Berliner Operette

  • Hallo!!


    Wenn hier im Forum und nicht nur hier über Operette gesprochen wird, wird meist nur über Lehar, Strauß, Kalman, Zeller uä gesprochen.


    Völlig außer Acht gelassen wird die Berliner Operette mit den Hauptvertretern Künnecke und Lincke und Abraham (?)!


    Ich selbst muss gestehen, dass ich selbst nur Ausschnitte kenne, die mir aber ganz gut gefallen.


    Dieser Thread ist der Berliner Operette gewidmet, hoffentlich gibt es hierzu Experten und Liebhaber.


    Ich werde mein bescheidenes Wissen hier und jetzt mal kundtun.


    Interpreten der Berliner Operetten, die man beachten sollte,sind:
    Rudolf Schock (Ich bin nur ein einsamer Wandrergesell)
    Anneliese Rothenberger (Künstlerball bei Kroll) aus Künneckes Lockende Flamme
    Hermann Prey
    Alfons Fügel, den man auch bei der Wiener Operette beachten muss. Er wurde dort ja nie genannt, darum der Hinweis!


    Hier eine CD- Empfehlung:
    Der Vetter aus Dingsda (nur ein Querschnitt)



    Eine Empfehlung wegen des Künstlerball bei Kroll! Eine sehr komische Nummer!!


    Hoffe der Thread wird fortgeführt!!


    LG joschi

  • Hallo Joschi,


    die Berliner Operette ist ein tolles Thema!!


    Sie steht immer ein bissel zu Unrecht im Schatten der "Klassischen Wiener Operette" von Strauß, Millöcker, Suppé, Lehár & Co.


    Für mich zeichnet sie sich vor allem dadurch aus, dass sie - im Vergleich zur österreichischen Gattungs-Schwester - weitaus weniger walzerselig daherkommt (nichts gegen Walzer, aber es geht ja auch mal ohne :] ), sondern häufig flotte Tanzrhythmen integriert, die damals gerade en vogue waren.


    Ihre "Hoch-Zeit" hatte sie grob geschätzt in den ersten 30 Jahren des 20. Jahrhunderts.


    Ich mag auch ihre oft frechen Figuren, die mit echter "Berliner Schnauze" in die weite Welt hinausziehen und dort Abenteuer erleben :D


    Sehr populär sind z. B. die Abenteuer einiger Berliner "Sommerfrischler" am schönen Wolfgangsee im Salzkammergut: "Im weißen Rössl" von Ralph Benatzky (1884-1957) - ein Österreicher, der in den wilden Zwanzigern in Berlin tätig war.



    In Léon Jessels (1871-1942) Operette "Schwarzwaldmädel" hingegen reist man von Berlin in den ebenfalls sehr reizvollen Schwarzwald:




    Paul Linckes (1866-1946) Operette "Frau Luna", 1899 in Berlin uraufgeführt, gilt als Initialzündung für die Gattung der Berliner Operette, passenderweise stammt die heimliche "Berliner Nationalhymne", das Lied von der "Berliner Luft, Luft, Luft" aus diesem Werk.


    Ich habe leider keine Gesamtaufnahme dieses Werks finden können, besitze aber eine schöne Aufnahme mit prominenten Berliner Schauspielern und Sängern, wie Edith Hancke, Bully Buhlan und Harald Juhnke, die evtl. mal wieder in irgendeinem Katalog in Neuauflage auftauchen könnte...


    Hier eine Auswahl-CD mit weiteren Werken Linckes:




    Sehr exotisch auch Paul Abrahams (1892-1960) Klassiker "Viktoria und ihr Husar" und "Blume von Hawaii"



    Abraham war Ungar, ihn zog es Anfang der 1930er Jahre aber nach Berlin.


    Oder der Österreicher Fred Raymond (1900-1954), dessen berühmteste Operette "Maske in Blau" 1937 ebenfalls in Berlin uraufgeführt wurde:



    Dieses Stück wiederum spielt u. a. in San Remo und Argentinien und enthält ebenfalls ein ganzes Bündel unwiderstehlich-flotter Nummern! :jubel:


    Ich komme gerade ins Schwärmen... :D


    Meine vier Berliner Operetten-Favoriten sind jedenfalls:


    Künneke "Der Vetter aus Dingsda" :jubel::jubel::jubel::jubel:


    Raymond "Maske in Blau" :jubel::jubel::jubel:


    Benatzky "Im weißen Rössl" :jubel::jubel:


    Lincke "Frau Luna" :jubel:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Liebe Operettenfreundinnen und Freunde,


    "Verführt" von Marc, habe auch ich mich mit einigen, genauer drei, Berliner Operetten vertraut gemacht.


    Zitat

    original Marc Für mich zeichnet sie sich vor allem dadurch aus, dass sie - im Vergleich zur österreichischen Gattungs-Schwester - weitaus weniger walzerselig daherkommt (nichts gegen Walzer, aber es geht ja auch mal ohne ), sondern häufig flotte Tanzrhythmen integriert, die damals gerade en vogue waren.


    Dieser Meinung schließe ich mich an.


    Nichtsdestotrotz sind die Berliner Operetten, im Gegensatz zu den Wiener Operetten, meiner Meinung nach, gerade noch unter der Bezeichnung klassische Musik einzuordnen.
    Begründen möchte ich dies mit den zum Teil hervorragenden aber eben eher schlagermäßigen sogenannten Gassenhauern. Zum Beispiel die zu Ohr gehenden "Schau einer schönen Frau nie zu tief in die Augen", "Was kann der Siegesmund dafür das er so schön ist" oder auch "Ja das Temp´rament".


    Da man darüber aber bis zum Abwinken streiten könnte, bitte ich diese, meine Meinung, nur als mein persönliches Empfinden anzusehen.


    Schön sind die Berliner Operetten allemal.


    zur "Maske in Blau"


    Leider konnte auch ich nur die von Marc bereits vorgestellte Einspielung bekommen. Eine Gesamtaufnahme ist anscheinend nicht auf dem Markt.


    Die sängerischen Leistungen sind großartig. Dafür sorgen die fantastische Margit Schramm, Marika Rökk und natürlich zweifelsohne Rudolf Schock. Gerade durch ihn und Margit Schramm wird der Bezug zum wirklich klassischem Gesang gewahrt. Ein herausbrüllen eines Gassenhauers bleibt dem Zuhörer zum Glück erspart.




    "Der Vetter aus Dingsda"


    Als frech, witzig und beschwingt würde ich diese Operette (leider wieder nur ein Querschnitt) in einem Satz bezeichnen.


    Mit Renate Holm hat neben Rudolf Schock diese Einspielung an Sängern ein Aufgebot, das keine Wünsche übrig lässt. Ihr klarer aber keinesfalls kalter Sopran ist überragend.
    Ich möchte die sängerischen Leistungen von Ursula Schirrmacher und Karl-Ernst Mercker aber auf keinen Fall unterschlagen. Ihr Duett "Ich hab´an sie nur stets gedacht - Mann, o Mann" ist perfekt berlinerisch, eben frech und witzig.




    "Im weisse Rössl"


    Diese Einspielung ist erfreulicherweise eine Gesamteinspielung. Ohne die Dialoge, würde hier wirklich etwas fehlen.


    Neben den schon genannten "Gassenhauern" hat diese Operette viel Charme zu bieten. Besonders gefällt mir Peter Minich als Leopold. Mit dem Schmelz in der Stimme, (ohne das diese kitschig wirkt) nimmt man ihm den liebeskranken Verehrer seiner Chefin sofort ab.


    Obwohl das weisse Rössl als Singspiel bezeichnet wird, ist es meiner Meinung nach ein unverzichtbarer Teil der Berliner Operette.


    Während der nationalsozialischen Zeit in Deutschland wurde das Werk wegen der jüdischen Mitautoren verboten.


    Bei wikipedia ist zu lesen:


    Das Werk wurde in einer Musiktheater-Enzyklopädie als "Frühform des deutschen Musicals, revueartig arrangierte Kombination aus Wiener Sentimentalität, alpenländischem Kolorit mit entsprechender Hemdsärmeligkeit und Berliner Schwank" gewertet.



    Zusammenfassend kann ich nur jeden Operettenfreund/in zur Berliner Operette raten und bedanke mich bei Marc und bei Joschi für die guten Empfehlungen.


    Liebe Grüsse


    Maggie

  • Hallo,


    wie bereits in Wien, wird auch in Berlin das mittlere Stimmfach ( Mezzo / Bariton ) in der Operette recht stiefmütterlich bedacht. Immerhin war Paul Lincke so nett, Leuten wie mir ( Bariton aus Berlin ) einen wunderschönen, unsterblichen Hit in die Kehle zu schreiben : " Es war einmal " ( Wenn auch die Jahre enteilen... ). Die Operette heißt " Im Reiche des Indra ".
    Ick danke dir, Paule !


    Ciao. Gioachino

    MiniMiniDIFIDI

  • Gehört hierher auch der "Schwarze Peter" von Norbert Schultze? Ich kenne nur das sagenhaft schmalzige Duett "Ach, ich hab in meinem Herzen da drinnen" :D

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Draugur
    Gehört hierher auch der "Schwarze Peter" von Norbert Schultze? Ich kenne nur das sagenhaft schmalzige Duett "Ach, ich hab in meinem Herzen da drinnen" :D


    Hallo Draugur,
    das ist kein Duett, sondern Tenor mit Kinderchor, bekannt auch beliebt mit Rudolf Schock.


    Liebe Grüsse

  • Ich kenne diese Version mit Rudolf Schock und den "Schaumburger Märchensängern" (das ist so abgefahren8o), aber ich bin sicher, dass es in der Originalversion aus besagter Operette ein Duett ist.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Liebe Operettenfreunde,


    unter "Berliner" Operette scheint man fast alles an deutscher Operette zu verstehen, was nicht explizit in Wien komponiert oder uraufgeführt wurde. Mir soll es Recht sein, denn eine weitere Zersplitterung dieser Gattung, die eigentlich nur aus Paul Lincke, den Kollos, W.W. Goetze und ein paar heute fast schon wieder Vergessenen wie Walter Bromme und Hugo Hirsch besteht, wäre sicher nicht hilfreich.


    Man sollte aber bedenken, dass fast alle in dieser Gruppe herausragende Komponisten keine Berliner waren oder sein wollten. Das gilt für den Wiener Fred Raymond, der meist in Berlin uraufgeführt wurde, nicht weniger als für Eduard Künneke, der erklärter Rheinländer war, und erst recht für Paul (eig. Pál) Abraham, der ebenso Ungar war wie Emmerich Kálmann und sogar Férenc Léhar, die im wesentlichen Wien verbunden blieben. Immerhin wurde Abraham für wenige Jahre Wahlberliner, was er bitter bereute, als die Nazis ihn vertrieben und ihm ein furchtbares Leben bescherten.


    Ohne hier großdeutsch erscheinen oder selige K.u.K. - Zeiten heraufbeschwören zu wollen, erscheint es mir sinnvoller, von einem deutschen Ableger der Wiener Operette zu sprechen, in dem sich deutschsprachige Komponisten aus den verschiedensten Regionen versammelten, und der nicht weniger von der - in der Tat vorwiegend Berliner - Filmoperette geprägt wurde, als umgekehrt die Operette den frühen deutschen Tonfilm beeinflusste, bevor sie alle nur noch von der Kultusbürokratie der Nazis gesagt bekamen, was sie zu tun und wie sie zu sein hatten.


    Insofern hat Maggie durchaus Recht, wenn sie von einer schlagergeprägten Operette spricht, denn im Gegensatz zur Wiener Operette kennt heute kaum jemand mehr die Handlungen dieser Operetten, dafür aber noch viele Hits, die hauptsächlich durch Rundfunk und Film bekannt wurden. Man kann also mit einer gewissen Berechtigung davon sprechen, dass die Wiener Operette, ebenso wie die französische, noch im Musiktheater wurzelt und diese Tradition bewahrt hat, während die sog. Berliner Operette zu schnell von den Medien absorbiert wurde um anhaltende Eigenständigkeit erlangen und bewahren zu können.


    Beispielhaft ist da die Biographie von Paul Abraham, die ich mal (gekürzt) aus meinem Buchprojekt zitiere:
    "
    Abraham Paul
    Ursprünglich Pál Ábráhám *2. 11.1892 Apatin, Ungarn † 6.5.1960 Hamburg.


    Seine kurze Erfolgskarriere verdankte Abraham einer geschickten Verbindung von großer Operette und eingängigem Schlager, mit der er den eskapistischen Publikumsgeschmack seiner Zeit traf. Wie bei vielen seiner jüdischen Zeitgenossen im übrigen Europa ist sein Gesamtwerk nicht unabhängig von seinem politischen Umfeld zu beurteilen, da es durch die tragischen Konsequenzen seiner Verfolgung stark beeinträchtigt wurde.


    Seine Karriere als Operettenkomponist begann Abraham erst mit 36 Jahren. Zuvor hatte er von 1910 bis 1916 in Budapest Musik studiert und einige Instrumentalwerke geschaffen. Seine Begabung für die Operette entdeckte er als Kapellmeister am Budapester Operettentheater, für das er 1928 sein erstes Bühnenwerk „Zenebona“ schrieb. Der überragende Erfolg seiner Operette „Viktoria und ihr Husar“ machte ihn auch in Deutschland populär, nachdem deren deutsche Fassung 1930 in Leipzig uraufgeführt worden war. Abraham zog daraufhin nach Berlin und konnte nur ein Jahr nach seinem ersten Großerfolg den nächsten feiern: „Die Blume von Hawaii“ (1931). Im gleichen Jahr schrieb er die Gesangsnummern für die Filmkomödie „Die Privatsekretärin“, denen weitere Filmmusiken folgten.


    Ende 1932 reüssierte er noch einmal mit „Ball im Savoy“. Diese Operette offenbarte jedoch schon Anzeichen nachlassender Inspiration und brachte mit „Es ist so schön am Abend bummeln zu gehn“ nur einen nachhaltigen Erfolgstitel hervor. 1933 reduzierte sich die Zahl der Aufführungen von Abrahams „Blume von Hawaii von 1725 in der Spielzeit 1932 auf 8, denn seine Operetten wurden als „Niggermusik“ verboten, und Abraham floh nach Wien, später nach Budapest. In beiden Städten schrieb er noch einige Operetten und Filmmusiken, die aber rasch vergessen wurden. Bei Kriegsausbruch floh Abraham über Paris und Kuba in die USA, wo er jedoch nicht Fuß fassen konnte. Schließlich musste er seinen Lebensunterhalt als Barpianist verdienen, bis 1946 eine von seinem Elend ausgelöste geistige Verwirrung seine Einweisung in eine Heilanstalt erzwang. 1956 wurde er auf Betreiben zahlreicher Anhänger seines Werks nach Deutschland zurück geholt. Dort lebte er in weitgehender Umnachtung bei seiner Frau in Hamburg, wo er vier Jahre später starb.


    Seine Hauptwerke wurden in den 50er Jahren im Stil der damals beliebten Schlagerparaden neu verfilmt. 1978 versuchte man in Salzburg eine Wiederbelebung in Form eines Pastiches aus seinen frühen ungarischen Operetten „Zenebona“, „Der Gatte des Fräuleins“ und „Es geschehen noch Wunder", hatte aber wenig Erfolg damit.


    Abrahams erklärtes Vorbild war Franz Lehàr, dem er auch in seiner Vorliebe für exotische Schauplätze nacheiferte. „Viktoria und ihr Husar“ spielt in Russland, Japan und Ungarn und wirkt auch musikalisch wie ein hurtiger Streifzug durch Lehárs Spätwerk. Seine Beherrschung von Lokalkolorit („Honved Banda“) und Sentiment bewies er mit Nummern wie „Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“. Mit seiner Offenheit für die simplen Formen eingängiger Schlager ging er allerdings merklich über Lehàr hinaus und erschloss der Operette mit Nummern wie „Rote Orchideen“, „Meine Mama war aus Yokohama“ oder „Mausi, süß warst du heute Nacht“ zusätzliche Publikumskreise aus den Anhängern der Welt der Schlager und Revuen. Gleiches gilt für Abrahams zweites Erfolgswerk „Blume von Hawaii“, deren Schauplätze vom Fernen Osten in den noch ferneren Westen und das damals kaum weniger exotische Spielerparadies Monte Carlo wechselten. Die Musiknummern changierten erneut unbekümmert zwischen Lehàr und Schlager, haben sich aber bis heute als feste Bestandteile des Wunschkonzertrepertoires gehalten, etwa „Will dir die Welt zu Füßen legen“, „My Little Boy“ oder „Bin nur ein Johnny“. Abrahams geschickte Aneignung hawaiianischer Klänge in dem Titellied dieser Operette oder in „Du traumschöne Perle der Südsee“ erwies sich allerdings als so eingängig, dass sie eine Südseenostalgie auslöste, die sogar den Weltkrieg noch für geraume Zeit überdauerte. Seine europäisierte Adaption polynesischer Klänge erwies sich weltweit als derart populär, dass ihre Spuren selbst in Richard Rodgers Musical "South Pacific" noch hörbar sind.


    Die für meine Begriffe beste Aufnahme (leider auch nur Querschnitte) der beiden erfolgreichsten Operettennahm EMI 1964 auf. In der aktuell greifbaren Version hat sie zudem den Vorteil, auch noch einen Eindruck von Fred Raymonds "Maske in Blau" zu geben. Es spielt darin das Symphonie Orchester Graunke unter Leitung von Carl Michalski. Mitwirkende sind Sari Barabas, Sonja Knittel, Heinz Hoppe, Harry Friedauer, Jacqueline Boyer, Conny Froboess, Willy Hagara, Paul Kuhn, Rex Gildo, und Bill Ramsey. Die massive "Verschlagerung" der Einspielung ist zwar eher abträglich, weil sie das Werk zu stark auf den Zeitgeschmack der 50/60er Jahre eingrenzt, aber bei Abraham immerhin halbwegs gerechtfertigt, und die Beteiligten aus dem Schlagersektor, vor allem Jacqueline Boyer, machen ihre Sache exzellent.



    :hello: Rideamus (der sich natürlich das Copyright der o.a. biographischen Skizze vorbehält)

  • Hallo Rideamus,


    es stimmt schon - allzuviele Komponisten gibt es nicht, die zum Feld der "Berliner Operette" gehören und davon sind wohl auch noch die meisten Namen heute vergessen, wie Du schreibst.


    Die "Übermacht" der klassischen Wiener Operette ist natürlich unbestritten - es soll ja auch kein "Wettkampf" sein (obwohl man das damals in Berlin durchaus so gesehen haben könnte - die mussten sich damals ja ständig mit alles und jedem messen und am besten gleich übertrumpfen :] ).
    Bei den Wienern gibt es einfach mehr Werke & Komponisten, die auch heute noch zum festen Standard-Operettenrepertoire gehören (was in Bezug auf die Berliner Stücke schon ein bissel schade ist).


    Der Begriff "Berliner Operette" ist so gesehen also sicherlich vereinheitlichend (typisches, aber bequemes Schubladendenken eben :D ), drückt aber auch die kulturelle Übermacht Berlins zur damaligen Zeit (so Ende 19. Jahrhundert bis in die 1930er Jahre hinein) im Deutschen Reich aus - zumindest was den Bereich Unterhaltung, Revue, später auch den Film, anbetrifft.
    Diese Weltstadt lockte damals viele Künstler dieser Sparte von nah und fern an - eine ähnliche Funktion dürfte Wien in Österreich-Ungarn auch gehabt haben.


    So gesehen passt es ja dann auch, was Rideamus schrieb:


    Zitat


    Man sollte aber bedenken, dass fast alle in dieser Gruppe herausragende Komponisten keine Berliner waren oder sein wollten. Das gilt für den Wiener Fred Raymond, der meist in Berlin uraufgeführt wurde, nicht weniger als für Eduard Künneke, der erklärter Rheinländer war, und erst recht für Paul (eig. Pál) Abraham, der ebenso Ungar war wie Emmerich Kálmann und sogar Férenc Léhar, die im wesentlichen Wien verbunden blieben. Immerhin wurde Abraham für wenige Jahre Wahlberliner, was er bitter bereute, als die Nazis ihn vertrieben und ihm ein furchtbares Leben bescherten.


    ... genau das ist der Punkt: Die Stadt Berlin zog viele Leute an, die hier den besten Ort für ihr Metier sahen, ob es ihnen da nun gefiel oder nicht. Aber hier fanden sie die idealen Bedingungen für ihre Werke: Ensembles, Theater und Publikum.
    Daher sehe ich auch die Werke eines Ungarn wie Abraham, eines Wieners wie Raymond, usw. ohne weiteres in der Tradition der "Berliner Operette" - viele ihrer Werke hatten dort Premiere, bzw. waren dort erfolgreich und waren oft auf die Verhältnisse vor Ort optimal angepasst.
    Daher scheint mir der Begriff "Berliner Operette" kein Widerspruch zu sein, auch wenn die wenigsten ihrer Protagonisten Berliner waren oder sein wollten :]


    Die Wiener Klassiker waren schließlich auch allesamt keine gebürtigen Wiener... ;)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

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  • Zitat

    Original von MarcCologne


    Daher scheint mir der Begriff "Berliner Operette" kein Widerspruch zu sein, auch wenn die wenigsten ihrer Protagonisten Berliner waren oder sein wollten :]


    Die Wiener Klassiker waren schließlich auch allesamt keine gebürtigen Wiener... ;)


    ALLESAMT? Johann Strauß, Carl Millöcker und Carl Michael Ziehrer waren alle gebürtige Wiener, um nur drei zu nennen. Der später international versierte Oscar Straus und der von Berlin adoptierte Fred Raymond übrigens auch, obwohl der in der Tat überwiegend anderswo uraufgeführt wurde.


    Ansonsten aber sollten meine Ausführungen dem keineswegs widersprechen. Deswegen wies ich ja schon in meinem ersten Satz darauf hin, dass eine weitere Zersplitterung der deutschsprachigen Operette in regionale Zufälligkeiten wenig hilfreich wäre.


    Bleiben wir also ruhig bei Wien und Berlin als Kennzeichnung der deutschsprachigen Operetten, seien wir uns aber bewusst, dass die Vielfalt der Berliner Operette, die im weiteren Verlauf zunehmend zur Einfalt fand, ein Grund war, warum sie so leicht absorbiert werden konnte, während die Wiener Operette ihre Identität und einen Teil ihrer einstigen Wertschätzung bis heute behaupten konnte. Und das hat beileibe nicht nur mit der ihr hier viel zu pauschal unterstellten Walzerseligkeit zu tun, denn nicht einmal die Märsche haben die "Berliner" erfunden, allenfalls unangenehm zackig gemacht.


    :hello: Rideamus

  • Hallo Rideamus,


    upps - da habe ich mich in dem Zusammenhang vielleicht etwas unklar ausgedrückt:


    Mit den Wiener Klassikern meinte ich jetzt tatsächlich eben diese (also Haydn, Mozart und Beethoven), was allerdings im Nachhinein nicht mehr nachzuvollziehen ist, wo es vorher im Thread ja ausschließlich um Berliner und Wiener Operette ging....


    Ich wollte mit dem Beispiel der "traditionellen" Wiener Klassiker, die -wie gesagt- allesamt auch keine gebürtigen Wiener waren und teilweise über Jahre hinweg auch gar nicht in dieser Stadt lebten und wirkten, ja auch nur den Sammelbegriff Berliner Operette vergleichen, der ebenfalls (Du hattest es bereits dargestellt) für eine Gruppe von Künstlern verwendet wird, die mehrheitlich ebenfalls keine gebürtigen Berliner waren, bzw. zum Teil nur ihrer Profession wegen diese Stadt als (meist auch nur vorübergehende) Wirkungsstätte erkoren hatten und den größten Teil ihres Lebens anderswo verbracht haben.


    Da gibt es tatsächlich Parallelen, wie ich finde - in beiden Fällen war zu der jeweiligen Zeit die namensgebende Stadt einfach ein Magnet für die Vertreter eines Genres, die quasi aus allen Ecken zusammenkamen, um dort (meist zeitweise) künstlerisch tätig zu sein.
    Und daher passt die Bezeichnung Berliner Operette für dieses "Sammelsurium" an verschiedenen Komponisten und Librettisten irgendwie ganz gut.


    Und ich muss zugeben: Die Wiener Operette hat tatsächlich diese Bezeichnung verdient - da waren tatsächlich viele "echte" Wiener am Werk, das stimmt! :hello:
    Berlin war seit jeher immer schon eher ein "Schmelztiegel" und "Sammelbecken" für viele Leute von außerhalb. Wer kennt schon einen "waschechten" Berliner? :D


    Das mag in Wien evtl. nicht anders aussehen (wie bei so vielen Metropolen), dennoch fällt auf, dass in Wien wesentlich mehr (bekannte) Komponisten geboren wurden, als in Berlin...

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von MarcCologne



    Meine Lieben,


    Das "Schwarzwaldmädel" fällt vielleicht nicht durch einen überragenden Variationsreichtum an musikalischen Einfällen auf, aber aus denen, die Jessel hatte, ist sehr viel herausgeholt. Das Werk hat durchgehend Schwung und bietet sicher mehr als gefällige Kost. Die Einspielung unter Marszalek zeichnet sich durch eine sehr homogene Ensembleleistung und wirklich gekonntes Musizieren aus. Herausheben möchte ich besonders Gitta Lind als Malwine, Benno Kusche als Blasius Römer und Franz Fehringer als Hans. Gretl Schörg ist eine typische Wiener Operettenbegabung bester Marke, die sich erstaunlich gut dem schwarzwälderischen Dialekt anpaßt (ob es für echte Schwarzwälder auch so wirkt, wage ich nicht zu sagen, ich höre schon Unterschiede...). Den Erzähler und Multifunktionswirt Jürgen gibt Hans Lorenz in umwerfender Komikermanier, und der Schmusheim ist bei Bruno Fritz bestens aufgehoben. Den Richard darf ich nicht vergessen, auch Willy Hofmann bietet eine sehr gute Leistung. Alles in allem eine von den besten Marszalek-Aufnahmen, die ich kenne.
    Was angenehm auffällt: Nur Fehringer hat ein Sprech-Double.


    Als Bonus sind Auszüge aus dem "Vetter von Dingsda" angehängt (mit Lisa Otto, Anny Schlemm, Rupert Glawitsch, Adolf Meyer-Bremen u.a.; es dirigiert Wilhelm Stephan, aufgenommen wurde 1953): Etwas schwerblütig und nicht so locker wie Marszalek. Glawitsch fällt etwa gegen einen Alfons Flügel doch einigermaßen ab.


    LG


    Waldi

  • ist leider etwas am Abstellgleis gelandet,


    aber Lincke, Kollo, Jessel, Künneke kann man doch nicht vergessen. Gerade in Wien ist die Berliner Operette sehr beliebt.


    Lincke kam aus Berlin, Kollo aus Berlin, Künneke kam aus Emmerich am Rhein, Leon Jessel kam aus Stettin.


    Aber die Berliner Operette hat Schnautze, die Wiener hat Schmäh - und das passt oft zusammen.


    Ja , es stimmt bestimmt, dass viele Berliner Operetten Komponisten nicht aus Berlin stammten, aber stammten alle Wiener Operetten Komponisten aus Wien?


    Johann Straus jun. stammt aus Wien, seine Vorfahren aber nicht, Urgroßvater wahrscheinlich aus dem Osten der Monarchie, Joseph Lanner (kein Operettenkomponist, aber Wiener Walzer) kam aus Wien.


    Lehár stammt aus Komorn, Emmerich Kálmán kam aus Siófok (Ungarn),
    Leo Fall kam aus Olmütz, Oskar Nedbal (Polenblut) kam in Tábor in Böhmen zur Welt.


    Also es gibt eigentlich keine spezifische ortsgebundene Operette, sondern eben, durch die ehmaligen k.u.k. Monarchie, Wien, und durch den Schmelztiegel Berlin, dort entstandene Operetten

    5 Mal editiert, zuletzt von oper337 ()

  • Lieber Giachino!


    Ja dieses Lied "Es liegt im Volkesmunde - Wenn auch die Jahre enteilen",


    das ist ein Goldstück, der Operette.


    Leider wird man, wenn man es mit meinen Jahren hört, etwas sentimental,


    denn ich denke daran, dass es meine Mutter so gern hörte.


    Schon allein wegen diesem Lied, kann Paul Lincke nie vergessen werden!


    Liebe Grüße sendet Dir, Peter aus Wien.

  • Lieber Peter,


    früher, vor Jahrzehnten, habe als Sänger Lieder wie das von Lincke oder auch " Die Uhr " von Carl Loewe gemieden, weil sie mir zu sentimental, ja, kitschig erschienen. Das sind sie womöglich nach wie vor. Aber inzwischen bin ich älter und - zumindest zeitweise - deutlich sentimentaler als früher und empfänglich geworden für den emotionalen Wahrheitsgehalt solcher Lieder, die mich und Mitmenschen meiner Generation noch heute rühren - wie damals unsere Mütter......


    Ciao. Gioachino :hello:

    MiniMiniDIFIDI

  • Ja, lieber Gioachino!


    Manche Lieder und auch Operettenlieder haben einen Wahrheitsgehalt, den man mit den Jahren erst so richtig mithört, und Lincke wollte bestimmt nicht deprimieren, sondern aufmerksam machen, dass man eben, älter wird.


    Dazu gehört ja auch Edmund Eyslers "Küssen ist keine Sünd".


    Liebe Grüße sendet Dir Peter, aus dem kühlen Wien.

  • Lieber Gioachino!


    Da fällt mir auch das "Mutterlied" aus der Operette "Die Schützenliesl" ein,
    auch das habe ich nach dem Tod meiner Mutter, vor 12 Jahren, die ich bis zum Schluss pflegte, nicht hören können.


    Jetzt geht es schon einigermaßen.


    Auch das "Fein, fein schmeckt uns der Wein" auch von Edmund Eysler, ist so ein Lied, wo man merkt, dass man älter wird.


    Liebe Grüße sendet Dir Peter, aus Wien. :hello:

  • Hallo Peter,


    das ist ja mal ein Thema.


    "Man müßte nochmal 20 sein" - ist ein Lied wo ich sentimental werde.


    Und, was Berliner Operette anbetrifft:


    Aus "Wie einst im Mai" (Kollo?) das Lied "Es war in Schöneberg"
    Bully Buhlan und Rita Paul haben es schön gesungen


    Liebe Grüße aus dem abendlichen München


    Kristin

  • Liebe Kristin!


    Diese Mentalität verbindet eben Berlin und München mit Wien.


    Wir haben unsere Lieder, die eben nur ein älterer Mensch versteht.


    Draußen in Sievering ist für die Jugend,


    aber Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt , das hatte Greta Keller so schön gebracht,


    oder Es lebt im Volkesmunde, von Paul Lincke , das ist für Ältere reserviert.


    Auch die Älteren brauchen ihre Lieder, das ist in Berlin, wie in Wien oder München - die sind nicht schmalzig, sondern eben wahr.



    Und deshalb gewinnen die Deutschen auch die EURO 2008!


    Liebe Grüße aus Wien, sendet Dir mit Handküssen, Peter :jubel:

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Mit der EURO 2008 habe ich mich - leider - geirrt,


    aber sonst muss ich sagen ein 2. Platz ist ja auch nicht schlecht.


    Liebne Grüße Peter, aus dem heißen Wien.


    :lips: :stumm: :lips:


  • Hallo Peter,


    also ich glaub ja nicht, daß die heutige Jugend noch oft "Draußen in Sievering" hört, und die Greta Keller, das war schon vor unserer Zeit, lach. Obwohl die natürlich toll gesungen hat, irgendwie so lasziv habe ich das im Ohr.


    Ich glaub, das hätte meinem Vater gefallen, doch, halt, eher nein, der war ja total unmusikalisch.


    Nun sind wir halt Euro-Zweiter, was soll's, die Welt dreht sich weiter.


    Liebe Grüße


    Kristin



  • Liebe Kristin!


    Du hast Recht, der Flieder in Sievering ist genauso wenig für die Jugend mehr,


    als Greta Kellers, Sonne, die hinter den Dächern versinkt!


    Es sind Reminiszenzen aus einer Zeit, die wir als die gute, alte Zeit bezeichen.


    Da würde sogar Karl Valentin über mich lachen, mit Lisl Karlstadt im Duett.


    Ihr seid Euro Zweiter, wir sind unter, Ferner liefen....!


    Liebe Grüße und Handküsse aus Wien sendet Dir Peter.

  • Noch ein bißchen was zur (leider sehr geringen) Diskographie der Berliner Operette:


    Einen recht angenehmen (aber nicht berlinerischen) Lincke-Querschnitt bekommt man bei emi mit Auszügen aus Frau Luna, Lysistrata und Im Reiche des Indra.
    Besonders aber die Frau Luna dürfte von der wiederentdeckten Gesamtaufnahme mit Rothenberger wieder ins rechte Licht gerückt sein.
    Ein bei rcl erschienener Querschnitt durch Frau Luna mit Ingeborg Hallstein und einigen singenden Berliner Schauspielern würde ich nicht empfehlen. Namen wie Edith Hancke, Harald Juhnke und Stefan Behrens halten bei weitem nicht das, was man sich erfofft. Und Ingeborg Hallstein klingt so, dass man ihr wirklich nicht mehr empfehlen kann sich vor dem Mikrophon zu produzieren.


    Noch ein bißchen was zu Walter Kollo: Enkel René hat da einiges getan. Ein recht annehmbarer Querschnitt durch "Wie einst im Mai" ist bei rcl erschienen, die singenden Schauspieler sind hier zum Teil besser als bei rcls Frau Luna.
    Sehr gelungen ist eine Gesamtaufnahme aus den 90ern von den "Drei alten Schachteln", die Damen, die ja im Titel gemeint sind, haben die Bezeichnung nicht verdient, die Herren René Kollo und Hermann Prey schon eher, das ist allerdings positiv gemeint

  • Liebe musica,


    Ach ich hab in meinem Herzen ist das Duett Roderich - Erika aus der Oper Schwarzer Peter von Norbert Schultze. Ich besitze sowohl dem großen Querschnitt von EMI als auch die Gesamtaufnahme mit Altmeyer, Mc Daniel, Kruse u.a. Dirigent der Komponist selbst.


    Für den Kinofilm "Der fröhliche Wanderer" ist das Duett zu einem Tenorlied mit Kinderchor eigens für Rudolf Schock umgeschrieben worden. Im Übrigen gibt es auch eine wunderschöne Aufnahme mit Heinz Hoppe/Geese und Michael Theodore.


    Liebe Grüße


    Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Wenn ich so die Operettentitel lese, wird mir ganz wehmütig ums Herz.Es waren meine schönsten Jahre, viele Erinnerungen hängen daran.


    :yes: