Von der Klassik zur Romantik

  • Salut,


    "Von der Klassik zur Romantik" - ist das gleich "Von Mozart zu Beethoven"? Oder anders gefragt: wie lief das nachvollziehbar ab? Was macht die Romantik im heutigen Sinne als Stilepoche so besonders aus? Was kennzeichnet und unterscheidet sie von der Klassikepoche?


    So vor ungefähr ziemlich genau 200 Jahren muß sich da etwas "bewegt" haben... war Beethoven der erste wirkliche Romantiker oder gab es andere vor ihm? Gab es Wegbereiter, wenn ja: Wer waren sie, was taten sie?


    Ich empfand Beethoven bisher stets als musikalisch zweigeteilt, allerdings ohne ein festes Opus als Scheideweg ausmachen zu können: Er war für mich entweder voll klassisch oder nicht mehr klassisch. Die Frage, ob Beethoven nun Klassiker oder Romantiker ist, sollte hier aber nicht allzu sehr vertieft werden - gerade soviel, als zur Klärung der Sache notwendig, z.B. so: Nachdem ich in den vergangenen Tagen verstärkt die Violinsonaten op. 47 und 96 hörte, meinte ich zumindest im ersten Satz der "Kreutzer"-Sonate erste romantische Anwandlungen zu hören, ansonsten empfand ich das Werk als [an op. 23 und op. 30 Nr. 2] angelehnt fetzig cool. Für mich könnte diese Sonate ausnahmsweise durchaus ein solches Übergangswerk darstellen. Ganz der Romantik würde ich op. 96 zuschreiben - das Geklimper und Geklingel [was nicht negativ gemeint ist] klingt teilweise nach Debussy und/oder Rachmaninov, ohne dass ich da nun konkrete werkbezogene Angaben machen könnte.


    Sind aber Debussy und Rachmaninov überhaupt [noch] Romantiker und hat Beethoven vielleicht gleich eine "Etappe" übersprungen? Was aber macht nun die Romantik tatsächlich aus? Naturkompositionen wie die "Pastorale", entsprechende Satzbezeichnungen wie "con molto espressione" oder "molto espressivo"?


    Tja: Fragen über Fragen...


    Mir ist schon völlig klar, dass es keinen festen Zeitpunkt und somit auch kein bestimmtes Übergangswerk gibt, das den Sachverhalt genauestens wiedergibt, da ja die Epochen einer ständigen Bewegung unterliegen. Dennoch ein kleines Brainstorming - ein romantisches Spiel eben in der Hoffnung auf interessante Antworten!


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Lieber Ulli,


    schöne Idee und eine gute Frage! Gehört zwar nicht ganz hierher, aber in der Literatur ist es so: Nehmen wir doch mal Goethe. Gerne als der "Klassiker" verkauft, gehören doch Teile seines Werkes zum Sturm und Drang und das Spätwerk weist romantische Züge auf. Zudem liegen in der Literatur Romantik und Klassik zeitlich eng beieinander oder verlaufen sogar parallel. Wieso sollte es in der Musik anders sein?


    Zudem ist der Begriff "Romantik" in der Musik ja noch unschärfer als in der Literatur ...:D


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Was macht die Romantik im heutigen Sinne als Stilepoche so besonders aus? Was kennzeichnet und unterscheidet sie von der Klassikepoche?


    Hallo Ulli,


    ich versuche mal, eine stark vereinfachende Antwort zu geben, die sicher sehr erläuterungs- und ergänzungsbedürftig ist. Dann können alle auf mich einprügeln, und die Diskussion kommt in Gang ;)


    Klassik: Ausgewogenheit zwischen Form und Ausdruck
    Romantik: Auflösung der Form zugunsten des Ausdrucks


    Viele Grüsse von Fugato

  • Ich würde Beethoven nicht als Romantiker bezeichnen. Die Assoziationen sind so unscharf, dass ETA Hoffmann bekanntlich Mozart und Haydn romantisch nannte, aber mit den vagen Vorstellung, dass auf einmal das "Gefühl" wichtig sei und vorher nicht, kommt man m.E nicht weit.


    Die "Auflösung" der Formen ist ebenfalls eine schwierige Sache, da ja Formen nicht losgelöst von konkreten Musikstücken existieren und romantische Musikstücke nicht formlos sind, sondern eben andere Formen aufweisen.
    Sonst könnte man auch gewisse "phantastische" Barockstücke romantisch nennen und Musik aus der Phase der "Empfindsamkeit", etwa CPE Bach sowieso. Die sind nämlich sehr viel "freier" als Stücke von "romantischen Klassizisten" wie Mendelssohn und Brahms.
    Und selbst in der Klassik existiert die Fantasie (wie Mozarts c-moll) parallel zur Sonate.
    Wie auch immer. Beethoven ist für mich irgendwie kein Grenzfall, sondern gehört zur Klassik (was immer die Einordnung jetzt bringt...)
    Rosen hat ja (natürlich nicht unwidersprochen) versucht, auch anhand kompositorischer Techniken und geteilter "Prinzipien der Sonatenform" nachzuweisen, dass Beethoven diesbezüglich mehr mit Haydn als mit Schumann zu tun hat. (Das sind bei ihm relativ technische Kriterien, die mit der harmonischen Spannung zwischen Haupttonart und Dominante im Sonatensatz zu tun haben. Ganz grob könnte man vielleicht sagen, dass der klassische Sonatensatz von dieser Spannung geprägt ist, während in Romantik und auch bei klassizistischen Werken diese Spannung nicht werkbestimmend ist, sondern eher melodische Kontraste oder eben andere harmonische Entwicklungen, die aber eben nicht so in die Großform integriert sind, wichtiger werden)
    Grenzwertige Kompositionen Beethovens wären für mich keine der Violinsonaten, sondern eher "An die ferne Geliebte", die Klaviersonaten op.90, 101, 109 und 110. Aber auch diese Sonaten erfüllen viel strenger Sonatenprinzipien als Chopins oder Schumanns Fantasie C-Dur


    Bei Schubert würde ich dagegen sagen, dass er einige klassische (oder vielleicht besser klassizistische), Werke z.B. alle frühen Sinfonien) und auch romantische, z.B. viele Lieder und etliche Klaviermusik geschrieben hat.
    Auch vom Gefühl her würde ich die meisten seiner späteren Werke, auch wenn sie sich mehr oder minder an klassische Formen halten, eher romantisch einstufen.


    Selbst für einen Komponisten, den ich als eindeutigen Erzromantiker einstufen würde wie Schumann, gilt ja, dass er mehr oder minder "klassizistische" Stücke wie einige der Sinfonien oder die Quartette geschrieben hat


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    ja, aber mal von den rein technischen "Sonatenprinzipien" und dem ganzen Kram mal abgesehen klingt doch op. 96 sehr viel moderner und romantischer als z.B. op. 24. Bei den Sinfonien hingegen kann ich solche Unterschiede [was die "Modernität" betrifft] nicht so stark empfinden [o.k. zwischen 1 und 9 liegen Welten, aber was soll's]. Ist die 5. großartig anders als die 3.?


    Und nochmal: Von der Technik abgesehen, mir gehts doch eher um das Hörbare, Gefühlsmässige... wie geht es anderen da?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo,


    Beethoven als Romantiker zu sehen finde ich problematisch. Besser fände ich, ihn als Vollender der Klassik zu sehen, der sie ja letztlich in ihren typischen Gattungen, Streichquartett und Symphonie, mit der "Großen Fuge" bzw. der Ode an die Freude sozusagen "gesprengt" hat. Die betreffenden Werke sind in ihrem ausufernden Umfang, in ihrer grenzwertigen Ausreizung technischer Kapazitäten (ich denke nur daran, wie B in der "Ode" mit dem Chor umgeht) eher die monströsen Endpunkte einer endenden als die zarten Wurzeln einer neuen Epoche.


    Den Beginn der Romantik würde ich eher bei Schubert ansetzen. Von der klassiktypischen Verkündigung des "Guten, Wahren, Schönen", die bei Beethoven am Ende schon dämonische Züge annimmt, zum Lied, dass das Subjekt auch in seinen dunklen Aspekten durchleuchtet und immer wieder die Einsamkeit des Individuums auf der Lebenswanderung als Gegenbild klassischer, ojektivierender Ästhetik thematisiert.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Salut,


    also die letzten Streichquartette von B. haben für mich mit Klassik - also "Wiener Klassik" - überhaupt nichts mehr zu tun... :rolleyes: Und "Vollendung der Klassik" kann nur die Klassik selbst auf ihrer höchsten Stufe sein, wie der Name schon sagt. Beethoven geht für mich nach der Jahrhundertwende eindeutig darüber hinaus bzw. in ganz andere Richtungen: Wenn man beispielsweise seinen Fidelio [1806 ?] mit Naumanns Acis e Galathea [1804] vergleicht...


    Um nochmals auf das von JR geschriebene zurückzukommen:


    Zitat

    Die Assoziationen sind so unscharf, dass ETA Hoffmann bekanntlich Mozart und Haydn romantisch nannte, [...]


    Deswegen bestand ich ja auf "Was macht die Romantik im heutigen Sinne als Stilepoche so besonders aus?" - Nicht nur ETA, auch die Allgemeinheit betrachtete Haydn und Mozart damals als "die Romantiker". Hätten die heute als Romantiker bezeichneten geahnt, dass man die selbst mal so nennt, hätten sie vielleicht ganz anders komponiert!? Es muß so ein gewisses retrospektives Abgrenzen [ein Zeitraum von 50 Jahren?] geben: Ich würde auch von jetzt aus betrachtet die 1950er Jahre als "romantisch" einstufen.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Salut,


    also die letzten Streichquartette von B. haben für mich mit Klassik - also "Wiener Klassik" - überhaupt nichts mehr zu tun... :rolleyes: Und "Vollendung der Klassik" kann nur die Klassik selbst auf ihrer höchsten Stufe sein, wie der Name schon sagt. Beethoven geht für mich nach der Jahrhundertwende eindeutig darüber hinaus bzw. in ganz andere Richtungen: Wenn man beispielsweise seinen Fidelio [1806 ?] mit Naumanns Acis e Galathea [1804] vergleicht...i


    Aber kann man deswegen gleich von Romantik sprechen? Auch in der Literatur gibt es ja Grenzgänger zwischen Klassik und Romantik, wie Jean Paul, Kleist und Hölderlin. Vielleicht kann man die Rolle des späten Beethoven damit vergleichen.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Ulli
    also die letzten Streichquartette von B. haben für mich mit Klassik - also "Wiener Klassik" - überhaupt nichts mehr zu tun... :rolleyes: Und "Vollendung der Klassik" kann nur die Klassik selbst auf ihrer höchsten Stufe sein, wie der Name schon sagt. Beethoven geht für mich nach der Jahrhundertwende eindeutig darüber hinaus bzw. in ganz andere Richtungen: Wenn man beispielsweise seinen Fidelio [1806 ?] mit Naumanns Acis e Galathea [1804] vergleicht...


    Die späten Quartette haben aber doch auch nicht viel mit "typischer" Romantik zu tun, oder? Sie bleiben, von den beiden frühen Mendelssohn-Quartetten abgesehen ja auch erstmal fast ohne Resonanz (in dem Sinne, dass die Komponisten der 1830er - 1850er Jahre sich an ihnen orientiert hätten). Aber sie sind dennoch mehr oder minder "klassisch" aufgebaut.
    Ich sehe das auch eher wie Draugur, wobei besonders der späte Beethoven gewiß derart individuell ist, dass man ihn kaum als stilistisch typisch für irgendwas bezeichnen kann.


    Die unbestreitbare Tatsache ist andererseits, dass sich zwei Komponistengenerationen mehr oder weniger an Beethoven abarbeiten, sich irgendwie auf seine Musik beziehen. Jedenfalls ist der Einfluß der 9. Sinfonie ungeheuer. Leute wie Berlioz und Wagner meinten, hieraus abzuleiten, dass reine, absolute Instrumentalsinfonien ein Ding der Vergangenheit wären und man entweder mit solchen hybriden Werken weitermachen müßte oder eben gleich mit "Musikdramen"
    Andererseits gibt es aber auch eher "negativen Bezug", nämlich das Vermeiden typisch klassischer (Beethovenscher) Gattungen und Formen.
    Vermutlich sind daher das Klavierstück und das Lied bzw. deren Anordnung in einem beziehungsreichen Zyklus ein für die Romantik charakteristischere Genres (auch wenn hier der erste Zyklus wieder Beethovens An die Ferne Geliebte ist). Ebenso längere, freier gestaltete Klavierwerke.


    Ich habe keine vernünftige Antwort (und die letzte Violinsonate müßte ich erst mal wieder anhören), aber ich sehe Beethoven auch gefühlsmäßig deshalb als Klassiker, weil er mir einfach von Schumann, Berlioz oder Chopin doch weiter entfernt zu sein scheint als von Mozart und Haydn.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich habe keine vernünftige Antwort (und die letzte Violinsonate müßte ich erst mal wieder anhören), aber ich sehe Beethoven auch gefühlsmäßig deshalb als Klassiker, weil er mir einfach von Schumann, Berlioz oder Chopin doch weiter entfernt zu sein scheint als von Mozart und Haydn.


    Um nicht weiter im Beethoven herumzusezieren - konzentrieren wir uns doch wieder auf die eingangs gestellten Fragen.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Ulli
    konzentrieren wir uns doch wieder auf die eingangs gestellten Fragen.


    Seit wann ist denn unser Ulli ein OT-Ermahner? ?(:D

    Viva la libertà!

  • Lieber Ulli,


    meiner Meinung nach hilft bei dem Blick auf die Entwicklung der Romantik der Blick auf Beethoven wenig. Wie in der Literaturgeschichte die Klassiker Goethe und Schiller vergessen machten, dass es die nicht weniger bedeutenden Lenz, Büchner und Grabbe gab, so vergisst die Musikgesichte über der Trias Haydn - Mozart - Beetoven, dass es auf einer anderen Ebene eine Linie von Künstlern wie C.P.E.Bach, Reichardt, Vanhal, Jadin, Kraus, Dussek, Gyrowetz, Louis Ferdinand von Preußen etc. gab, deren Bestrebungen ein literarisches Echo in den Schriften von Wackenroder und Tieck fanden. Für mich persönlich ist die Wiener Klassik ein interessanter Sonderweg, der viel Interessantes und Vollkommenes hervorgebracht hat, das Herz der Entwicklung ließen aber meiner Empfindung nach die zuvor genannten Komponisten und Dichter schlagen.


    :hello:


    Amateur

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.

  • Ich werfe mal den Komponisten Eberl in die Runde, der noch vor Schubert die Tore zur Romantik öffnete - zumindest in seinen späten Werken.


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Wulf
    Ich werfe mal den Komponisten Eberl in die Runde, der noch vor Schubert die Tore zur Romantik öffnete -


    ...und der noch immer auf seine Biografie wartet...


    :pfeif:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Wulf
    Ich werfe mal den Komponisten Eberl in die Runde,


    Oh, bitte Vorsicht mit solchen Äußerungen. Aufgrund eines psychischen Defektes muss ich mir sowas immer bildlich vorstellen. Das tut meiner Gesundheit nicht gut :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


  • :wacky: jaaa, kommt noch...kommt noch.....


    Wenn Du allerdings nicht warten möchtest , dann kannst Du das übernehmen. Ich habe noch an dere threads in Planung und Eberl steht momentan nicht mehr an erster Stelle :stumm::D


    :hello:
    Wulf

  • Für mich ist es letztendlich auch eine Frage der Haltung eines einzelnen
    Künstlers, ob er schon zur Romantik gehört. Und die Haltung des
    unabhängigen, über den Dingen (der Wirklichkeit) stehenden
    Komponisten würde ich Beethoven schon zusprechen. Darüber hinaus
    halte ich Beethoven auch musikalisch für den ersten richtigen
    Romantiker (Pastorale, alle späten Klaviersonaten). Doch nicht nur: es
    gibt Passagen in seinen Symphonien die auf Komponisten wie Steve
    Reich vorausweisen, sagt jedenfalls mein Gehör.


    Der aber wirklich allererste Romantiker ist für mich Wilhelm Friedemann
    Bach - man höre seine Klavierwerke, insbesondere die Polonaisen - er
    hört sich teilweise an, als hätte man seinen Vater mit Schumann
    zusammengerührt, noch einen Schuß Burgmüller hinzu ... voila. Auch
    bei Friedemann Bach ist die Haltung typisch, man will sich den
    Auftraggebern nicht unterordnen - allerdings, was Beethoven erstmals
    gelingen wird, daran scheitert Friedemann noch größtenteils.


    .

  • Ich wundere mich, dass man erst Beethoven zutraut, die Fenster zur Romantik (nebst Schubert) weit aufgstoßen zu haben, und nur in einem Nebensatz habe ich gelesen, dass auch Mozart schon die Form der Fantasie (z.B. KV 475) kreiert habe.
    Hat er nicht noch viel mehr gemacht, z. B. die ganzen Variationensätze in seinen Sonaten (Einleitungssatz der A-dur-Sonate KV 331) oder die Erweiterung der Form in seinen Klavierkonzerten, z. B. durch Einschübe von Adagios mitten in den klassischerweise üblichen schnellen Finalsätzen ( KV 271 "Jeunehomme" und KV 482)?
    Und steht nicht sein "Requiem" dem spätromantischen "Verdi-Requiem" näher als irgendein geistliches Werk, sei es von Haydn, Beethoven, Schubert oder Mendelssohn?
    Hat es in der Zeit der Romantik vor Verdi jemals wieder etwas aufwühlenderes gegeben als den "Don Giovanni"?


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich wundere mich, dass man erst Beethoven zutraut, die Fenster zur Romantik (nebst Schubert) weit aufgstoßen zu haben, und nur in einem Nebensatz habe ich gelesen, dass auch Mozart schon die Form der Fantasie (z.B. KV 475) kreiert habe.


    Die Fantasie gibt es lange vor Mozart und es kommen in der Klassik immer wieder solche vor, allerdings sehr viel seltener als Sonaten.
    (Das mag damit zusammenhängen, dass das freie Fantasieren eine Spezialität im Konzert etlicher Komponisten, wie auch Mozart und Beethoven gewesen ist. Wenn sie Musik aufgeschrieben haben, waren es aber meistens keine Fantasien. Ich glaube auch nicht, dass Werke wie Mozarts KV 475 oder Beethovens Sonaten op.27 nachträglich aufgeschriebene, verbesserte Fantasien sind. Eher geben vielleicht einige Kadenzen Mozarts und Beethovens einen Eindruck von ihren diesbezüglichen Fähigkeiten. Aber ich weiß nicht, was darüber in der Musikforschung bekannt ist)
    Wenn es von J.S. und CPE Bach Fantasien gibt, werden das ja auch nicht automatisch Romantiker ;)


    Zitat


    Hat er nicht noch viel mehr gemacht, z. B. die ganzen Variationensätze in seinen Sonaten (Einleitungssatz der A-dur-Sonate KV 331)


    Besagten Variationensatz würde ich beinahe als "Anti-Romantik" sehen, als ein bei Mozart und Haydn eher seltenes Musterbeispiel dessen, was man musikalisches Rokoko nennen könnte. Was findest Du daran "romantisch"?


    Zitat


    oder die Erweiterung der Form in seinen Klavierkonzerten, z. B. durch Einschübe von Adagios mitten in den klassischerweise üblichen schnellen Finalsätzen ( KV 271 "Jeunehomme" und KV 482)?


    Das ist sicher ein origineller Zug dieser Stücke (415 hat das ebenfalls) aber ist so ein Vorgehen "romantisch"? Wirken diese Stücke "romantisch" auf Dich?


    Zitat


    Und steht nicht sein "Requiem" dem spätromantischen "Verdi-Requiem" näher als irgendein geistliches Werk, sei es von Haydn, Beethoven, Schubert oder Mendelssohn?
    Hat es in der Zeit der Romantik vor Verdi jemals wieder etwas aufwühlenderes gegeben als den "Don Giovanni"?


    Hm. Ich finde nicht, dass Mozarts Requiem Verdis nahe steht. Das Requiem mag auf uns in einem vagen Sinne romantisch wirken, aber viel deutlicher sind hier doch die barocken Elemente, die teils bis zum Zitat von Händelschen Fugenthemen o.ä. gehen.


    Einige Romantiker verehrten den Don Giovanni, das ist richtig (während sie mit Cosi fan tutte überhaupt nichts anfangen konnten, das Werk führte über 100 Jahre ein Schattendasein). Aber wenn man sich eine dramatische Szene von Gluck (etwa den Anfang der Iphigenie mit dem Sturm), die Szene mit dem steinernen Gast aus Don Giovanni, die Wolfsschlucht aus Freischütz und dann etwas aus Wagners Holländer oder Berlioz (beides vor Verdis bekannteren Opern entstanden) anhört, dann werden die meisten wohl die Grenze zwischen Mozart und Weber ziehen, nicht zwischen Weber und Berlioz, oder? (Es fehlen hier noch ein paar mögliche "Zwischenschritte: Spontini, Cherubini, Beethoven, Marschner u.a.)


    Es ist dem thread ja schon mehrfach angeklungen: "Romantik" ist ein heute in vielen Bedeutungen verwendeter Ausdruck.


    Ich glaube auch nicht, dass es einen scharfen Übergang gab, ab heute wird nun romantisch komponiert. Aber man darf eben auch nicht alle Assoziationen, die man besonders mit "Romantik" verbindet, jedoch leicht in vielen anderen Epochen wiederfinden kann, als Kriterium nehmen. Dann wird, wie oben schon angesprochen, sehr schnell, nicht nur Mozarts d-moll-Konzert, sondern auch vieles der beiden älteren Bach-Söhne zu "Romantik".


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich bekomme den Eindruck, dass hier fast jeder der Autoren einen eigenen Begriff von 'Romantik' vor Augen hat. Sollte man nicht zuerst mal die Begrifflichkeit klären? Was ist denn romantisch? Eine Gleichsetzung 19.Jahrhundert = Romantik halte ich für nicht korrekt.


    Vor einigen Jahren las ich mal das Buch von Martin Geck über die Musik im XIX.Jahrhundert:

    2113AHAKSJL._BO1,204,203,200_.jpg


    Ich folge Martin Geck in der Ansicht, dass Romantik etwas mit der inneren Haltung, der Weltanschauung zu tun hat. Auch bei Eggebrecht finden sich Aussagen, welche die Romantik nicht an der Epoche festmachen.


    Wenn man die Romantik auf Autoren wie Ludwig Tieck und Heinrich Wilhelm Wackenroder, Tiecks leider viel zu jung verstorbenem Freund, bezieht (hier werden vor allem immer wieder die 'Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders' und, die Musik noch unmittelbarer betreffend, das 'merkwürdige musikalische Leben des Tonkünstlers Joseph Berglinger' herangezogen), kann man m.E. nicht umhin, Beethoven in die Romantik anzuordnen, zumal in seinen wichtigen, reifen Werken, alle neun Sinfonien eingeschlossen.


    Zur Romantik gehört nach meinem Verständins auch der Drang, etwas bewegen, etwas verändern zu wollen, und zwar nicht in der Musik, sondern durch die Musik, Musik als Läuterung, als Erziehung, als Weltenbau. Der Künstler erschafft eine ideale Welt. (Die Rückkehr in die Reale Welt ist dann in den Werken der Romantiker auch oft schmerzlich oder tragisch). Mahler ist vor diesem Verständnis meiner Ansicht ein Romantiker, denn 'Sinfonien schreiben heißt ihm eine Welt zu erschaffen'. Debussy habe ich noch nie als Romantiker empfunden, um auf das Ausgangsposting zurückzukommen. Schon bei Schubert bin ich mir nicht ganz sicher, noch weniger bei Brahms - sind das wirklich Romantiker? Oder sind das 'nur' (im Sinne von ausschließlich, nicht wertend) Komponisten des XIX. Jahrhunderts? Wagner würde ich dagegen wieder in die Romantik ordnen, Martin Geck folgend.


    Ich bin großer Strauss-Verehrer, kann aber in Strauss auch keinen Romantiker entdecken. Hat er die Frau ohne Schatten erschaffen, um die Welt zu verbessern? Soll Salome uns lehren?

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Dass die Welt verändern halte ich für kein typisches Kennzeichen der Romantik. Im Gegenteil, nach kulturgeschichtlicher Standardsicht, ist die Romantik als "Innerlichkeit" ein Gegensatz zur Aufklärung. Sie kann einerseits als Reaktion auf das letztliche Scheitern der politischen Aufklärung in der Restaurationszeit gesehen werden, andererseits aber als eine Reaktion auf die "kalte Rationalität", die durch Analyse entzaubert usw. Das Eintreten für eine bessere Welt ist doch etwas völlig anderes als das Schaffen einer idealen Welt. Weil das erste scheiterte (oder diese Welt eben nun mechanistisch und entzaubert ist) flieht man ins Ideale. Das ist tendenziell antiaufklärerisch (ich übertreibe das alles ein wenig holzschnittartig, um die grobe Linie deutlich zu machen.)

    Auch wenn es ein Klischee sein mag, Beethoven ist klar ein Aufklärer, dessen Musik sich jedenfalls in den Orchesterwerken sehr deutlich "nach außen" wendet. Bei Schubert, Chopin, Schumann würden wir aber doch ziemlich ins Stutzen geraten, wenn wir sie so einordnen wollten, oder? Ungeachtet Chopins Sympathien für die polnischen Freiheitskämpfer und Schumanns vormärzlichen Tendenzen scheinen das doch Komponisten der romantischen Innerlichkeit schlechthin zu sein, weitgehend aufs Indivduum, nicht auf die Gesellschaft bezogen.


    Meine eigentliche Schwierigkeit mit solchen allgemeinen kultur- und sozialgeschichtlichen Ansätzen ist aber, dass ich hier oft den Eindruck habe, dass das Pferd von hinten aufgezäumt wird. Weil eine schwer zu bestreitende sozialpolitische Entwicklung stattgefunden hat, muss diese sich auch in der Musik wiederfinden. Das mag ja so sein, aber angesichts der stilistischen Vielfalt in fast allen Epochen, scheint mir, dass der Niederschlag in der Musik meist sehr uneindeutig ist. Es besteht ja auch keineswegs eine Synchronizität in Musik und anderen Künsten. Musikalische Entwicklungen mögen gesellschaftliche reflektieren; vor allem aber sind sie musikalische, die auf das reagieren, was sich vorher in der Musik getan hat.


    Wenn nun in der ersten Hälfte des 19. Jhds. zwischen Napoleon, Freiheitskriegen, Restauration, Biedermeier und Vormärz so unterschiedliche Komponisten wie Beethoven, Weber, Hummel, Rossini, Schubert, Bellini, Donizetti, Berlioz, Mendelssohn, Chopin, Schumann, Meyerbeer, und schließlich auch Wagner und Verdi aktiv sind, dann kann man doch kaum erwarten, dass sich das alles allgemein kulturell oder gar sozial-politisch wirklich erhellen ließe. Die Verbindungen kann man ja ziehen, aber erst, nachdem man sich das Musikalische als solche klargemacht hat.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Meine eigentliche Schwierigkeit mit solchen allgemeinen kultur- und sozialgeschichtlichen Ansätzen ist aber, dass ich hier oft den Eindruck habe, dass das Pferd von hinten aufgezäumt wird. Weil eine schwer zu bestreitende sozialpolitische Entwicklung stattgefunden hat, muss diese sich auch in der Musik wiederfinden. Das mag ja so sein, aber angesichts der stilistischen Vielfalt in fast allen Epochen, scheint mir, dass der Niederschlag in der Musik meist sehr uneindeutig ist. Es besteht ja auch keineswegs eine Synchronizität in Musik und anderen Künsten. Musikalische Entwicklungen mögen gesellschaftliche reflektieren; vor allem aber sind sie musikalische, die auf das reagieren, was sich vorher in der Musik getan hat.


    Wenn nun in der ersten Hälfte des 19. Jhds. zwischen Napoleon, Freiheitskriegen, Restauration, Biedermeier und Vormärz so unterschiedliche Komponisten wie Beethoven, Weber, Hummel, Rossini, Schubert, Bellini, Donizetti, Berlioz, Mendelssohn, Chopin, Schumann, Meyerbeer, und schließlich auch Wagner und Verdi aktiv sind, dann kann man doch kaum erwarten, dass sich das alles allgemein kulturell oder gar sozial-politisch wirklich erhellen ließe. Die Verbindungen kann man ja ziehen, aber erst, nachdem man sich das Musikalische als solche klargemacht hat.


    Einverstanden. Mich stört nur immer, dass generell vom 19.Jahrhundert als 'der musikalischen Romantik' gesprochen wird.


    Unsere Diskussion hier zeigt doch sehr deutlich, dass das 19.Jahrhundert in jeder hinsicht bunt, inhomogen und vielschichtig ist.


    Schubladendenken übersimplifiziert die Gegebenheiten - das gilt aktuell so wie für die Kunst des 19.Jahrhunderts.

  • Von der Klassik zur Romantik lautet der harmlos scheinende Thread-Titel.


    Worin unterscheiden sich Klassik und Romantik? Ein spannender Thread. Auch ein verwirrender, wenn ich die Beiträge lese, denn einfache Antworten gibt es nicht. Trivianus beschreibt es treffend im letzten Beitrag vor 11 Jahren:


    Einverstanden. Mich stört nur immer, dass generell vom 19.Jahrhundert als 'der musikalischen Romantik' gesprochen wird.


    Unsere Diskussion hier zeigt doch sehr deutlich, dass das 19.Jahrhundert in jeder hinsicht bunt, inhomogen und vielschichtig ist.


    Schubladendenken übersimplifiziert die Gegebenheiten - das gilt aktuell so wie für die Kunst des 19.Jahrhunderts.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Tatsächlich ein spannender Titel. Vor allem, da ich auch an verschiedenen Stellen behauptet habe, meine Schwierigkeiten mit romantischer Musik zu haben. So einfach kann man das natürlich niemals sagen. Die Sache mit dem Gefühl finde ich auch etwas problematisch. Mozart wird nicht weniger Gefühle beim Komponieren gehabt haben als Chopin.


    Beethovens Musik halte ich trotz Mondscheinsonate für ausgesprochen unromantsich. Trotzdem, als Frisurenmodel und auch sein künsterlisches Selbstbewußtsein waren eventuell prägend für die Romantik. Mir gehen immer noch die Jugendbilder vom Backhaus und Kempff auf die Nerven (es gibt noch viele weitere Künstler), die offensichtlich Beethoven kopieren, so dass ich häufig am künstlerischen Ernst zweifele, was selbstverständlich selbst an sich wieder oberflächlich ist;).


    Aber mal wieder etwas ernster, romantisch könnte man es vielleicht nennen, wenn der Künstler der Meinung ist, seine Gefühle könnten zum künstlerischen Wert beitragen. Das ist für mich auch der Grund, warum mich solche Musik nicht wirklich interessiert. Mich interessieren beim Rezipieren nicht die Gefühle des Künstlers, sondern meine eigenen.


    Deswegen liebe ich Chopins Etuden und schlafe bei seinen Nocturnes schnell ein. :(

  • So eine grotekst

    Aber mal wieder etwas ernster, romantisch könnte man es vielleicht nennen, wenn der Künstler der Meinung ist, seine Gefühle könnten zum künstlerischen Wert beitragen. Das ist für mich auch der Grund, warum mich solche Musik nicht wirklich interessiert. Mich interessieren beim Rezipieren nicht die Gefühle des Künstlers, sondern meine eigenen.

    Ich glaube nicht, dass jenseits von schlechten Programmheften oder Unterstufenmusikbüchern (und da hoffe ich es nicht), irgendjemand jemals solch eine groteske Karikatur als ernsthafte Charakterisierung der musikalischen Romantik verwendet hat. Irgendwie habe ich den Verdacht, dass Du Dir das gerade selber ausgedacht hast...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich glaube nicht, dass jenseits von schlechten Programmheften oder Unterstufenmusikbüchern (und da hoffe ich es nicht), irgendjemand jemals solch eine groteske Karikatur als ernsthafte Charakterisierung der musikalischen Romantik verwendet hat. Irgendwie habe ich den Verdacht, dass Du Dir das gerade selber ausgedacht hast...

    Lieber Johannes Roehl aber genauso ist es.. Ich kenne nicht viel anderes als schlechte Programmhefte und Unterstufenmusikbücher (auch ein Oberstufenbuch, habe da aber sicher nicht den Part zur Romantik parat...) zur Romantik.


    Was wäre denn eine gute Definition, die mich nicht zwingt, jetzt viele gute Bücher jetzt lesen zu müssen? Wenn das hier nicht ein Diskurs zwischen Musikwissenschaftlern, sondern einer von Musikliebhabern werden soll, wäre es nicht schlecht, eine solche Definition zu besitzen

  • Werter Axel - wie Johannes Roehl glaube ich, dass Du die Dinge nicht so ernst meinst und Dein Licht in den Schatten stellst, oder wie man da sagt. ;)


    Denn ein paar Beiträge habe ich nun doch von Dir gelesen ...


    Überdies halte ich Deine Sicht keineswegs für abwegig, aber das ist gewiss kein zentrales Kriterium - oder anders gesagt: Man müsste es neu formulieren. Zumindest der Terminus des Subjektiven sollte wohl vorkommen ... um dann wieder ein klein wenig in seine Schranken verwiesen zu werden ...


    Darüber hinaus ist der Begriff der Romantik nicht nur in der Musik, sondern auch in den anderen Künsten ein nicht ganz simpler oder unproblematischer. Das moderne Kitsch-Verständnis bezüglich dieses Begriffs trifft natürlich nicht zu oder halt doch zu fünfzehn Prozent ... 8-)


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Werter Axel - wie Johannes Roehl glaube ich, dass Du die Dinge nicht so ernst meinst und Dein Licht in den Schatten stellst, oder wie man da sagt. ;)

    Werter Wolfgang,


    tatsächlich habe ich nur wenig über Musik gelesen. Ich hatte mir in den Achtzigern mal eine Führer zur Kammermusik angelegt und zur Klaviermusik (2 Bände). Das war in gewissem Rahmen ganz nett, um einen Überblick zu bekommen. Aber erstens habe ich mittlerweile festgestellt, dass solche Überblicke stark der Mode unterliegen und die Beurteilungen, bei näherer Kenntnis der Werke von mir häufig nicht geteilt werden.


    Darüber hinaus ist der Begriff der Romantik nicht nur in der Musik, sondern auch in den anderen Künsten ein nicht ganz simpler oder unproblematischer. Das moderne Kitsch-Verständnis bezüglich dieses Begriffs trifft natürlich nicht zu oder halt doch zu fünfzehn Prozent ...

    Da hast Du natürlich recht. Ich wollte an der Stelle mal etwas halbwegs Nachvollziehbares erzwingen. Sehr platt gesagt findet man in der Romantik eben viel Subjektives als Formbestimmendes. Rêverien sind nicht so selten oder man vergleiche eben eine "kleine" Nachtmusik mit einem Nocturne (wobei mir die von Field sogar noch gefallen). Die Gefühle und Empfindungen finden hier eine bestimmendere Rolle.


    Die Frage für mich beim Hören ist doch, ob ich in ein Vorstellungskorsett gezwungen werde. Das empfinde ich eben häufig so, ob zurecht, sei dahingestellt. Ich finde, dass das einer gewissen Aktualität der Musik im Wege steht, anders als zum Beispiel bei der barocken Musik.....


    Ich fände es wirklich interessant, wenn die Musikwissenschaft da ernsthaft mit Definitionen aushelfen könnte, die nicht nur für die Wissenschaftler selbst Bedeutung haben :)

  • PS: Der deutsche Wikipedia-Artikel Romantik ist so schlecht nicht, wie ich soeben festgestellt habe. Man muss ihn auch nicht konsequent durchlesen - dort wo man mit der Lektüre aufhört, hat man nämlich bereits Dinge gelernt, die nicht falsch sind und ein Basisverständnis zunehmend ergänzen ... Sobald man stärker in die Tiefe geht, wird manches ohnehin strittig. Und das liegt eher am Begriff selbst.


    Damit hier allerdings kein falscher Eindruck entsteht: Ich habe Deutsch (und Englisch) studiert, vor allem in Deutsch sehr viel Oberstufenunterricht erteilt und ich bin ein begeisterter Musikliebhaber mit begrenzten Theoriekenntnissen. Darüber hinaus werde ich mich hüten, mit Experten oder Philosophen zu streiten.


    :)

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Deinen letzten Beitrag habe ich soeben gelesen, Axel, und kurz darüber sinniert ...


    Du hast Recht: In keiner anderen Kunstform scheint der Begriff so verschwommen zu sein wie in der Musik. Wobei ich keineswegs glaube, dass es den Experten so viel besser geht dabei. Der erste große Grund dafür dürfte sein, dass eine zeitliche Abgrenzung ganz schlecht funktioniert. Das ist in der Literatur und in der Malerei irgendwie völlig anders ... beziehungsweise behilft man sich hundert Jahre später mit einer Neo-Terminologie. Diese wiederum funktioniert auch in der Literatur recht schlecht ... und in der Musik allenthalben schlechter, wie mir scheint.


    Letzteres ist wohl nicht mehr Thema dieses Fadens. Ich kann mich allerdings erinnern, dass ich in irgendeinem anderen Faden darüber schon mal spintisiert habe. Meister Caruso war mit dabei und hat mich gelobt; hat mich gefreut damals.


    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose