Betrachtungsweisen

  • Salut,


    sicher kein unheikles Thema [leider]:


    Aber, wie verhält es sich bei Kaufempfehlungen von z.B. NUR-Hörern [wobei dies keinesfalls eine Wertung sein soll!], die nicht im Geringsten eine Ahnung dessen haben, was tatsächlich in den Noten steht!?


    Umgekehrt gilt dies genauso: Es wird eine Empfehlung von einem Experten auf eine "absolut authentische" [jedenfalls nahekommende] Einspielung gegeben. Was kann der NUR-Hörer damit anfangen?


    Die Frage ist hier zunächst mal: Wer kann hier von der "Gegenseite" wie profitieren? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Wie schätzt Ihr die Beurteilungen ein, welche Ihr zurate zieht?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo,


    Meiner meinung nach ist es nicht zwingend erforderlich, sich mit Partituren auszukennen. Das lesen von Partituren oder das "selbst spielen" verschaffen zwar wesentlich tiefere Einblicke in die Materie und das Werk, jedoch geht es ja häufig in der Regel um Geschmacksfragen - auf beiden Seiten.
    Ein musikalisch ungebildeter (rein von der technischen Ausblidung) kann
    ungemeies musikästhetisches Empfinden haben; andererseits gibt es Profis, die keine Ahnung und Gefühl von "Musik" haben dafür aber enormes Technisches und theoretisches Verständniss.


    Viele Grüße,


    Raphael

  • Ich finde das ein sehr interessantes Thema, denn ich denke, dass jeder seinen ganz eigenen Zugang zur Musik hat - und man so nur voneinander lernen kann.


    Als ich mal einem Bekannten, sehr musikliebend, aber absolute ohne musikalische Kenntnisse von verschiedenen Projekten erzählte, Konzertprogramme, die ich gerne zusammenstellen wollte, sagte er mir ganz trocken, mein Ansatz sei ein falscher. Es ginge schliesslich nicht um mich und das, was ich gerne machen/singen wolle, es ginge darum, was er als "professionelles Publikum" gerne hören wolle.


    Ähnlich ist der Ansatz, wenn wir CDs kaufen - ich gehe da mit allen Vorbehalten meiner Vorlieben und Abneigungen dran... er hört halt rein und lässt sich davon tragen.


    Solange wir beide Spass dran haben...


    Freundliche Grüsse von Castafiore

  • Was ich bis jetzt erlebt habe ist, dass einfache Hörer gerne glückliche Stücke nehmen (Major) und vor allem dabei drauf achten dass sie Melodie im Ohr bleibt. Sogenannte Ohrwürmer also. Als Beispiel nehme ich gerne die kleine Nachtmusik von Mozart. Der einfache Hörer liebt dieses Stück. Wechsel zu der anderen Seite: Die Leute die die Noten verstehen etc. greifen viel lieber zu Werken wie Reqiem, also tiefgründige Musik, die meisten nicht wirklich Ohrwürmer sind (Nebenbei bemerkt sehr viele Minor-Stücke). Warum das so ist weis ich nicht, aber das ist so das Fazit was ich bisher erleben konnte.

  • Guten Abend



    Ich zähle michselbst zur Spezies der "Musikalisch ungebildeten" Laien :hahahaha:
    Ich kann keine Noten lesen, kein Instrument spielen und nicht singen, entscheide beim CD-Kauf oder Musik hören aus dem Bauch heraus oder sagen wir mal so, was mir gefällt. :hello:
    Ich hab da schon meinen Geschmack und meine Favoriten. Zähle aber gerneauch auf Empfehlungen "Sachverständiger".


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

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  • Oh, ein sehr schönes Thema...


    Ich bin ein Einfach-Hörer oder wie Ulli das ausdrückt, ein NUR-Hörer. Meine Notenkenntnisse beschränken sich aufs Minimalste, ich hab noch nie eine CD mit Notenblättern verfolgt und bin auf Gedeih und Verderb auf "Kritiken" angewiesen, um im Wald Bäume zu erkennen. Insofern bilde ich den "Bodensatz" dieses Forums, was ich aber gerne einräume. Insofern bin ich sicherlich jemand, der sehr stark von den Informationen hier profitiert, wobei sich im Laufe des Jahres einige Muster herausgebildet haben, die sicherlich ähnlich gelagerte Mitglieder auch ähnlich erfahren. Abgesehen davon, dass ich mich hauptsächlich an die Meinungen hänge, von denen ich ausgehe, dass sie meinem Geschmack und meinen Erwartungen am ehesten entsprechen, nutze ich auch gerne die Informationen von Taminos, die mir musikalisch eigentlich sehr weit entfernt stehen, wenn ich den Eindruck habe, sie sind voller Begeisterung. Ein Beispiel: Die Moderne. Wenn ich hier Beiträge lese von Mitgliedern, die der modernen Musik sehr viel abgewinnen und ihre Begeisterung in ihren Postings spürbar ist, dann habe ich davon mehr, als wenn ich in irgendeinem Fachblatt tausend musikwissenschaftliche Termini um die Ohren gehauen bekomme. Ersteres weckt wesentlich mehr Lust... Und wenn sich zur Begeisterung eben noch geballte Fachkompetenz gesellt, dann gibt's für mich kein Halten mehr. Ich nehme also wesentlich mehr, als ich geben kann.


    Ein anderer Effekt ist aber auch der, dass ich in meinen Urteilen sicherer werde. Nicht im Argumentieren, aber in meiner Geschmacksbildung. Ich finde es sehr schön, wenn ich feststelle, dass nicht alle Vorlieben gleichmäßig geteilt werden. Ich habe zum Beispiel gestern festgestellt, dass mir Ries im Gegensatz zu Onslow überhaupt nicht gefällt. Ich hatte den Eindruck "Beethoven für Windows" zu hören... Sowas hätte ich mich nie getraut zu sagen. Und auch, wenn ich hier Gegenwind erfahre, weiß ich doch, ich bin nicht unbedingt allein :D


    Das tut einfach gut...

  • Meine Vorliebe hängt davon ab, ob ich mich für die Person des Komponisten interessiere oder für das Werk.


    Ich nutze das Forum hauptsächlich, um mein Interesse für bestimmte Werke oder Komponisten zu wecken. Zum Kennenlernen kaufe ich dann aber meist eine x-beliebige (günstige) Aufnahme. Wenn sie mir nicht gefällt, suche ich im Forum nach Anregungen, welche Aufnahme eher meinem Geschmack nahe kommen könnte (ich muss ja das Werk erst kennen, bevor ich mit den Rezensionen der Taminos was anfangen kann). Authentizität ist in diesem Fall zweitrangig.


    Authentisch muss eine Aufnahme meines Erachtens vor allem dann sein, wenn ich mich in erster Linie für die Person des Komponisten interessiere. Dann möchte ich das Stück genau so hören, wie er es gehört/erdacht hat.
    Da greife ich dann auch zu HIP-Einspielungen.


    LG :hello:
    Violoncellchen

  • Kann mich da nur Blackadder anschließen, bin zwar erst kurze Zeit dabei, habe aber durch den Einfluß des Forums in den wenigen Monaten so ca. 380 CDs gekauft (na ja, 160 Bach, 170 Mozart, 40 Händel aus den Brilliant-Kollektionen), habe viele meiner Alt-CDs, die jahrelang im Regal schmorten, wieder rausgesucht, um den einen oder anderen Thread besser verstehen zu können, bin über viele Namen auch von durchaus weithin bekannten Musikern zum erstenmal gestolpert, habe einige Stücke entdeckt, die ich inzwischen für unverzichtbar halte etc., etc.


    Habe mich bei den Käufen nicht so sehr auf Einzelmeinungen verlassen, als vielmehr auf mehrere Einschätzungen derjenigen, die mir vom Musikgeschmack eher nahe zu sein scheinen, wobei ich keinen Unterschied zwischen Banausen und Experten mache (soweit es mir denn bekannt ist). Es scheinen aber dennoch eher die Experten zu sein, die zu meinem Geschmack eine höhere Distanz aufweisen...


    Als Nur-Hörer verfolge ich zwar auch die Diskussionen der Musiktheoretiker, allerdings nicht immer mit "Erfolg", während ich die Beiträge der Praktiker (z.B. Michael Schlechtriem über den Gebrauch des Bogens) allesamt sehr spannend fand.


    Da ich jetzt soviele neue CDs habe (von den 160 Bach-CDs sind etwa die Hälfte für mich völlig neuen Inhalts gewesen, bei Mozart waren es eher um die 140), werde ich mich in der nächsten Zeit erstmal durch diese hindurchhören und Empfehlungen nicht weiter nachgehen (bis auf die Beethoven-Box bei Sony...oder wenn smob nochmal beschreibt, wie toll der Koriolov die Goldberg-Variationen spielt oder ein paar Händel-Anthems runtergesetzt sein sollten...).


    Ansonsten steht erstmal "Konsolidierung des Erreichten" auf dem Programm.


    Ich möchte aber Sakow noch ein wenig widersprechen: ich mag Moll mindestens so gern wie Dur und liebe das Requiem, ohne auch nur eine Note davon lesen zu können.

    Einmal editiert, zuletzt von m-mueller ()

  • hm, wenn ich das alles hier so lese, frage ich mich - ohne wertung!!!! - ob es einen begeisterten klassikhörer nicht dazu drängt, sich wenigstens die grundlegenden kenntnisse wie notenlesen und die wichtigetsen fachtermini zu erarbeiten. zumal das ja ruck-zuck geht. .... ?(


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • die notwendigen Fachtermini kriegt man hier schon durchaus mit - Notenlesen muß nun aber nicht sein, habe eh keine Partituren.


    Ich bin Betriebswirt und verstehe insofern ein wenig von Geld (schöner Spruch: "Economists (Volkswirte !!) know everything about money, except how to make it", ohne aber nun mehr als der Durchschnitt davon zu haben oder es mit mehr Lust oder mehr Verstand auszugeben als andere. Musik ist für mich wichtige Nebensache, und ich werde mich weiterhin auf das Hören konzentrieren, ohne allzu sehr zu bedauern, daß ich sie nicht selbst spielen kann.

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  • Lieber Jörg,


    Ich benütze eigentlich nur eine Partitur: Haydns Jahreszeiten. Der Messias und die Matthäus Passion folge ich eher im Klavierauszug als im Partitur. Wenn ich schaue!
    Sonst, wenn ich Noten habe, folge ich sie in Klavierauszüge.


    Und ich kann nicht sagen, daß mich das stört. Denn ich will Musik erfahren. Dann wirkt das schauen auf den Noten, so finde ich es jedenfalls, hemmend.


    Und wenn ich nicht erfahren will, dann lese ich und dreht eine Scheibe mit (meist) Konzerten.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Denn ich will Musik erfahren. Dann wirkt das schauen auf den Noten, so finde ich es jedenfalls, hemmend.


    hallo, lieber paul, ja, das sehe ich ähnlich. wenn ich genießen will, dann natürlich ohne noten.


    meine obige überlegung bezog sich aber nicht auf das partitur(mit)lesen, sondern ganz generell auf die kenntnis der noten überhaupt.


    :hello:

    --- alles ein traum? ---


    klingsor

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von klingsor
    hm, wenn ich das alles hier so lese, frage ich mich - ohne wertung!!!! - ob es einen begeisterten klassikhörer nicht dazu drängt, sich wenigstens die grundlegenden kenntnisse wie notenlesen und die wichtigetsen fachtermini zu erarbeiten. zumal das ja ruck-zuck geht. .... ?(


    :hello:


    Das mit den Noten lesen können, möchte man manchmal schon, aber geht das wirklich ruck-zuck ? Braucht man das aber auch wirklich ?
    Die Fachtermini kann man sich anlesen.
    Hauptsache aber, meine ich, man hat Spass an der Sache :hello: :hello:


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Interessantes Thema.


    Ich gehöre zur Gruppe der Nur-Hörer. Ich kann Noten lesen (8 Jahre lang Akkordeon - Argh), nutze diese Kenntnis aber nicht, um Musik zu hören. Zwar weiß ich noch aus dem Musikunterricht, daß das manchmal sehr spannend und hilfreich sein kann (ich erinnere mich noch daran, das 5. Brandenburgische Konzert so verfolgt zu haben), aber zuhause oder im Auto ( :wacky:) konzentriere ich mich doch lieber auf die Musik... Und ehrlich gesagt: so spannend manchmal Sachen wie B-A-C-H oder die 14 usw. sein können - wenn die Musik alleine nichts taugen würde, würden die Noten auch nichts mehr retten.


    Empfehlungen hier aus dem Forum greife ich auf, wenn ich die Argumentation nachvollziehen kann. Von wem der Tip stammt, ist mir erstmal egal - wobei ich dazu neige, obskure russische Orchester und Mono-Aufnahmen aus den 40er- und 50er-Jahren auszublenden. Ich kenne mich nicht gut genug aus, um deren einzigartigen Charme genug zu würdigen...


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Wenne ich mich überhaupt nach Autoritäten richte, warum sollte ich die Autorität von Ulli Blees, Edwin Baumgartner, Michael Schlechtriem oder die eines professionellen Musikkritikers höher einschätzen als die von Harnoncourt, Karajan oder Rostropowitsch, die die kritisierte Musik *machen*?
    Das sind schließlich alles professionelle Musiker, die zwar nicht unfehlbar sind, aber gewöhnlich eine fundierte Sichtweise eines Stücks präsentieren dürften.
    Wenn Blees mit Harnoncourts oder Baumgartner mit Karajans Sichtweise kollidieren, sollte ich dem einen trauen, weil er berühmter ist, oder dem anderen, weil ich ihn persönlich kenne?
    Ich bin letztlich doch wieder auf mich selbst gestellt, denn in Fragen musikalischer Interpretation gibt es keine absolute "Authentizität" und immer ein Spektrum von Deutungen.


    Nun aber der mögliche große Vorteil: Ein Experte kann seine Empfehlung oder das Gegenteil normalerweise besser und klarer begründen als der "Nur-Hörer".
    (Wobei es auch hier Ausnahmen gibt, es gibt erfahrene Hörer, die Musik besser beschreiben können als Profis). Das macht sein Urteil leichter nachvollziehbar, meistens sogar für den, der selbst nur geringe Kenntnisse besitzt.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Grundsätzlich möchte ich Dir, lieber Johannes, zustimmen.


    Es gibt allerdings noch einen "technischen" Aspekt, bei dem man auf notengestützte Fachkenntnis angewiesen ist - und meist im Regen stehen bleibt.


    Eine Ausnahme ist Ben Cohrs, der seine Kritiken ungewöhnlich detailliert am Text begründet - und so etwas wie die verschobenen Temporelationen im zweiten Satz von Bruckner IV/1 in der Russell Davies Aufnahme fällt dem Nur-Hörer nicht auf.


    Was ich schmerzlich vermisse sind fachkundige Beurteilungen von HIP-Aufnahmen in technischer oder philologischer Hinsicht: etwa die Frage nach der Angemessenheit der verwendeten Instrumente, Stimmungen, Ornamente, die Frage der inegalité, des Vibratos etc. Hier würde ich oft gerne wissen, wie sich die getroffenen künsterlischen Entscheidungen vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes ausnehmen, aber so richtig fündig bin ich da noch nicht geworden. Was auch kein Wunder ist, da ein "kritischer Bericht" zu jeder HIP-Aufnahme zwar vielleicht für Freaks wünschenswert, insgesamt aber den enormen Aufwand kaum lohnen dürfte. Aber krasse Aussetzer wie die Kritik der Rhythmik in Egarrs Aufnahme der Goldbergvariationen, wo er doch nur brav die inegalité anwendet, sollten eigentlich nicht vorkommen.


    Als Nur-Hörer hat man da absolut keine Chance, weil einem schon das Fachwissen fehlt. Deswegen bin ich ihn diesen Dingen auch sehr dankbar für jedes informierte Wort, da ich schlecht noch Musikwissenschaft und historische Aufführungspraxis studieren kann (selbst wenn ich's könnte).


    Völlig unabhängig davon ist natürlich der emotional erfahrbare künstlerische Wert einer Aufnahme.


    :hello:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Salut,


    ich freue mich über die positive Resonanz in diesem Thread und das angenehme "Betriebsklima". Ich hoffe, bald wieder mehr Zeit für die wichtigen Dinge zu haben...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ich gehöre ebenfalls zur Gruppe der musikalischen Laien, d.h. ich spiele kein Instrument und lese keine Noten. In Fachbegriffe muß ich mich einarbeiten, das allerdings mit Vergnügen und Interesse.


    Die hier im Forum geäußerten Meinungen sind für mich Bausteine bei der Meinungsbildung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. In der Regel ist diese Meinungsbildung ein langer Prozeß gegenseitiger Befruchtung. Ob eine Kaufempfehlung von einem Nur-Hörer oder einem Experten stammt, spielt für mich dabei nur eine sehr untergeordnete Rolle.


    Ganz ohne musikhistorische Vorkenntnisse bin ich nicht, hinzu kommen eigene Hörerfahrungen, Fachliteratur, Booklettexte, Internet. Wie Johannes aber richtig sagt, die Entscheidung treffe ich letztlich selbst, meine Neigungen geben den Ausschlag.


    Edwin zB kann noch so sehr sowjetische Orchesterwerke loben, mein Geschmack ist das nicht. Teleton zB begeistert sich für etliche Karajan-Aufnahmen, mir gefallen andere Interpretationen besser. Mich weitgehend oder gar ausschließlich nach den Empfehlungen anderer zu richten käme mir nicht in den Sinn.

  • Zitat

    Original von Ulli
    mehr Zeit für die wichtigen Dinge i


    Hallo zusammen,


    ich finde schon, daß dies eine wichtige Diskussion ist. Ich gehöre wie auch Robert zu den interessierten Laien, für die ein Großteil der Musik, die wir heute noch diskutieren, ja eigentlich geschrieben ist.


    Und also ist für mich die Notenschrift als solche, die sich über Jahrhunderte bis hin zu Bach und seither kaum noch entwickelt hat, ein Mittel zum Zweck der Komponisten, ihre Ideen zu speichern und an die Ausführenden, eben auch an die von heute, weiterzugeben. Nicht mehr und nicht weniger.


    Dabei läßt sie Freiräume, über die wir uns hier und heute Gedanken machen. Oh nein, nicht müssen, sondern dürfen ! Wenn es diese Freiräume nämlich nicht gäbe, wäre es mit einer "Interpretation" im Plattenschrank getan. (Aber wäre es dann noch eine ?)


    Für mich ist es daher beim Schallplattenkauf völlig, aber wirklich völlig unerheblich, was der oder jener Kritiker von einer Zeitung oder in einem Forum dazu schreibt. Das ist noch subjektiver als die Wertung von Musik selber: es gibt durchaus Werke, deren Größe ich anerkennen muß :angry:, die ich aber überhaupt nicht mag. Dazu zähle ich Wagners Ring.
    Eine Interpretation irgendeines Werkes kann ich hingegen rundheraus als schlecht ablehen, wie z.B. Karajans matschige Beethoven 4 von 1977/8.


    Johannes schreibt: "Nun aber der mögliche große Vorteil: Ein Experte kann seine Empfehlung oder das Gegenteil normalerweise besser und klarer begründen als der "Nur-Hörer". Oft stimmt dies, ich habe aber noch keinen Experten die Vorzüge der Interpretation von Bruckners 4. von Furtwängler gegenüber bspw. Inbal adäquat schildern hören. Auch da gibt es Grenzen.


    Hm, ein schwieriges und vermintes Gelände....?


    Holger

    Die Wahrheit liegt hinter dem Denken.

  • Zitat

    Original von Barockbassflo
    Es gibt allerdings noch einen "technischen" Aspekt, bei dem man auf notengestützte Fachkenntnis angewiesen ist - und meist im Regen stehen bleibt.


    Eine Ausnahme ist Ben Cohrs, der seine Kritiken ungewöhnlich detailliert am Text begründet - und so etwas wie die verschobenen Temporelationen im zweiten Satz von Bruckner IV/1 in der Russell Davies Aufnahme fällt dem Nur-Hörer nicht auf.


    Fällt ihm nicht vielleicht doch auf, das etwas *anders* ist als gewohnt?


    Zitat


    Was ich schmerzlich vermisse sind fachkundige Beurteilungen von HIP-Aufnahmen in technischer oder philologischer Hinsicht: etwa die Frage nach der Angemessenheit der verwendeten Instrumente, Stimmungen, Ornamente, die Frage der inegalité, des Vibratos etc. Hier würde ich oft gerne wissen, wie sich die getroffenen künsterlischen Entscheidungen vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes ausnehmen, aber so richtig fündig bin ich da noch nicht geworden. Was auch kein Wunder ist, da ein "kritischer Bericht" zu jeder HIP-Aufnahme zwar vielleicht für Freaks wünschenswert, insgesamt aber den enormen Aufwand kaum lohnen dürfte. Aber krasse Aussetzer wie die Kritik der Rhythmik in Egarrs Aufnahme der Goldbergvariationen, wo er doch nur brav die inegalité anwendet, sollten eigentlich nicht vorkommen.


    Ich bin vollkommen Deiner Meinung, dass es wünschenswert wäre, wenn solche Fragen z.B. im Beiheft von den jeweiligen Interpreten erläutert und begründet würden (je älter die Musik, desto größer die Wahrscheinlichkeit, so etwas zu finden). Das muß ja kein wissenschaftlicher Aufsatz, sondern es sollte eine allgemeinverständliche Zusammenfassung der jeweiligen Position sein.
    Man ist letztlich sehr häufig auf Vermutungen angewiesen, ob offensichtliche textuelle Abweichungen wie die "traditionellen" Instrumentationsretuschen, weggelassene Wdh., ignorierte Tempoangaben aus unreflektierter "Schlamperei" geschehen, oder ob es künstlerische oder andere Gründe dafür gibt.
    Ich wollte auch keineswegs für Subjektivität und gegen Autorität oder Expertentum polemisieren. Nur, wenn man Experten besonders hervorhebt, dann ist Karajan prima facie mindestens ebenso Experte wie Baumgartner oder -urghh- Joachim Kaiser... :rolleyes: Und man kann nicht einfach Experten gegeneinander ausspielen, sondern muß in die Sachfragen gehen bzw. zugestehen, dass alternative Interpretationen gleichberechtigt sind.


    Holger: Hast Du dagegen einen Nicht-Experten die entsprechenden Unterschiede nachvollziehbar schildern hören?


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

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  • Hallo Johannes,


    ich bin kein "Experte", will auch keiner werden, da ich mich denn ja professionell mit etwas befassen müßte, mit dem ich mich heute gerne befasse. :]


    Daher unternehme ich den Versuch, es einem anderen "Nicht-Experten" zu erklären auch gar nicht erst, entweder er hört es oder eben nicht. Da habe ich gar keinen "missionarischen" Eifer. Das ist vielleicht ein bißchen wie mit einer Fremdsprache, entweder man hat ein Ohr dafür oder eben nicht.


    Holger

    Die Wahrheit liegt hinter dem Denken.

  • Hallo Ulli,


    nehmen wir an, ich gehe in ein Restaurant und lasse mich bekochen. Muss ich kochen können, um den Geschmack der Speisen schmecken und beurteilen zu können? Natürlich nicht!


    Auf die Musik bezogen: Selbstverständlich kann auch der Nur-Hörer Musikstücke beurteilen und somit Empfehlungen abgeben.


    Eingeschoben sei: Ich selbst bin ein sozusagen fortgeschrittener Nur-Hörer. Das bedeutet: Ich bin ein Laie, besitze aber genügend Notenkenntnisse, um einem Stück in der Partitur folgen zu können, finde auch: Wer mitliest, hört mehr. Leider sind Noten viel zu teuer, besitze ich folglich schätzungsweise nur von 1 % der Werke, die ich auf CD habe, die Noten. Als interessierter Laie, als der ich mich gewöhnlich bezeichne, habe ich mich vor einiger Zeit durch eine Harmonie-Lehre gequält, um meine diesbezüglichen (lange verschütteten) Schulkenntnisse aufzufrischen. Hörgewinn? Fehlanzeige. Ernüchternd war für mich das Mithören einer Radio-Sendung über Schuberts neunte Sinfonie. Ausschnittsweise vorgespielt wurde der „auffällige“ Tonartwechsel. Nun, mir ist er entgangen…


    Genug der Abschweifungen: Grundsätzlich halte ich es für unerheblich, ob die Empfehlung von einem Profi oder einem Laien stammt. Viel wichtiger ist, ob der Empfehlende einen hinreichenden Überblick über die verfügbaren Einspielungen oder zumindest eine hinreichende Hörerfahrung hat, um die betreffende Einspielung einschätzen zu können. Illustrierend: Wer sich für eine Einspielung eines Werks von Lully interessiert, wird sich vertrauensvoll an den Lullisten wenden können, wer sich für eine Einspielung eines Werkes von Nono interessiert, eher nicht.


    Empfehlungen sind aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere halte ich für sehr viel bedenkenswerter und wichtiger. Diese Seite der Medaille heißt: Kritik.


    Schon vor einiger Zeit hatte ich vor einen Thread mit dem Titel: „Musikkritik durch Laien – Ab wann wird sie Anmaßung?“ zu beginnen. Anlass waren meine Ausführungen zur Einspielung der Bach-Kantate „Christen, ätzet diesen Tag“ durch Harnoncourt. Ich schrieb:


    „zu Harnoncourt:


    Sofort zu Beginn fallen die starken Akzentuierungen auf. Sie sind derart hart, ja ruppig, dass sie fast schon den Fluss der Musik stören. Tja, und dann singt eben auch noch ein Knabenchor. Da bin ich kein Freund von. Das erste Duett ist eine Riesenenttäuschung. Schon die Oboe klingt quäkig und nicht wirklich beherrscht. Und dann, dann… Ich weiß gar nicht, wie ich es sagen soll. Also: Warum um alles in der Welt hat Harnoncourt diesen Knabensopran singen lassen? Er muss doch gehört haben, dass dieser Sopran einfach scheußlich klingt! Das zweite Duett, gesungen von Esswood und Equiliz, gefällt mir dafür wie auch der Schlusschor – trotz der Knaben – deutlich besser als bei Leusink.“


    Durfte ich das schreiben, insbesondere das Wort „scheußlich“ verwenden? Hätte nicht der Respekt vor den Musikern, hätten nicht die Regeln der Höflichkeit geboten, sich zurückzuhalten? Einerseits ja, denke ich. Andererseits, warum soll man nicht deutlich formulieren dürfen, wie man etwas empfindet. Hierfür besteht meines Erachtens auch ein echtes Bedürfnis, hält sich doch die Profikritik mit Negativäußerungen grundsätzlich zurück (die Gründe liegen auf der Hand). Ausnahmen gibt es natürlich, insbesondere wenn Kritik gerade en vogue ist (z.B.: Netrebko-Verrisse, Karajan-Bashing).


    Bevor aber eine Negativkritik geschrieben wird, sollte man die Worte deutlich abwägen, denke ich. Und man sollte sie nur äußern, wenn man seiner Sache sicher ist.


    Zu den obigen Grundsätzen eine Ausnahme: Das Messen einer Einspielung an speziellen Parametern (z.B. Notengenauigkeit, Tempofragen) wird selbstredend nur von Profis vorgenommen werden können. Das aber ist kein Problem. Denn den Laien, der sich traut, in die fehlende Notentreue einer Aufnahme zu kritisieren, obwohl er weder die Noten vor sich hat, noch überhaupt Noten lesen kann, gibt es nicht.


    Gruß, Thomas

  • Hallo,


    Zitat

    Original von ThomasNorderstedt
    nehmen wir an, ich gehe in ein Restaurant und lasse mich bekochen.


    Und nehmen wir an, per Zufall setzt sich ein wildfremder Mensch neben Dich [ich weiß, das ist heute unüblich] und macht Dir Deinen Gaumenschmaus madig, weil er zufällig weiß, wo es das sehr viel besser gibt...


    Zitat


    Ausschnittsweise vorgespielt wurde der „auffällige“ Tonartwechsel. Nun, mir ist er entgangen…


    Mag vielleicht daran liegen, dass es in dieser Form heute nichts Besonderes mehr ist... und/oder, dass die Stelle eh bereits zu sehr im Ohr ist.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Und nehmen wir an, per Zufall setzt sich ein wildfremder Mensch neben Dich [ich weiß, das ist heute unüblich] und macht Dir Deinen Gaumenschmaus madig, weil er zufällig weiß, wo es das sehr viel besser gibt...


    Eben deshalb habe ich das Kriterium "hinreichender Überblick über die verfügbaren Einspielungen" bzw. "genügend Hörerfahrung" eingeführt. Markttransparenz nennt das ein BWLer.


    Thomas

  • Guten Morgen.


    Ich hatte mal einen Kollegen im Feuilleton, mit dem ich sehr gern über Musik sprach. Er war - so weit ich das beurteilen kann - eben auch musiktheoretisch sehr beschlagen (inklusive Kompositionsunterricht usf.). Ich habe Empfehlungen von ihm gern entgegengenommen.
    Wenn es nun zum umgekehrten Fall kam, und ich von etwas so angetan war, dass ich es empfehlen musste, fühlte ich mich - der ich zwar Noten lesen kann, sich aber wohl nie mit einer Partitur bewaffnet ein Musikstück anhören würde - klein und schmutzig. Was anderes konnte ich ihm mitteilen als meinen persönlichen Geschmack?
    Auf der Geschmacksebene denke ich also schon eine Meinung haben zu können. Aber ob beispielsweise ein Tempo richtig gewählt ist, kann ich eigentlich auch nur aus dieser Sicht heraus beurteilen - ob es im Gesamtzusammenhang Sinn ergibt, mir schlüssig erscheint. Der Notentext als höhere Wahrheit bleibt da außen vor.
    Für mich wird es jedoch insofern etwas problematisch, als dass meine Erfahrung die ist, dass auch das solideste theoretische Fundament vor allem dazu dient, das subjektive Empfinden zu untermauern. Schaut man also auf Groß-Kritiker, dann wird man früher oder später einen mehr oder minder ungezügelten Subjektivismus erleben - samt hoch verehrten Lieblingen, die offenbar pauschal gelobt, und Hass-Subjekten und-Objekten, die offenbar ebenso pauschal verdammt werden.
    Letztlich nutzt es wohl nichts (und so lautete auch die Empfehlung meines beschlagenen Kollegen), man muss Musik hören und darüber endlich auch einen eigenen Geschmack entwickeln. Um dann nicht nur in diesem eigenen Saft zu schmoren, sollte man aber auf Empfehlungen jedweder Art reagieren können (kommen sie nun vom Laien oder vom Profi). So versuche ich es zu halten, und ich fühle mich dabei, auch dank der Anregungen aus diesem Forum, sehr wohl.


    :hello:


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

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  • Hallo zusammen,


    ein interessanter Thread, der letztenendes doch auch wieder auf die Frage hinausläuft, was man von Musik oder von Musik hören eigentlich erwartet.


    Ich bin auch ein klassischer "Nur-Hörer". Ich kann zwar Noten lesen, habe auch ein bisschen Klavier gespielt - leider finde ich keine Zeit mehr zum regelmäßigen üben - verfolge Musik aber nur sehr selten mit Noten. Und selbst wenn höre ich Fehler in der Interpretation nicht unbedingt, wenn man mal von ganz groben Schnitzern absieht...


    Noch dazu fehlen mir viele Hintergrundkenntnisse, die nötig wären, um die Interpretationen als "historisch korrekt" einordnen zu können. So habe ich zum Beispiel keine Ahnung, ob irgendwelche Verzierungen in irgendwelchen Barockopern zeit-typisch ausgeführt wurden oder nicht.


    Wenn ich die Musik höre und mir das Ergebnis gefällt, ist es mir eigentlich auch egal. Aber dennoch finde ich solche Betrachtungen sehr interessant. Vorbildlich finde ich zum Beispiel auch Hinweise in Textheften zu der interpretatorischen Wahl oder sogar Eingriffen, wie sie zum Beispiel Jacobs in der Regel gibt. Da kann man dann lesen, dass er der Partitur für die Poppea eine fünfte Stimme hinzugefügt hat, um einen fülligeren Klang zu erreichen. Partiturgetreu? - Offensichtlich nicht. Eine Zeitpraxis entsprechend? - Vielleicht schon. Und wie klingt's für mich? - Genial. Anderen mag das als Sakrileg erscheinen...


    Dennoch wüsste ich es halt gerne und kann mich da Barockbassflo nur anschließen. Wie wäre es denn mit einer Deklarationspflicht, analog zu Lebensmitteln (mal abgesehen davon, dass diese auch bei Lebensmitteln in der Regel nicht ausreicht) ;)


    Ansonsten wirken bei mir alle möglichen Meinungen und Kritiken die ich gelesen habe, bei der Auswhl meiner nächsten CD Einkäufe mit. Wenn ich genügend positives über einen Komponisten, ein Stück oder auch eine Aufnahme gelesen habe, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in meinem Einkaufskorb landet, schon größer.


    Viele Grüße,


    Melanie

  • Ist es nötig zu wissen wie die Grundierung für ein Bild angerührt wurde um das Bild zu verstehen ?


    Nein.



    Ich glaube mit der Musik ist es genauso, ich bin auch ein "Nur-Hörer" und das ganz bewußt, denn ich möchte mich von der Musik berühren lassen.
    Dazu intereesiert es mich herzlich wenig wie sie konstruiert ist.



    Ich will das auch gar nicht anders. Denn um wieder den Vergleich mit der Malerei heranzuziehen, zuviel "Wissen" verdrängt die Sinnlichkeit.
    Da ich ja als Künstler und Maler ausgebildetet werde, ist es oft schon so, dass ich immer zuerst danach sehe -wie ist das gemacht.
    Erst nach diesen ganzen technischen Fragen, kommt die eigene Bildsprache und das Gefühl oder die Botschaft die Vermittel werden soll.


    Ich empfinde das nicht unbedingt als einen Gewinn, weil es für mich so ist wie mit den Zauberern.
    Ich will nicht wissen wie die Tricks funktionieren, denn dann geht die Magie für immer flöten und man nimmt sich einfach etwas faszinierendes.
    Ich liebe ungelöste Rätsel und muss nicht alles ergründen.


    Ich halte mich für keinen Spezialisten und maße mir das auch nicht an.
    Aber ich weiß was mich bewegt und was mir gefällt, dass soll auch genügen.
    Zumindest in der Musik.



    Was mich vielmehr interessiert ist die Zeit in der bestimmte Musik entstanden ist und wie man sie vermutlich aufführte.
    Aber so weit zu gehen, dass ich alles in der Partitur mitverfolgen würde, nein dass ist nichts für mich.


    :hello:

  • Lieber Lullist,


    das ist interessant. Ich bin "Nur-Seher" was die Malerei betrifft, und mich interessiert die technische Seite enorm - und alle Infos, die ich bisher bekommen konnte, haben den emotionalen Eindruck nur verstärkt - aber für mich hat die Frage "wie wird das gemacht" natürlich eine andere Bedeutung wie für Dich als aktiven Maler. Aber gerade die Tricks der "Alten Meister" interessieren mich schon sehr - leider konnte ich bisher nur das DuMont Handbuch der Gemäldekunde lesen, weswegen ich für einschlägige Tips sehr dankbar wäre.


    Ich fand es auch unglaublich spannend, im Ausstellungskatalog über die Details von Constables Technik zu lesen und die paar Brocken, die ich daraus auflesen konnte, haben seine eh schon fundamentale Wirkung auf mein ganzes Kunstverständnis noch weiter gesteigert.


    So sind die Menschen verschieden...


    :hello:
    Flo

    "Dekonstruktion ist Gerechtigkeit." (Jacques Derrida)

  • Hallo,


    Zitat

    Aber so weit zu gehen, dass ich alles in der Partitur mitverfolgen würde, nein dass ist nichts für mich.


    das tue ich natürlcih auch nicht immer - aber wenn, dann sehr gerne. Das tolle ist, dass für mich die Musik dann noch genialer klingt, weil sie auch sichtbar ist.


    Zitat

    Ich liebe ungelöste Rätsel und muss nicht alles ergründen.


    Ungelöste Rätsel mag ich nicht - die Spannung auf die Auflösung schon. Wenn man aber die Auflösung kennt, heißt das noch lange nicht, dass man alles sogleich nach Schema F nachmachen kann... die Genialität bleibt also für mich trotz Lösung erhalten.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Lieber Lullist,
    ich denke nicht, dass du wirklich ein "Nur-Hörer" bist, weil du ja selber schreibst, dass du dich für die Entstehungszeit und die Aufführungspraxis interessierst. Meiner Meinung nach sind das doch ganz wesentliche Punkte, wenn man sich mit einem Werk beschäftigt.


    Ich selbst versuche immer wenn ich ein Werk zum allerersten Mal höre, wirklich erstmal nur zu hören. Ich denke, dass das sehr wichtig ist, weil man so "überraschende Stellen" in einem Werk auch wirklich als Überraschung wahrnimmt und nicht alles vorher schon weiß. Wenn mich ein Stück dann interessiert (es kann natürlich auch sein, dass ich nach dem ersten hören sage: ne damit muss ich mich jetzt nicht näher beschäftigen :D ) versuch ich es erstmal in meinem Kopf einzuordnen also Zeitgeschichtlich, meistens langt dazu ein Blick in die MGG oder ähnlichem. Wenn mich das Werk dann immernoch interessiert überflieg ich halt ne Monografie und zieh dabei auch den Notentext zu Rate. Ich würde das alles aber wohl viel seltener machen, wenn ich die Literatur in der Uni-Bib nicht greifbar hätte ... (studiere Musikwissenschaften ...)


    Ob man sich generell mit der Musik beschäftigen muss um sie zu verstehen halte ich für ne schwierige Frage, denn was ist schon verstehen? Wenn jemand damit glücklich ist die Musik einfach nur zu hören bitteschön, mein Forschungsdrang würde das garnicht zulassen. Vor nem Jahr hätte ich wohl gesagt, dass man ein Werk natürlich besser versteht wenn man sich mehr damit beschäftigt, jetzt in Studium (wie gesagt Musikwissenschaften ...) seh ich so viele Menschen die sehr viel um Musik wissen, aber genau darraus so abgehobene Interpretationen entwickeln, dass ich mich echt Frage ob es gut ist so viel zu wissen, ich bin mir da zur Zeit noch unschlüssig. Das ist übrigens bei Kunstgeschichte genau das Gleiche.


    Ob mir die Meinung von reinen "Nur-Hörern" hilft kann ich leider garnicht sagen, weil einerseits meine Freunde/Verwandte sich garnicht für klassische Musik interessieren und die Leute, die ich kenne, die sich dafür interessieren, studieren auch irgendwas mit Musik, sind also auch keine reinen "Nur-Hörer". Schade eigentlich, aber jetzt bin ich ja in diesem Forum :)

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