia oder Die Staats-Torheit des Brutus (1705)
    Die neapolitanische Fischer-Empörung oder Masaniello furioso (1706)
    Der angenehme Betrug oder Der Carneval von Venedig (1707)
    Seine Intentanz am Theater am Gänsemarkt machte den Opernbesuch zu absoluten Ereignissen. So soll bei der Hinrichtungsszene im Störtebeker echtes Blut, und nicht wenig davon, geflossen sein.


    Keiser selbst beeinflusst unter anderem Händel und Mattheson sehr, und er galt als „Vater der deutschen Melodie“ und als größter deutscher Opernkomponist der damaligen Welt!


    Insgesamt schrieb er um die 100 Opern, von denen leider nur um die 30 erhalten geblieben sind!

    Szene aus dem Croesus


    Im Jahre 1700 gründete er die sogenannten Winterkonzerte, bei denen die Zuhörer nicht nur mit Musik versorgt wurden, sondern auch mit Speis und Trank verwöhnt wurden.


    Im Jahre 1709 gab er die Intendanz ab und komponierte „nur mehr“. Es entstanden unter anderem folgende Opern:
    La forza dell'amore oder Die von Paris entführte Helena (1709)
    Desiderius, König der Langobarden (1709)
    Der durch den Fall des großen Pompejus erhöhete Julius Caesar (1710)
    Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus (1710)
    L'inganno fedele oder Der getreue Betrug (1714)
    Fredegunda (1715)
    L'Amore verso la patria oder Der sterbende Cato (1715)
    Das zerstörte Troja oder Der durch den Tod Helenens versöhnte Achilles (1716)


    Am 3. Januar 1712 heiratete er die bekannte Sängerin Barbara Oldenburg, Tochter des Ratsmusikers Hieronymus Oldenburg. 1712 machte er auch einen ersten Versuch auf dem Gebiet der geistlichen Musik, er komponierte eine Brockespassion.
    1717 und 1722 komponierte er für Kopenhagen einige Opern, die dort irrsinnigen Erfolg hatten. Unter anderem waren dies:
    Die großmütige Tomyris (1717)
    Jobates und Bellerophon (1717)
    Ulysses (1722)


    1720/1721 finden wir ihn in Stuttgart, wo er, geplagt von einigen Misserfolgen versuchte eine feste Anstellung zu bekommen, doch das Unternehmen schlug fehl, da man dort italienische Opern hören wollte!


    In Kopenhagen versuchte er ebenfalls einen Posten zu bekommen, doch auch hier vergebens.


    In den Jahren 1723 bis 1728 komponierte er weitere Opern, doch ab dem Jahre 1728, als er den Posten des Kantors am Hamburger Dom annahm, komponierte er nur mehr geistliche Werke, vor allem Kantaten und auch eine Matthäuspassion, aber auch Kammermusik!


    Bis an sein Lebensende blieb er nur Organist am Hamburger Dom.


    Keiser starb am 12. September 1739 in Hamburg. Von der Nachwelt wurde er sehr verehrt und seine Werke wurden im 18.Jhdt. noch oft gespielt. Heutzutage wird er nur mehr selten gespielt, aber Gottseidank gibt es einige CD-Aufnahmen:


    Ebenso ist in seinem Geburtshaus ein Museum eingerichtet:


    Einige Opernaufnahmen:
    CROESUS, seine heute bekannteste Oper gibt es in zwei Einspielungen:
    1. Clemencic Consort-Rene Clemencic
    Martin Klietman, Satoshi Mizugushi, Mieke van der Sluis, Andrea Martin, Mark Tucker….
    Nuova Era


    Ich habe diese CD und finde sie wundervoll, Clemencics beste Aufnahme, ich kann sie allerdings nicht vergleichen, da ich die Konkurrenzaufnahme nicht kenne!


    Und das wäre folgende:

    Röschmann, Trekel, Häger, M. Schäfer,
    Akademie für Alte Musik Berlin, Jacobs
    Dürfte großartig sein, wie immer bei Jacobs, aber ist mir noch zu teuer!


    Es gibt aber auch günstigere Aufnahmen bei Cpo:

    MASANIELLO FURIOSO
    Cordier, Jochens, van der Kamp, Meens, Schlick,
    Fiori Musicali, Thomas Albert



    DER GELIEBTE ADONIS
    Zumbült, Popken, Ryden, Spägele, Kobow,
    Schoch, Spogis, Capella Orlandi Bremen,
    Thomas Ihlenfeldt



    Nun zum geistlichen Werk:

    8 Solokantaten



    Kantaten und Opernouvertüren


    und die Markuspassion:

    d'Althann, Geitner, Paulsen, Elbert, Hirtreiter,
    Parthenia Vocal & Baroque, Brembeck


    So das wars, ich hoffe ich konnte euch Keiser näherbringen!


    LG joschi

  • Reinhard KEISER und die frühe deutsche Oper


    Das abenteuerliche Leben des hochbegabten Reinhard Keiser ist auf engste mit der Geschichte der frühen deutschen Oper verbunden. 1674 in Teuchern bei Weißenfels geboren, ging der ehemalige Leipziger Thomaner mit 18 Jahren nach Braunschweig, wo er seine ersten Opernerfolge errang. Hauptstätte seines Wirkens wurde die Hamburger Oper am Gänsemarkt. Er war auch einige Jahre Hofkapellmeister in Dänemark und vor seinem Tode 1739 Kantor am Hamburger Dom. Er galt lange Zeit als „das vielleicht größte Originalgenie, das Deutschland jemals hervorgebracht habe“.
    Die Hamburg Oper am Gänsemarkt wurde 1678 vom Hamburger Kaufmann und Ratsherr Gerhard Schott gegründet und war 60 Jahre lang eine vom Bürgertum getragenen Volksoper. Man sang vorwiegend auf deutsch (manchmal auch platt) und geißelte auch das Hofleben der Fürsten. Geldmittel, die finanzkräftige Bürger zur Verfügung stellten, ermöglichten eine Ausstellungspracht, die den großen Hofopern in nichts nachstand.
    Unter Reinhard Keisers für die Bühne am Gänsemarkt komponierten Opern genoß der „hochmüthige, gestürtzte und wieder erhabene Croesus“ von 1710 besondere Popularität. Die vom Textdichter Lucas von Bostel bearbeitete Geschichte des reichen und hochmütigen Lydierkönigs, der sich, vom Perserkönig Cyrus besiegt, plötzlich der Vergänglichkeit irdischer Macht bewusst wird, war in Hamburg mit großem Beifall aufgeführt worden. Dabei kommen auch die komischen Elemente nicht zu kurz. Mit Trompetenglanz erstrahlen Ouvertüre und Eingangschor. In den idyllischen Bauernszenen erklingt ein für die Hamburger Oper typisches Volksbild. Das Duett „Kleine Vöglein“ erinnert in seiner Rhythmik an englische Volksmusik. Höhepunkt ist der Klagegesang des besiegten Königs. Angesicht des Todes auf dem Scheiterhaufen fleht er um Barmherzigkeit. (H.C.W.)


    Ich besitze sowohl die Clemencic-Aufnahme von 1990 als auch die Rene-Jacobs-Einspielung von 2000, die beide ihre Meriten haben.
    Aber schon im Jahre 1961, 7 Jahre vor der Erstaufführung dieser Oper in unserer Zeit (1978 in Wuppertal) ist auf Platte ein äußerst hörenswerter Querschnitt erschienen. Als ich diese Schallplatte vor über 40 Jahren kaufte und anhörte war meine Begeisterung für diese Musik sofort geweckt, die bis heute noch anhält!


    Die Electrola hatte in ihrer Reihe „Musik in alten Städten und Residenzen“ als erstes eine Platte veröffentlicht unter dem Titel: „HAMBURG – Die frühe deutsche Oper am Gänsemarkt“


    Hier war nun – neben kurzen Ausschnitten u.a. aus Mathesons „Boris Goudenow“ ein Querschitt aus dem Dramma musica „CROESUS“ von Reinhard Keiser enthalten, und zwar in folgender Besetzung:


    Croesus: Hermann Prey
    Elmira: Lisa Otto
    Orsanes: Manfred Schmidt
    Eliates: Theo Adam
    Elicius: Karl-Ernst Mercker
    Bauernkind: Ursula Schirrmacher
    sowie der Günther Arndt-Chor
    ein Kinderchor
    Eugen M.-Dombois, Laute
    Heinz Friedrich Hartig, Cembalo
    Berliner Philharmoniker
    Dirigent: Wilhelm Brückner-Rüggeberg


    Hier wird frisch und munter musiziert, auf heutigen Instrumenten, ohne Historismen. Die Platte wurde mit dem „Grand Prix du disque“ ausgezeichnet, ist aber schnell wieder aus dem Katalog verschwunden und bis heute als CD nicht wiederveröffentlicht worden, was ich sehr bedauere.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Danke für diese ausgezeichneten Schilderungen dieses grossen Unbekannten.


    Es gibt noch so vieles, was nicht (und wohl auch nie) auf CD veröffentlicht wurde.


    Ich hatte schon mal kurz über "Der siegende David" berichtet. Auf der Ruhrtriennale 2006 aufgeführt, ist das Konzert einmal im Radio (WDR3) ausgestrahlt worden. Es musizierten damals Musica Antiqua Köln in Prachtbesetzung (Leitung: Peter Neumann) mit Simone Kermes, Raimund Nolte, Markus Brutscher, David Cordier, ChorWerk Ruhr. Hier hoffe ich bis heute auf eine CD-Veröffentlichung.


    Dann gab's mal genau eine einzige Aufführung in Deutschland (Köln) von der Brockes-Passion in diesem Frühjahr mit Les Talens Lyriques unter Christophe Rousset (auch unveröffentlicht).


    Schon ein Jammer, dass solch große Musik so unbekannt geworden ist.

    Beste Grüße!

  • Soeben bei Naxos herausgekommen:



    Reinhard KEISER
    (1674-1739)
    Fredegunda



    Fredegunda . . . . . . . . . . . . . . . .Dora Pavlíková, Soprano
    Galsuinde . . .. . . . . . . . . . . . . . .Bianca Koch, Soprano
    Bazina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Katja Stuber, Soprano
    Chilperich . . .. . . . . . . . . . . . . . .Tomi Wendt, Baritone
    Sigibert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kranebitter, Baritone
    Hermenegild . . . . . . . . . . . . . . Tomo Matsubara, Tenor
    Landerich . . .. . . . . . . . . . . . . . Tobias Haaks, Tenor
    Neue Hofkapelle Munich • Christoph Hammer
    Eine Koproduktion des Bayerischen Rundfunks


    Hierzu schreibt die Plattenfirma:



    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von DonBasilio
    Nun zum geistlichen Werk:

    8 Solokantaten


    Von den Solo-Kantaten auf dieser CD ist gerade mal eine, nämlich die "Über den 62. Psalm" aus der "Musicalischen Land-Lust" von 1714 als halbwegs "geistlich" einzustufen - die anderen Stücke sind vieles, aber ganz bestimmt keine "geistlichen Werke". Die andere CD mit Kantaten kenne ich nicht, aber der Titel "In Arkadien" deutet auch mehr auf sinnliche Vergnügungen hin...

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  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Joschi Krakhofer
    Keiser selbst beeinflusst unter anderem Händel


    Händel ließ sich nicht nur von Keiser beeinflussen, er entlehnte auch gerne bevorzugt Themen aus Keisers Werken.
    Aus Keisers Opern Claudius und Octavia konnte man je 21 verwendte Sätze nachweisen.
    In Händels Opern Agrippina, Tamalano, Ariodante,
    Flavio, Floridante, Rodelinda, Rinaldo, Ricardo ,
    Faramondo, Amadigi, Radamisto, Giulio Cesare, Atalanda, Ottone oder Serse;
    um nur einige zu nennen,
    finden sich ebenfalls Entlehnungen Händels von Keiser.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard


  • Keiser, Reinhard, deutscher Komponist, * 9.1.1674 Teuchern, † 12.9.1739 Hamburg.
    Keiser trat 1685 in die Leipziger Thomanerschule ein, wo Johann Schelle und Johann Kuhnau zu seinen Lehrern gehörten.
    Ab 1693 wirkte er als »Cammer- Componist« am Hof von Braunschweig, dort führte er auch seine ersten Opern auf: Der königliche Schäfer (1693), Procris und Cephalus (1694), Die wiedergefundenen Verliebten (1695).
    1694 wurde seine erste Oper in Hamburg gespielt (Basilius in Arcadien), wo er rasch als führender Komponist der bis 1738 bestehenden Oper hervortrat.
    Ab 1696/97 war er Kapellmeister an der Hamburger Oper am Gänsemarkt, deren Direktion er 1702–07 gemeinsam mit Düsicke innehatte. Er führte Opern von Mattheson, Händel, Grünewald auf, und in Die verdammte Staat-Sucht (1703) wurden erstmals italienische Arien in eine deutsche Oper eingebaut; er benutzte häufig auch Plattdeutsch in seinen Opern (Der angenehme Betrug oder Der Karneval von Venedig, 1707).
    Die Anzahl seiner Opern schwankt zwischen 70 und 100.


    Er verwendete Stoffe der griechischen Mythologie, der römischen Geschichte, ebenso biblische Themen oder spanische, französische und deutsche Dramen. Keiser verband die Elemente der ernsten, allegorischen Oper mit volkstümlichen, buffonesken Elementen, wobei er sich musikalisch an der venezianischen Oper Steffanis, der Tragédie lyrique Lullys und der Opera seria orientierte.
    Die dramatisch fundierte Instrumentation und das gewählte Einsetzen von Soloinstrumenten unterschied ihn auch von seinen Zeitgenossen. Er war der herausragende Komponist der frühen deutschen Oper.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)