Was macht die Wiener Klassiker einzigartig?? - der ultimative A.S. Beruhigungsthread!

  • So, Chef. Du magst mehr Ernsthaftigkeit. Ich auch. Du magst mehr Fachgeplänkel. Ich schon lange. ;)


    Hier also meine ernstgemeinte Frage: Was unterscheidet Haydn, Mozart und Beethoven von ihren Zeitgenossen?? Was macht sie einzigartig?


    Feil spricht in seiner Musikchronologie von der Intention der drei "Großen" - eine Intention, die sichvon den anderen Zeitgenossen deutlich unterscheidet.


    Gut, das lässt sich bis zur Erschöpfunf hin und her diskutieren. Es muß doch auch ein paar strukturelle Merkmale geben.


    Ich höre in letzter Zeit vermehr die späten Haydn-Symphonien. Wahre Meisterwerke. Heute hörte ich die D-Dur-Symphonie von Vanhal. Sie reicht von meinem Hörerelebnis an die Haydn-Werke fast heran. Aber wo gibt es Unterschiede?


    Ist Haydn in seiner Stimmführung, in Rhytmik und innerer Logik einem Gossec überlegen? Ist es der schier unglaubliche Einfallsreichtum, der Mozart von seinen Zeitgenossen abhebt??


    Gibt es Merkmale, die sich an den Partituren deutlich ausmachen lassen? Im Sinne: Haydn ist hier wesentlich innovativer als xy etc.


    :hello:
    Wulf

  • Vielleicht lässt sich einleuchtend begründen, warum Haydn bedeutender ist als Gluck oder Carl Philipp Emanuel Bach. Dass jeder ernstzunehmende Komponist eine eigene Intention und einen eigenen Stil hat, würde ich mal voraussetzen - dass die drei Obergenies eine ganz grundsätzlich andere Intention hatten als alle anderen glaube ich mal nicht (welche denn?)


    Das mit dem "innovativer sein" ist immer nur Teil einer solchen Begründung, denn Giovanni Battista Sammartini oder Gossec waren an bestimmten Punkten der Entwicklung auch sehr innovativ, kommen aber an das Ansehen der drei nicht heran.


    Wenn man jetzt hier die besonderen Verdienste von Haydn, Mozart und Beethoven zusammenträgt, wäre das noch keine Begründung für ihre Überlegenheit, man müßte dasselbe für diverse Zeitgenossen tun und dann abwägen, was für unser Forum natürlich eine völlig aussichtslose Aufgabe wäre.
    :stumm:

  • Lieber Wulf,


    Ich bin nicht Alfred, und der Thread ist eigentlich nicht für andere Taminos gemeint. :D
    Dennoch antworte ich auch hier, weil für mich die Ära der Wiener Klassiker einmalig ist.
    Zuerst noch eine Bemerkung von mir: für mich zählt der spätere Beethoven nicht mehr zu dieser Ära; dagegen gehört viel von Schubert noch dazu.


    Ich - für mich selbst redend - kann es mit einem Wort sagen: HARMONIE.
    Und mit Harmonie meine ich mehr als den rein musikalischen Begriff. Die Folge des musikalischen Begriffes ist, daß eine Musik entstand, die intrinsisch keine richtige Unfriede innehat. Dissonanzen (offenbar schweres Wort :D ) werden eher vereinzelt benützt und haben dann als Zweck das Ganze noch harmonischer – und dadurch schöner – zu machen.
    Bei Solokonzerten hat die Melodie nicht nur als Zweck das Instrument brillieren zu lassen, sondern auch daß Instrument und Orchester sich ergänzen.


    Es könnte vielleicht für Ohre, die nur Kontraste gewöhnt sind, fade scheinen. Es ist dagegen schwer um Musik aus jener Epoche reizend zu bringen. Und besonders gilt das für Kompositionen der größten Komponisten.
    Macht man Fehler, ist Rede von hineininterpretieren, unweigerlich wird dies gehört. Die Harmonie, das schöne zusammenklingen der Töne, ist dann verletzt.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Ich - für mich selbst redend - kann es mit einem Wort sagen: HARMONIE.
    Und mit Harmonie meine ich mehr als den rein musikalischen Begriff. Die Folge des musikalischen Begriffes ist, daß eine Musik entstand, die intrinsisch keine richtige Unfriede innehat. Dissonanzen (offenbar schweres Wort :D ) werden eher vereinzelt benützt und haben dann als Zweck das Ganze noch harmonischer – und dadurch schöner – zu machen.


    Also die Werke der drei Wiener Klassiker sind in der Regel weniger "friedlich" als geistliche Vokalmusik der Renaissance oder des Mittelalters, Dissonanzen werden in der Klassik zwar gezielt aber durchaus gerne verwendet.


    Außerdem sind manche Zeitgenossen Haydns und Mozarts mindestens ebenso "harmonisch": Boccherini zum Beispiel.
    :hello:

  • Lieber Paul,


    danke für Deinen Beitrag. Der thread ist natürlich für alle gedacht und ich wäre in der Tat sehr froh, wenn hier unterschiedliche Auffassungen oder auch unterschiedliches Angelesenes zusammengetragen würde.


    Deine Deutung der Harmonie ist für meine Begriff zu schwammig. Für mich kann ein Werk von Bach, Rameau oder Händel genauso "harmonisch" vorkommen (KSM wies darauf hin). An sich vermeide ich den Begriff von Harmonie als emotionale und über die wissenschaftliche Bedeutung hinausgehende Komponente. Sie ist mir zu diffus. Vielleicht meinst Du etwas in dem Sinne: ausgeglichen - und zwar eine vielleicht vollkommene Ausgeglichenheit zwischen Form und Ausdruck?? Dem würde ich zustimmen - wenn ich mir z.B. eine Haydn-Symphonie anhöre.


    @ all:


    Ich möche ein Besipiel geben. Name vergessen, aber ein bekannter Musikwissenschaftler fasste den Verdienst der Wiener Klassiker (insb. Haydn) mit den Worten (sinngemäß) zusammen: In der Wiener Klassik wird die als bisher vermeintlich untrennbar angesehene Einheit zwishcen Rhytmik und Metrum (Zählzeit) aufgehoben. Beiden kommt eine selbständige Rolle zu. Dies stellt Haydn bereits in seiner 1. Klaviersonate in aller Deutlichkeit unter Beweis. Eine solche Trennung aht es zuvor nicht gegeben.


    Dies wäre ein Beispiel - ein strukturelles Beispiel, welches mehr oder weniger eindeutig eine Erneuerung gegenüber bis zur Klassik vorherrschenden Auffassung von Rhytmik und Metrik.



    @ KSM: Für Feil ist die Intention H, M & B eine gänzlich andere als die andere Zeitgenossen. Grob - ganz grob - verkürzt ist er der Auffassung, daß ihre Werke eben nicht (nur) zeitgemäß sind - sondern auch die Zeit zugleich widerspiegeln. Werke, deren Intention es ist, das Innere eines Individuums im Lichte der zeit nach außen zu kehren. Ich hoffe, ich verletze seinen Aussagen mit dieser groben Zusammenfassung nicht allzusehr, aber wenn ich mich nicht täusche ist das seine Auffassung.



    :hello:
    Wulf

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  • Zitat

    Original von Wulf
    @ KSM: Für Feil ist die Intention H, M & B eine gänzlich andere als die andere Zeitgenossen. Grob - ganz grob - verkürzt ist er der Auffassung, daß ihre Werke eben nicht (nur) zeitgemäß sind - sondern auch die Zeit zugleich widerspiegeln. Werke, deren Intention es ist, das Innere eines Individuums im Lichte der zeit nach außen zu kehren. Ich hoffe, ich verletze seinen Aussagen mit dieser groben Zusammenfassung nicht allzusehr, aber wenn ich mich nicht täusche ist das seine Auffassung.


    Äh, das verstehe ich überhaupt nicht. Macht aber nichts, danke für die Bemühung.
    :hello:

  • Dann werde ich demnächst die Chronik mal mitnehmen und wörtlich zitieren, ich vermute es liegt an meiner saloppen Formulierung aus dem Kopf. :rolleyes:

  • Also ich muss ehrlich sagen - je mehr ich die Werke der Zeitgenossen kennen lerne umso weniger verstehe ich, dass nur die großen 3 eine Erwähnung finden und auch als einzige bekannt sind.


    Sicher sind es große Meister, da will ich gar nicht dran rütteln, aber es gibt eben auch Komponisten die durchaus den gleichen Rang haben dürfen (zumindest bei mir).


    Gossec halte ich für einen der nicht mehr übergangen werden darf
    Grétry ebenfalls - beide sind Franzosen und damit haben sie in Deutschland schon mal schlechte Karten,ich weiß....


    Aber vieles der Zeitgenossen ist bisher überhaupt nicht aufgeführt oder gespielt worden - wie also soll man sich da ein vernünftiges Urteil bilden ?



    Das was vor gut 30 Jahren im Bereich der Barockmusik begonnen hat, fängt nun auch mit dieser Epoche an - und das ist auch gut so.
    Nicht auszuhalten wenn man die Musik des Barock immer noch allein über J.S. Bach und ein paar Concerti Grossi charaktesrisieren würde.


    Ich bin gespannt was in den nächsten 10 - 20 Jahren passieren wird - ich bin davon überzeugt, dass wir noch von einigen Meisterwerken überrascht werden und zwar in allen Bereichen der Musik :yes:



    Ist doch auch gut wenn man sich noch auf so vieles freuen darf :D



    und außerdem muss ich jetzt erst mal die Musik von Mozart, Beethoven etc. noch mal richtig kennen lernen - auf alten Instrumenten :D

  • Zitat

    Original von Wulf
    An sich vermeide ich den Begriff von Harmonie als emotionale und über die wissenschaftliche Bedeutung hinausgehende Komponente. Sie ist mir zu diffus. Vielleicht meinst Du etwas in dem Sinne: ausgeglichen - und zwar eine vielleicht vollkommene Ausgeglichenheit zwischen Form und Ausdruck??


    :yes: :yes: :yes:

  • Das ist natürlich alles andere als einfach zu bestimmen. Es scheint aber recht klar, dass die Sonderstellung Haydns und Mozarts (+ ein oder zwei andere, meistens Gluck, aber der natürlich nur in der Oper) schon kurz nach Mozarts Tod von vielen Zeitgenossen als solche wahrgenommen wurde (Vgl. die Widmung Graf Waldsteins, als Beethoven 1792 nach Wien ging und Texte von E.T.A. Hoffmann um 1810). In der Instrumentalmusik war der überragende Rang Haydns und Mozarts weitgehend unbestritten. (Ich weiß nicht ob es typisch ist, da ich zu wenig kenne. Aber ich finde die Gesangsnummern von Salieris "Prima la musica..." nicht schlechter als die im Schauspieldirektor. Die Ouverture ist aber nur ein ganz nettes brillantes Stückchen, überhaupt kein Vergleich zu Mozart zwar knapper, aber sinfonischer und erstaunlich kontrapunktischer Ouverture. Letztere ist m.E. in wirklich jeder Hinsicht auf einem anderen Niveau.)


    Rosen hebt als ein Merkmal des klassischen Stils (den er recht eng faßt, frühe Werke Haydns erfüllen noch nicht alle Merkmale in voller Ausprägung) die sehr enge Beziehung von Detail und Großform hervor. Danach ist die gesamte Dramaturgie der Sonatenform eine Etablierung und anschließende Auflösung einer Dissonanz: Der Seitensatz in der Dominante ist quasi eine Dissonanz auf oberster Ebene. Die harmonische Entwicklung im Kleinen ist immer in Beziehung zu dieser Spannung im Großen zu sehen. Das störende cis (?) ein paar Sekunden nach Beginn der Eroica wird erst in der Reprise, ca. 10 min später ganz aufgelöst.
    Es besteht sogar die Möglichkeit, das gesamte Werk in diese Spannung einzubeziehen. So kann man das Finale von Beethovens 5. plausibel als Auflösung der großen Spannung des Kopfsatzes sehen (in diesem Fall wird das C-Dur erst im Finalsatz endgültig etabliert).
    Die halbe Hammerklaviersonate besteht aus einem "Kampf" zwischen h-moll und B-Dur. h-moll wirkt als "globale Dissonanz" (am Ende des Scherzos wird ein h im B-Dur/moll-Satz brutal herausgehämmert)
    Die Harmonik ist natürlich nur ein Element. Auch in rhythmischer und melodischer Hinsicht werden Kontraste und Spannungen aufgebaut und auf "logische" Weise wieder gelöst.


    Der Unterschied zu einem Komponisten wie CPE Bach besteht nun ganz grob darin, dass dort zu viele Überraschungen zu unsystematisch folgen: das spannungsreiche Detail, die Dissonanz, die rhythmische Verschiebung stehen in keiner solchen Beziehung zum Ganzen wie bei Haydn oder Mozart. CPE Bach wirkt hektisch und manieriert, durchaus packend, aber nicht logisch.
    Und jemand wie Boccherini demgegenüber ziemlich flach, hübsch, aber etwas langweilig (ohne dass ich hier genau sagen könnte, woran das liegt).
    (Das scheint mir ganz grob einer der zentralen Punkte Rosens zu sein, die er in seinem Buch an etlichen Beispielen recht überzeugend demonstriert)
    Gewiß haben das nicht nur Haydn, Mozart und Beethoven so gemacht; mag sein, dass es Stücke von Vanhal oder Krommer etc. gibt, die diese Logik von Detail und Großform ähnlich überzeugend umsetzen. Was ich von Kraus kenne würde ich aber eher in Richtung CPE Bach einordnen.


    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Rosen hebt als ein Merkmal des klassischen Stils (den er recht eng faßt, frühe Werke Haydns erfüllen noch nicht alle Merkmale in voller Ausprägung) die sehr enge Beziehung von Detail und Großform hervor. Danach ist die gesamte Dramaturgie der Sonatenform eine Etablierung und anschließende Auflösung einer Dissonanz: Der Seitensatz in der Dominante ist quasi eine Dissonanz auf oberster Ebene. Die harmonische Entwicklung im Kleinen ist immer in Beziehung zu dieser Spannung im Großen zu sehen.


    Mal nur soweit, da Beethoven schon etwas spät ist.


    Den Seitensatz als Dissonanz zu sehen, kann ich bei Haydn und Mozart nicht nachvollziehen. Worin liegt die Begründung für diese komische Identifizierung? Dass man nachher zur Tonika-Tonart zurück und somit "auflösen" muss?


    Wäre nicht der Seitensatz eher die Dominante in der Kadenz? Aber dafür ist er wieder zu früh (es kommt ja dann die Durchführung).


    Zitat

    Es scheint aber recht klar, dass die Sonderstellung Haydns und Mozarts (+ ein oder zwei andere, meistens Gluck, aber der natürlich nur in der Oper) schon kurz nach Mozarts Tod von vielen Zeitgenossen als solche wahrgenommen wurde (Vgl. die Widmung Graf Waldsteins, als Beethoven 1792 nach Wien ging und Texte von E.T.A. Hoffmann um 1810). In der Instrumentalmusik war der überragende Rang Haydns und Mozarts weitgehend unbestritten.


    Hm, das ist schon gar keine Begründung. Es soll vorkommen, dass Sonderstellungen schon früh erkannt werden, aber leider später wieder in Frage gestellt werden.
    :hello:

  • Zitat

    Hier also meine ernstgemeinte Frage: Was unterscheidet Haydn, Mozart und Beethoven von ihren Zeitgenossen?? Was macht sie einzigartig?


    Hier muß man differenzieren:


    Haydn und Mozart:

    Eigentlich "nichts" - aber bevor da ein Aufschrei kommt, werde ich das zu begründen versuchen und zugleich relativieren


    Beethoven:


    Eigentlich alles


    Und weil das Phänomen Beethoven am leichtesten zu erklären ist bleiben wir gleich dabei.


    Es gab immer wieder in der Geschichte der Musik Neuerer und ihre Epigonen, es gab immer Evolution und Revolution.


    Beethoven war eindeutig Revolutionär. Kaum etwas in seinen "mittleren Werken" deutet darauf hin, daß er nur 14 Jahre jünger war als Mozart, bzw daß er bei Haydn "gelernt hat"


    Beethoven war im wahrsten Sinne des Wortes ein Unikum, sowohl als Mensch, als auch als Komponist. Manche schrieben, er habe keine melodiösen Themen erfunden - vielleicht gibt es noch einen weiteren Komponisten dieses Namens - der "meine" hat das sehr wohl.


    Beethoven war schon zu Lebzeiten eine Legende, zuerst als Pianist und (vor allem) Improvisator, später als Komponist. Ich kenne keinen anderen Komponisten der Strenge, Strahlkraft, Rhythmus und Melodik so in Einklang bringen konnte wie gerade Beethoven.


    Seine Einzigartigkeit ist schon dadurch belegt, daß es (von angeblichen Jugendwerken mal abgesehen) kaum je zweifelhafte Zuschreibungen gab.


    Sieht man von Schuberts Klaviersonaten und von den Sinfonien von Ferdinand Ries mal ab - so findet man kaum ähnliches in der Musikliteratur - aber (ich komme erneut jedem Aufschrei zuvor) auch in diesen Fällen ist die Ähnlichkeit nur eine seeehr oberflächliche. Beide genannten Komponisten hatten letzlich doch ganz spezifische Eigenheiten, so das "Wienerische" bei Schubert. Ries hingegen bricht immer wenn man es nicht vermutet plötzlich aus dem selbst gewählten Beethovenstil aus und outet sich als durchaus eigenständiger hörenswerter Komponist...



    Wolfgang Amadeus Mozart


    Es ist mir kaum erinnerlich wie viele Werke als jene von Mozart deklariert wurden, die von anderen Komponisten stammten, auf jeden Fall waren Abel, Wölfl und auch Rosetti darunter. Die Geschichte wo Mozart als Kind Klaviersonaten von Johann Christian Bach zu Klavierkonzerten umschrieb - die schliesslich im Köchelverzeichnis landeten - ist ein weiterer Punkt zur Unterstützuing meiner Behauptung. Zahlreiche Opern von Salieri (und auch seine Klavierkonzerte) sind Mozart stellenweise recht nahe, ebenso die Opern von Soler. Mozart war dies wohl bewusst - er bekämpfte die Konkurrenten mit allen Mitteln (Ich würd sowas nie tun :baeh01:) und er fürchtete sie.
    Er ließ kein gutes Haar an Kozeluch, hatte ein gespanntes Verhältnis zu Salieri - und stellte sogar die Musikalität Clementis (der ihn über alle MAssen verehrte!!) in Frage.Hingegen liebe er die Klavierkonzerte Schrötters und bezeichnete Cannabich als hervorragenden Komponisten (Die Ausrede, die geschähe weil er die letzteren beiden für harmlos hielt kann ich nicht gelten lassen - er erwähnte die beiden jeweils positiv in Briefen an seinen Vater - daß die mal öffentlich würden - das war nicht vorauszusehen.


    ETWAS ist allerdings einzigartig an Mozart: Die vielseitigkeit und die Fruchtbarkeit - eigentlich war er ja ein "Vielschreiber" (Gott sei Dank !!) - jedoch die Qualität war dennoch sehr beständig.Kein mir bekannter Komponist dieser Epoche hinterließ eine derartige Anzahl von Komositionen in all dieser Typenvielfalt....


    ZU Mozarts andauerndem Ruhm mag jedoch auich die Legendenbildung beigetragen haben - ein Requiem, von Tod selbst bestellt, ein angeblicher Gifttod, ein angeblicher Revolutionär, ein angeblich verkanntes Genie - ein IDealfall für die PR (auch wenn es diesen Namen einst noch nicht gab)....



    Joseph Haydn:


    Was hat der nicht angeblich alles erfunden: Die Sinfonie und das Streichquartett. Beide Behauptungen stimmen in dieser Form nicht.
    Das Streichquartett hat Luigi Boccherini in etwa zur gleichen Zeit ebenfalls "erfunden" - und auch der schrieb jede Menge davon.


    Bevor ich hier werte, lasse ich das Haydn lieber selber tun.
    Er hatte in London panische Angst davor, daß sein einstiger Schüler Pleyel ihn übertreffen könnte (ist brieflich belegt), jedoch brachte ihn gerade diese Angst zu Höchstleistungen. Seine Londoner Sinfonien wurden von Pleyel nicht erreicht - lediglich vergleichbar mit Mozarts späten Sinfonien - aber dennoch typischer Joseph Haydn.


    Aber es gab natürlich auch andere Komponisten, die Haydn ziemlich nah waren - etliche Werke aus fremder Hand wurden in Paris unter dem Namen "Joseph Haydn" gedruckt - was Haydn maßlos ärgerte.... (er war recht knausrig und geschäftstüchtig)


    Auch heute gibt es etliche Werke von denen man nicht weiß: Haydn oder nicht ? Allein die Geschicht der (zugeschriebenen) Cellokonzerte lierst sich wie ein Krimi. Leopld Mozarts "Kindersinfonie" wurde auch zeiteise seinem Bruder Michael - bzw ihm selbst zugeschrieben....


    Für mich sind diese drei Komponisten die Flaggschiffe einer Epoche - aber ich liebe zahlreiche (wenngleich nicht alle) Zeitgenossen von ihnen ebenso.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was ich bisher so von den Schriften Rosens mitbekommen habe, kann ich auch nur bedingt nachvollziehen (Wie fasst Alfred Einstein eigentlich die Wiener Klassik auf - weiß das jemand?? )


    Daß das Instrumentalschaffen der drei schon zu Lebzeiten als herausragend erkannt wurde, daran besteht wohl kein Zweifel. Indes ist dies natürlich zunächst kein Beleg für die vermeintlich mindere Stellung anderer Zeitgenossen.


    Die besondere Beziehung vom Detail zum Ganzen und die innere Logik wurden angesprochen.


    Johannes, Du hast logisch bewußt in Anführungszeichen gesetzt. Wie kann man dieses "logisch" fassen? Wird der zeitliche Ablauf auf kleiner Ebene so strukturiert, daß er in einem "logischen" Gesamtverhältnis zum Gesamten steht? (Du sprachst die vermeintlich "chaotische" Ordnung CPE Bachs an)


    :hello:

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Also ich muss ehrlich sagen - je mehr ich die Werke der Zeitgenossen kennen lerne umso weniger verstehe ich, dass nur die großen 3 eine Erwähnung finden und auch als einzige bekannt sind.


    Salü,


    mir geht es genau umgekehrt... aber ich kann's nicht in Worte fassen, trotz dieser Versuchsreihe.


    :rolleyes:


    Davon abgesehen halte ich fest, dass ich Musik von Zeitgenossen der "großen" Wiener Klassiker nicht mehr missen möchte! Sie ist eine Bereicherung - und wenn's nur dazu dienen möge, sich an die vergessene Größe der Großen zu erinnern... ob das bei mir in der Form der Fall ist, weiß ich noch nicht. Jedenfalls dürfte klar sein, dass die Großmeister ohne die Kleinmeister gar nicht groß sein/wirken können, da der Angelpunkt fehlt.


    Mich wundert daher, dass die Großmeister auch in Zeiten, wo jeglicher "Kleinmeister" un- oder höchstens dem Namen nach bekannt war, als groß gegolten haben können... ohne dass jemand über das Warum nachgedacht hat !?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Mal nur soweit, da Beethoven schon etwas spät ist.


    Den Seitensatz als Dissonanz zu sehen, kann ich bei Haydn und Mozart nicht nachvollziehen. Worin liegt die Begründung für diese komische Identifizierung? Dass man nachher zur Tonika-Tonart zurück und somit "auflösen" muss?


    Ja, so ungefähr. Vielleicht ist die Wortwahl nicht optimal und das ist natürlich nur die gröbste Ebene. Ähnlich ist die gesamte Durchführung in gewissem Sinne "dissonant" zum Rest.
    Da das Buch problemlos zugänglich ist, sehe ich auch nicht ein, dass ich hier laienhaft versuche zu erklären, was Rosen genau meint.
    Aber warum kannst Du das nicht nachvollziehen? Bei aller Freiheit im Detail scheint die unumstößliche Regel zu sein, dass alles Material, dass zuerst in einer Kontrasttonart, normalerweise der Dominante gebracht wird, im späteren Verlauf in der Tonika kommen muß. Selbst in einer sehr freien Mischung aus Sonaten- und Scherzo/Rondo-Form wie Beethovens op.59,1 ii (die in B-Dur u.a. eine "Reprise" in Ges-Dur enthält) wird das berücksichtigt.


    Das Detail-Großform-Verhältnis geht natürlich weit über das Harmonische hinaus. Es zeigt sich auch in der Phrasenstruktur, rhythmischen Organisation usw.


    Dieses "logisch" ist natürlich sauschwer zu fassen. Fast jedes gelungene Kunstwerk sollte irgendwie den Eindruck erwecken, dass die Teile genau so angeordnet sein müssen, um das Ganze zu dem zu machen, was es ist. Allgemein gefaßt kann es daher kaum ein Alleinstellungsmerkmal der Wiener Klassik sein. Dass dieser Eindruck der Geschlossenheit aber auch bei dramatischen und überraschenden Werken der Klassik sehr groß ist, ist eine verbreitete Empfindung (Bernstein hebt z.B. bei seinen Kommentaren zu Beethovens Sinfonien auch immer auf etwas Ähnliches ab, Riezler Beethoven-Buch ist ebenfalls voll davon).
    Was genau damit gemeint ist, dürfte wohl nur eine recht ausführliche Analyse konkreter Werke herausbringen. Rosen bringt wie gesagt, einige mich recht überzeugende Beispiele)


    Zitat


    Hm, das ist schon gar keine Begründung. Es soll vorkommen, dass Sonderstellungen schon früh erkannt werden, aber leider später wieder in Frage gestellt werden.
    :hello:


    Ist in diesem Fall aber nicht passiert. Das sollte auch keine Begründung sein, sondern nur ein Hinweis darauf, dass es sich hier nicht um chauvinistische Geschichtsklitterung handelt, die alle Franzosen "ausgemerzt" hätte oder so, sondern dass "Haydn, Mozart, Beethoven" seit Hoffmann mehr oder weniger als Trias aufgefaßt werden, woran sich seitdem nicht viel geändert hat. Haydn z.B. war beim breiten Publikum bis weit ins 20. Jhd. nur mit wenigen Werken bekannt. Aber Musiker und Musikwissenschaftler mit sonst konträren Hintergründen und Ansichten wie Tovey, Einstein und Adorno waren sich völlig einig, dass er einer der ganz Großen ist, Cimarosa, Boccherini, Vanhal und Krommer dagegen nicht.
    Es wäre wohl ein bißchen zu simpel anzunehmen, dass hier einer dem anderen das Wort redet und die Wertung keine Basis in der Sache besitzt.


    viele Grüße


    JR

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  • Allerdings möchte ich darauf hinweisen, daß gerade Einstein jemand war, der das Wort Größe sehr vorsichtig nutzte und stets vor dem allzu sicheren Gebrauch warnte - soweit ich weiß.


    Interessant wäre doch, WORAN Tovey, Einstein und Adorno diese Größe festmachen.


    Ob es zu simpel ist, wenn einer dem anderen nach dem Mund redet, bleibt mal dahingestellt......


    :hello:

  • Eine musiktheoretische Erklärung für die Eingangsthese abzugeben, bin ich nicht qualifiziert, aber dürfte ich als "einfacher Klassikhörer" vielleicht einige Bemerkungen "aus dem Bauch heraus" anbringen:


    Mozart


    Für mich sind die einige der besten (d.h. in der späten) Werke Mozarts in Noten gegossene Humanität, ein tiefes, musikalisch ausgedrücktes Verständnis der menschlichen Kondition, gleich ob er einem in seinen leichteren Werken musikalisch zuzuzwinkern scheint oder mit einem Gefühl der Erhabenheit und Größe erfüllt (OK - heute scheine ich meinen leicht schwülstigen Tag zu haben. ;) ) Zugleich, oder gerade deshalb, ist die musikalische Sprache Mozarts die vielleicht verständlichste in der Geschichte der klassischen Musik: Mozart versteht jeder, selbst Kinder, ohne erst das "Zuhören" zu klassischer Musik erlernt zu haben. Diese "Einfachheit" in sich selbst ist ein Kunststück - und macht ihn (wie ich den Kommentaren verschiedener Interpreten entnommen habe) umso schwieriger zu spielen.


    Beethoven


    Da kann ich Alfred nur zustimmen: Beethoven ist anders. Seine musikalische Sprache hat eine Substanz und ein Selbstbewußtsein wie keine andere. Er zeigt seiner musikalischen Umgebung die Stirn, und das erfolgreich. Er zieht seine Ansicht durch, und wo andere mit dieser Methode nur eine Aberration erreichen werden erreicht er unleugnenbare Perfektion.



    Haydn


    Der Komponist in der Trias, zu dem ich am wenigsten zu sagen vermag. Der Höreindruck seiner Werke, soweit ich sie kenne, ist für mich persönlich weniger beeindruckend und nachhaltig als der der beiden erstgenannten. Aber vielleicht liegt sein besonderer Rang unter den Komponisten seiner Zeit auch nicht in der Qualität der einzelnen Werke, sondern darin, dass er konsequent die Weiterentwicklung der Form der bereits genannten Werkstypen der Sinfonie und des Streichquartetts betrieben hat. Er hat vielleicht nicht die prächtigsten musikalischen Schlösser der Wiener Klassik gebaut, aber er hat die Baumaterialien dazu entwickelt und immer weiter verfeinert. Vielleicht nicht als einziger, aber wohl mit einer nicht zu vergleichenden Konsequenz, Hingabe und Ausdauer.


    Grüße


    katlow

  • Zitat

    Original von Wulf
    Allerdings möchte ich darauf hinweisen, daß gerade Einstein jemand war, der das Wort Größe sehr vorsichtig nutzte und stets vor dem allzu sicheren Gebrauch warnte - soweit ich weiß.


    Sicher. Aber manchmal ist der doch ziemlich blumig:


    [...] Denn er [Bertati] war Verfasser von Cimarosas 'Metrimonio Segreto', der 'Heimlichen Ehe', einem der berühmtesten Buffa-Werke des 18. JHs, das Mozart gern komponiert hätte. [...]


    Boccherini wird in der Mozartbiografie sträflich verschwiegen, ebenso Vanhal und erst recht Krommer.


    Zu Schobert macht er folgende amüsante [?] Anmerkung:


    [...] Johann Schobert war eine Frühausgabe des "Sturm und Drang" [...]. Als Rousseauist und Spaziergänger schwärmte er auch praktisch für die Natur: Ein Pilzgericht, das er gesammelt hatte, beförderte ihn nebst Frau und Kind, einem Dienstmädchen und drei Freunden in das Land, aus dem man nicht wiederkehrt. [...]


    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Und zu diesem Schobert fühlte der kleine Wolfgang sich also hingezogen [...], führt er fort.


    Gluck ist durchaus als "groß" bezeichnet - aber nicht so "groß", dass man ihn nicht noch überragen könnte:


    [...] Würde er, ein anderer und zugleich ein größerer Gluck, eines Tages... blabla.... [...]


    Paisiello hingegen ist bei Einstein ein Meister [S. 104] und Salieri ein liebenswert gescheiter, innerlich geschmeidiger [...] Maestro [S. 286] Ein paar Seiten später unterscheidet er dann zwischen den italienischen Meistern [...] Salieri, Gazzaniga, Righini, Storace und dem Maestro Mozart, der in Italien ...blabla....


    Witziger Typ.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Da das Buch problemlos zugänglich ist, sehe ich auch nicht ein, dass ich hier laienhaft versuche zu erklären, was Rosen genau meint.


    Und wie heißt das Buch?
    ;)

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  • :hello:so:


    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)