Der Wille des Komponisten - Dogma oder Empfehlung ?

  • Liebe Forianer,


    Ich bin sicher, eines einen Thread dieses Namens gestartet zu haben, aber das muß schon sehr lange her sein. In diesem Forum war es offensichtlich nicht.


    Die Fragestellung ist einfach. Was hat ein Interpret zu spielen, den "Willen der Komponisten" (soweit erkennbar) oder liegt es in seiner Hand, Werke, bei voller Aufrechterhaltung des Notentextes, willkürlich zu gestalten?
    Hat der Interpret Rücksicht auf historische Gegebenheiten zu nehem, oder ist er in seiner Gestaltung "frei", ist die Partitur ein "Rezept", oder ist sie als "Leitfaden" anzusehen, wo einzelne Details geopfert werden können, wenn es aus welchen Günden immer, erforderlich scheint ?


    Mir fallen da gleich etliche Namen ein, aber ich warte gespannt auf Eure Statements


    Auch ein weiterer Aspekt ver dient Beachtung: Bearbeitungen.


    Inwieweit sind Bearbeitungen, wie jene Ravel von den "Bildern einer Ausstellung" etc, legitim ? Ähniliches könnte man sich bei vielen Orchestrierungen fragen. Einiges von Schubert wurde ja versucht so zu orchestrieren, daß man eine weiter Sinfonie erhält, wobei ironischerweise nicht mal die vorhandenen (von zweien abgesehen) gespielt bzw gehört werden.


    Wenn jemand bei der nachträglichen Orchestrierung eines Stückes , das eigentlich für Klavier gedacht war, meint, es käme jetzt viel besser zur Geltung, hat er es da nicht gewaltig mißverstanden?


    Darf ein Interpret ei (angeblich) fades Stück "auffrisieren" indem er so ziemlich alle Tempo- und Vortragsbezeichnungen des Komponisten über Bord wirft und auf diese Weise das Stück "interessant" macht ?
    Ist solch einStück, so dieses Vorgehen Erfolg hat, "gerettet" ?


    Fragen über Fragen



    Beste Grüße aus Wien


    Alfred



    .

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Guten Abend zusammen,


    ist ja klar, daß ich mich dazu melden muss, obwohl ich gar keine Zeit habe... :wacky:


    Also Dogma finde ich etwas zu hart ausgedrückt, geht aber m. E. in die richtige Richtung. Besonders bei dem akribischen Herrn Mozart beaupte ich einmal steif und fest, dass keine chirurgischen Eingriffe nötig sind, gerade die auskomponierten Details sind hier sehr wichtig und unumstösslich. Die Frage ist aber dennoch nicht ganz einfach zu beantworten, denn ich finde z.B. die Glenn-Gould-Interpretationen "Bach" künstlerisch sehr wertvoll, obwohl sie meistens völlig übertrieben sind, zu schnell, zu langsam und trotzdem schätze ich sie, weil sie für sich betrachtet wieder ein eigenes Kunstwerk darstellen.


    Bei moderneren Komponisten ist es z.T. notwendig, willkürlich zu gestalten, weil es der Komponist so will (mir fällt gerade niemand ein, ich weiss aber sicher, dass es solche "Frei-Schnauze-Kompositionen" gibt...).


    Die Interpretation muss dem Hörer eben einfach gefallen, oder?


    Viele Grüße

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo, ich hab aus gegebenem Anlass, (Eine Bemerkung teletons über Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" das Thema erweitert, und den Einführungsvortrag ergänzt.


    zudem hatt Ulli, (der selbst komponiert, und zwar im Stil von W.A. Mozart und seiner Zeit, dies für alle die seine Vorstellung nicht gelesen haben) einen sehr interessanten Satz geschrieben:



    Zitat

    Die Interpretation muss dem Hörer eben einfach gefallen, oder?


    Hier hatte ich eigentlich einen Aufschrei erwartet, aber vielleicht kommt der noch verspätet. Sir Thomas Beecham hat das Ende der Jupiter-Sinfonie beispielsweise geringfügig durch Bläserstimmen ergänzt, weil er meinte, er könne hier den Effekt heben, und Mozart verbessern, eben damit es besser gefällt, bzw. effektvoller ist



    Grüße aus Wien


    Alfred





    Gruß aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Salut,


    der AUFSCHREI kommt JETZT !!!! Bei Mozart gibt es nichts zu verbessern! Wer es nicht so spielen und 'rüberbringen kann, wie es in den Noten steht, sollte es lassen... (bzw. wie ich: nur für sich spielen und die Tür zu machen)!!


    Ergänzend resp. erläuternd dazu: Interpretation gilt für das Geschriebene, ich meine also, daß eine Änderung/Ergänzung des an sich vollständigen Notentextes nichts mit Interpretation zu tun hat.


    Viele Grüße

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

    Einmal editiert, zuletzt von Ulli ()

  • Sagitt meint:


    Diese so schwierige Frage, was dachte der Komponist und ist es nicht dem Zeitgeist unterworfen, kann man nur behutsam angehen, indem erst einmal Varianten ausgeschlossen werden, die unakzeptabel sind. Schon dieses Verfahren ist fragwürdig genug. Die Bewegung, die Harnoncourt in seiner frühen Zeit polemisch auslöste, war, dass er den Interpreten mangelnde Kenntnisse der Entstehungsgeschichte des Repertoires und der Spielweise vorwarf.
    Das hat mich damals erst einmal sehr beeindruckt und ich habe die pathetischen , schönenden Aufnahmen des 50ziger Jahre- mainstreams weggelegt.


    Heute halte ich mich sicher nicht an die Vorgabe. Es gibt ziemlich langweilige, scheinbar textkritisch korrekte Wiedergaben, die entsetzlich langweilig sind, und Interpretationen, die sicher nur begrenzt oder gar nicht Notentextgebunden sind, die ich großartig finde ( Gould op. 57 und op. 111 oder Pogorelichs Bilder einer Ausstellung).


    Mich stört nach wie vor, dass es Regietheater gibt, das sich wenig um die Vorgaben des Komponisten kümmert, eine völlige Verhunzung von Beethovens Fidelio durch Kresnik, Inscenierungen aller Art, die das Stück eigentlich zertrümmern wollen ( irgendwann ist ein thread zu Beethoven/Fidelio-Verhunzungen erforderlich), aber wenn ich es genauer betrachte, muss ich eigentlich einräumen, es gefällt mir einfach nicht und ich suche nach einem Argument,und das ist dann, dies entspricht nicht dem Stück.


    Gibt es nicht wenigstens eine Wahrheit in dieser Frage ? Vielleicht diese, dass man Dogma niemals durchsetzen kann, weil Menschen an diesem Geschäft beteiligt sind, die immer ihr eigenes mithineinbringen. So wenig wir Juristen das Dogma einer Unveränderlichkeit eines Gesetzes durchsetzen können, wird der Künstler dies für sein Kunstwerk durchsetzen. Er kann,während er lebt, vielleicht Aufführungen verhindern, vielleicht noch eine Zeitlang seine Erben, aber dann...............

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  • Hallo,


    ich stimme eigentlich Ulli zu.


    Für mich gilt auch der Grundsatz: Eine Interpretationen muss mich zu aller erst gefallen, bestenfalls umhauen.


    Bach's Klavierwerk zum Beispiel ist ja geschmückt mit Verzierungen (Trillern) und es klingt einfach schlecht, wenn alle Verzierungen gespielt werden.


    Des Weiteren hat Bach kaum Tempoangaben über seine Werke geschrieben, wahrscheinlich auch weil er wollte, dass jeder Künstler sein Empfinden mit einbringt in die Musik.


    Aber ich verstehe nicht, warum ihr fordert, dass Mozarts Angaben streng befolgt werden sollten. Einem Interpreten sollte es doch erlaubt sein, das Angebot des jeweiligen Komponisten so zu verändern, dass es ihm gefällt. Und Hörer sollten das Recht haben, Aufnahmen kaufen zu können, die die Persönlichkeit des Interpreten mit einbeziehen. Sonst kann man sich doch gleich midi-dateien besorgen.


    Nun kann man sich natürlich über die Parameter der Musik streiten, die verändert werden sollten. Dies kommt meines Erachtens stark auf die Komposition an, weil manche Experimente einfach nicht schön klingen können, unabhängig vom Interpreten.
    Mozart sollte man nicht verjazzen, während sich dieses sich bei Bach sehr viel mehr anbietet.


    Aber ich finde, dass die Anschläge, die Dynamik und das Tempo auch bei Mozart verändert werden können (siehe Gould), weil es gut klingt, was für mich am Wichtigsten ist.

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Zitat

    Original von SMOB


    Bach's Klavierwerk zum Beispiel ist ja geschmückt mit Verzierungen (Trillern) und es klingt einfach schlecht, wenn alle Verzierungen gespielt werden.


    Uups.

  • Hallo


    Ich bin der Meinung, dass der Notentext erst einmal heilig ist. Eine Interpretation, die mutwillig ohne nachvollziehbare Begründung von dem was da steht, abweicht, halte ich immer für problematisch. Und zum Notentext gehören nun mal Tempoangaben, Artikulationsbezeichnungen, Lautstärken usw.


    Also, wenn man wirklich richtig wiedergeben will, müsste man von jedem Stück einen definitiven Urtext besorgen, wo nichts von einem Bearbeiter drin steht, und dann den Willen des Komponisten umsetzen.


    Mahler schreibt so viele Hinweise in seine Partituren, Metronomangaben, wie die Ausführenden sitzen sollen, was man machen soll, falls der oder der Musiker eine Stelle nicht spielen kann, er schreibt sogar vor, was der Dirigent schlagen soll.
    Natürlich ist kein Dirigent ein Metronom, aber man sollte doch versuchen, diesen Angaben zu entsprechen.
    Andererseits gibts natürlich die Anekdoten über die Metronomzahlen Beethovens und Wagners, die den absoluten Richtigkeitsanspruch solcher Zahlen fragwürdig erscheinen lassen.


    Die Tempowahl ist eigentlich immer das erste, womit man sich beschäftigen sollte. Ein Beispiel, das fast immer "falsch" interpretiert wird: Die Winterreise, erstes Lied, Gute Nacht: Schubert schreibt einen 2/4-Takt und als Tempobezeichnung Mäßig, in gehender Bewegung, was ja einem Andante con moto oder Andante moderato entsprechen dürfte. Und zwar mit den Viertel als Grundschlag. Das hält viele Leute aber keineswegs davon ab, schleppende Achtel als Grundtempo zu nehmen. Wenn Schubert das gewollt hätte, hätte er ja einen 4/8-Takt notieren können, oder? Das erste Lied hier nur als Beispiel, ähnlich verhält es sich bei vielen Liedern in diesem Zyklus. Wenn dann Interpreten noch munter im forte über piano-Stellen hinwegsingen, dann wirklich Gute Nacht.
    Genauso frage ich mich: Wenn in der Freischütz-Ouvertüre im zweiten Takt eine punktierte Viertel und eine Achtel stehen, warum müssen dann manche Dirigenten diese Achtel so expressiv dehnen, dass sie die Länge einer Viertel hat? Desgleichen im 2. Satz der Neunten Sinfonie von Dvorak, kurz vor dem Soloeinsatz zu Beginn. Streicher haben eine Punktierung und eine Achtel, die auch durch die Bank zur Viertel gedehnt wird, ohne dass derartiges in der Partitur zu finden wäre.
    So was finde ich einfach nicht gut!


    Okay, Interpreten sind keine Computer, das will ich auch gar nicht sagen, ich habe überhaupt nichts gegen ausdrucksvolles Spiel. Aber wahrhaft große Interpreten schaffen Ausdruck auch durch präzises Umsetzen der Vorgaben.


    Gute Nacht, Flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Zitat

    Original von pianoflo
    Okay, Interpreten sind keine Computer, das will ich auch gar nicht sagen, ich habe überhaupt nichts gegen ausdrucksvolles Spiel. Aber wahrhaft große Interpreten schaffen Ausdruck auch durch präzises Umsetzen der Vorgaben.


    Gute Nacht, Flo


    Mit anderen Worten, es gibt keine großen Interpreten. Eine *präzise* Umsetzung kann nichts anderes bedeuten, als die computerähnliche Umsetzung unter Vernachlässigung aller subjektiven Interpretationsansätze. Und das ist schlechterdings unmöglich. Es gibt keinen Musiker, der seine Persönlichkeit ausblenden könnte. Auch ein Pollini, Brendel, Szell oder Boulez bringen lediglich *ihre* Sichtweisen zum Erklingen, nicht mehr und nicht weniger als Furtwängler oder Celibidache, Afanassiev oder Pogorelich. Glaubt wirklich jemand, Bachs Cello-Suiten hätten so geklungen wie sie Casals oder Rostropovich interpretieren?


    Der Notentext ist *nicht* sakrosant. Mit der Veröffentlichung einer Komposition willigt der Komponist in die Verfälschung durch Interpretation ein.

    Gruß,
    Gerrit

  • Zitat

    Der Notentext ist *nicht* sakrosant. Mit der Veröffentlichung einer Komposition willigt der Komponist in die Verfälschung durch Interpretation ein.



    ?( 8o 8o 8o 8o 8o 8o 8o :wacky: :wacky: :wacky:



    Hallo Gerrit,


    nein, das tut er nicht!


    Natürlich ist er sich bewußt, daß seine Komposition in vielen Fällen von den ausführenden Musikern "verfälscht" wiedergegeben wird. Das ist Komponistenschicksal. Es ist aber kein Freibrief für den Musiker, ein musikalisches Werk nach Lust und Laune umzukrempeln.


    Es gibt hier aber eine gewisse Verwirrung, was mit dem Begriff "Interpretation" gemeint ist. Interpretation ist auf jeden Fall notwendig. Wie sich die Musik ohne Interpretation anhören würde, kann man ganz leicht testen, indem man zum Beispiel eine Bach-Invention als Midi-Datei abspielen läßt, ohne jede Modifikation von Tempo und Lautstärke. Mit Musik hat das dann nicht viel zu tun. Interpretation beginnt damit, daß man ein geeignetes Tempo wählt, daß man den Charakter des Stückes herausarbeitet, daß man rhythmische Betonungen und dynamische Verläufe herausarbeitet, Motive und Phrasen zueinander in Beziehung setzt etc. etc. Da gibt es so viele Entscheidungen, die der Interpret zu treffen hat. Dies ist aber keine Verfälschung.


    Verfälschung wäre es, wenn ich Angaben des Komponisten ignoriere und das Gegenteil von dem mache, was dasteht. Wenn staccato dasteht und ich spiele legato, wenn 'con spirito' dasteht und ich spiele mit Leidensmiene. Die Vortragsangaben des Komponisten sind bindend, allerdings gibt es keine juristische Handhabe gegen respektlose Interpreten, denen der Wille des Komponisten egal ist. Schade eigentlich.


    Noch was: je detaillierter die Vortragsangaben in einem Stück sind, umso einfacher für den Interpreten. Es ist viel schwieriger, aus einem unbezeichneten Stück den Willen des Komponisten herauszuahnen.


    Gruß
    Heinz

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  • Zitat

    Original von Heinz
    Interpretation beginnt damit, daß man ein geeignetes Tempo wählt, daß man den Charakter des Stückes herausarbeitet, daß man rhythmische Betonungen und dynamische Verläufe herausarbeitet, Motive und Phrasen zueinander in Beziehung setzt etc. etc. Da gibt es so viele Entscheidungen, die der Interpret zu treffen hat. Dies ist aber keine Verfälschung.


    Wenn in der Partitur Metronomangaben stehen, gibt es für den Partitur-Dogmaten *keine* Entscheidung. Jede Abweichung ist dann eine Verfälschung.

    Gruß,
    Gerrit

  • Metronomangaben können nicht mehr sein als ungefähre Tempoangaben. Das gefühlte Tempo hängt auch sehr vom Instrument, von der Raum-Akustik etc. ab.


    Und ein metronomisches Tempo ist auf jeden Fall ein unmusikalisches Tempo.

  • Das ist Deine Interpretation, pianoflo hat ein anderes Verständnis von der Sache. Welche Sichtweise ist nun die Richtige? Warum ist ein metronomisches Tempo unmusikalisch? Warum ließt man in Partituren häufig "Viertel=77) und nicht "Viertel ca. 80". Das ist ungefäht so wie die Angabe, man habe "ungefähr 357 CDs". Das ist keine ungefähre Angabe sondern eine exakte.

    Gruß,
    Gerrit

  • >> Warum ist ein metronomisches Tempo unmusikalisch?


    Weil das Tempo innerhalb eines Stücks (und sogar innerhalb eines Takts) sich ständig ändert, und zwar nicht unerheblich. Das nennt man "Tempo rubato", und den historischen Aufführungspraktikern ist es zu verdanken, daß diese Tatsache wieder mehr ins allgemeine Bewußtsein tritt. (Ich habe allerdings selbst noch erlebt, daß es in der Klavierstunde hieß, man müsse Stücke von Bach von Anfang bis Ende in unverändertem Tempo durchackern. So ändern sich die Zeiten!)



    >> Warum ließt man in Partituren häufig "Viertel=77) und nicht "Viertel ca. 80".


    Eine Tempoangabe Viertel=77 hab ich noch nirgends gesehen.
    Die Werte auf dem Metronom verlaufen schrittweise, und eine dieser Zahlen ist eben angegeben. Aber auch wenn "=" dransteht, ist es immer als "ca." zu verstehen. Oft ist es auch garnicht zu verstehen. Schumanns Träumerei mit Viertel=100 oder Chopins Etüde op.10 Nr.3 mit Achtel=100 klingen im angegebenen Tempo einfach total absurd.


    Gruß
    Heinz

  • Zitat

    Original von Heinz
    Eine Tempoangabe Viertel=77 hab ich noch nirgends gesehen.


    77 war als Beispiel gemeint, aber bitte: Nimm Beethvens 7. Symphonie, 1. Satz: Viertel = 69. Passt sogar noch besser. 69, ca. 70. Wird wohl einen Grund gegen, warum er 69 und nicht ca. 70 geschrieben hat oder?


    Zitat

    Die Werte auf dem Metronom verlaufen schrittweise, und eine dieser Zahlen ist eben angegeben.


    Schrittweise, wenn es am Anfang der Partitur steht? Wenn der erste Takt schon im Tempo Viertel = 69 gespielt werden soll? Wie kann das "schrittweise" gehen?

    Gruß,
    Gerrit

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  • Zitat


    77 war als Beispiel gemeint, aber bitte: Nimm Beethvens 7. Symphonie, 1. Satz: Viertel = 69. Passt sogar noch besser. 69, ca. 70. Wird wohl einen Grund gegen, warum er 69 und nicht ca. 70 geschrieben hat oder?


    Also, es gibt auf dem Metronom folgende "Schritte":


    60, 63, 66, 69, 72, 76, 80, 84


    Wer diese Zahlen festgelegt hat, weiß ich nicht, jedenfalls sind die auf allen mechanischen Metronomen zu finden. Eine Metronomangabe Viertel=70 gibt es daher nicht.

  • Hallo


    ich meinte mit meiner Aussage nicht, dass jeder ausführende Musiker im kompletten Stück sich stur metronomisch durch ein Werk klopft. Nur, als Orientierung sollten diese Angaben durchaus verstanden werden. Ausserdem stehen ja bei vielen Komponisten keine Metronomzahlen, sondern Angaben wie Allegro vivace oder con fuoco, die einen größeren Spielraum lassen.


    @ Heinz: Dass sich das Tempo eines Stückes in jedem Takt ändert, möchte ich eigentlich nicht hoffen. Tempo rubato ist mir sehr wohl bekannt, ein vor allem bei Chopin überstrapazierter Begriff. Dazu möchte ich anmerken, dass Chopin selbst von seinen Schülern verlangte, dass sie rhythmisch sehr präzise spielen, vor allem die linke Hand, und allenfalls geringes Rubato in manchen Läufen der rechten Hand erlaubte.


    Ich halte metronomische Tempi nicht für unmusikalisch. Karajan und Abbado beispielsweise haben in Beethovens Eroica im ersten Satz beide in etwa das gleiche Tempo (fast an Beethovens Metronomzahl punktierte Halbe gleich 60 orientiert), dennoch interpretieren beide das Werk grundverschieden. Karajan klingt viel heroischer, kämpferischer, während Abbado seine vielgepriesene Eleganz wieder einmal zeigt. Dies bezieht sich auch auf die Dynamik-Extreme. Dieser Punkt liegt ja in der Ermessenssache des Interpreten. Und die beiden genannten befolgen die Partitur, da gibts nicht viel auszusetzen.


    Solange wir uns einig sind, dass forte laut und piano leise bedeutet und die Relationen stimmen, hat der Interpret hier etliches an Freiheit.


    Bach wurde hier ja schon mehrfach erwähnt. Er ist ein Musiker, der uns ja wirklich in allem ausser den Noten die Freiheit lässt. Im WTK (davon weiß ich es sicher, wahrscheinlich auch in den meisten anderen Kompositionen) stehen keine Tempoangaben, keine Dynamik und keine Artikulationszeichen. Hier ist der Interpret wirklich gefordert, sich seine Interpretation zu erarbeiten. Auch grundverschiedene Ansätze lassen sich hier allesamt begründen.


    Gruß, Flo

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

  • Salut,


    was liegt näher, als sich mit den Quellen zum Gebrauch des Mälzel’schen Metronomes zu beschäftigen?


    In der Auskunft über Joh. Mälzel’s Metronom vom Mai 1818 steht:


    Wir verlangen nicht, dass ein ausgebildeter Musiker ein ganzes Stück nach dem Metronom wiedergeben soll; denn dies wäre ein solcher Zwang, dass er jeden Ausdruck lähmen würde. Aber für den Anfänger sollte das Metronom der verläßlichste Führer sein, um sich ein wirkliches Gefühl für das Zeitmass anzueignen. […]


    Diese Erklärung ist von Berton, Boieldieu, Catel, Cherubini u.a. unterzeichnet.


    Interessant ist in dem beigefügten Tableau No. 3, dass hier gleiche Tempi verschiedener Komponisten unterteilt sind. So steht z.B. bei Clementi: Allegro – halbe Note = 54, C – bei Cherubini: Allegro – halbe Note = 112, C.


    Ludwig van Beethoven und Antonio Salieri veröffentlichten am 14. Februar 1818 in der Wiener Allgemeinen Zeitung


    Mälzels Metronom ist da. Die Nützlichkeit seiner Erfindung wird sich immer mehr bewähren; auch haben alle Autoren Deutschlands, Englands, Frankreichs, ihn angenommen; wir haben aber nicht für unnötig erachtet, ihn zufolge unserer Überzeugung auch allen Anfängern und Schülern, sei es im Gesange, dem Pianoforte oder irgendeinem anderen Instrument, als nützlich, ja unentbehrlich anzuempfehlen. Sie werden durch den Gebrauch desselben auf die leichteste Weise den Wert der Note einsehen und ausüben lernen, auch in kürzester Zeit dahin gebracht werden, ohne Schwierigkeit mit Begleitung ungestört vorzutragen; denn indem der Schüler bei der gehörigen Vorrichtung und vom Lehrer gegebenen Anleitung, auch in Abwesenheit desselben nicht außer dem Zeitmaße nach Willkür singen oder spielen kann, so wird damit sein Taktgefühl in kurzem so geleitet und berichtigt, daß es für ihn in dieser Sache bald keine Schwierigkeit mehr geben wird. – Wir glauben, diese so gemeinnützige Mälzelsche Erfindung auch von dieser Seite beleuchten zu müssen, da es scheint, daß sie in dieser Hinsicht noch nicht genug beherziget worden ist.


    Ludwig van Beethoven / Anton Salieri.


    Nocheinmal Beethoven, der eigenhändig auf sein Manuskript des Liedes “Nord und Süd” schrieb:


    100 nach Mälzel, doch kann dies nur von den ersten Takten gelten, denn die Empfindung hat auch ihren Takt, dieses ist aber doch nicht ganz in diesem Grade (100 nämlich) auszudrücken.


    Man beachte:


    Zitat

    Das Metronom – zuerst Chronometer genannt – war im Jahre 1815 von Joh. Mälzel erstmalig eingeführt worden (ein Modell dieses Instrumentes befindet sich im Museum der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien), doch scheint es nicht allen Anforderungen entsprochen zu haben, da nach 1820 ein anderes, von dem ersten Modell verschiedenes konstruiert wurde, das seither als Muster für den Bau von Metronomen dient. […]
    Die beiden Modelle, das erste von 1815 und das zweite, nach 1820 verfertigte waren grundverschieden; die dadurch verursachten Folgen sind bisher nicht genügend beachtet worden. […]


    Schon Anton Schindler hat in seinem Beethoven-Buche auf den Unterschied zwischen den beiden Metronom-Modellen aufmerksam gemacht. […]


    Schindler fügte noch eine Bemerkung hinzu, dass Beethoven für alle seine Werke ausschließlich das erste Modell verwendete.


    Quelle: Fritz Rothschild: Vergessene Traditionen der Musik, 1964 ATLANTIS Verlag Zürich
    (leider nur noch in Antiquariaten mit einer gehörigen Portion Glück zu erhalten).


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • pianoflo schrieb


    Zitat

    @ Heinz: Dass sich das Tempo eines Stückes in jedem Takt ändert, möchte ich eigentlich nicht hoffen.



    Hallo pianoflo,


    wenn du Zeit und Lust hast, kannst du ja mal folgende Datei downloaden:


    http://users.arczip.com/mjwalworth/rollscans/batch04.zip (knapp 2 MB)


    Das sind aus Pianorollen-Einspielungen großer Pianisten übertragene Midi-Dateien, an denen man im Detail nachvollziehen kann, was rubato konkret bedeutet.


    Besonders zum Studium empfohlen sei folgende Midi-Aufnahme:


    57775 - Etude Op 10 No 3 E Maj, c/b Chopin, p/b Artur Rubinstein



    (wenn du eine Abneigung gegen rubato hast, wird dir das garnicht
    gefallen :D )


    Gruß
    Heinz


    Zur Konvertierung der Pianorollen gibts hier noch detaillierte Infos:


    http://members.shaw.ca/smythe/65-88.htm

  • Zitat

    Salut, was liegt näher, als sich mit den Quellen zum Gebrauch des Mälzel’schen Metronomes zu beschäftigen?


    Hallo Ulli,


    voll konkret ey :P


    So wünsch ich mir das. Da weiß man wenigstens, worüber man diskutiert. Danke!


    Gruß
    Heinz

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  • IMO sind Bearbeitungen, Interpretationen wie Modeerscheinungen...
    dieses Jahr trägt man violett, dann wieder schwarz, was auch immer, im nächsten Jahr ist alles wieder anders.


    die Originalklangleute haben zuerst mal die Szene aufgemischt mit dem Anspruch, daß sie recht haben - diese Ansichten haben sich auch alle fünf Jahre komplett geändert. (Ich habe da diverse Artikulationsdebatten für barocke Orgelmusik aus meinem Studium im Kopf)


    Bearbeitungen waren lange verpönt - wer weiß, wie das sich entwickelt.


    ich sehe das in Bezug auf die Bedeutung des Klaviers im 19.Jh.: es hatte "Radiofunktion", wahrscheinlich war es eben die Aufgabe der klavierspielenden Töchtern, jene Unterhaltungsatmosphäre zu schaffen...
    Und es war oft die einzige und schnellste Möglichkeit, ein Werk klanglich kennenzulernen - es aus der Partitur auf dem Klavier zu spielen. (Ich hab vor kurzem eine Klavierfassung 4h von Mahlers 9. gefunden!! - noch nicht probiert - bin sehr gespannt!)


    der Wille des Komponisten ist IMO sehr umstritten.
    einerseits: alles, was aus dem Notentext unmittelbar hervorgeht.
    andererseits: zusätzliches Quellenstudium, um den musikalischen Hintergrund des Komponisten zu verstehen.
    z.B.: Bachs Klaviersuiten sind ohne Kenntnis französischer Musik schwer möglich, vieles wird einfacher, wenn man Zusammenhänge erfaßt.


    heutzutage finde ich es verpönt, die Biographien als Interpretationsansatz herzunehmen... diese Annahmen, daß der Komponist gerade unglücklich verliebt, oder was auch immer, war, sind dilettantisch. IMO


    das Rubato halte ich für einen unglücklichen Begriff, der es den Stümpern ermöglicht, ihre technische Unzulänglichkeit zu rechtfertigen.


    ich hätte folgende Frage:


    Uhren als Maß für Regelmäßigkeit gab es ja schon lange,


    war es (in der Vormetronomischen Zeit :)) erstrebenswert, die menschliche Unzulänglichkeit zu überwinden - Regelmäßigkeit als rhythmisches Ideal


    oder war die Unregelmäßigkeit bzw. rhythmische Freiheit ein Kennzeichen echter "menschlicher" Musik - die Maschine als Begriff des Leblosen



    Ciao,
    Wolfgang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

    Einmal editiert, zuletzt von tastenwolf ()

  • Hallo!
    Nach dem Opernbesuch gestern kam mir diese Frage wie von selbst, wenn auch an der Musik des dargebotenen Werkes kein Eingriff geschah.
    Ich habe an anderer Stelle schon mal geäußert:


    Zitat

    Hinzufügen möchte ich noch, daß sich Interpreten meiner Meinung nach im Klaren sein sollten, daß sie ein wichtiges kulturelles Erbe darbieten und im "Dienste" des Komponisten dabei stehen.


    Das ist im wesentlichen auch hier meine Meinung. Da ist aber auch viel subjektiver Spielraum in der Einschätzung gegeben. Zum Beispiel: Was Gould aus den Goldberg-Variationen macht, ist "toll", was er aus der Appassionata macht, ist "doof". :rolleyes:
    Sofern eine bestimmte wichtige "Intention" des Komponisten erkennbar ist, sollte diese auch eingehalten werden. (was auch immer dieser Satz bedeuten mag)
    Mal das Tempo etwas schneller oder langsamer oder die Akzentuierung etwas anders gesetzt, das ist meiner Ansicht nach interpretatorischer Freiraum.
    Beim Hinzufügen neuer Instrumentenstimmen oder ähnlichem hört es aber auf. Dann sollte es als Werkbearbeitung gekennzeichnet sein.
    Gegen Werkbearbeitungen habe ich grundsätzlich nichts, die Liszt-Transkriptionen der Beethoven-Symphonien höre ich gerne und finde es auch schade, daß er nicht wie geplant die Streichquartette auch transkribiert hat. ;(
    Und wenn z.B. Akkordeon-Spieler auch mal was klassisches spielen wollen, sind sie sicher froh, daß es auch für sie Noten zur "Kleinen Nachtmusik" o.ä. gibt - für den privaten Gebrauch auf jeden Fall vertretbar. Nur will ich diese Version nicht im Radio hören! :D
    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Beim Hinzufügen neuer Instrumentenstimmen oder ähnlichem hört es aber auf. Dann sollte es als Werkbearbeitung gekennzeichnet sein.


    Salut, Pius,


    hm - am liebsten würde ich Dir Recht geben. Leider war es aber im 18. JH gängige Praxis, die Instrumentierung zu ändern. Gründe waren u.a. chronischer Geldmangel oder unqualifizierte Instrumentalisten. Mozart könnte Dir ein Lied davon singen. Auf diese Weise ist ein Geniestreich von Mozart entstanden: Die Klavierkonzerte KV 413, 414 und 415, welche man mit oder ohne Bläser spielen kann, ohne an Hörgenuß einbüssen zu müssen. Und: Die Bläser sind durchaus ausgeprägte bzw. prägende Parts! Man kann diese Klavierkonzerte also als "echte" Konzerte mit vollem Orchester oder eben nur kammermusikalisch, als Klavierquintett, spielen. Es ist ein Drama, dass nicht beide Versionen in der CME enthalten sind...


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Michael_Flaschberger


    Hab ich für Mozart, ehrlich gesagt, keine. Hab das nur als Möglichkeit für eine "Ausnahme von der Regel" bringen wollen. Ausserdem lassen die Tempoangaben ja so viel Spielraum das mehr oder minder alles zulässig ist ( Nur mal als Beispiel die Einleitung der Così-Ouvertüre, ebenso beim Don Giovanni )


    Aber eigentlich wäre es echt sinnvoll diese Diskussion irgendwo anders hinzuverschieben, hat mit dem Thema ja überhaupt nichts mehr zu tun.


    Mit diesem Ansatz geht's hier heute Nacht weiter...


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Salut,


    es ist zwar noch nicht Nacht, aber ich greife das Thema nun hier wieder auf:


    Die Einleitung bei Cosí fan tutte und bei Don Giovanni ist in beiden Fällen ein Andante im alla breve [2/2]. Es kann also nicht zu langsam sein, denn es muss im Mindesten "schlagbar" sein - zwei Schläge pro Takt und diese nicht unbedingt in Zeitlupe, denn Andante bedeutet bekanntlich "gehend", wenn auch zurückhaltend.


    Kannst Du Dein bzw. das angesprochene Problem konkretisieren? Willst Du ggfs. eine M.M.-Zahl haben?


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Genau auf dieses Problem wollte ich hinaus. Bin ebenso der Meinung das es in 2 (zumindest gefühlt) gehört. Così-Einleitung mache ich bis auf den 1. und 5. Takt ( damit die 1/16 nicht zu lang werden ) in 2. Ist auch eine der ganz wenigen Ouvertüren wo die Relation ( hier 1/4 = 1/2 ) beinahe perfekt funktioniert. Weiss aber von vielen die es eben nicht so sehen. Bei Andante ist es ja relativ logisch ( gehend, fliessend ), aber z.B. in der Zauberflöten-Ouvertüre hat er genauso alla breve, allerdings im Adagio, und hier wirkt es wirklich unheimlich gehetzt wenn man es in 2 macht, das nehmen viele als Indiz das man das alla breve bei Mozart nicht so genau nehmen muss.


    M.M.-Zahl würde mich interessieren, hab bei Mozart inkeiner Partitur Metronom-Zahlen angegeben. Woher stammen deine??

  • Zitat

    das nehmen viele als Indiz das man das alla breve bei Mozart nicht so genau nehmen muss.


    Salut,


    das ist meiner Ansicht nach grundlegend falsch und genau umgekehrt. Die Einleitung der Zauberflöten-Ouvertüre steht schockierender Weise ;) in Adagio C| [2/2]. Das finde ich aber halb so wild, denn der Puls dieser Einleitung ist dem des Requiem-Introitus sehr nahe. Dieser steht im Adagio C. Davon üngefähr die Hälfte - also doppelt so schnell bzw. halb so langsam gespielt - trifft es m. E. ziemlich gut. Was meinst Du?


    Metronomzahlen habe ich auch keine. Ich wollte nur vorschlagen, dass ich meine persönlichen Einschätzungen einmal metronomisiere und wir vergleichen unsere Vorstellungen...


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Forianer!


    Auf die Gefahr hin, dass mich jetzt alle steinigen, ich glaube, der Wille des Komponisten sollte Empfehlung sein, und dem Interpreten einen gewissen Freiraum lassen, sonst wären alle Interpretationen von Musikstücken einander gleich und roboterhaft. Die Interpretation darf jedoch meiner Meinung nach nicht so weit gehen, dass das Musikstück verfremdet und unkenntlich wird, vor allem dann nicht, wenn diese Art von Interpretation eine Folge der Eitelkeit des Interpretierenden ist. Ausserdem muss man auch bedenken, dass jede Interpretation auch eine Zeit-und Modeerscheinung ist. Da muss man wieder sehr vorsichtig damit umgehen, weil diese Erscheinungen fast immer von kurzer Lebensdauer sind. Letzlich bleiben, finde ich, bei jedem Musikstück eine Handvoll "ewiggültiger" Interpretationen jenseits aller Moden bestehen, aber wer kann heute wirklich sagen, ob die den Intentionen des Komponisten wirklich entsprechen?

  • Salut Erna,


    ich steinige Dich nicht, aber trotzdem sehe ich das nicht ganz so, wie Du. Zunächst einmal wird es von Komponistenseite niemals möglich sein, so detaillierte angaben zu machen, dass jede Interpretation [die ja dann keine mehr ist] wie die andere klingt. Ich finde, man sollte die "Vorschriften" und Vorstellungen der Komponisten, soweit nachvollziehbar, möglichst genau umsetzten; dafür wurden sie ja auch angegeben. Dazu gehört vor allem, dass sich der Interpret ziemlich ernsthaft mit dem Komponisten und dessen Eigenheiten bzw. Eigenarten auseinandersetzt. Ein Allegro C bei Mozart ist noch lange nicht gleich einem Allegro C bei Clementi oder Beethoven.


    bien cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
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  • Ein Allegro C bei Mozart ist noch lange nicht gleich einem Allegro C bei Clementi oder Beethoven.



    Hallo Ulli!


    Da gebe ich Dir natürlich völlig Recht. Ich habe auch nicht gemeint, dass man alle Angaben des Komponisten, seinen Stil, den Stil der Zeit usw. ignorieren darf und soll. Meiner Meinung nach ist der Interpret aber bei der Interpretation eines Musikstückes in gewisser Weise, wenn auch nur zu einem ganz geringen Prozentsatz, im Moment des Spielens irgendwie Mitschöpfer, weil ich glaube, dass die Komposition beim Spielen jedesmal neu entsteht. Das werden vor allem Komponisten natürlich nicht gerne hören, weil die Komposition ja doch ein Kind von ihnen ist, aber bedenke, ein Kind hat Gene von mehreren Ahnen in sich, und nur dadurch kann Vielfalt entstehen.

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