Hören wir zuviel Musik?

  • Zitat

    Die Zeiten werden schwieriger für den Komponisten; es wird jetzt zuviel Musik gemacht; das Publikum ist von Jugend auf zu sehr an sie gewöhnt, die Reizbarkeit dafür geht immer mehr verloren. Dasselbe Tonstück, das sie heute unbewegt lässt, weil ihr Ohr ganz tonsatt ist, würde sie sehr ergreifen, wenn sie ein Jahr über keine Musik gehört hätten.


    Hallo allerseits,


    diese Sätze, die ungewöhnlich aktuell und zeitnah erscheinen, stammen aus dem Jahr 1802. Geschrieben hat sie der Komponist Carl Maria von Weber.


    Was hätte Weber wohl zu den heutigen Möglichkeiten des Musikhörens gesagt? In den letzten Jahrzehnten ist es durch die CD möglich geworden, an nahezu jedem beliebigen Ort Musik in hervorragender Qualität zu hören und dabei aus einem immer breiter werdenden Spektrum von Aufnahmen auszuwählen. Was hat das für Konsequenzen? Hören wir zuviel Musik und stumpfen so immer mehr ab, so dass wir die feineren Reize gar nicht mehr wahrnehmen? Täte uns vielleicht des öfteren eine Hörpause gut, um wieder empfänglicher für die Musik zu werden? Kommt es darauf an, wie wir Musik hören?


    Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass ich nach längeren Hörpausen (z. B. wegen einer Reise oder einem Krankenhausaufenthalt) immer besonders sensibel auf Musik reagiert habe, was ja Carl Maria von Webers These bestätigen würde. Habt Ihr Ähnliches erlebt?


    :hello: Andreas

  • Hallo Andreas,


    zumindest für diejenigen, die sich mit beruflich mit Musik beschäftigen, ist die heutige Vielfalt an Möglichkeiten des Musikhörens einerseits eine Segnung, andererseits aber auch schon eine Herausforderung - denn es wird bei einem Studiengang wie z. B. Musikwissenschaft vorausgesetzt, dass du die heute vorhandenen Möglichkeiten, dir einen Hörkanon zu erarbeiten, auch nutzt. Auch unter dem Aspekt, dass von dir auch soviel Begeisterung für das gewählte Fach erwartet wird, dass du dir diese Bildung gerne zulegst und nicht sofort die Lust daran verlierst. Die Berufschancen für Studierende eines solchen Faches sind dünn, und du tust gut daran, mit deinem Wissen zu glänzen. Soweit zu den Musikberuflern.


    Für alle gilt aber: Sicher wird bei einer mehrmonatigen Musik-Abstinenz ein danach gehörtes Musikstück intensiver einwirken. Aber dafür hast du vorher eben auch ein paar Monate keine Musik gehört. Ich wüsste nicht, ob es mir das wert wäre. Von daher bin ich über die heutige Vielfalt an Zugängen zur Musik eher dankbar, als dass ich sie in meinen unzweifelhaft vorhandenen Kulturpessimismus einbeziehen würde.


    Ich höre eigentlich zu jeder erdenklichen Gelegenheit Musik, auch beim Arbeiten, wenn es der Konzentration abträglich ist, und wenn ich auf dem Drahtesel sitze und durch den gefährlichen Straßenverkehr von Münster schiffe, kann mich auch nichts davon abhalten, in meinem Ohr Musik von Brahms oder Cradle of Filth erdröhnen zu lassen.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Salut,


    ich kann Herrn von Weber durchaus zustimmen - halte mich aber selten daran. Ich esse und trinke ja auch sorglos weiter, wenns gut schmeckt und die sieben Mägen bereits voll sind.


    Es gibt aber schon Tage oder Zeiten, wo ich jegliche noch so gute bzw. gut interpretierte Musik nur noch als Gedudel erkenne... dann schalte ich einfach ab.


    Schön, wenn man das mit anderen Alltäglichkeiten auch einfach tun könnte...


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    ich kann Herrn von Weber durchaus zustimmen - halte mich aber selten daran. Ich esse und trinke ja auch sorglos weiter, wenns gut schmeckt und die sieben Mägen bereits voll sind.


    Es gibt aber schon Tage oder Zeiten, wo ich jegliche noch so gute bzw. gut interpretierte Musik nur noch als Gedudel erkenne... dann schalte ich einfach ab.


    Schön, wenn man das mit anderen Alltäglichkeiten auch einfach tun könnte...


    dem stimme ich unumwunden zu ... :( ;(

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Zitat

    Original von Fugato
    Täte uns vielleicht des öfteren eine Hörpause gut, um wieder empfänglicher für die Musik zu werden?


    Ja, wichtig, sehr wichtig!

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  • Hallo Musik-Freunde,


    die Frage ob eine Hörpause gut tut möchte ich etwas umformulieren:


    Tut eine Klassik-Hörpause gut ???


    Diese Frage möchte ich für mich mit ja beantworten.
    In Urlaubszeiten oder bei gutem Wetter ist man viel unterwegs, sodaß sich dadurch automatisch eine Klassik-Hörpause ergibt. Wenn ich unterwegs bin höre ich meist nichtklassische Musik, die weniger Konzentration erfordert, weniger störanfällig gegen Außengeräusche ist und mir eben Wert genug mit einem MP3-Player gehört zu werden.


    Wenn dann der Urlaub vorbei ist, oder das schlechte Wetter wieder einzug nimmt stelle ich bei mir beim Klassikhören ein sehr intensieves Musikerlebnis wahr, auf das ich mich immer schon freue und das ich nicht missen möchte.
    :yes: Es gibt nichts schlimmeres als eine Übersättigung !


    Wenn ich manchmal lese was sich einige ständig "reinziehen", dann kann ich nur sagen, dass mir bei der Masse der Spaß vergehen würde.
    Ulli hat diese Übersättigung so formuliert:

    Zitat

    Es gibt aber schon Tage oder Zeiten, wo ich jegliche noch so gute bzw. gut interpretierte Musik nur noch als Gedudel erkenne... dann schalte ich einfach ab.


    Das C.M.Weber - Zitat scheint mir zeitlich ein wenig weit gegriffen zu sein, da er von Zeiträumen von einem Jahr spricht, aber sonst ist schon etwas wahres dran.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Mir geht es mittlerweile so, dass ich sämtliche Musik, die nebenher läuft, als unangenehm empfinde. Wenn ich nicht bewußt Musik höre, nehme ich sämtliche Klänge als "Verschmutzung" war... Was darauf hinausläuft, dass ich nicht mal mehr jeden Tag "bewußt" hören kann. Mir ist Stille sehr wichtig, um Musik als Unterbrechung derselben wahrnehmen und schätzen zu können. Genauso brauche ich oft auch absolute Dunkelheit, aber das ist ein anderes Thema...

  • Gerade eben im "Was hört Ihr gerade jetzt"-Thread gelesen:


    Zitat

    Ich selbst höre heute mal rein gar nichts: das Ohr braucht vielleicht auch mal seine Ruhe.


    Diesen Satz fand ich gerade in diesem Thread sehr mutig und bemerkenswert. Offenbar ist der Wunsch nach einer Hörpause doch häufiger vorhanden als man meint. Ich habe in den letzten Wochen sehr viel Musik gehört, und deswegen hatte ich gestern und heute mal das Bedürfnis, etwas kürzer zu treten - eine CD abends in Ruhe hören, das reicht; weniger kann auch mehr sein, denn die Beschränkung führt fast automatisch zu intensiverem, konzentrierterem Hören. Heute habe ich mir nicht einmal den MP3-Player mit auf die vierstündige Bahnfahrt genommen...


    :hello: Andreas

  • Zitat

    Hören wir zuviel Musik und stumpfen so immer mehr ab, so dass wir die feineren Reize gar nicht mehr wahrnehmen? Täte uns vielleicht des öfteren eine Hörpause gut, um wieder empfänglicher für die Musik zu werden? Kommt es darauf an, wie wir Musik hören?


    Wie in vielen anderen Bereichen des Lebens geht es m.E. auch hier um das Finden und Ausleben des "gesunden" Gleichgewichts. Nach meiner Erfahrung bringen die beiden extremen Pole folgende Konsequenzen mit sich (vorausgesetzt: konzentriertes Zuhören):


    Ununterbrochenes Musikhören: nur noch Gedudel hörend; hauptsächlich die Breite der Musikliteratur wahrnehmend; Musik wird nicht als Ereignis empfunden; Hörer ist "trainiert", Musik analysierend zu verfolgen und in Zusammenhänge zu bringen.


    Seltenes Musikhören: sehr intensive Wahrnehmung jedes Tons; sich voll konzentrierend in die Tiefe des Werkes begebend; Musik wird als Ereignis empfunden; Hörer ist "untrainiert", Musik analysierend zu verfolgen und in Zusammenhänge zu bringen.


    Ich selber höre meist zwischen 30 bis 60 Minuten Musik pro Tag, diese sehr intensiv. Zunehmend mehr lese ich in Partituren, wobei ich keinen Verschleiß feststellen kann. Musik im Hintergrund höre ich fast nie, und wenn, dann Jazz- oder gute Popmusik. Meine Lieblingsklassikwerke könnte ich unmöglich im Hintergrund hören; sie würden sich abnutzen, was bei aktivem Mitverfolgen nicht möglich ist.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Zuviel Musik? Ein klares selbstzerstörerisches "Nein" :D


    Die Kunst ist vielmehr, das richtige zum richtigen Augenblick zu hören ;).


    (ich hebe das an dieser Stelle mal durch Absätze hervor und mache einen dritten Smilie :D )

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

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  • Zitat

    Original von Fugato
    Gerade eben im "Was hört Ihr gerade jetzt"-Thread gelesen:


    Ich selbst höre heute mal rein gar nichts: das Ohr braucht vielleicht auch mal seine Ruhe


    Zitat

    Diesen Satz fand ich gerade in diesem Thread sehr mutig und bemerkenswert. Offenbar ist der Wunsch nach einer Hörpause doch häufiger vorhanden als man meint. Ich habe in den letzten Wochen sehr viel Musik gehört, und deswegen hatte ich gestern und heute mal das Bedürfnis, etwas kürzer zu treten - eine CD abends in Ruhe hören, das reicht; weniger kann auch mehr sein, denn die Beschränkung führt fast automatisch zu intensiverem, konzentrierterem Hören. Heute habe ich mir nicht einmal den MP3-Player mit auf die vierstündige Bahnfahrt genommen...


    :hello: Andreas


    Andreas, dazu vielleicht noch etwas für mich völlig unerklärliches:


    als ich letzten September drei Wochen in der Karibik war, so rein zum gar nichts tun und entspannen, hatte ich einen mp3 Player dabei und dachte mir. „Aha nun hab ich endlich mal Zeit so ganz in Ruhe meinen Chopin zu hören“. Gedacht, getan: Resultat: ich wurde dann plötzlich irre traurig, und musste es bleiben lassen. Dann ging’s mir wieder besser. Ob nun diese völlig andere Welt dort, mit ihrem Merengue Fieber oder das tägliche Baden im Meer der Grund dafür war, samt bestem Essen, weiß ich nicht, vielleicht hat ja jemand ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Hitze war es sicher nicht, da immer ein Lüfterl von Meer her kam, und ich eigentlich nie Schwitzen musste.


    LG Micha :hello:

    Einmal editiert, zuletzt von Michael ()

  • Vor einigen Jahren war ich auch mal so übersättigt, dass ich fast ein halbes Jahr kaum mehr etwas gehört habe und mich mehr mit anderen Interessen wieder beschäftigt habe. Seitdem weiß ich, dass man einfach ausschalten sollte, wenn man merkt, dass einem grade nicht nach etwas ist und erst wieder weiterdreht, wenn einem spontan danach ist. Quäle mich also nicht mehr durch ein (unbewusstes) "Pflichtprogramm", dafür überkommt mich immer wieder die Lust nach ganz bestimmten Werken, die dann mit größtem Genuss gehört werden - und wenn´s seit Jahren wieder das erste Mal ist, dass man da dran denkt.
    Zeitweise kann ich jahrelang bestimmte Komponisten oder Epochen nicht mehr hören, bei einigen bin ich mir gar nicht sicher, ob es jemals wieder so weit sein wird...


    :hello:
    Stefan


    Nachtrag:
    @ Micha
    In der Karibik kann ich irgendwie verstehen, dass einem Merengue besser passt als europäische Kunstmusik :pfeif:
    Wobei das damals auch komisch war: die ersten Tage (ein bis zwei) mochte ich Merengue recht gern, dann hatte ich´s tagelang satt und konnte die Dauerberieselung nicht mehr hören und ab Tag 5 oder 6 hab ich mich damit infiziert und konnte nicht genug kriegen, was teilweise bis heute anhält - wehe ich hör da mal wieder was :D

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Barezzi


    Nachtrag:
    @ Micha
    In der Karibik kann ich irgendwie verstehen, dass einem Merengue besser passt als europäische Kunstmusik :pfeif:
    Wobei das damals auch komisch war: die ersten Tage (ein bis zwei) mochte ich Merengue recht gern, dann hatte ich´s tagelang satt und konnte die Dauerberieselung nicht mehr hören und ab Tag 5 oder 6 hab ich mich damit infiziert und konnte nicht genug kriegen, was teilweise bis heute anhält - wehe ich hör da mal wieder was :D


    Ja schon schlimm Stefan (lach).


    Dazu vielleicht noch: da ich ja so ewig lang Klavier gelernt habe, und, was vielleicht vielen nicht so geläufig ist, man da ja eher Stunden lang reine Technik üben muss, die auch nicht so toll klingt, habe ich dann einfach begonnen, zwischen Schlegeln und Saiten einen dicken Schal zu montieren, wodurch man dann so gut wie gar nichts mehr hört: nur wer will schon reine Technik stundenlang hören? Muss aber so sein dabei, sonst kommt man nicht weiter.


    Micha :hello:

  • Vielleicht vor der Heia noch etwas:
    Wenn ich Freunden oder Bekannten erzähle, dass ich eher lange Klavier gelernt habe, (wofür man sich ja heute fast schämen muss), kommt immer prompt die Antwort: „Na toll, dann spielen sie heute sicher noch!“, und auf mein „Nein ich höre lieber“, kommen dann immer völlig verständnislose Reaktionen wie etwa „Na wie denn das?“, mit Kopfschütteln und dergleichen, als wäre ich ein Verräter oder so was in der Richtung.
    Na ja die Erklärung ist relativ einfach: mit der Zeit ist die Technik „futsch“, da sich ja nicht nur die Reflexe zurückbilden, sondern auch die entsprechenden Muskeln und ich dann eher darunter leide, wenn ich sehe wie kläglich der Anschlag geworden ist, und wie dürftig das Spiel, also lasse ich es lieber bleiben, als mich da mit „Flohwalzer“ und dergleichen abzufinden. Sicher einiges geht noch, aber um da wieder einigermaßen wieder rein zu kommen, müsste ich Stunden um Stunden wieder üben, und mich dann auch noch fragen: für wen eigentlich? Also genieße ich lieber vorgefertigte und gute Einspielungen anderer, wobei dann mein Blutdruck zwar steigt, ich mich aber wie in einer anderen Welt fühle, und dies auch noch in einem extrem glücklichen Zustand.


    LG Micha :hello:

  • Zu viel wird es mir nie! :D :] Auch nicht zu langweilig!
    Es mag damit zu tun haben, dass ich
    mich für sehr unterschiedliche Bereiche der sog. "ernsten" Musik
    begeistern kann und an vielen Sachen Gefallen finde,
    ob es nun berauschende frühmittelalterliche ambrosianische Gesänge sind /z. B. Ensemble Organum/,
    der recht kopflastige weil vielfach
    formlose und schwer begreifliche Zeitgenosse Beat Furrer,
    die schönen und heiteren Symphonien von Haydn,
    die virtuosen Sonaten von H. I. Biber... die Opern von Gluck,
    die sphärischen, melancholischen, minimalistischen Klänge eines Salvatore Sciarrino,
    oder die Kantaten J. S. Bach`s,
    der meine feste Burg ist und bleibt in aller Ewigkeit. Amen.
    Und es gibt anscheinend jede Menge Musik,
    die erst entdeckt, verstanden und vielleicht gemocht werden
    will (von mir). Die "Entdeckungen" der letzten Monate:
    Franz Schreker, Felix August Draeseke, John Foulds,
    Giovanni Felice Sances, Johann Theile ...
    Also, ich glaube, mit ca. drei Stunden pro Tag
    höre ich eher zu wenig. ;)

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  • Hallo zusammen


    Ulli

    Zitat

    Ich esse und trinke ja auch sorglos weiter, wenns gut schmeckt und die sieben Mägen bereits voll sind


    Das kann ich leider nicht. Wenn ich satt bin, esse ich nicht weiter, weil es dann zur Qual wird und irgendwann der gute Geschmack einem NichtMehrSchluckenWollen weicht... Allerdings kenne ich das Gefühl bei Musik nicht. Das liegt aber sicher auch daran, daß ich diese nur höre, wenn ich Lust und Zeit dazu habe.



    €Blackadder

    Zitat

    Mir geht es mittlerweile so, dass ich sämtliche Musik, die nebenher läuft, als unangenehm empfinde.


    Musik höre ich zu 90 % bewußt - man könnte es auch Zuhören nennen. Die restlichen 10 % gehen für ein festliches Abendessen drauf, das ab und zu mal vorkommt und nach musikalischer Untermalung schreit.


    Dieses Dauergedudel im Supermarkt, in Hotels, Restaurants, Urlaubsanlagen etc. ignoriere ich, weil es ansonsten an meinen Nerven bohren würde.


    Eine Hörpause brauche ich aber schon öfters - auch die musikalische. Wenn ich aus stundenlangen Besprechungen komme oder auf dienstlichen Besichtigungstouren vollgequasselt wurde, habe ich das Verlangen nach Ruhe. Auf der Rückfahrt im Auto gibt es dann keine Musik - nur Gedanken und Stille.


    Eine Übersättigung mit Musik kann ich mir trotzdem nicht vorstellen. Höchstens den Wunsch nach Stille aufgrund tonreicher Tage. Aber dafür kann die Musik nichts.


    Viele Grüße Mimi

    che gelida manina....

  • Zitat

    Original von wolkenstein
    Zu viel wird es mir nie! :D:] Auch nicht zu langweilig!


    Ich persönlich habe da meine ganz eigenen Erfahrungen:
    Es ist ja so, dass, wenn man ein Werk jahrelang einlernt, dass man es dann am Ende gar nicht mehr richtig wahrnimmt, was auch die große Gefahr mit sich bringt, dass man es dann ohne Seele spielt. Davon können wohl viele Instrumentalisten ein Lied singen. Denn verbessern kann man immer etwas, und sollte dies auch, da man sonst zu einer Art Roboter wird, was ja mit Kunst nicht mehr viel zu tun hat.
    Nun ja: Radiosender für Klassik gibt es ja auf Satellit eine ganze Menge: gute und weniger gute. Aber grundsätzlich dagegen bin ich da nicht, auch im Moment nicht. Ich persönlich habe dann immer für mich persönlich, jene Sender abgehackt, bei denen zuviel gesprochen wird, oder gar Nachrichten kommen, die ich an sich schon nicht sonderlich schätze, und mir lieber im Fernsehen Sendungen anschaue, die mir seriös vorkommen wie etwa das „Weltjournal“ des ORF, das auch auf 3sat laufen müsste. Ansonsten habe ich zwei Lieblingsradiosender für Klassik, die rund um die Uhr senden, und wo nur die Werke angesagt werden: FD auditorium aus bella Italia, das in Italien auch unter Fachleuten allgemein als sehr gut gilt, und das hier vielgerügte Schweizer Klassikradio, das vor allem Barockmusik sendet, aber auch Wiener Klassik, und an sich alles, was es so gibt, und dies mit besten Interpreten: immerhin habe ich so Nikita Magaloff in Aufnahmen gehört, die nicht mehr im Handel sind, mit einem Schumann, wo ich in der Tat platt war, ob soviel Interpretationskunst vom feinsten. Es werden fast nur Werke gesendet, die ich eh schon auswendig kenne, und etwa Bach kann man wohl nie oft genug hören, da ich finde, man hört ihn immer wieder neu. Natürlich nicht neben Tätigkeiten, die besonders viel Konzentration erfordern, aber am PC geht dies für mich persönlich ohne Probleme, da ich finde, dass ein PC ein Kasten ist und nicht viel mehr, zumindest für mich
    LG Micha:hello:

  • Ich denke, daß wir zu viel Musik zu hören bekommen, weil sie uns häufig unfreiwillig aufgedrängt wird.
    In einem Rundfunkbeitrag über "sound-Design" in der Werbung wurde sehr treffend gesagt - wenn wir nicht sehen wollen, machen wir einfach die Augen und das geht mit den Ohren nicht.


    Durch diesen ganzen "klangteppiche", die uns tagtäglich umgeben, verliere zumindest ich häufig die Lust, überhaupt noch gezielt Musik auszuwählen :(

  • Ich denke schon, dass uns mehr Pausen gut tun würden. Zumindest mir geht
    es so. Dadurch, dass ich relativ viel höre und spiele, habe ich das Gefühl, dass
    ein Teil meines Gehirns immer mit Musik beschäftigt ist. Verschiedene Sequenzen
    gehen mir nicht aus dem Kopf. Gerade vor Klausuren leg ich daher eine
    Pause ein, denn es ist äußerst störend, wenn man in einer Kostenrechnungsklausur
    nach einer halben Stunde plötzlich das Kyrie aus der h-Moll-Messe hört :wacky: .


    Aber mit uns exzessiven Klassikhörern ist es wohl nicht viel anders als
    mit Alkoholikern: ganz oder gar nicht. 3 Tage ohne Bach nagen schon sehr
    an mir. 2 Wochen sind der Horror.


    :hello:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler


  • Ich hatte in Klausuren dieses Phänomen eigentlich sehr selten, dafür hab ich in den vielen langweiligen (Bla bla-) Vorlesungen (Stauß, Kutschker, Ringel-Maxe *gähn* und nicht zu vergessen der wilde Klaus :wacky: "wann gehen endlich die 90 Min. rum?") permanent im Kopf Musik gehört oder Schachstellungen analysiert. :pfeif:
    (na ja: oder geratscht halt :angel: )


    :D
    Stefan

    Viva la libertà!

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  • Zitat

    Original von Barezzi
    [: oder geratscht halt )


    Stefan


    ahhh, da ist ja einer der Studenten, wie ich sie so schätze !!!


    Na, kann ich so ein klein wenig nachvollziehen, ich habe mich als Jugendlicher während der sonntäglichen Predigten in meine eigene Klangwelt zurückgezogen, große Orgel, ganz große Musik à la Bach, habe irgendwo angefangen und mir 20 Minuten lang Melodien ausgesponnen. Manchmal meine ich, daß meine Kinder, die nicht mehr jeden Sonntag in die Kirche gezwungen wurden, etwas von diesem Potential, ganz in sich selbst zu versinken, verpaßt haben.


    Heute höre ich regelmäßig und viel Musik, also vor allem an Abenden, an denen ich nicht arbeite (anstatt Fernsehen, das beinah abgeschafft worden ist, aber auch anstatt Bücher zu lesen). Habe aber nie einen mp3-Knopf im Ohr, schaue mir bei Autofahrten lieber die Gegend an (oder höre allenfalls WDR 5), dito ohne Knopf im Flugzeug.


    Da ich selbst ab und zu Kostenrechnungsklausuren stelle, würde mich schon interessieren, ob außer smob sonst noch wer die h-moll-Messe dabei hört!! Gäbe natürlich sofort 5 Sonderpunkte - gg

  • Zitat

    Original von m-mueller


    ahhh, da ist ja einer der Studenten, wie ich sie so schätze !!!


    :untertauch::angel::D


    Zitat

    Da ich selbst ab und zu Kostenrechnungsklausuren stelle, würde mich schon interessieren, ob außer smob sonst noch wer die h-moll-Messe dabei hört!! Gäbe natürlich sofort 5 Sonderpunkte - gg


    Na ja, ich denke mal, dass Du keine so laaaangweiligen Vorlesungen hälst und Kostenrechnung fand ich auch ganz OK, das elende Gelaber der Bla bla - Fächer konnte ich halt nicht lang ertragen... :pfeif:


    :hello::angel:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • 1. Ja, wir hören viel zu viel "Musik".


    2. Nein, das könnte ruhig noch mehr sein.


    ad 1.


    Zu viel wird mir Musik, wo sie mir aufgezwungen wird, wo ich ihr nicht entfliehen kann. Das ist akustische Umweltverschmutzung. Dezente Musik im Fahrstuhl, Musik auf der Toilette, das ist alles einfach nur lästig. Richtig böse wird es aber dann in manchen Einzelhandelsfachgeschäften für modische Bekleidung speziell für unsere jüngeren Mitmenschen. Da dröhnt es so aus der Beschallungsanlage, daß man die Angestellten, die sich das den ganzen Tag anhören müssen nur bemitleidet. Physisch vielleicht noch zu tolerieren, aber psyschisch kriegt man doch da nen Schuß, oder? Wird das dann als Berufskrankheit anerkannt? Totale akustische Reizüberflutung - danach brauche ich Ruhe. Wie schön ist es da, auf einer Wiese unter einem alten Apfelbaum zu sitzen, Zivilisationsgeräusche nur aus weitester Ferne wahrzunehmen und ansonsten nur Vögel und Grillen zu hören...


    ad 2.


    Aber dann kommt doch wieder die Lust auf Musik. Und wenn ich entspannt oder auch neugierig angespannt das hören kann, was ich selbst zu hören wünsche, ja dann denke ich, kann es kaum je zu viel sein. Warum dann nicht den Riesenvorteil gegenüber unseren Vorfahren ausspielen, immer und überhall Musik dabei zu haben. Hier regelt einfach das persönliche Wohlbefinden, was und wieviel ich höre.
    Bin ich "satt", so genieße ich Stille und freue mich auf den nächsten Appetit.


    :hello:
    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Zitat

    Original von Reinhard
    Zu viel wird mir Musik, wo sie mir aufgezwungen wird, wo ich ihr nicht entfliehen kann. Das ist akustische Umweltverschmutzung. Dezente Musik im Fahrstuhl, Musik auf der Toilette, das ist alles einfach nur lästig. Richtig böse wird es aber dann in manchen Einzelhandelsfachgeschäften für modische Bekleidung speziell für unsere jüngeren Mitmenschen. Da dröhnt es so aus der Beschallungsanlage, daß man die Angestellten, die sich das den ganzen Tag anhören müssen nur bemitleidet. Physisch vielleicht noch zu tolerieren, aber psyschisch kriegt man doch da nen Schuß, oder? Wird das dann als Berufskrankheit anerkannt? Totale akustische Reizüberflutung - danach brauche ich Ruhe.


    Extrem pervers fand ich die Beschallung im Schlecker, die da neben nervigem Gedudel im 5-Minuten-Takt ihre Angebote mit Werbe-Fuzzi-plapper-Stimme wiederholen. :wacky: :no:
    Die armen Mitarbeiter ;( - mich hat das nach einer Viertelstunde als Kunde schon wahnsinnig gemacht! X( :boese2:


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Barezzi
    mich hat das nach einer Viertelstunde als Kunde schon wahnsinnig gemacht! X( :boese2:


    geht mir auch so. Vielleicht hören die Mitarbeiter dann nur noch "selektiv", so wie jemand, der an der Güterzugstrecke von Leipzig nach Ingolstadt wohnt, nix mehr von den Zügen hört, aber munter wird, wenn ein Frosch zwischen den Gleisen quakt. Aber dieses selektive Hören ist doch bestimmt auch nur die Vostufe zu einer psychischen Störung oder schlimmer...


    :hello:
    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

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  • Zitat

    Original von Reinhard
    Dezente Musik im Fahrstuhl, Musik auf der Toilette, das ist alles einfach nur lästig. Richtig böse wird es aber dann in manchen Einzelhandelsfachgeschäften für modische Bekleidung speziell für unsere jüngeren Mitmenschen. Da dröhnt es so aus der Beschallungsanlage, daß man die Angestellten, die sich das den ganzen Tag anhören müssen nur bemitleidet.


    Das gibt es mittlerweile in fast allen Geschäften, die als Zielgruppe unsere "jüngeren Mitmenschen" haben. Dazu zählen offenbar auch die CD-Abteilungen in den Elektronikmärkten - jedenfalls wird dort ebenfalls munter akustische Körperverletzung betrieben.


    Gestern kam in den Nachrichten die Meldung, dass in Deutschland immer mehr Jugendliche psychisch auffällig werden - bei der Musik, mit der sie sich ständig in geradezu abartiger Lautstärke beschallen, wundert mich das nicht.


    Es gibt ein meiner Meinung nach sehr interessantes Buch zu diesem Thema:



    Ich habe noch die ältere Ausgabe von 1988 mit dem Untertitel "Wie uns das Leben unter der akustischen Glocke um unsere Sinne bringt" - die oben abgebildete Neuauflage ist vom Autor überarbeitet worden; wahrscheinlich hat er angesichts der aktuellen Situation noch einmal an Schärfe und Bissigkeit nachgelegt.


    :hello: Andreas

  • Hallo Fugato,


    mein Musiklehrer aus der Schule hat die ständige Beschallung, das Hören einer CD nach der anderen - damals redete er noch von Platten - schon vor zwanzig Jahren beklagt. Zu Mozarts Zeiten habe man jeweils nur ein Stück gehört, sich mit diesem jedoch intensiv befasst. Damals habe ich meinem Lehrer geglaubt.


    Aber heute? Während der Aufführung von Barockopern hat man gespeist, Mozart war dem Küchenpersonal zugehörig (bitte keine Spitzfindigkeiten, ich weiß schon, zu welcher Zeit) und die Programme zu Beethovens Zeiten waren unfassbar lang.


    Und: Ja, wenn ich Hunger habe, schmeckt das Essen besser. Nur hungert niemand absichtlich, um diesen Effekt zu erzielen. Sinnvoll sein könnte der bewusste Musikverzicht vor Konzerten, Opern etc. Das Kunstereignis dürfte dann noch intensiver sein.


    Thomas

  • Ich muss auch sagen, dass ich nach einer einwöchigen Musikpause die Musik wieder um einigen mehr genießen kann, sie förmlich inhalieren.
    Allerdings ist es wirklich nciht einfach eine Woche ohne Musik zu leben, ich musste da durch, auf der Klassenfahrt gab es ja kein Klassik (Hip Hop ist ja keine Musik).
    Eine Alternative ist es für eine Woche einen Komponisten zu vergessen ;)

  • Prinzipiell ist es doch eine Frage, die sich jeder persönlich stellen muss.
    Manch einer isst halt weiter, obwohl er längst gesättigt ist - treibt es vielleicht bis zum Erbrechen auf die Spitze. Andere hören dagegen auf wenn es gerade am schönsten ist, obwohl eventuell noch ein Happs reingehen würde.


    Ich kann mich an eine Ferienzeit erinnern, wo ich die ganzen Tage mehr oder minder zu Hause verbracht habe. Auf dem Programm stand ununterbrochen Musik...eine CD nach der anderen. Irgendwann merkte ich eine gewisse Übersättigung - einerseits aufgrund der Menge, aber auch, da meine Kapazitäten erschöpft waren und ich mehr oder minder vieles doppelt hörte...bis es etwas zu den Ohren heraushing.


    Mittlerweile habe ich mich da besser im Griff. Eine solche Überflutung mit anschließender Pause und Ruhezeit dürfte bei mir nicht mehr vorkommen...okay, man weiß nie.
    Alleine dadurch, dass meine freie Zeit spärlicher geworden ist, umgehe ich dieses Problem. Somit gibt es Tage an denen vielleicht gar nichts oder nur eine CD läuft, wenn dann aber mal ein Tag heraus sticht, dann kann es zu einem wahren Hörmarathon werden, an welchem dann eine CD der anderen folgt - etwas unausgeglichen, ja, dennoch liebe ich solche Tage, da man auch mal wieder 'zu etwas kommt'.


    Und wenn ich merke, dass mir die Musik langsam auf die Nerven geht, dann wird halt nichts weiter gehört - es wird nicht weiter auf die Spitze getrieben.



    Manchmal hilft, wie auch schon angesprochen, ein kleiner Komponisten- oder Stilwechsel. Denn es gibt Momente, da hat man Hunger auf Romantik, morgen mag ich aber lieber etwas 'ältere' Musik.
    So spart man sich tagelange Ruhepausen...
    Beides hat seinen Vorteil - ich höre lange nicht gehörte Werke anders und bin über die neuen Eindrücke manches Mal sehr erfreut...war aber auch schon enttäuscht, dass das Feuer erloschen ist. Dennoch sehe ich es positiv, dass die Eindrücke im steten Wandel sind und durch Pausen verstärkt werden. (Zumal das Feuer mit der Zeit ja auch wieder entfacht wird/werden kann.)



    In jedem Fall sehe ich es nicht als Fluch an, dass uns die Mittel und Möglichkeiten für solch umfangreichen Musikgenuss zur Verfügung stehen...
    Zumal es mir persönlich generell schwer fällt, intensiv Musik zu hören - dies kann ich nur äußerst selten...ist dann aber oftmals ein Hochgenuss. Dennoch bin ich eher ein genießender Vielhörer, der sich gerne begeistern lässt!


    Gruß, Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

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