BWV 31: Der Himmel lacht! Die Erde jubilieret
Kantate zum Ostersonntag (Weimar, 21. April 1715)
Lesungen:
Epistel: 1. Kor. 5,6-8 (Christus ist unser Osterlamm)
Evangelium: Mark. 16,1-8 (Die Auferstehung Christi)
Neun Sätze, Aufführungsdauer: ca. 24 Minuten
Textdichter: Salomon Franck (1659-1725), aus dessen „Evangelischem Andachts-Opffer“ von 1715
Choral: Nikolaus Hermann (1575)
Besetzung:
Soli: Sopran, Tenor, Bass; Coro: SATB; Oboe I-III, Oboe da caccia, Tromba I-III, Fagott, Pauken, Violino I/II, Viola I/II, Continuo
1. Sonata (C-Dur) Oboe I-III, Oboe da caccia, Tromba I-III, Fagott, Pauken, Streicher, Continuo
2. Coro S I, S II, ATB, Oboe I-III, Oboe da caccia, Tromba I-III, Fagott, Pauken, Streicher, Continuo
Der Himmel lacht! Die Erde jubilieret
Und was sie trägt in ihrem Schoß!
Der Schöpfer lebt! Der Höchste triumphieret
Und ist von Todesbanden los.
Der sich das Grab zur Ruh’ erlesen,
Der Heiligste kann nicht verwesen!
3. Recitativo Bass, Continuo
Erwünschter Tag! Sei, Seele, wieder froh!
Das A und O,
Der erst’ und auch der letzte,
Den uns’re schwere Schuld
In Todeskerker setzte,
Ist nun gerissen aus der Not!
Der Herr war tot,
Und sieh, er lebet wieder!
Lebt unser Haupt, so leben auch die Glieder!
Der Herr hat in der Hand
Des Todes und der Höllen Schlüssel!
Der sein Gewand
Blutrot besprützt in seinen bitter’n Leiden,
Will heute sich mit Schmuck und Ehren kleiden.
4. Aria Bass, Continuo
Fürst des Lebens! starker Streiter,
Hochgelobter Gottessohn!
Hebet dich des Kreuzes Leiter
Auf den höchsten Ehrenthron?
Wird, was dich zuvor gebunden,
Nun dein Schmuck und Edelstein?
Müssen deine Purpurwunden
Deiner Klarheit Strahlen sein?
5. Recitativo Tenor, Continuo
So stehe dann, du gottergeb’ne Seele.
Mit Christo geistlich auf!
Tritt an den neuen Lebenslauf!
Auf! von den toten Werken!
Lass, dass dein Heiland in dir lebt,
An deinem Leben merken!
Der Weinstock, der jetzt blüht,
Trägt keine tote Reben!
Der Lebensbaum lässt seine Zweige leben!
Ein Christe flieht
Ganz eilend von dem Grabe!
Er lässt den Stein,
Er lässt das Tuch der Sünden
Dahinten
Und will mit Christo lebend sein!
6. Aria Tenor, Streicher, Continuo
Adam muss in uns verwesen,
Soll der neue Mensch genesen,
Der nach Gott geschaffen ist!
Du musst geistlich auferstehen
Und aus Sündengräbern gehen,
Wenn du Christi Gliedmaß bist.
7. Recitativo Sopran, Continuo
Weil dann das Haupt sein Glied
Natürlich nach sich zieht,
So kann mich nichts von Jesu scheiden.
Muss ich mit Christo leiden,
So werd’ ich auch nach dieser Zeit
Mit Christo wieder auferstehen
Zur Ehr’ und Herrlichkeit
Und Gott in meinem Fleische sehen!
8. Aria Sopran, Oboe I, Streicher, Continuo
Letzte Stunde, brich herein,
Mir die Augen zuzudrücken!
Lass mich Jesu Freudenschein
Und sein helles Licht erblicken!
Lass mich Engeln ähnlich sein!
Letzte Stunde, brich herein!
9. Choral SATB, Tromba I, Oboe I-III, Oboe da caccia, Fagott, Streicher, Continuo
So fahr’ ich hin zu Jesu Christ,
Mein’ Arm tu ich ausstrecken;
So schlaf ich ein und ruhe fein;
Kein Mensch kann mich aufwecken
Denn Jesus Christus, Gottes Sohn,
Der wird die Himmelstür auftun,
Mich führ’n zum ew’gen Leben.
Im Gegensatz zur Osterkantate BWV 4, die für einen derart hohen Festtag besetzungstechnsich doch etwas "spartanisch" daherkommt (und in der noch dazu die Grundtonart e-moll vorherrscht!), erfüllt Bach mit dieser festlichen Kantate nun alle Erwartungen, die man an eine feierlich-jubelnde Ostersonntags-Komposition der Barockzeit im allgemeinen so stellt:
Reiche Instrumentalbesetzung mit "Pauken und Trompeten" - sehr prächtig, strahlendes C-Dur herrscht als Tonart vor - freudiger Jubel zu Beginn!
Und wie zu erwarten, hat Bach auch diese Kantate aus seiner Weimarer Zeit in Leipzig mehrfach wieder aufgeführt (die Jahre 1724, 1731 und 1735 werden hier mehrfach genannt - vielleicht geschah es aber auch noch häufiger). Hierbei wurden immer wieder Besetzungsänderungen im Orchesterapparat erforderlich, die vor allem die Holzbläser betreffen.
Es fällt schon auf, wie ungleich die Gewichtung Passionsmusik (Karfreitag) zu Osterfesttagsjubel in Bachs kompositorischem Schaffem verteilt ist. Der Matthäus- oder Johannes-Passion ist kein vergleichbares Oster-Werk an die Seite zu stellen. Das hat sicherlich mit der für die protestantische Theologie größeren Bedeutung des Karfreitags zu tun - schade ist es aber trotzdem...
Die Textdichtung Francks bringt selbst in die österliche Jubelstimmung des heutigen Festtags die typisch barocke Todessehnsucht als Aspekt mit ein, was vor allem in der Arie Nr. 8 (mit herrlicher Solo-Obenbegleitung!) zum Ausdruck kommt. So erklingt hier bereits in den Streicherstimmen die Choralmelodie, die im Schlusschoral direkt anschließend vom Chor vorgetragen wird - eine Strophe des Liedes "Wenn mein Stündlein vorhanden ist" von Nikolaus Hermann. Aus Sicht der damaligen Zeit eine passende Wahl - für mich gerade zu Ostern hingegen doch etwas befremdlich. Immerhin von Bach durch Verwendung der Solo-Trompete festlich gekrönt!