Liebe Taminoianer,
Kaum ein Sänger, seit es Schallplatten gibt, ist so im Gedächtnis der Menschen hängengeblieben wie Enrico Caruso. (27.2.1873 -2.8.1921)
Seit 1903 Ensemblemitglied der MET, absolvierte er Gastspiel in den meisten Opernhäusern der Welt.
Was uns aber interessiert sind seine Schallplatten aufnahmen, die er ab 1902 machte. Den Start verdanken wir einem Produzenten aus der Steinzeit der Schallplatte, Fred Gaisberg, der übrigens auch die Schallplatten mit Adelina Patti und Luisa Tetrazzini ermöglichte.
Ich kenne die Geschichte wie folgt:
Gaisberg, der ein wahrer "Tonjäger" war, hatte mit Caruso bezüglich Schallplattenaufnahmen verhandelt (Die ersten Schellackplatten waren einseitig bespielt, jede Platte also lediglich eine Arie, die zudem kritische 2 Minuten nicht übersteigen sollte. die "flotten" fast modernen Tempi mancher Aufnahme sind darauf zurückzuführen )
Geplant waren 10 Arien mit Klavierbegleitug (Orchester konnte damals noch nicht aufgenommen werden) in einem Londoner Hotel.
Als Gaisberg die Honorarforderung Carusos, 100 englische Pfund Sterling , damal ein kleines Vermögen, an seine Gesellschaft kabelte, kam die Antwort kurz und prägnat: "NO"
Gaisberg soll daraufhin gesagt haben: "Offenbar ist nicht nur Edison taub" (Die Edison-Company stand in Konkurrenz zur Grammophone Company, für die Edison aufnehmen sollte) und machte die Aufnahmen auf eigene Rechnung und Verantwortung. Er ließ allerdings die Gewinne anschließend seiner Gesellschaft, was ihm für die Zukunft eine unantastbare Position sicherte. Angeblich wurde bereits im ersten Monat das Hunderfache der investierten Summe für die Aufnahmen eingespielt. Carusos Ruhm war seit etwa 1902 unvergleichglich, wollte man einen Sänger finden, der ebenso berühmt war, dann gabe es nur noch -- Caruso.
Bis heute werden seine Schallplatten verkauft. Die heutigen modernen "Restaurierungen" geben jedoch nur einen schwachen Abglanz der eigentlichen Schönheit der Stimme wieder. Am besten klingt Caruso nämlich: Über ein Trichtergrammophon. Ich hatte das Vergnügen einmal im Leben eine Caruso-Platte über ein solches (ein echtes, kein Reisegrammophon) zu hören: beeindruckend. Das Klirren des Trichters täuscht Frequenzen vor, die eine akustische Schellackplatte gar nicht wiedergeben kann.
Zurück auf die Erde:
Heute hat der Klassikfreund die Wahl zwischen verschiedenen Editionen von Caruso-Platten. Zunächst die "Originale" von RCA-Victor, dann zahllose mehr oder weniger dubiose Graupressungen in verschiedener Qualität, die oft beim Transfer oft nicht mal mit der richtigen Geschwindigkeit abgespielt wurden (Damals war die Geschwindigkeit noch nicht exakt auf 78Upm festgesetzt, es war duchaus möglich, daß solch eine Matrize mit 74 Upm oder ähnlich geschnitten worden war.
Also Vorsicht.
Dann gäbe es als Alternative die Serie Prima Voce:
Hier wurde die Platte in einem "idealen" Raum über ein Spezialgrammophon und Spezialtrichter (ca 2 Meter Länge !!) wiedergegeben und mitsamt dem Raumhall erneut aufgenommen. Anhänger dieses Verfahrenes loben den "Live-Charakter" solcher Aufnahmen, Gegner bemängeln, daß durch diese Transferart weitere Verzerrungen und Verfärbungen hinzugefügt werden.
Die wahrscheinlich derzeit optimalste Möglichkeit, die Tondokumente Carusos zu hören dürfte die Naxos Edition sein, die, sobald vollendet alle Aufnahmen Carusos beinhalten soll, inklusive aller Matrizen, die eigentlich Duplikate darstellten (Jede Aufanhme war ein einmaliges Experiment, das klangliche Ergebnis fiel unterschiedlich aus, daher wurde oft mehrmals geschnitten, wobei jedesmal neu gesungen werden musste, eine brauchbare Bandmaschine war noch nicht erfunden.
Die Restaurierung gab Claus Heymann in die Hände von Ward Marston, dem derzeit wohl berühmtesten Restaurator von Schellackplatten, der laut eigener Aussage versucht, den optimalen Kompromiss, zwischen Rauschunterdrückung und Erhaltung der Stimmsubstanz zu finden...
Die Serie umfasst derzeit 12 CDs, dürfte also, soweit ich das überblicken kann, bereits komplett verfügbar sein....
Letzlich erschien in den letzten Jahren die Edition Caruso 2000 bzw 2001. Hier wurde das Orchester unterdrückt, und in Stereo neu dazugespielt. Was hier als sensationelle Neuheit angepriesen wird, hat die tschechische Supraphon (auch mit Caruso) bereits in den mittleren sechziger-Jahren versucht. Am Ergebnis scheiden sich die Geschmäcker.
Manche empfinden die Stimme nun noch antiquierter, weil durch das sterephone Orchester der Unterschied von einst und jetz signifikanter wird, ander vermissen den "antiken Klang", den sie gewohnt sind, andere sind begeistert. Wie auch immer - hier gibt es lediglich 2 CDs, sehr wenig, wenn man bedenkt, daß Caruso immerhin über 250 Schellackseiten aufgenommen hat !!!
So, nun wäre es interessant, andere zu Wort kommen zu lassen, schließlich ist ja auch der musikalische Aspekt wichtig.
Hier stellen sich vor allem die Fragen, was an Caruso, so aussergewöhnlich war, daß man noch heut Sänger mit ihm vergleicht, ohne, daß man sich je einig werden konnte, daß ihm einer wirklich ebenbürtig war.
Realität oder Legende ?
Da ich die ganze Nacht über diesem Artikel gesessen bin, und dabei ausschließlich Caruso gehört habe, bin ich geneigt ersteres anzunehmen
Beste Grüße aus Wien
Alfred