Pierre Boulez als Dirigent

  • Hallo,


    Der Threadtitel soll andeuten, daß wir hier in erster Linie über Boulez in seiner Eigenschaft als Dirigent, nicht als Komponist (da könnte mal ein Thread folgen, wenn mehr Vertreter der "Moderne" hier sind, vielleicht in ein oder zwei Monaten)diskutieren wollen,
    oder zumindest unsere Statements abgeben.


    Ich erinnere mich, als die ersten Aufnahmen seines Mahler-Zyklus für DGG erschienen, daß ein Kritiker (in etwa) schrieb Ziel verfehlt - auf hohem Niveau.
    Ich weiß aber, daß sich hier in der Gruppe durchaus Befürworter eben dieser Aufnahmen (ich gehöre nicht dazu !!!) befinden. Das könnte eventuell Ausgangspunkt einer Diskussion sein. Dann könnten wir noch einige Sätze über den Stellenwert seine alten Stravinsky-Aufnahmen für CBS (heute SONY) fallenlassen, und schließlich möge jeder der das Bedürfnis hat, sich über weitere Aufnahmen dieses Maestro der 1967 in einem "Spiegel"-Interview gefordert hat, man möge doch "die Opernhäuser in die Luft sprengen" positiv oder negativ, begeistert oder ablehnend äussern.



    Ich freue mich auf Eure Stellungnahmen
    Gruß aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Der Dirigent Boulez reizt mich wenig.


    Seine Aufnahmen mögen technisch recht brauchbar sein, interpretatorisch vermisse ich zu oft die Antwort auf die Frage "warum habe ich diese Aufnahme auf CD herausgegeben?".


    Mahlers 6. ist vom analytischen Standpunkt sicherlich recht interessant und gefällt mir am besten von den Aufnahmen, die ich vom Dirigenten Boulez besitze.


    Bruckners 8. ist eine einzige Enttäuschung: Alles klingt recht schön, recht fix, aber das war's dann auch schon. So bekennt Boulez im Beiheft auch freimütig: "Ich habe auf Anhieb für mich akzeptiert, dass ich sicher mehr vom Orchester kriege, als das Orchester von mir".


    Das hört man, aber reicht das schon aus, um heutzutage eine CD aufzunehmen???

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Norbert schrieb:



    [Zitat]Bruckners 8. ist eine einzige Enttäuschung: Alles klingt recht schön, recht fix, aber das war's dann auch schon.[/Zitat]


    Interessant. Ich habe die DVD (ist doch das gleiche Konzert, oder?) und fand nur "leeren Bombast können andere aber besser". Absolute Durchschnittskost für meine Ohren.


    Jan

  • Hallo zusammen,


    ich schätze Boulez als Dirigent durchaus. Vor allem bei Strawinsky, Bartok und Webern, aber auch bei Debussy und Ravel. Bei Mahler habe ich meist andere Favoriten, jedoch gehören die Sechste und Vierte Mahler in Boulezs Lesart zu meinen bevorzugten Interpretationen. Ich kann die oft standartmäßig geübte Kritik "zu analytisch, zu kalt ect." meist nicht nachvollziehen. Aber die Leute brauchen halt Ihre Schubladen. Viele professionelle Kritiker fällen Ihr Urteil vermutlich schon aufgrund des Namens, aber das trifft ja viele Musiker.
    Ich würde gerne mal einen Beethoven von ihm hören, wäre sicher spannend.


    Norbert schrieb:


    [Zitat]reicht das schon aus, um heutzutage eine CD aufzunehmen???[/Zitat]


    Sofern nur irgendjemand davon überzeugt ist (im Idealfalle der Künstler selber : :) ), dass es reicht, sollte eine Aufnahme gemacht werden. Große Kunst kann man nicht bestellen, nur finden. Ignorieren kann man Aufnahmen ja immer noch, herbeiwünschen aber nicht. ;)



    Gruß
    Anti

  • Antracis schrieb


    [Zitat]Ich würde gerne mal einen Beethoven von ihm hören, wäre sicher spannend.[/Zitat]


    Ehrlich gesagt glaube ich das nicht. Aber Bach..? Oder Mozart? Vielleicht Haydn? Das fände ich spannend!


    Antracis schrieb:


    [Zitat]Ignorieren kann man Aufnahmen ja immer noch, herbeiwünschen aber nicht.[/Zitat]


    Herbeiwünschen schon, man braucht nur das nötige Kleingeld - siehe Kaplan. Und auch wir können uns alle ganz tapfer wünschen dass Boulez doch bitte bald mal Bach aufnähme. Das ist allerdings weniger wahrscheinlich.


    Jan

  • Antracis schrieb


    [Zitat]ich schätze Boulez als Dirigent durchaus. Vor allem bei Strawinsky, Bartok und Webern, aber auch bei Debussy und Ravel.][/Zitat]


    Dem pflichte ich uneingeschränkt bei: Bei Mahler gibt es einzelnes, was mich aufhorchen ließ (6.)
    Ich kenne keinen Dirigenten, der "alle meine Träume"
    reifen lässt und deshalb bin ich auch niemandes uneingeschränker "Fan". Achja, Schoenberg Hat Boulez auch dirigiert und das garnicht so übel !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Als Dirigent schätze ich Boulez leider überhaupt nicht, sieht man vom Dirigat eigener Kompositionen einmal ab und evt. einiger zeitgenössischer Werke (zB Schoenberg).
    Ich habe einige Einspielungen von ihm mit sog. Mainstream-Repertoire gehört und befand ihn mit seinen Deutungen gerade mal durchschnittlich.
    Viele empfahlen mir 'seinen' Mahler, aber bislang konnte ich mich noch nicht derart für Mahler begeistern, da ich vorerst den Weg zu Bruckner ausgiebig erkunden wollte.
    Wünschenswert von Boulez wäre eine wirklich umwerfende Darstellung der Turangalia-Sinfonie von Messiaen, und eine solche Interpretation, die mich wirklich umhaut, würde ich insbesonders Boulez zutrauen.


    Gruß,
    Jürgen

    Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, den Menschen zu sagen, was sie nicht hören wollen. [frei nach George Orwell]

  • Jan schrieb:


    [Zitat]Interessant. Ich habe die DVD (ist doch das gleiche Konzert, oder?) und fand nur "leeren Bombast können andere aber besser". Absolute Durchschnittskost für meine Ohren.


    [/Zitat]


    Ich denke doch wohl, daß es die gleiche Aufnahme ist. Die CD wurde mitgeschnitten in St. Florian, bei Linz, im Rahmen des internationalen Brucknerfestes 1996.


    "Durchschnittskost" trifft die Bewertung der Interpretation ganz gut. Da ist nichts, was auf eine individuelle Handschrift hindeutet.


    Man höre sich die Wiener Philharmoniker mit Böhm oder Giulini an, um einen eigenen Interpretationsansatz zu erkennen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Norbert schrieb:


    [zitat]
    Bruckners 8. ist eine einzige Enttäuschung: Alles klingt recht schön, recht fix, aber das war's dann auch schon.
    [/zitat]



    Damit das alles nicht so ernst ist, die wahre Begebenheit dazu.
    Diese Aufnahme wurde in der Stiftskirche St. Florian (Bruckner-Grab, Bruckner-Orgel, Bruckner-Weihstätte) im Rahmen eines Live-Konzertes gefertigt.
    Meine Frau und ich hatten das Vergnügen, diesem Konzert beizuwohnen.
    Natürlich kann Bruckner nicht verhunzt werden, aber:
    Über unseren Häuptern kreisten die Kameras des ORF, was von der Musik etwas ablehnte, da die Kameras sehr knapp über der Haarpracht vorbeifuhren. Unser Schicksal teilten fast alle Reihen in der Stiftskirche, sodaß ein synchrones Ducken einsetzte, wenn die Kamera wieder durch die Reihen schwenkte (so wie die Welle im Fußballstadion).


    Die Akustik dieser grandiosen Barockkirche hielt den Anforderungen, die Bruckner so stellt, ebenfalls nicht stand. Mich wundert, daß die Tontechniker dies auf der CD so hinbekamen.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Hallo Forianer,


    meine Ansicht zum Künstler Boulez deckt sich mit vielen hier geäußerten Meinungen (BBB, Anti), aber erwähnen möchte ich noch, dass ich seinen Sacre mit den Cleveland Orchestra von 1969 für Referenzverdächtig halte, mehr noch als die 91er Einspielung.



    Ansonsten schätze ich seine alten Ravel-Aufnahmen und natürlich seinen Bayreuth-Parsifal von 1970.



    Von den neueren Einspielungen halte ich noch die Ravel-Klavierkonzerte mit Zimerman für gelungen. Seine Mahler-Interpretationen können mich dagegen wenig begeistern, aber vielleicht hat sich auch nur mein Geschmack verändert: es gab eine Zeit, in der ich durchaus dachte: warum spielt er nicht mal Mahler ein.


    Gruß aus Hamburg
    Uwe

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  • Hallo Forianer,


    als Dirigent der Werke des 20.Jahrhunderts schätze ich Boulez sehr:
    Bartok, Strawinsky, Ravel, Debussy sind fein ausgehörte Interpretaionen, die einen Einblick in die letzten Strukturen der Werke erlauben.


    :] Ich habe Boulez auch schon Live in der Beethovenhalle Bonn erlebt:
    Ravel und Strawinsky wurden gespielt - ein Erlebnis.
    8o Nach der Pause Beethoven:Sinf.Nr.7 - - - mit Boulez nur anständige Kapellmeistermusik.
    :O Als Komponist schätze ich ihn gar nicht ! Aber ich will hier nicht ausschließen, das das bei mir noch kommt.
    Ich habe machmal den Eindruck, das manche heutige Komponisten, die eine ähnliche Tonsprche sprechen, sich gegenseitig aufführen - ich nenne sowas Daseinsberechigung !


    Gruß aus Bonn
    Wolfgang

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo


    Hm, Wundert mich, das Boulez hier doch eher weniger geschätz wird.
    Ich bin total vernarrt in Mahlers Lied von der Erde - und Boulez Einspielung ist eine meiner allerliebsten, ich ziehe sie sogar öfter aus dem Regal als Bernsteins überemotionale Deutungén.


    Auch Ravels Daphnis et Chloe und La Valse mag ich ausserordentlich in der sinnlichen und zugleich kontrollierten Aufnahme mit Boulez und den Berliner Philharmonikern.


    Weiter oben hat sich jemand gewünscht, daß Boulez mal Bach einspielen möge. Nun, das hat er ja bereits getan, und zwar in der herrlichen Aufnahme von Werbern/Bachs Ricercata aus dem Musikalischen Opfer. Auch der Rest dieser Webern CD ist ausserordentlich sinnlich und schön. Klanglich sowiso top!


    Im übrigen schätze ich Boulez als Ring-Dirigent in Bayreuth auf DVD sehr.


    Gruß, Markus

  • Auch Boulez Aufnahme von Alban Bergs Lulu höre ich gerne, tatsächlich gerne, da man sich in dieser Oper doch auch recht gut amüsieren kann. Boulez Lulu ist bisher meine einzige, ich habe aber sagen hören, daß Maazels Lulu aus Wien weit schöner sei, mal sehen



    Was ich von Boulez Symphonie fantastique halten soll, weiß ich auch nach wiederholtem Hören noch nicht. Schön auf jeden Fall ist, daß er mich auf dieser CD mit dem Dreiteiler Trista (19 minuten) vertraut gemacht hat. Klanglich sehr schön - Hörenswert unbedingt "La Mort d´Ophelie"



    So, das sollte es dann mal zum Thema Boulez für mich gewesen sein.
    Schönen Tag noch, Markus

  • ThomasBernhard schrieb:


    Zitat

    Boulez Lulu ist bisher meine einzige, ich habe aber sagen hören, daß Maazels Lulu aus Wien weit schöner sei, mal sehen


    Obwohl nicht hierher gehörend: die (mit allem Abstand schönste) LULU
    hat Karl BÖHM in 1968 vorgelegt, also ein Dirigent, dessen musikalische Meriten man eher bei Mozart sucht: Für alle, die sich nicht nur beiläufig mit Berg beschäftigen wollen, ein absolutes Muss "!!!!!


    Alban Berg: LULU , Livemitschnitt aus dem Jahr 1968
    Label:Andante
    Protagonisten: Silja, Mödl, Hotter






    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo BBB,


    so überraschend ist das gar nicht. Böhm war ein großer Alban Berg Verfechter und hat den Wozzeck nach dem Krieg fast im Alleingang in Europa durchgesetzt. In gleicher Ausstattung gibt es einen Mitschnitt mit Walter Berry als Wozzeck.


    Nebenfrage: Ist die vorgestellte Aufnahme der Lulu gegenüber der Studioeinspielung mit Evelyn Lear wirklich so überlegen?


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Theophilius schrieb:


    Zitat

    Nebenfrage: Ist die vorgestellte Aufnahme der Lulu gegenüber der Studioeinspielung mit Evelyn Lear wirklich so überlegen?


    Ja, einfach aufgrund der Protagonisten und des viel transparenteren
    räumlichen Abbildes: Mödl als Geschwitz ist unglaublich, von der Ensemblekultur kann man heutzutage nur träumen.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo zusammen,


    wundert mich auch (oder auch nicht, wenn ich mir das Repertoire anschaue, das Boulez so gut wie ausschliesslich dirigiert), dass er hier teilweise nicht so gut wegkommt. Vorurteile wie "analytisch", "kalt", "emotionslos" lasse ich mal außen vor und stelle fest, dass Boulez in seinen besten Aufnahmen fähig ist, eine ungeheure Transparenz zu erreichen - und das ist für mich jedenfalls ein Wert, der weit über den vordergründigen Effekt hinausgeht.


    Insofern mag ich Mahlers III. und VI. unter ihm besonders gern:



    aber auch seine Wagner-Interpretationen, die frei sind vom Überaktionismus einen Solti (man wird mich prügeln) oder der Verbreiterungsorgien eines Levine und sehr deutlich zeigen, dass Wagner diese "Überrumpelungstaktiken" nicht unbedingt nötig hat, um intensiv zu wirken. Viele finden sie (vielleicht drum) zu wenig dramatisch, ich finde seinen "Ring" vom Dirigat her immer noch einen der besten.



    Seine Webern-Interpretationen sind zu recht als hervorragend genannt worden, mein persönlicher Favorit, wenn man nur eine CD haben wollte, wäre die erste aus der Reihe, die (und das wäre die meiner Meinung nach optimale Lösung) auch innerhalb der 6 CD-Box mit (fast) allen Webern-Werken zu haben ist:



    Schließlich ist Boulez als Dirigent eigener Sachen natürlich ausgesprochen wichtig, da hat die DG ja erfreulicherweise viele Aufnahmen im Programm. Ein Werk Boulez', das mich in den letzten Jahren sehr fasziniert hat, ist "....Explosante, fixe....", gerade unter seiner Leitung wiederaufgelegt:



    In meinen Augen wäre es durchaus wünschenswert, einzelne Interpretationen Boulez' einmal genauer zu betrachten - und als Komponist hat er durchaus auch einmal einen eigenen Thread verdient (beizeiten)....


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo C.


    Zitat

    ... seine Wagner-Interpretationen, die frei sind vom Überaktionismus eines Solti ...


    Ich glaube nicht, dass man das so verallgemeinern kann. Dieser Zug ist bei Solti eigentlich nur beim Ring wirklich ausgeprägt, bei späteren Aufnahmen (soweit ich sie kenne) bewegt er sich weitgehend in dem von ihm bekannten Rahmen. (Übrigens hat er gewisse Schwächen seiner Ring-Interpretation durchaus zugegeben, und in einem Interview in den frühen 90ern gemeint, er würde jetzt den Ring durchaus anders interpretieren, ohne jedoch einen Gedanken daran zu verschwenden, sich der Strapaz nocheinmal auszusetzen.)



    Zitat

    ... ich finde seinen "Ring" vom Dirigat her immer noch einen der besten.


    Ist das jetzt wirklich so absolut gemeint, wie es dasteht?


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus,


    Zitat

    Original von Theophilus



    Ich glaube nicht, dass man das so verallgemeinern kann. Dieser Zug ist bei Solti eigentlich nur beim Ring wirklich ausgeprägt, bei späteren Aufnahmen (soweit ich sie kenne) bewegt er sich weitgehend in dem von ihm bekannten Rahmen.


    Mag sein, dass es im "Ring" in der Tat am deutlichsten ausgeprägt ist (und ich will nicht sagen, dass es nicht von Zeit zu Zeit reizvoll ist). Auch seinen späteren "Tannhäuser" und die ersten "Meistersinger" finde ich allerdings von dieser Tendenz, alles sozusagen "aufzuheizen", durchaus betroffen. Andere Sachen kenne ich nicht richtig gut - müsste mich danach auch mal umtun.


    Zitat

    (Übrigens hat er gewisse Schwächen seiner Ring-Interpretation durchaus zugegeben, und in einem Interview in den frühen 90ern gemeint, er würde jetzt den Ring durchaus anders interpretieren, ohne jedoch einen Gedanken daran zu verschwenden, sich der Strapaz nocheinmal auszusetzen.)


    Interessant, das war mir bisher unbekannt!


    Zitat


    Ist das jetzt wirklich so absolut gemeint, wie es dasteht?


    Es ist so gemeint, wie es da steht: *Ich* finde, dass dieser Ring eines der besten "Ring"-Dirigate ist, die auf Aufzeichnungen vorliegen. (Ich sage nicht: Es ist kategorisch das Beste. Da wird jeder etwas anderes erwarten.)


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von Theophilus
    Hallo C.



    Ich glaube nicht, dass man das so verallgemeinern kann. Dieser Zug ist bei Solti eigentlich nur beim Ring wirklich ausgeprägt, bei späteren Aufnahmen (soweit ich sie kenne) bewegt er sich weitgehend in dem von ihm bekannten Rahmen.


    Seine Mahler-Aufnahmen finde ich nicht weniger aktionistisch. Erschreckend eindimensional, auf die großen Effekte abzielend. Vor allem in den großen Symphonien 2,3 und 8 bekomme ich immer ein ungutes Gefühl.

    Gruß,
    Gerrit

  • Solti gegen Boulez ist eine gute Vergleichsmöglichkeit - zwei vollkommen verschiedene Musikauffassungen, beide klar in ihrer Ausprägung, die keinesfalls eine Einseitigkeit ist, sondern eine künstlerische Position..


    Mahlers Achte bei Solti ist auf jeden Fall eine Referenzaufnahme. Wenn dabei bei einem ein "ungutes Gefühl" entsteht, halte ich es für eine sehr positive Empfehlung. *g*


    Gruß

  • Hallo


    Mein Schicksal scheint es zu sein immer Dirigenten verteidigen zu müssen, die eigentlich gar nicht meine absolute Sympathie geniessen.


    Man mag Sir Solti aber so kritisch gegenüberstehen wie man nur mag, ich mag seinen Haydn nicht, ich mag seinen Mozart nicht, sein Beethoven lässt mich kalt, ditto sein Schubert, er hat durchaus seine Meriten.
    Aaaaber sein Ring war es, der mich überhaupt erst dazu gebracht das Werk zu hören, das Gleiche lässt sich auch von etlichen Werken der klassischen Moderne sagen. Er zielt, wie schon ganz richtig gesagt auf vordergründigen Effekt, was wiederum die Frage aufwirft, ob sich Mahler ohne solche Effekte je derart durchgesetzt hätte, wie das heute der Fall ist. Aber das ist schon wieder ein neuer Thread....


    Beste Grüße


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zwar etwas abseitig bei diesem Thema (Boulez), aber weil Solti ausdrücklich bei Mahler problematisiert wurde, noch eine kurze Äußerung:


    Die Solti-Aufnahmen der Mahler-Sinfonien sind für die Sinfonien No. 1, No. 6 und No. 8 und mindestens für die Rondo-Burleske in No. 9 in jedem Fall IMO bedeutende Beiträge zur Interpretationsgeschichte. Wie Alfred richtig sagte, sie sind so exponiert und überdeutlich in den Linien, dass Solti für viele Hörer überhaupt erst den Zugang zu Mahler eröffnet hat. Das ist auch ein großer Vorteil, den man den Solti-Aufnahmen nicht absprechen sollte. Bei der 8. Sinfonie ist die Solti-Interpretation nach meiner Meinung im Ganzen die Bedeutendste.


    Aber insbesondere für die Mahler-Sinfonien 1 und 6 (für die anderen ohnehin) gibt es andere Interpretationen und Einspielungen, die hier im Forum auch bereits genannt wurden, ohne die man sich diese Musik nicht wirklich erschließen kann. Wenn man alle die Details und Widersprüchlichkeiten dieser Sinfonien aus anderen Einspielungen kennt, sind einem die Einseitigkeiten bei Solti sehr bewußt. Aber weggeben würde ich die Aufnahmen der 1. und 6. Mahlersinfonien mit Solti nie.


    Also bitte keine allgemeine Abwertung der Leistungen Georg Soltis. Jeder Mensch und auch jeder Dirigent verdient es, nach seinen besonderen persönlichen Fähigkeiten und Leistungen gesehen zu werden.


    So sehe ich das.


    Mit freundlichen Grüssen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Zitat

    Original von MStauch
    Also bitte keine allgemeine Abwertung der Leistungen Georg Soltis.


    Wer macht das wo? Zu Soltis Mahler: Mir hat er denn Zugang zu Mahler "nicht" eröffnet und ich lass mir nicht das Recht absprechen, dass auch begründet zu äußern. Also nochmal: Soltis Mahler ist für mich zu eindimensional bombastisch.

    Gruß,
    Gerrit

  • MStauch schrieb:


    Zitat

    Bei der 8. Sinfonie ist die Solti-Interpretation nach meiner Meinung im Ganzen die Bedeutendste.


    Hallo Matthias,


    obwohl alles andere als ein "bekennender" Solti-Fan, stimme ich dir im Fall der 8. von Mahler voll zu. Keine andere mir bekannte Interpretation,
    (Stokowski, Abbado,Gielen,Kubelik,Tennstedt,Inbal) trifft mit derart bohrender Intensität, schon beim "Veni creator" den für die Interpretation dieses gewiss problematischen Werkes unverzichtbaren "Live-Charakter" so daß ich uneingeshcränkt sage: also wenn es schon Mahlers 8. sein muss, dann in DIESER Interpretation !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • @Thorsten


    Nicht so heftig.


    Ich habe das gar nicht auf Dich bezogen. Solti ist ja in dieser Hinsicht schon häufiger angesprochen worden und in verschiedenen Themen. Vieles, wenn nicht sogar das Meiste davon teile ich aus eigener Hörerfahrung. Mir liegt und lag daran, auf die bedeutenden Interpretationen der 8. und mit Abstufung der 1. und der 6. Mahler-Sinfonie hinzuweisen.


    Einen schönen Sonntag wünsche ich:


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Das gehört zwar eigentlich in den Anekdoten-Thread, paßt aber recht gut zu der von Alfred aufgeworfenen Frage nach den Gründen für Mahlers Wirksamkeit.


    Die 8. Symphonie Mahlers beginnt ja bekanntlich mit dem vom Chor gesungenen "Veni, creator spiritus!" (also "Komm, Schöpfergeist!"). Darauf Bezug nehmend fragte der scharfzüngige Hans Pfitzner: "Und wenn er nun nicht kommt?"


    Grüße


    Giselher

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zurück zum Thema Pierre Boulez: Heute ist in der Welt am Sonntag unter dem Titel "Klassik ist eine elitäre Musik" ein längeres Interview mit ihm abgedruckt, auf das ich gerne hinweise:


    http://www.wams.de/data/2005/02/27/544854.html


    Daraus zum Thema ratio und emotio in der Musik und beim Dirigieren:


    "WAMS: Sie sind ein sehr analytischer Komponist, gleichzeitig dirigieren Sie immer auch emotional. Gibt es bei Ihnen eine Grenze zwischen Ratio und Emotio?


    BOULEZ: Die kann es in der Musik nicht geben. Je mehr man eine Partitur rational studiert, desto emotionaler kann man sie dirigieren. Eine Partitur dringt rational durch den Kopf in den Körper und verläßt ihn emotional aus den Händen."


    Vielleicht mag der ein oder andere das Interview in voller Länge ja lesen....


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Ich kenne von Boulez nur den Parsifal von den Bayreuther Festspielen 1970, und der ist gigantisch. Überragende Sängerleistungen, und dieser schlanke, durchsichtige Klang, den der Dirigent zaubert.


    Erst habe ich mich schwer an die schnellen Tempi gewöhnen können, die Boulez durchgehend wählt, weil ich die Knappertsbusch-Aufnahme (1951 Bayreuth) im Ohr hatte, die insgesamt über eine Stunde!!! länger dauert, aber auch wahnsinnig gut ist.


    Ich könnte so auf Anhieb nicht sagen, welche der beiden Aufnahmen ich favorisieren würde, ich liebe beide auf gewisse Weise.


    Knappertsbusch, den Klangmagier, als Zelebrant der "Parsifal-Messe" und Boulez für seine Transparenz.


    Sonst kenne ich leider nichts von Boulez, deswegen kann ich nix dazu sagen

    "Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik"


    Wise Guys 2000

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