Der Zauber von Stimmen aus der Vergangenheit

  • Liebe Forianer, liebe Liebhaber "Alter Stimmen"


    Wenn man sich mal überwunden hat, auf Stereo zu verzichten und in die fünfziger Jahre zurückgereist ist, wenn man ferner ein hohes Rauschen in Kauf nimmt und einen leicht beschnittenen Frequenzbereich (Leider wurde er zumeist von den "Restauratoren" wesentlich weiter beschnitten !!!) akzeptiert, dann ist man in den 30iger bzw Mitte der Zwanziger Jahre angelangt. (Die Jahre der akustischen Schallaufzeichnung werden wir ein andermal unter die Lupe nehmen), dan bietest sich dem staundenden begeisterten oder abgestossenem Hörer ein interessantes Bild:
    Die Stimmen, vor allen Männerstimmen und bei Frauen Mezzo- und Altstimmen sind auch bei älteren Aufnahmen (ab ca 1928) relativ klangfarbentreu erhalten, das Charakteristische einer Stimme ist klar erkennbar.Dennoch- die Aufnahmen klingen fremd.


    Das hat (zumindest) 3 Gründe !


    Zum einen hat man die Stimmen gegenüber dem Orchester begünstigt, sie quasi in den Voerdergrund gestellt.


    Ferner hatten die Sänger vergangener Tage Timbres, die man heutzutage gar nicht mehr findet (so wie gewisse Haarfarbennuancen allmählich aussterben)


    Und letztlich war die Singtechnik anders, Dinge die Heute als Unart bzw Kunstfehler (Falsett etc) gelten, waren damals gang und gäbe.


    Und es gibt noch eine vierten Punkt: Der Zeitgeist wird von Aufnahmen der Vergangenheit gut widerspiegelt: Die Sänger trugen oft pathetisch vor - so würde man heute nicht mehr interpetieren können.


    Der Einsteiger steht staunend, entweder bewundernd oder abgestossen, eigenartig berührt oder verzaubert vor dieser fremden Welt und erlebt auf dsiese Weise Werke neui.


    Man soll sich nicht täuschen lassen: Diese Sänger waren Verdi zeitlich näher als die heutigen - und sie waren "individueller" und "authentischer". Zugleich aber - auch das muß gesagt werden, wiesen einige von hnen gesangstechnische Mängel auf, die heute kaum toleriert würden. Insgeamt war die Palette breiter, das Angebot (an Stimmen !!) vielfältiger und interessanter.


    Manch einer wird durch die Tatsache abgeschreckt, daß italienische Opern auf Deutsch gesungen wurden - man gewöhnt sich rasch daran.


    Wie ist es bei Euch: Geniesst ihr solche Aufnahmen - oder verzieht ihr beim Abhören eher das Gesicht ?


    Durch Kooperation mit Preiser Records als Werbepartner wird es mir möglich sein, mehr Sänger der Schellackzeit vorzustellen und Euch den Mund wässrig zu machen.


    Das Hauptprobelm, wenn man sich mit Stimmen der Vergangenheit auseinandersetzen will ist ja, daß viele Namen gar nicht bekannt sind - obwohl das schade ist.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo!!!


    Da hab ich aber auch noch ein Wort mitzureden.
    Auch ich dachte mir heute als ich List/Hofmann hörte, da muss ich neue Threads machen.


    Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass viele dieser herausragenden Sänger/innen wieder bekannt werden. hab mein Glück schon mit Schaljapin, Slezak und Anselmi probiert, aber anscheinend interessieren die niemanden.


    Gottseidank hab ich meine Great-Voices Edition, aus der ich viele neue Threads "gewinnen" kann.


    Also ich werde auch in Zukunft im Schellack-Forum wieder aktv werden, und hoffe auf mehr Resonnanz als beim letzten Mal!


    LG joschi

  • Ich liebe auch diese alten Aufnahmen. Ein Bekannter hat ein riesiges Schellackarchiv. Das Knistern stört mich gar nicht. Ich bewundere die innige Vortragsweise und mag auch sehr, wenn's auf deutsch gesungen wird.


    LG,


    Knuspi

  • Da für mich die Aufzeichnungstechnik letztendlich nur eine Vehikel ist -nicht mehr- ist es mir recht gleichgültig, ob ich nun eine Schellack, eine LP oder eine CD höre. Letzlich sind die Schellacks dergestalt ehrlicher als unsere heutige Produktionen, als da noch nicht geschnitten wurde.


    Mein älteste Platte, die ich gelegentlich auflege, stammt aus der Zeit um 1919, ein akustisches Schätzchen also. Käther Herweg -seinerzeit Koloratursopranistin an der Kölner Oper- singt die Phöbus-Arie der Olympia und den Donauwalzer. Ebenfalls aus dieser Zeit von Heinrich Schlusnus: Schaut her ich bin's aus Leoncavallos Bajazzo. Einen Eindruck vom enormen technischen Wandel kann man erhalten, wenn man sich die Einspileung desselnen Monologs etwa 10 Jahre später anhört. Der ist dann elektronisch aufgezeichnet, mit richtigen Streichern anstelle der Strohgeigen.


    Schlusnus galt als Verdi-Bariton. Seine große Stärke war allerdings der Liedgesang; einige Schellacks mit Strauß-Liedern sind in meiner Sammlung, ergänzt um LP-Umschnitte von Schubert und Brahms. Bei Schnellsprecharien wie jener vom Faktotum der schönen Welt kam Schlusnus vor dem Mikrophon allerdings auch ins Schlingern. Mit der geschmeidigen Eleganz Hermann Prey's bewältigt er diese Übung nicht. Dennoch: trotz der technischen Einschränkungen vermögen die Schlusnus-Platten auch eute noch absolut zu begeistern.


    Vor historischen Aufnahmen muß man überhaupt nicht zurückschrecken. Lediglich Werke, die länger als fünf Minuten dauern, können lästig werden: Spätestens dann muß umgedreht werden. Aber im Zeitalter der Umschnitte auf LP oder heute eben CD ist dies ja obsolet geworden.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo Thomas,


    echt, du hast eine Aufnahme mit der Herwig? Ich habe mir damals viele Schellacks mit Aufnahmen Kölner Künstler auf Kassette überspielt, u.a. ganz tolle Aufnahmen mit der Primadonna Elsa Öhme-Förster. Und es gibt ja auch die Neueinspielung "Die Kölner Oper von der Jahrhundertwende bis zur Jahrhundertmitte". Kennst Du diese Doppel-CD?


    LG,


    Christoph

  • Servus Alfred,


    Aus einigen von Dir genannten Gründen (vor allem technischen und interpretatorischen) verschließt sich mir leider das Vergnügen, alte Aufnahmen zu mögen. Wenn ich dennoch eine Stimme aus der Vergangenheit hören will, dann nur weil sie jemand hier besonders lobt. Dafür möchte ich aber kein Geld ausgeben - ich höre sie entweder im Radio oder im Internet (OK - die Callas-Platinum habe ich mir sogar gekauft).


    LG
    Austria

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Ja, ich sehe das ähnlich wie Austria. Der meist recht pathetische Gesangsstil, oft noch verbrämt mit zahlreichen Schluchzern, verhindert meist, dass ich mich emotional angesprochen fühle. Wenn ich mich also mit älteren Stimmen beschäftige, dann meist aus dem Gefühl heraus "Das gehört dazu!", weniger, weil es mir echten Genuss beschert. (Ausnahmen bestätigen die Regel ;) )
    lg Severina :hello:

  • Hallo Sevi,


    also "Schluchzstil" ? 8o Habe ich so nie empfunden. Das finde ich in den Aufnahmen der 50er und 60er jahre viel ausgeprägter. Da habe ich häufig das Gefühl, die Sänger haben eine gorße Distanz zu den Stücken entwickelt und versuchen das durch viel pathetisches Schluchzen wett zu machen. Was mir aber immer noch besser gefällt, als der oftmals so kühle Klang vieler Einspielungen der jüngsten Zeit. Ausnahmen gibt's natürlich auch hier. Allgemein vermisse ich heute den Ensemblegeist von dem alte Aufnahmen Zeugnis ablegen. Die waren so gut aufeinander eingespielt und gehen mit solcher Freude und Authentizität ihre Rollen an, dass es mir häufig das Wasser in die Augen treibt.


    LG,


    Christoph

  • Hallo Knuspi,
    ich räume gerne ein, dass ich mich derart sporadisch mit historischen Aufnahmen beschäftige, dass ich mir eigentlich gar kein Urteil erlauben dürfte. :O Vielleicht hab ich einfach bisher das Falsche gehört, und irgendwann macht's "Klick" - oder auch nicht. Generell ist es bei mir halt so, dass sich die ganz große Euphorie eher in der Oper direkt einstellt, ich brauche das Live-Erlebnis. Meine CD's und DVD's liebe ich natürlich heiß und innig, aber das ganz große Herzklopfen wie in der Oper lösen sie nur selten aus.
    lg Severina :hello:

  • Hallo Sevi,


    da hast Du natürlich auch wieder recht. Es gibt doch nix über Oper live in schöner Inszenierung. Aber bzgl. Schellack, kannst Du bestimmt deinem geschmack vertrauen, auch wenn Du bisher nur wenig reingehört hast. Ich glaube, dass ist eine Gefühlssache: Entweder man mag's oder nicht.


    LG,


    Knuspi

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  • Hallo Christoph,


    diese Doppel-CD kenne ich nicht. Ich entsinne mich allerdings, daß es vor Jahren an der Kölner Musikhochschule ein Seminar zu Stimmen der Jahrhundertwende gegeben hat. Der Dozent hatte mich seinerzeit geben, die Herwig-Platte zu überspielen, da er sie für den Unterricht gebraucht hatte. Von der Dame ist erstaunlich wenig erhalten. Überdies existieren von ihr nur akustische Aufnahmen. Schade, denn die Stimme gefällt mir gut. Es muß wohl auch Humperdinck-Einspielungen von ihr geben (ein, zwei Arien, schau mal hier...


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Hallo Thomas,


    die CD gibt's noch bei Saturn. Habe auch ein paar sehr schöne Humperdinck-Einspielungen, u.a. auch die wirklich schönen Zusammenstellungen von True Transfer.


    Was echt blöde ist, ich hatte mal auf Kassette den Abendsegen von Humperdinck persönlich am Klavier gespielt. Ist mir abhanden gekommen. Hatte ich am Mozearteum aufgenommen. die hatten das auf Platte. Mist.


    LG,


    Christoph

  • Ih möchte hier die Gelegenheit nützen einige weitere Anmerkungen zu machen.
    Zunächst möchte ich niemanden "missionieren" Überspielungen von Schellacks bzw "akustischen Aufnshmen" zu hören.


    Speziell junge Leute könnten vor lauter Rauschen die Stimmen kaum wahrnehmen.
    Und es wurde auch auf auf "modische und singtechnische " Aspekte weiter oben eingegangen.


    Ich selbst bin HIFI Freak, somit sollten historische Aufnahmen für mich überhaupt nicht in Frage kommen - dennoch haben sie mich von jeher fasziniert. Sie werden bei mir jedoch in einem eigenen Bereich gestellt, niemand der nach einer Aufnahmeempfehlung von mir fragt, braucht Angst zu haben eine Schellackeinspielung als Referenz zu erhalten.


    Mich persönlich haben Schellakaufnahmen in erster Hinsicht aus HISTORISCHEN Gründen interessiert, immerhin hat Adelina Patti Rossini noch persönlich gekannt - und mit ihm über eingefügte Koloratoren diskutiert.


    Wir gewinnen also einen Einblick in Aufführungspraxis, welche näher beim Komponisten ist, als heutige.


    Die "altertümliche" Singtechnik darf also keineswegs als "Makel" gesehen werden, sondern als Eigenart der Zeit. Und das ist IMO gerade das interessante an alten Aufnahmen: Wir sehen - nein hören, durch ein Fenster, das uns eigentlich von Natur aus verschlossen sein müsste.
    Zwar durch einen mehr oder starken Nebel - aber immerhin


    Während dieser Studien ist es mir immer öfter passiert, daß mich die eine oder Andere Stimme trot - oder gerade wegen ihrer "Unarten" besonders gefesselt hat, und ich Aufnahmen mit heutigen Sängern gar nicht mehr hören konnte, bzw wollte.


    Ich warne alle Neuensteiger davor in Sachen Tonttechnik und Interpretation heutige Maßstäbe ansetzen zu wollen, das würde zu Enttäuschungen führen.


    Das Abhören von hisdtorischen Aufnahmen erfordert ein gewisses Maß an Übung. Einsteigern würde ich empfehlen zunächst mit Männerstimmen oder Mezzosopran zu beginnen, hohe weibliche Stimmlagen sind problematisch in der Aufnahmetechnik und neigen zum piepsen bzw Kreischen.
    Ferner sollte fürs erste nicht in die Zeit vor 1930 gegangen werden, da dort die Tontechnik rapide abfällt. Nach einiger Zeit des Hörens alter Aufnahmen wird dieser Mangel jedoch nicht mehr wahrgenommen, Hifi -Experten würden sagen, die "Einbrenn-Phase" ist abgeschlossen.......


    Wer sich aber auf diese Welt der alten Stimmen einlässt, der wird IMO doch reichlich belohnt. Er hört Stimmen, wie sie heute nicht mehr existieren, in Gesangtechniken, die nicht mehr eingesetzt werden. Einzigarten der Geschichte der Musikinterpretation. Man wir bemerken, daß früher weniger auf perfekten Gesang, aber mehr wert auf Ausdruck und individualität gelegt wurde als heute, daß Sänger, statt an keinen Stimmlichen Mängeln zu feilen, ihre Eigenarten eher kultivierten und zum Markenzeichen machten.


    Der überaus pathetische, maniierierte Vortrag mancher Interpreten wird von vielen heutigen Hörern abgelehnt, es gab aber auch damals schon Mut zur Hässlichkeit, und extreme Ausdrucksstärek.


    Was wir hier bieten wollen ist einerseits die Mithörmöglichkeit von wenigen Sekunden, um ein Timbre kennenzulernen, zum anderen Namen wieder ins Gedächtnis zurückzurufen, welche fast vergessen sind.
    Zum anderen den Fortgeschrittenen neue Namen nahezubringen. Manches wird Durchschnitt sein, manches hervorragend.
    Die Zusammenarbeit mit Preiser macht es möglich. Ich habe jedoch eine Zusage, daß selbstverständlich auch andere Labels aus dem historischen Segment genannt werden können und sollen - geht es doch in erster Linie darum diese Zeit den Klassikfreunden wieder ins Bewusstsein zu rufen, bevor wirtschaftliche Notwendigkeiten all die Archive für die Löschung reif machen. Hier ist in der Vergangenheit bereits genug Unheil angerichtet worden.


    Zu Don Basilios Anmerkungen über Erfolg und Mißerfolg von Threads im "Nischenbereich": Man darf nicht davon ausgehen, daß solch ein Thread nicht auf Interesse stösst und keine Auswirkungen zeigt - bloß weil niemand antwortet. Viele Leser werden sich über den Artikel freune und dankbar Anregungen aufgreifen. Sie sind aber fachlich nicht in der Lage hier was beizusteuern. Eine ähnliche Ausgangsalage hat hier vor ca 2 Jahren der Lullist vorgefunden. Durch Beharrlichkeit hat er es geschaft Tamino zu einem der führenden Foren in Bezug auf französische Barockmusikzu machen, wobei natürlich andere auch ihren Beitrag dazu geleistet haben (Salisburgensis, BigBerlinBear u.a.)


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aus dem dringenden Bedürfnis heraus, mich jetzt doch auch intensiver mit "Verblichenen" zu beschäftigen um eure Begeisterung nachvollziehen zu können, habe ich mir also heute die DoppelCD"The complite Recitals" mit Franco Corelli gekauft und auch gleich ganz begierig angehört. Und jetzt weiß ich nicht, was ich sagen soll, am besten wohl gar nichts :stumm::stumm: :stumm:, außer: Nein, das ist ganz bestimmt nicht der Stil, den ich liebe! "La donna e moppppil" "Di quehella pihiraha" - tut mir Leid, aber da schüttelt's mich richtig. Das ist exakt das, was Leo Slezak so treffend mit "Stimmritzenprotzerei" bezeichnet und die mich noch nie beeindruckt hat. Die 2. CD mit Andrea Chenier usw. finde ich besser, aber zu einem Corelli-Fan macht sie mich auch nicht. So, und jetzt ducke ich mich gehorsam und warte auf eure Prügel! :untertauch: :untertauch:
    lg Severina :hello:

  • Also echt lobenswert, dass du Dir das kaufst! Dafür sollten wir Dich eher auf den goldenen Stuhl setzen, hinter dem Du Dich duckst :D Versuch's doch mal mit der CD: "Die Wiener Staatsoper in alten Tondokumenten". Vielleicht kriegst Du da mehr Zugang - und findest es gaaaaaaaaanz vielleicht auch nicht mehr gaaaaaaanz so schlimm, wenn mal auf deutsch gesungen wird?


    LG,


    Knuspi

  • Wie gesagt, ich fand's früher auch grauslich. Bin über die Schellacks aber auf den Trichter gekommen und hole mir neue, unbekannte Opern jetzt immer erst auf deutsch. Bin faul geworden. :D


    LG,


    Knuspi

  • Zitat

    Original von severina
    Aus dem dringenden Bedürfnis heraus, mich jetzt doch auch intensiver mit "Verblichenen" zu beschäftigen um eure Begeisterung nachvollziehen zu können, habe ich mir also heute die DoppelCD"The complite Recitals" mit Franco Corelli gekauft und auch gleich ganz begierig angehört. Und jetzt weiß ich nicht, was ich sagen soll, am besten wohl gar nichts :stumm::stumm: :stumm:, außer: Nein, das ist ganz bestimmt nicht der Stil, den ich liebe! "La donna e moppppil" "Di quehella pihiraha" - tut mir Leid, aber da schüttelt's mich richtig.


    Naja, auf Corelli hätte aus meiner Sicht die CD gut verzichten können. Wenn man Ihn live erlebt hat, machte das Material sicher einen guten Eindruck, aber was ich so per Tonträger kenne , ist im Kontext der Vergangenheit nicht bemerkenswert - wenn man davon absieht, das sein Sprachfehler in dieser Dimension bei einem professionellen Sänger doch aus dem Rahmen tritt. :rolleyes:


    Gruß
    Sascha

  • Noch allgemein zum Thema:


    Aus meiner Sicht braucht man zur Beschäftigung mit Stimmen der Vergangenheit Geduld und etwas Hintergrundwissen. Sich dieses nebenbei nach und nach anzueignen, kann ein wundervolles Vergnügen sein und hat überhaupt nichts mit einem trockenen Studium zu tun. Man muss sich im Klaren sein, dass sich bestimmte sängerische Ausnahme-Phänomene nicht mit einem kurzen Reinhören in eine 3 -minütige Arie fassen lassen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Callas, Schaljapin vielleicht auch. Oder nehmen wir den hochgelobten Caruso. Wenn man blind in die Vielzahl der Aufnahmen greift, erwischt man mit etwas Glück eine Aufnahme, mit der sich die pure Qualität der Stimme trotz der steinzeitlichen Aufnahmetechnik mitteilt. Man kann allerdings auch durchaus eine deutlich angeschlagene Stimme hören. Oder insgesamt irritiert sein durch das mangelhafte Legato, die Probleme in extrem hohen Lagen oder andere Untugenden. Umso mehr man jedoch hört und über die Geschichte des Gesanges auf Tonträgern in Erfahrung bringt, desto klarer wird man in den meisten Fällen dem sängerischen Ausnahmerang zusprechen.


    Vor allem ist es teilweise wirklich wichtig, die richtigen Aufnahmen zu hören. Gigli z.B. ist in seinen späten Aufnahmen schier unerträglich kitschig und schwelgt geradezu in einer pathetischen, von Schluchzern überladenen Rollengestaltung. Die frühen Aufnahmen sind leider auch nicht völlig frei davon, dennoch deutlich geschmackvoller gestaltet. Und dann hört man nicht nur eine der schönsten Stimmen der Tontechnikära, sondern auch einen großartigen Sänger, dessen Legato und vor allem das Mezza Voce von hohem Rang sind.


    Wie gesagt, ich würde mich vorher immer ein bisschen über den Hintergrund der angeblichen Vorzüge und Nachteile des jeweiligen Sängers informieren, zumal darüber ja oft nicht unbedingt ein Konsens herrscht.


    Insgesamt sind die historischen Aufnahmen für mich als Gesangsliebhaber aber unverzichtbar. Erstens sind die entsprechenden Sänger für mich nicht durch moderne Aufnahmen zu kompensieren, weil Stimmen und Gesangsstile sehr individuell empfunden werden. Ich kann also auf eine 5. Sinfonie von Beethoven aus dem Jahre 1935 gut verzichten, weil sich mir nicht genügend über die Aufnahme mitteilt, was sie gefühlsmäßig neben technisch besseren Aufnahmen bestehen ließe. Bei den Sängern ist es aber zweitens auch - leider - eher umgekehrt: es teilt sich immerhin so viel mit, dass ich in vielen Fällen keine gleichwertige Leistung mit besserer Tontechnik zur Verfügung habe. Und selbst, wenn, dann ist die Individualität des Künstlers trotzdem nicht ersetzbar.


    Man kann auch interessante Vergleichs-Studien betreiben. Ich habe gestern z.B. mit meiner Freundin diverse Aufnahmen von "O soave fanciulla" gehört, darunter Caruso, Gigli, Björling, Pavarotti und Villazon. Abgesehen davon, dass diese Aktion durchaus dienlich war, den stimmlichen und sängerischen Status von Villazon einzuschätzen (landete in unserer persönlichen Bestenliste ganz klar am Ende, obwohl nicht schlecht singend!), sowohl stilistisch als auch in vielerlei anderer Hinsicht eine großartige Erfahrung.
    Wir tendierten übrigens einstimmig dazu, Björling in der frühen Aufnahme von 1941 die Palme zu verleihen, hinsichtlich der Phrasierung und vor allem natürlich des stimmlichen Reichtums unübertroffen.
    :jubel:

  • Hallo Sascha, danke für deinen informativen Beitrag! Da bin ich mit Corelli scheinbar ganz falsh eingestiegen :( Jussi kriegt seine Chance, keine Sorge, aber erst am 29. April ;) Ich werde dir dann meine Eindrücke umgehend miteilen, hoffentlich redest du dann noch mit mir! Vielleicht werde ich aber auch Mitglied in eurem Jussi-Fanclub! :D
    Mit Caruso habe ich mich schon genauer beschäftigt, die Biografie von Gargano/Cesarini gelesen, die ich sehr interessant fand, weil ich darin viel über Gesangstechnik, Stil etc. erfahren habe und die Autoren auch sehr genau auf die unterschiedliche Qualität der Caruso-Aufnahmen eingehen. Sie unterscheidet sich jedenfalls wohltuend von den meisten anderen Künstlerbiografien, die in erster Linie Beweihräucherung und viel Blabla enthalten, aber kaum etwas, was einen weiter bringt. Hast du diesbezüglich gute Lesetipps?
    lg Severina :hello:

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  • Ich finde es hauütsächlich interessant zu hören, wie sich die "Stimmbildung" verändert hat. Was man so aus vor knapp hundert Jahren kennt (Schellack wie Film) würde man heutzutage nicht mehr hören. Mich beschleicht beim Hören alter Aufnahmen besonders das Gefühl, dass die damals die Technik lernten, aber nicht beeinflusst wurden, ihren Klang zu ändern. Heute singt jeder Sopran mit starkem Tremolo (überhaupt in Wien), was mich schön oft stört. Das klingt meiner Meinung nach nicht so natürlich wie die alten Aufnahmen.

  • Zitat

    Original von c.m.d
    Das klingt meiner Meinung nach nicht so natürlich wie die alten Aufnahmen.


    Ich empfinde das ja auch so, c.m.d.. Merke nichts oder wenn nur ganz selten was von falschem Pathos bei alten Aufnahmen. Habe immer das Gefühl, dass die damals keine Distanz zwischen Rolle und künstlerischem Ego aufgebaut haben. Es klingt alles so selbstverständlich, so unmittelbar, natürlich.


    LG,


    Knuspi

  • Hallo Severina,


    wer sagt denn am 29.04 ab ? Hab den Spielplan der WSO nicht im Kopf. :D


    Mit Jussi keine Bange: Gerade, weil ich mich schon etwas intensiver mit dem Thema auseinander gesetzt habe, mache ich mir keine Illusionen. Die Gesangskunst ist zwar in einem hohen Maße objektivierbar, aber dass ist manchmal erstaunlich nebensächlich dafür, ob es bei einer Stimme nun "klickt" macht oder nicht. Nun muß ich zugeben, bei mir hat es bei Björling nicht "klick" gemacht, sondern "Rumms" :D
    Das ich ihn trotzdem gutens Gewissens enthusiastisch empfehle, liegt daran, dass er quer durch die Gesangswelt großes Ansehen genießt. Wie alle großen Sänger nicht perfekt, aber von seinen Tugenden her könnte er Dir liegen, meine ich.


    Ansonsten zur Literatur. Mit Biographien über einzelne Sänger kann ich nicht dienen, dafür einige Empfehlungen aus dem Bereich geben, die bei der Entdeckungsreise durch die (be:D)rauschenden Aufnahmen ungemein hilfreich sein können.


    Mein Einstieg war:




    Ein tolles Buch, weil in der Kürze ungemein umfangreich, man erfährt sowohl biographische als auch sängerische Details. Weiterhin werden viele konkrete Empfehlungen zu historischen Aufnahmen und weiterer Literatur, vor allem auch Biographien gegeben. Das Buch hat auch den unschätzbaren Vorteil, das es noch lieferbar ist. ;)


    Daneben existiert eine Reihe von Standardwerken, die leider aktuell vergriffen sind. Ich habe aber hier in Berlin alle über Bibliotheken auftreiben und wenn schon nicht ausleihen, so wenigstens im Lesesaal wichtige Auszüge kopieren können. In Wien sollte da ja ebenfalls möglich sein.


    Berühmt-brüchtigt sind die 3 Bände von Jürgen Kesting:


    "Die großen Sänger"


    Über Kesting ist ja im Forum einiges zu lesen. Aufgrund Umfang und Tiefgang der Analyse sicher unverzichtbar, wenn man sich mit der Materie beschäftigt.


    Unbedingt lesenswert sind die Bücher von John Steane, allesamt englisch. Einerseits gibt es da "The Grand Tradition", wo 70 Jahre Schallplattengeschichte minutiös analysiert werden. Dann eine ebenfalls 3-bändige Serie "Singers of the Century", Band 2 ist glaube ich bei Amazon.com noch erhältlich.


    Ein weiteres Standardwerk ist "Opera on Record", herausgegeben von Alan Blyth. Die Diskographie von ca. 100 Opern wird besprochen, ich kopiere mir so nach und nach die für mich wichtigen kapitel aus einer Bibliothek. ;)


    Noch erhältlich und auch ungemein lesenswert ist:



    Ein Standardwerk, allerdings ungemein witzig und mit Augenzwinkern geschrieben. Manches gerade in der Physiologie mag überholt sein, aber immer noch eine sehr lohnenswerte Lektüre rund um den Gesang. Keinesfalls ein trockenes Lexikon, sondern eine vergnügliche Lektüre.


    :hello:
    Sascha

  • Wenn wir bei der Lektüreempfehlung sind: ein ziemlich einzigartiges Werk ist John Ardoins "Maria Callas und ihr Vermächtnis", in dem alle Aufnahmen detailliert besprochen und kritisiert werden. Lieferbar ist das Opus nicht mehr, aber in Wien habt ihr ja ausgezeichnete Bibliotheken... Sängermemoiren sind oft Dutzendware, aber zwei Werke, die aus dem Rahmen fallen, sind die von Astrid Varnay und Martha Mödl, weil beide auch offen mit ihren Schwächen umgehen. Lesenswerte Biographien sind die von Alan Jefferson über Elisabeth Schwarzkopf und die von Anna-Lisa Björling über ihren Mann (in der sie auch sehr offen über seinen Alkoholismus und seine persönlichen Probleme schreibt - gibt es leider Gottes nur auf Englisch)

  • Hallo Sascha,
    wer am 29. absagt, ist mir wurscht, am 28. ist die letzte "Fille" - alles klar? ;) :]
    Vielen Dank für deine Buchtipps, schon alles notiert. Meine Verarmung schreitet voran..... ;(


    Danke auch dir, Armin, die Varnay-Bio besitze ich bereits, nach den anderen werde ich einmal in meiner Bücherei Auschau halten!
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Armin Diedrich
    Wenn wir bei der Lektüreempfehlung sind: ein ziemlich einzigartiges Werk ist John Ardoins "Maria Callas und ihr Vermächtnis", in dem alle Aufnahmen detailliert besprochen und kritisiert werden. Lieferbar ist das Opus nicht mehr, aber in Wien habt ihr ja ausgezeichnete Bibliotheken... Sängermemoiren sind oft Dutzendware, aber zwei Werke, die aus dem Rahmen fallen, sind die von Astrid Varnay und Martha Mödl, weil beide auch offen mit ihren Schwächen umgehen. Lesenswerte Biographien sind die von Alan Jefferson über Elisabeth Schwarzkopf und die von Anna-Lisa Björling über ihren Mann (in der sie auch sehr offen über seinen Alkoholismus und seine persönlichen Probleme schreibt - gibt es leider Gottes nur auf Englisch)


    Hallo Armin,


    danke für die Hinweise. Ich finde es ja ehrlich gesagt kurios: Historische Aufnahmen gibt es so viele, wie wohl noch nie. Sicher sind einige Perlen noch vergriffen, aber so manche Aufnahme, für die Sammler früher Weltreisen und den finanziellen Ruin auf sich nahmen, bekommt man heute in fachmännisch rekonstruierter ( d.h. nicht verschlimmbesserter Qualität ) zum Low-Budget Prcie. Nur die empfehlenswerten Bücher sind wie vom Erdboden verschluckt und höchstens im Antiquariat erhältlich. ;(



    Hallo Severina,


    ich hoffe dann, die Fillien werden noch alle so toll, wie bisher. Ich warte ja auch schon sehnnsüchtig darauf, dass sie noch mal wiederholt wird im TV. ;)


    Das mit der Verarmung ist schon arg. Ein Trost ist allerdings, dass die historischen Aufnahmen meist sehr preisgünstig erhältlich sind. Aber in den Büchern bekommt man leider immer Lust auf mehr. Mittlerweile werden sie auch von meiner besseren Hälfte gelesen, die mich dann fragt, ob wir schon eine CD von dem und den haben und dann glatt sagt: "Wie, warum denn nicht ? :D"


    Wie gesagt, ich sehe die Existenzberechtigung von historischen Aufnahmen und zeitgenössischen Sängern durchaus nebeneinander, ich habe beides gern, beides hat seine Vorteile. Aber es ist ungemein wohltuend, wenn man Jussi "Des Grieux" zur Hand hat, um sich von Alagna die Ohren zu spülen. :wacky: :D


    (Auch wenn er mal in einer Vorstellung keine Lust hatte, der sterbenden Manon das Wasser zu holen und diese auf seinen Vorschlag hin selbst aufstand, und sich das Glas holte :rolleyes: ...also bin ich ganz froh, dass ich nur die CDs habe :yes: :D )


    Gruß
    Sascha

  • Hallo Sascha,
    meine Alagna-geschädigten Ohren habe ich sofort mit Araiza getröstet, mit Alvarez und Villazon nachgespült - der Schock ist also überwunden! :]
    Was die Bücher betrifft, so hatte ich das Glück, dass meine Bücherei um die Ecke verkleinert wurde, weil in unmittelbarer Nähe die größte Freihandbibliothek Wiens errichtet wurde, und sie daher ihren Buchbestand radikal abbauen mussten. Sie misteten also bei den Ladenhütern aus, und welche Abteilung das in 1.Linie war, brauche ich dir wohl nicht zu sagen. So gelangte ich in den Besitz einiger vergriffener Juwele, wie z.B. die hier schon mehrfach erwähnte Sir Rudolf Bing Autobiografie "4000 Abende in der Oper".
    Deine Freundin hat übrigens völlig Recht: Ist doch gemein, ihr erst den Mund wässrig zu machen und dann ihren Durst gar nicht stillen können!! Also schau, dass du endlich zu einer g'scheiten CD-Sammlung kommst! :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:
    lg Severina :hello:

  • Wir sollten schon 2 Dinge unterscheiden: Aufnahmen, die grade mal 40 Jahre alt sind (aber in Stereo mit minimalem Rauschen) oder "echte" historische Aufnahmen mit eingeschränkter Tonwiedergabe. (etwa bis 1945/50)


    Letztere sind für manche gewöhnungsbedürftig. - aber ich glaube die Mühe lohnt sich letztlich.


    Italienische Opern deutsch gesungen - kein Mensch fand in meiner Jugend was dabe, das war eben Standard. Aber auch Aufnahmen in der Originalsprache gab es - man nahm das damals nicht so wichtig.


    Wer sich gegen deutsch gesungene italienische Arien a priori sperrt, dem ist dann leider nicht zu helfen. Natürlich ziehe ich heute - selbst vom Zeitgeist besessen - die Originalsprache vor. zumindest wenn es sich um italieneisch oder französische Opern handelt.


    Bei Smetanas "Verkaufter Braut jedoch - verzichte ich auch heute noch auf die Originalsprache.......


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Bei Smetanas "Verkaufter Braut jedoch - verzichte ich auch heute noch auf die Originalsprache.......


    Hallo Alfred,


    Du bist schon mehrfach auf tschechische Opern eingegangen. Wie hältst Du´s denn eigentlich mit den Russen? Mussorgsky/Tschaikowsky/Schostakowitsch/Prokoffieff auch lieber im Original oder auf Deutsch?


    In den Sowjetarchiven lagern ja auch exzellente originalsprachliche Mitschnitte...


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Italienische Opern deutsch gesungen - kein Mensch fand in meiner Jugend was dabe, das war eben Standard. Aber auch Aufnahmen in der Originalsprache gab es - man nahm das damals nicht so wichtig.


    Das würde ich mir auch wünschen, wenn das mal wieder etwas spielerischer gesehen würde. Du lieber Himmel, die Welt geht schon nicht unter, wenn "Traviata" oder "Boheme" auch mal wieder in deutsch gesungen würde. Immer dieser Allmachtsanspruch, das nervt. In Köln gab's die neue Cosi natürlich auch wieder auf italienisch - obwohl das Ensemble hauptsächlich aus deuschsprachigen Sängern zusammengesetzt war. Also, ich fand's absurd.


    Habe heute morgen noch im Auto die deutsch gesungene Rigoletto-Aufnahme mit Erna Berger, Helge Rosvaenge, Heinrich Schlusnus, Josef Greindl gehört. Die ziehe ich mittlerweile jeder anderen Aufnahme vor. Selbst meine heißgeliebte Calls, Gobbi-Aufnahme kommt da nicht dran.


    Sevi, die würde Dir echt auch gefallen! Ist auch klangtechnisch noch voll im grünen Bereich!


    LG,
    Knuspi

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