Liebe Freunde,
ein Thema liegt mir seit einem Doktorandenkolloquium letztes Jahr auf dem Herzen und laesst mich nicht in Frieden: Gibt es im musikalischen Ausdruck nationale Unterschiede? Ich meine: ja. Mein Kontrahent in der damaligen Diskussion hat eine deutliche Gegenposition vertreten: In der Musik seien keine nationalen Unterschiede zu hoeren. Ich moechte meinen Standpunkt gerne verdeutlichen:
Musik ist eine Form menschlichen Ausdrucks, ganz aehnlich der Sprache, die sich auch in allen Gegegenden der Welt unterschiedlich entwickelt hat - ganz gleich der Entwicklung unterschiedlicher Kulturen. Meine Frage: Warum soll es bei Musik anders sein?
Gibt es Komponisten, die einen bestimmten nationalen Klang erzeugen konnten? Ist nicht etwa Sibelius besonders finnisch, Berlioz besonders franzoesisch, Bruckner besonders deutsch und Mascagni besonders italienisch? Ich finde: ja. Das zeigt sich besonders bei Vokalmusik, da eben jede Sprache auch ihren eigenen Klang hat (so koennen im Finnischen etwa auf eine betonte Silbe am Wortanfang drei unbetone folgen, was einen sehr eigenartigen Klang erzeugt) - aber auch bei Orchester- und Kammermusik.
Oder gilt das, was ich hier sage nur fuer die Romantik und Spaetromantik, fuer die Zeit der grossen Nationenbildung in Europa - wo man herausfinden wollte, was wirklich deutsch, wirklich finnisch oder wirklich italienisch war? Hat die Moderne vielleicht eine nationale Musiksprache ueberwunden? Gibt es so eine ueberhaupt? Oder kann man eben doch hoeren, dass Ives Amerikaner war?
Mit Spannung wartet auf Eure Antworten Euer
Mengelberg