Hoffmanns Muse - selbstsüchtiges Biest oder Retterin?

  • Salut zusammen,


    wie haltet Ihr's mit Hoffmann's Muse? Empfindet Ihr den Charakter als zwiespältig oder geradlinig? Ist sie Rettung oder Unglück? Liebevoll oder tyrannisch?


    Bin gespannt,


    Knuspi

  • Hoffmanns Erzählungen ist eine "Phantastische Oper".
    Das Libretto von Jules Barbier bietet meiner Meinung nach
    keinen psychologischen Tiefgang.Hoffmanns Adlatus Niklaus
    verwandelt sich am Ende der Oper in die Muse,
    so, wie sich auch die Geliebten Hoffmanns oder die Gegen=
    spieler in jedem Bild verwandeln.Man könte vielleicht noch sagen, Die Muse
    erscheint Hoffmann im Alkoholrausch im Delirium.Aber eigentlich
    ist ja der ganze Inhalt märchenhaft unwahrscheinlich, und nur
    ein Vorwand für die herrliche Musik Offenbachs.


    (Die Werke E.T.A.Hoffmanns sind natürlich von anderem
    Kaliber, als das Libretto der Oper.)


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert,


    ich denke auch, dass das märchenhaft, phantastische, das groteske und die die Gothic-elemente in einer Inszenierung betont werden sollten. Aber könnte die Muse nicht einfach auch ein junges Mädchen sein, dass den Dichter inspiriert?


    LG,


    Knuspi

  • Hallo Knuspi,


    natürlich könnte die Muse en junges Mädchen sein, das


    den Dichter inspiriert, aber sie ist es nicht.


    Eigentlich ist dei Figur der Muse in Hoffmanns Erzählungen


    ziemlich überflüssig. Ich meine, gelesen zu haben, daß


    sie von Offenbach garnicht vorgesehen war, und


    später eingefügt wurde.



    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert,


    für mich ist die ganz und gar nicht unwichtig. Huch, das hätte ich echt nie so gesehen. Ich halte sie für den Drahtzieher der Geschichte, sehe sie manchmal als direkte Verbündete der Bösewichte.


    :hello:
    Knuspi

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  • Für mich ist Hoffmanns eifersüchtige und besitzergreifende Muse schlicht und ergreifend (so wie beim realen E.T.A. Hoffmann auch) der Alkohol selbst, der in Gestalt einer Frau dem Weinfass entsteigt (Prolog). Hoffmann wendet sich enttäuscht von den Frauen (und der Liebe) ab, weil diese seinen überhohen, idealisierten Erwartungen nicht entsprechen, und wirft sich in seiner Verzweiflung dem Alkoholismus in die Arme, der fortan seine Inspiration sein soll. Eben Triebverzicht und Sublimation, das romantische Künstlerbild.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo,


    zufällig war ich gerade am letzten Samstag in einer Vorstellung von Hoffmanns Erzählungen an der Staatsoper Hannover. Im Programmheft ist auch ein Artikel von Egon Voss („Alkohol und Sublimierung“) enthalten, der wirklich genau zu der Rolle der Muse in dieser Oper Stellung bezieht:


    Zitat

    Oesers Neuausgabe zeigt sie [die Geister des Weines] als Verbündete der Muse, die eifersüchtig darüber wacht, dass Hoffmann kein anderes Glück findet als das des poetischen Ausdrucks seiner Schmerzen. Die Muse liebt Hoffmann, wie sie sagt, und sie sieht sich als Rivalin Stellas, jener Frau, der Hoffmanns Liebe und Sehnsucht gilt. Die gesamte Handlung ist nichts anderes als der Kampf der Muse um Hoffmann, und die Beziehung, um die es in der Auseinandersetzung geht, ist ganz und gar erotischer Natur. Vermittelt werden soll die Vorstellung, dass der Bezug zur Kunst ein erotischer sei und dass demzufolge eine Liebesbeziehung zu einem anderen Menschen – und sei sie noch so gewöhnlich – daneben keinen Platz hat. Würde die Muse unterliegen und Hoffmanns Liebe zu Stella Erfüllung finden, so bedeutete es – nach dieser Vorstellung – das Ende von Hoffmanns Dichtertum.


    Nach dieser Auffassung ist die Muse also auch diejenige, die in der Oper die Fäden in der Hand hat, also die Personifikation dessen, was Giselher als das romantische Künstlerbild beschrieben hat. Die Muse bewahrt Hoffmann, unterstützt von dessen Alkoholismus, vor der sinnlichen Liebe. Folgt man dieser Ansicht, wäre sie eine zentrale Figur des Geschehens, um den Widerstreit zwischen Sinnlichkeit und Intellekt zu verdeutlichen.


    Interessanterweise habe ich in der Hannoveraner Inszenierung von Elmar Fulda nicht allzu viel von dieser angeblich so wichtigen Rolle der Muse erkennen können. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Muse von der Regie als aktive kämpferische Frau dargestellt wurde, sondern eher ein Anhängsel zu Hoffmann, das dessen Liebesabenteuer immer mit einem Kopfschütteln begleitete. Aber vielleicht habe ich auch wieder nur nicht alles verstanden.


    Ich zögere noch ein wenig damit, mir die oben zitierte Ansicht zu Eigen zu machen. Welche Rolle der Muse zukommt, scheint mir tatsächlich sehr davon abzuhängen, welche Fassung der Oper man zugrunde legt. In der Guiraud-Fassung, die vor Oesers quellenkritischer Ausgabe vorherrschte, war die Muse wohl tatsächlich nur eine Randfigur des Geschehens, während sie nach der Neuausgabe gerade im ersten und im letzten Akt eine Aufwertung erfahren hat. Welchen Einfluss die heute wohl meistgespielte Kaye-Fassung auf die Rolle der Muse hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Das Ganze erscheint mir, gerade wegen der unsicheren Quellenlage, ein wirklich schwieriges Thema. Ich mag Hoffmanns Erzählungen sehr, nicht nur wegen der Musik sondern wahrscheinlich auch gerade weil sie vom Komponisten so verrätselt und unfertig hinterlassen wurde.

    Einmal editiert, zuletzt von Zauberton ()

  • Was ich weiß, ist in der Kaye-Fassung zwar nicht die Muse, aber Niklaus noch weiter aufgewertet, und Niklaus ist die Muse, die sich nur als Freund verkleidet - und gibt! -, um Hoffmann beständig nahe sein zu können - und um ihn zu überwachen, selbstredend.
    Für mich ist die Muse eine Person, kein Symbol - immerhin sind wir in einer phantastisch-surrealistischen Oper - und hat einen eigenständigen Charakter. Und sie ist eine wesentliche Figur des Werkes - die wesentliche! Denn die Handlung ist das Drama zwischen Muse und Hoffmann (von mir aus auch eine Dreiecksbeziehung Muse - Hoffmann - Stella)! Sie ist eifersüchtig und sabotiert alle Beziehungen Hoffmanns (wozu sie Alkohol und/oder diverse Bösewichte verwendet)! Deshalb ist sie durchaus als kämpferische Frau darzustellen und nicht nur netter Trost im Schlussakt. Wenn ich Regie führte, ließe ich sie sogar, um das noch zusätzlich zu unterstreichen, die Partie der Mutter Antonias singen (außerdem spart das eine Sängerin :P). Als Biest würde ich sie aber dennoch nicht bezeichnen, nur als liebende surreale Frau.


    So betrachtet, ist "Hoffmanns Erzählungen" eine der wenigen Opern, bei denen die Mezzosopranistin 1.) die Sopranistin erfolgreich ausschaltet und 2.) den Tenor plangemäß tatsächlich bekommt. :D


    Ich finde diese Charakterporträt-Threads übrigens sehr interessant und schön zu diskutieren! =)

  • Hallo Herbert,


    leider verstehe ich nicht ganz, was du meinst.


    Die Musik der Oper stammt selbstverständlich von Offenbach. Allerdings starb dieser ja über der Komposition des Giulietta-Akts, von dem er ebenso wie von dem letzten Akt nur Fragmente hinterlassen hat. Das hat doch gerade dazu geführt, dass die verschiedenen Versionen der Oper existieren. Alle sind ja nur ein Versuch der Annäherung an das, was Offenbach gewollt haben könnte, wenn er die Gelegenheit zur Vollendung des Werks gehabt hätte. Dass bei verschiedenen Fassungen einer Oper auch die handelnden Personen ein anderes Gewicht bekommen können, steht für mich außer Frage.

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  • Die Muse muss in der Kaye-Edition singen, schon im ersten Akt. Auch Stella muss singen.
    Nach dem, was ich im Internet so gefunden habe, war die Muse als Mezzosopranpartie komponiert und ihr Gesangspart ist als solcher in Offenbachs Autograph enthalten. Erst für die Uraufführung wurden die entsprechenden Musiknummern entgegen den Intentionen Offenbachs gestrichen.


    (Ich zitiere: "Neither of the traditional versions followed Offenbach's original intentions, which were altered by Léon Carvalho, the director of the Opéra Comique, right up to the evening of the first performance. The double role of the Muse/Nicklausse written for one mezzo-soprano was assigned to two performers: an actress, who spoke the part of the Muse, and a singer as Nicklausse. That resulted in the loss of three important arias, a trio and a duet (all restored in Kaye's edition, with the authentic orchestrations)." [http://www.r-ds.com/opera/hoffmann/kaye_edition.htm])

  • Hallo Zauberton,


    Ich will damit sagen, daß die Muse, wenn sie denn in der


    Oper unbedingt auftreten muß, weil der Regisseur


    es möchte, eine Sprechrolle ist.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo Herbert,


    heißt das, dass du die Rolle der Muse für ganz entbehrlich hältst?


    Das Problem ist meines Erachtens, dass die genauen Intentionen des Komponisten nicht ganz klar sind. Die Kaye-Fassung enthält daher auch Material von Offenbach, das dieser möglicherweise wieder verworfen hätte. Die Alternative zu der Vielfalt der Fassungen wäre doch, die Oper als Torso stehen zu lassen und sie irgendwo im Giulietta-Akt abzubrechen, ähnlich wie das auch bei Turandot praktiziert wird. Ich bin da nicht so puristisch. Mir ist die dramatische Geschlossenheit lieber. Daher habe ich auch kein Problem mit der Spiegelarie, die ja erwiesenermaßen nicht aus Offenbachs Feder stammt.

  • Zitat

    Original von Philhellene
    Was ich weiß, ist in der Kaye-Fassung zwar nicht die Muse, aber Niklaus noch weiter aufgewertet, und Niklaus ist die Muse, die sich nur als Freund verkleidet - und gibt! -, um Hoffmann beständig nahe sein zu können - und um ihn zu überwachen, selbstredend.
    Für mich ist die Muse eine Person, kein Symbol - immerhin sind wir in einer phantastisch-surrealistischen Oper - und hat einen eigenständigen Charakter. Und sie ist eine wesentliche Figur des Werkes - die wesentliche! Denn die Handlung ist das Drama zwischen Muse und Hoffmann (von mir aus auch eine Dreiecksbeziehung Muse - Hoffmann - Stella)! Sie ist eifersüchtig und sabotiert alle Beziehungen Hoffmanns (wozu sie Alkohol und/oder diverse Bösewichte verwendet)! Deshalb ist sie durchaus als kämpferische Frau darzustellen und nicht nur netter Trost im Schlussakt. Wenn ich Regie führte, ließe ich sie sogar, um das noch zusätzlich zu unterstreichen, die Partie der Mutter Antonias singen (außerdem spart das eine Sängerin :P). Als Biest würde ich sie aber dennoch nicht bezeichnen, nur als liebende surreale Frau.


    So betrachtet, ist "Hoffmanns Erzählungen" eine der wenigen Opern, bei denen die Mezzosopranistin 1.) die Sopranistin erfolgreich ausschaltet und 2.) den Tenor plangemäß tatsächlich bekommt. :D


    Ich finde diese Charakterporträt-Threads übrigens sehr interessant und schön zu diskutieren! =)


    So sähe ich es gerne einmal inszeniert, denn rein gefühlsmäßig sehe ich Niklas/Muse auch in dieser Rolle. Obwohl mich die Münchner Interpretation vor vielen Jahren schon auch überzeugt hat, wo sich Hoffmann am Schluss zunächst aus Ekel und Verzweiflung dem Alkohol ergibt und dann von der Muse quasi aus der Gosse gerettet wird, indem sie ihm seine wahre Geliebte, die Dichtkunst zeigt, ganz im Sinne von Goethes Torquato Tasso: "Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott, zu sagen, wie ich leide" Die Poesie als Kompensation für das pralle Leben, glücklich macht einen dieser Schluss nicht, und ich würde dem armen Hoffmann auch eine Muse aus Fleisch und Blut gönnen, so wie sie Martin vorschwebt. :]
    lg Severina :hello:

  • Ich muß mich entschuldigen.Für mich ist eine Oper ein Gesangswerk,
    und kein psychologisches Rätselspiel.Den Schluß der Oper sehe ich
    so: Stella und Lindorf erscheinen nach der Oper Don Giovanni
    in Lutters Weinkeller. Hoffmann ist volltrunken, Stella wendet
    sich angewidert ab, und verläßt am Arme Lindorfs die Szene.
    Danach der Schlußchor und Ende der Oper, ohne die pathetische
    Anssprache einer Muse mit Violin-Solo-Begleitung.
    Das ist natürlich meine völlig subjektive Auffassung.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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  • Hallo Sevi,Zauberton, Herbert und Philhelene,


    ein Tipp:


    In der - meines Erachtens - wirklich guten Salzburger Festspiel-Aufführung verwischten die Grenzen zwischen Realität und Phantasie:


    Hoffmann saß die ganze Zeit seitlich und schrieb, was das Zeug hielt. Zwischendurch trank er und spritzte sich Drogen, nahm am geschehen teil.


    Kann einen die Muse auch verlassen nach so vielen Exzessen? Es gibt genügend Künstler, die weder mit dem Leben, der Lieb' noch mit der Kunst zurecht kamen, die gebrochen wurden, im Wahnsinn endeten, einsam verdarben und starben.


    Die Salzburger Aufführung bringt das sehr gut rüber. Am Ende hat Hoffmann alles verspielt, die Muse verlässt ihn - ist zwar nicht librettogetreu, aber nachvollziehbar.


    LG,


    Knuspi


  • Ich sehe das ein bisschen anders (außerdem interpretiere ich so gerne ;) ), aber es ist natürlich auch nur meine subjektive Auffassung:


    In der "gängigen" Fassung kann man meiner Meinung nach diese Oper nur als Gesangswerk, gewissermaßen konzertant genießen. Im Unterschied zu Alfred, der immer betont, dass Offenbach jede bühnenwirksame Fassung Recht gewesen wäre (was wahrscheinlich stimmt), empfinde ich die konventionelle Fassung als keineswegs bühnenwirksam, sondern, mit Ausnahme des Antonia-Aktes, als ziemlich langweilig. Es gibt überhaupt keinen Grund für die kurze Rahmenhandlung, der Olympia-Akt - nun ja, recht witzig, eine hübsche Koloraturarie, aber nicht umwerfend - und die Giulietta-Episode ist tatsächlich nichts weiter als eine Episode, die völlig uninteressant ist, außerdem viel zu kurz im Vergleich mit den anderen Akten. Es ist dramaturgisch gesehen ein Stückwerk.
    Und wenn man den Auftritt mit Couplet der Muse nun aus dem ersten Akt herausgestrichen hat und auch die Arien des Niklaus in den anderen Akten - dann gibt es tatsächlich, wie du sagst, keinen Grund, die Muse im letzten Akt ein Melodram sprechen zu lassen. Dann ist es tatsächlich besser, die sowieso irgendwie "verbaute" Oper möglichst rasch enden zu lassen.


    Sinn ergibt das Ganze nun imo durch eine Aufwertung der Gestalt der Muse und des Niklaus. Denn eigentlich hat in der konventionellen Fassung auch letzterer dramaturgisch gesehen keine Funktion und keine Daseinsberechtigung, bleibt extrem blass - wenn er nicht da wäre, änderte das an der Handlung überhaupt nichts.
    Wenn nun aber die Muse schon zu Beginn der Oper gewissermaßen ihre Eifersucht offenlegt, wenn die Dreiecksbeziehung Muse-Hoffmann-Stella die Haupthandlung darstellt - dann ist die Dramaturgie sinnvoll. Dann ist die Oper allerdings formal sehr modern - man könnte einwenden, eine so moderne Oper hätte Offenbach nie im Sinn gehabt, aber wir kennen Offenbachs Meinung ja nicht und ihn auf einen spaßigen Schöpfer unterhaltsamer Operetten zu reduzieren, greift sicher zu kurz. Dann beleuchten die drei Erzählungen unterschiedliche Aspekte der selben Dreiecksbeziehung, die im letzten Akt aufgelöst wird, und beleuchten auch die Charaktere von Hoffmann, der Muse, und Stella näher. Deshalb ist es auch dringend notwendig, die vier Geliebtenrollen von einer Sopranistin singen zu lassen. (Nach dem neu aufgetauchten Material stellt auch die Partie der Giulietta Koloraturanforderungen!)


    LG
    Martin

  • Aus meiner Sicht sind die Muse und Nikolaus - (in manchen Fassungen dieselbe Figur) relativ unbeeutend. Sie sind der "Kitt" der drei Logik dort unterstreichen soll, wo gar keine ist. Die Oper ist Stückwerk - und wurde durch eine Rahmenhandlung relativ gut zu einem Ganzen vereint.


    Wie denn nun die Oper spiele ? Offenbach war - es wurd schon erwähnt - ein Theatermann ohne Skrupel - mit Hang zum Plakativen.


    Daher ist(ausnahmsweise) erlaubt was gefällt. Selbst das einschieben von Arien die nicht vom Komponisten stammen ist an der oper seit Jahrhunderten gängige Theaterpraxis.


    Trotz aller Einwände schätze ich die Oper sehr - nicht nur der Musik wegen - sondern auch wegen ihrer Bühnenwirksamkeit . und der Möglichkeit toll auszustatten. Das Physikalische Kabinett des Spanzanii - da kann man was draus machen.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Obwohl ich bekennender Wagnerianer bin, stehe ich nicht an, zuzugeben, dass Hoffmanns eine meiner Lieblingsopern ist.


    Zum Thema:


    Die Muse ist letztlich was ihre konkrete Gestalt angeht austauschbar: Jeder hat seine andere Muse. Beim einen mag's eine Frau sein, beim andren eine Meditation - beim Künstler von mir aus auch Alk oder eine andere Droge.


    Was die Muse in einer Inszenierung (mein Geschmack!) sein sollte: Hoffmanns Zugang zu einer von den materiellen Werten befreiten Welt der uneingeschränkten Phantasie, der Heimat jeden Dichters.


    BTW
    Gibt es eigentlich schon einen thread über die interessante Frage, ob die Frauenrollen in den Erzählungen von einer Sängerin (ich bitte die Con-Wagnerianer darum, da wenig Zeit, evtl. auch mal ein solches Thema zu Elisabeth/ Venus zu eröffnen!) Sängerin gesungen werden sollte/kann?

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Lieber Alfred,
    das ist die Oper, wo ich auch Experimente in der Inszenierung noch gut verstehe, da ja - aller Forschung zum Trotz - niemand nix weiß.
    Eine komische Sache ist, dass dann ausgerechnet bei diesem Werk, das dem Regisseur aus den bekannten Gründen ja viele Freiheiten lässt, die Video Aufnahme der "Opernsammlung" - identisch mit der Aufnahme bei ARTHAUS -
    von einer "Oper nach Offenbach" spricht. Nach wem war dann die Salzburger Traviata?

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

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  • Alle Versuche, Hoffmanns Erzählungen zu erklären, sind aus meiner Perspektive schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil der Reiz dieser Oper gerade im Unerklärlichen liegt. Auf keine andere Oper, die ich kenne, passt die Bezeichnung „opéra fantastique“ so gut wie auf Hoffmanns Erzählungen. Die Oper ist Fragment geblieben ist und daher ist tatsächlich Phantasie erforderlich, sie als ein aufführungsfähiges Gesamtwerk zu präsentieren. Ich will mich deswegen auch nicht festlegen, welche Rolle die Muse spielt. Ob sie die große Gegenspielerin von Stella ist, ein Symbol für das romantische Künstlertum oder den Alkohol oder ob die Metaebene ganz fehlt, ist mir nicht so sehr wichtig. Ich bin deshalb auch der Ansicht, dass alle Fassungen, Oeser, Kaye etc., gleichberechtigt nebeneinander stehen. Nicht nur die großartige Musik, sondern gerade auch die Spekulation, was Offenbach gemeint haben könnte, macht dieses Stückwerk von drei Akten mit einer Rahmenhandlung doch auch für die Bühne interessant. Ich lasse mich da bei jeder Aufführung neu überraschen.

  • Es ist ja auch meine Sicht der Oper letztlich nicht Erklärung; sie bleibt surrealistisch, man könnte sie tatsächlich "opera metafisica" nennen. Aber ich könnte an einem Stückwerk nicht Gefallen finden; auch wenn einige anderer Meinung sind: für mich ist ein Stückwerk nicht bühnenwirksam - denn was macht die Bühnenwirksamkeit aus? Die Dramaturgie! Und bei einem Stückwerk ist die nämliche nicht vorhanden.


    Ich kann auch Alfreds Ansicht nicht teilen, dieses Stückwerk wäre durch die Rahmenhandlung relativ gut zu einem Ganzen vereinigt - im Gegenteil! In der herkömmlichen Fassung finde ich die Rahmenhandlung ganz und gar entbehrlich und würde lediglich die drei Mittelakte spielen - das "Trittico" braucht schließlich auch keine Rahmenhandlung!


    Und der Grund, warum bei dieser Oper erlaubt sei, was gefällt, während das sonst nicht der Fall ist, ist mir auch nicht ganz einleuchtend. Nur weil sie nicht vollständig instrumentiert wurde und nach dem Tod Offenbachs noch erheblich in die Struktur des Gesamtwerkes eingegriffen worden ist? Dann wäre doch bei Bruckners Neunter auch alles erlaubt gewesen... :D
    Nein, im Ernst: Wieso gilt für diese Oper nicht, was sonst für Fragmente oder fragmentierte Werke gilt?