Bela Bartok: Herzog Blaubarts Burg

  • Hallo,


    ich wollte gerade den Thread zu Bartoks Oper "Herzog Blaubarts Burg" suchen, um eine Frage zu stellen.... gibt aber keinen Thread...


    Also, hier ist er nun. Leider habe ich jetzt zu wenig Zeit, eine großartige Einführung zu diesem wundervollen Operneinakter zu schreiben, aber meine Frage will ich trotzdem loswerden:


    Da ich nur die deutschsprachige Fricsay-Einspielung habe, wollte ich mich nun doch mal nach weiteren Epfehlungen erkundigen. Und, wie gesagt, eine Frage loswerden: In meiner (sehr sehr schönen!) Einspielung singen nur Blaubart und Judith, während es aber noch eine weitere Rolle in dieser Oper gibt, die bei Fricsay einer Kürzung zum Opfer viel... Was habe ich denn da bisher verpasst? Einen Prolog? Einen Epilog? Blaubarts Diener?



    scheint so, daß die DG die Aufnahme aus dem Katalog nimmt... vielleicht schnell noch mal zuschlagen...


    Gruß, Markus

  • Einen Prolog, den ich allerdings auch nicht kenne, weil er auf meiner Aufnahme (Kertész mit Ludwig und Berry) auch gestrichen wurde.

  • An singenden Personen gibt es im "Blaubart/Kékszakállú" nur Judit und den Blaubart selbst. Dem Einakter vorangestellt ist ein gesprochener Prolog, der zumindest in den meisten Booklets mitabgedruckt wird.


    Neben der Friscay-Aufnahme (die ich wegen des Dirigenten schätze), würde ich sofort noch Boulez empfehlen (wegen der wunderbar sinnlichen Stimme der Troyanos und wegen Boulez selbst) und Kertesz vor allem wegen Christa Ludwig.

  • Hallo Markus,


    da kann ich mich Alvianos Ausführungen voll und ganz anschließen. Der Part, der bei den meisten Aufnahmen fehlt, ist der (ohne Musik) gesprochene Prolog.
    Auch bezüglich der Boulez-Einspielung kann ich meine uneingeschränkte Zustimmung geben, da ich sie ebenfalls ganz hervorragend finde.


    :hello:
    Johannes

  • Es gibt auch noch eine wunderbare Verfilmung auf ungarisch. Allerdings weiß ich nicht mehr wer die Sänger waren. Kriege ich aber bestimmt noch raus. Diese Oper war mein Diplomstück und ich nmag sie schon allein deswegen sehr.
    LG,
    Knuspi

  • Hallo Leute,
    für mich d e r Blaubart: Mihály Szekély (hat die Partie mit Bartók studiert)
    unter Ferencsík und Sebastian mit Klára Palánkay als Judith :jubel: :jubel:
    Ebenso toll: Endre Koréh/Judith Hellwig unter Süsskind.
    Fricsay natürlich Spitze...


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • John Tomlinson hat den "Herzog Blaubart" mindestens 4 x auf CD eingespielt.


    Verfilmungen gibt es m.W. nur zwei. Eine davon ist folgende:



    Aufnahme: 1989, Film, Video
    Dirigent: Adam Fischer
    London Philharmonic Orchestra
    Product Code: Teldec VI: 9031 73830 3, Teldec LD: N.A.


    Rollen und Sänger
    Herzog Blaubart: Robert Lloyd
    Judith: Elisabeth Laurence
    (für schlappe 275 EURO im marketplace erhältlich)


    Die andere ist von Georg Solti (leider z.Zt. gestrichen):


    Aufnahme: März 1979, Film
    Spieldauer: 57'08
    Dirigent: Georg Solti
    London Philharmonic Orchestra
    Inszenierung: Miklos Szinetar
    Kommentar: vollständig


    Rollen und Sänger:
    Barde: Istvan Sztankay
    Herzog Blaubart: Kolos Kováts
    Judith: Sylvia Saas

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Die beste Aufführung, die ich gehört habe, war im Funkhaus Köln mit Trudeliese Schmidt (!) und Wolfgang Schöne und dem Hausorchester unter Peter Gülke im Mai 1984.


    Von den vorliegenden Einspielungen bevorzuge ich auch die im Titel genannte.


    Gruß

  • Noch recht neu im Naxos-Katalog:



    Gustav Belacek, Andrea Melath,
    Bournemout So, Marin Alsop
    Label: Naxos , DDD, 2007
    jpc-Bestellnummer: 6422161


    preiswerte Alternative zu den vorgenannten Aufnahmen!


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Wenn die Aufnahme noch im Handel ist (ich habe das jetzt nicht überprüft :untertauch:) wäre diese mein heißer Tipp:


    Blaubart - György MELIS
    Judith - Katalin KASZA
    Budapester Philharmoniker
    Dirigent: Janos FERENCSIK
    (1971 für Hungaroton aufgenommen)


    viele Grüße
    Michael 2

  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Kennt diese Aufnahme (Haitink/Otter/Tomlinson/Berliner) jemand?


    Da ich sie nun selber habe, möchte ich sie zu diesem Preis von 7,99 inklusive umfangreichem Booklet gerne weiterempfehlen. Von Otter gefällt mir besser als Hertha Töpper, Tomlinson hat als Blaubart eine herrlich finstere Stimme und Haitink lässt die Berliner passagenweise auch sehr intensiv glühen.


    Hier wird auch der Prolog gesprochen! Es fängt als reiner Prolog an, der dann mit der musikalischen Einleitung verschmilzt, also etwa eine Minute lang ein "Melodram" wird.

  • Der Solti-Film ist wieder da!



    mir juckts ja ganz kribbelig in den Fingern.... oder rät jemand ab?


    Sonst noch Geheimtipps? (etwa wie man an die beiden Boulez-Aufnahmen rankommt oder wo man die Hungaroton-Aufnahme zu einem ihren Alter angemessenen Preis beziehen kann)


  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    oder wo man die Hungaroton-Aufnahme zu einem ihren Alter angemessenen Preis beziehen kann)


    Das ist nicht schwer. Bei Line Music (Cantus Classics) kriegst du sie zusammen mit dem Mitschnitt einer konzertanten Aufführung unter Ansermet von 1950 für unter 10 Euro (je nach Bezugsquelle...)


    Was mich interessiert: wo gibt es eigentlich eine der Fricsay-Aufnahmen (zu einem ihrem Alter usw...)? Die mit Fischer-Dieskau und Töpper listet amazon mit dem putzigen Vermerk: "6 Angebote ab EUR 112,80".
    Die von 1953 mit Bernhard Sommerstedt und Birgit Nilson ist gar nicht zu finden.


    Gruß,
    Micha

  • Zitat

    Original von Michael M.


    Das ist nicht schwer. Bei Line Music (Cantus Classics) kriegst du sie zusammen mit dem Mitschnitt einer konzertanten Aufführung unter Ansermet von 1950 für unter 10 Euro (je nach Bezugsquelle...)


    Das ist zwar auch eine Aufnahme mit den beiden Sängern der Hungaroton-Studioprouktion allerdings ein Livemitschnitt mit einem anderen Orchester und einem anderen Dirigenten.


    Tja, mit der Fricsay-Aufnahme siehts leider nicht gut aus.... dürfte ziemlich vergriffen sein. ;(

  • :hello:


    ...mit der von brunello empfohlenen (LP-)Aufnahme bin ich aufgewachsen


    ---wollte doch gesagt haben, dass ich sie als besonders "verknistert" in Erinnerung habe......


    Sorry ;) et CIAO
    micha

  • Da ich gerade im totalen Bartókfieber (bartókos láz) bin, habe ich mir auch eine Aufnahme des Blaubarts zugelegt:



    Und bin restlos begeistert! Das ist wirklich Horror pur - ähnlich wie Elektra. Der Text ist im ungarischen Original noch gruseliger, da lakonischer. Die Aufnahme aus dem 1962 unter Doráti ist hervorragend gelungen und die Klangqualität bestens. Auch für Opernskeptiker wie mich ist dieser Einakter bestens geeignet (ich mag allerdings auch Elektra und Salome sehr).

  • Ich denke, wenn ich sage, dass die Handlung symbolisch zu verstehen ist, renne ich offene Türen ein :D


    Das ist aufgrund des ganzen Aufbaus des Stücks nur allzu deutlich. Aber was wird verschlüsselt? Meine Deutung: die Einsamkeit des Künstlers. Zu Beginn ist die Liebe noch ungetrübt, Judith möchte möglichst viel über Blaubart erfahren. Der ist aus Erfahrung und aus Selbstschutz zunächst verschlossen und gibt nur zögerlich Einblicke in sein Inneres frei. Dennoch treibt ihn auch die Sehnsucht seiner Einsamkeit zu entfliehen, daher gibt er nach und spornt Judith gelegentlich sogar dazu an, weiter zu machen. Nur: Judith hat kein rechtes Verständnis für ihn, denn seine Leiden (Folterkammer), Mühen (Waffenkammer), Freuden (Schätze und Blumen) scheinen ihr fremd und falsch ("Blut"). Als sie auch noch für sein "Reich", also für sein Wirken als Künstler, nur gleichgültige Worte übrig hat, lässt Blaubart alle Hoffnung fahren und zeigt ihr den Raum seiner "Tränen", also Enttäuschungen. Die Liebe Judiths ist vergangen, das Gefühl der Fremdheit obsiegt. Schließlich flüchtet sich Blaubart in die Idealisierung Judiths, so wie so viele Male zuvor (andere Frauen hinter Tür 7) - eine Verklärung, die für die Schultern eines realen Menschen nicht zu tragen ist (Mantel, Juwelen), und daher die Entfremdung von Judith und die Einsamkeit Blaubarts besiegelt.

  • Blaubart ist eine meiner liebsten Opern, die ich auch nie leid werde. Fast jede Aufnahme hat auch ihre Meriten. Deine Deutung, lieber Felix, sagt mir sehr zu. Da finde ich es schade, dass ich kein Ungarisch kann, so wie ich es auch bedaure, vom Tschechischen wg. Janacek nur eine Reihe von Wörtern zu verstehen. Übrigens habe ich in meinen thread "Supernovae in der Musik" auch die 5. Tür mit aufgenommen.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich möchte zu der ausgezeichneten Deutung von Felix Meritis noch meine Sicht hinzufügen:


    Ich sehe es nicht nur als die Einsamkeit des Künstlers, sondern überhaupt die Einsamkeit der Seele (Geschlechtsneutral!). Es wird ein Partner gesucht, gefunden, der in die schönen Seiten, langsam aber auch in die nicht so schönen mitgenommen wird, das nicht unbedingt goutiert und - wie schon vorher andere Partner in die Idealisierung abgeschoben werden. (In kurzen Worten gesagt)


    Dieses Werk hat mich schon vor vielen Jahren begeistert, nicht nur von der musikalischen Seite her, sondern wegen seiner psychologischen Tiefe.

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  • Blaubart ist eine meiner liebsten Opern, die ich auch nie leid werde. Fast jede Aufnahme hat auch ihre Meriten. Deine Deutung, lieber Felix, sagt mir sehr zu. Da finde ich es schade, dass ich kein Ungarisch kann, so wie ich es auch bedaure, vom Tschechischen wg. Janacek nur eine Reihe von Wörtern zu verstehen. Übrigens habe ich in meinen thread "Supernovae in der Musik" auch die 5. Tür mit aufgenommen.


    Ich spreche etwas Ungarisch, da meine Frau Ungarin ist, unsere Kinder zweisprachig aufwachsen und meine Schwiegereltern kein Deutsch oder Englisch sprechen. Der Text von Balázs ist sehr einfach gehalten und ich musste kaum zur englischen Übersetzung greifen (hatte ich aus dem Internet, nämlich den Begleittext zur Aufnahme unter Gergiev). Diese ist stellenweise - unnötigerweise - ziemlich frei.
    Die 5. Tür ist wirklich eine total irre Stelle - da bin ich fast vom Stuhl gekippt....

  • ch sehe es nicht nur als die Einsamkeit des Künstlers, sondern überhaupt die Einsamkeit der Seele (Geschlechtsneutral!). Es wird ein Partner gesucht, gefunden, der in die schönen Seiten, langsam aber auch in die nicht so schönen mitgenommen wird, das nicht unbedingt goutiert und - wie schon vorher andere Partner in die Idealisierung abgeschoben werden. (In kurzen Worten gesagt)


    Deine Interpretation ist natürlich auch valide! Was mich dazu geführt hat, einen Künstler im Mittelpunkt zu sehen, ist vor allem die 5. Tür. Das deutet schon darauf hin, dass Blaubart ein besonderer und tiefer Charakter ist. Weiters stempelt ihn sein "blauer Bart" von vornherein zum Außenseiter. Nicht zuletzt sollte man auch nicht vergessen, dass durchaus auch Autobiographisches von Bartók hineingearbeitet worden sein könnte. Wenige Jahre zuvor war er mit einer berühmten Geigerin, Steffi Geyer, zusammen. Die Beziehung endete unglücklich. Bartóks ebenfalls Anfang der 1910er Jahre entstandenes Ballett "Der hölzerne Prinz" hat eine nicht unähnliche Thematik, ebenso das 1907 entstandene 1. Violinkonzert.

  • Zitat

    Blaubart ist eine meiner liebsten Opern, die ich auch nie leid werde.


    Hierzu möchte ich noch Folgendes loswerden: Als Junge, ca. 12-13 Jahre alt, habe ich schon die Bonner Oper (Bürgerverein) besucht. Mit meiner Mutter sah ich mir die Doppel-Veranstaltung "Bajazzo" und "Herzog Blaubarts Burg" an. Meiner Mutter streubten sich bei der Musik von "Blaubart" die Haare, während mir die Oper sehr gut gefiel. Sie hat mir zu erkennen gegeben: "Nie wieder diese Oper"! Aber da mir die Musik gefiel, bin ich danach zum Zweitenmal in diese für mich schöne Doppel-Veranstaltung gegangen. So gehen die Meinungen über Musik schon mal weit auseinander. :yes:



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Lieber Felix Meritis,


    danke für das posting. Da das Werk ja auf viele Gedanken zurückgeführt werden kann (von den Gebrüdern Grimm bis in die Gedankenwelt Maeterlincks) wäre die Herkunft des Namens "Blaubart" interessant, der ja heute im Sprachgebrauch auf einen Frauenmörder hinweist, was in der Oper definitv nicht vorkommt.


    Interessant ist aber auch, dass es wie bei Wagner Verbots- bzw. Erlösungsmotive ins Spiel bringt.

  • Lieber Felix Meritis,


    danke für das posting. Da das Werk ja auf viele Gedanken zurückgeführt werden kann (von den Gebrüdern Grimm bis in die Gedankenwelt Maeterlincks) wäre die Herkunft des Namens "Blaubart" interessant, der ja heute im Sprachgebrauch auf einen Frauenmörder hinweist, was in der Oper definitv nicht vorkommt.


    Interessant ist aber auch, dass es wie bei Wagner Verbots- bzw. Erlösungsmotive ins Spiel bringt.

    Lieber Erich,


    der Blaubart geht auf ein Märchen von Charles Perrault zuück und wurde in dessen Märchensammlung "Contes de ma Mére l'Oye" in 1697 publiziert (Quelle Wikipedia). Die Gebrüder Grimm griffen die Gestalt Blaubarts dann im 19. Jhd für ihr eigenes Blaubartmärchen auf. Maeterlinck war ein weiterer Literat, der das Thema aufgriff. König Friedrich II. (!) ebenfalls........



    Zitat

    Interessant ist aber auch, dass es wie bei Wagner Verbots- bzw. Erlösungsmotive ins Spiel bringt.

    Ja, die Parallele zu Lohengrin ist mir auch gleich aufgefallen!

  • Interessant, darüber hatte ich noch nie nachgedacht, macht aber durchaus Sinn, wenn man sich das so überlegt.


    Diese Oper ist auch eines meiner Lieblingswerke überhaupt. Die Interpreation von Felix Meritis habe ich mit Interesse gelesen.
    Als ich über diese Oper das erste Mal in meinem Uralt-Opernführer gelesen habe, war ich sofort Feuer und Flamme für dieses Werk, allein das Moment, dass hier in dieser Geschichte weniger eine Handlung als ein innerer Seelenzustand dargestellt wird, hat mich von Anfang an fasziniert, eine Seelenschau in Musik, man taucht in die Gedanken, das Fühlen und Erleben einer Person - in dem Fall Blaubart - ein. Die Kammern als Teile seines Herzens bzw. seiner Seele in die man tiefer und tiefer eindringt und wo es immer zwielichtiger und düsterer wird, aber auch bodenloser und trauriger.
    Letztlich ist das Ganze für mich eine Metapher für die menschliche Seele schlechthin und genauso wie für die Neugier (hier im negativen Sinne), den Drang zur Offenbarung des Anderen, das Herauszerrenwollen von allen Gefühlen und Geheimnissen, was Beziehungen zerstören kann.


    Ich habe mittlerweile schon so einige Aufnahmen davon gehört, aber einen total haushohen Favoriten habe ich gar nicht.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Diese Oper ist auch eines meiner Lieblingswerke überhaupt. Die Interpreation von Felix Meritis habe ich mit Interesse gelesen.


    Ich habe übrigens gerade unlängst Unterstützung für meine These in einem CD-Booklet gefunden (kaufe gerade Bartók wie verrückt): seine Angebete, Steffi Geyer, rückte deutlich von ihm ab, als er in einem Brief über seine Ansichten von Religion und Gesellschaft schrieb (sie war konservativ, er progressiv). Seit diesem Brief war der Bruch schon vorgezeichnet. Ich finde das hat große Ähnlichkeiten zu den Ausrufen Judiths "da ist ja Blut!".


  • In der langen Reihe der Aufnahmen von Bela Bartóks Herzog Blaubarts Burg rangiert die Einspielung unter der Leitung von Walter Süsskind ganz vorn. Sie entstand 1953. Davor ist lediglich die von Georges Sebastian geleitete Einspielung von 1951 nachweisbar. 1953 war ein guter Jahrgang für den symbolistischen Einakter des ungarischen Komponisten. Neben Süsskind, der aus Prag stammte und später britischer Staatsbürger wurde, ist der Ungar Ferenc Fricsay mit seiner ersten Aufnahme, einem deutsch gesungenen Rundfunkmitschnitt aus Schweden mit Birgit Nilsson und Bernhard Sönnerstedt dokumentiert. Dazu kommt, ebenfalls in deutscher Fassung, die Produktion des österreichischen Dirigenten Herbert Häfner mit den Wiener Symphoniker und den Solisten Ilona Steingruber und Otto Wiener. Es war Häfners letzte Platte. Er starb noch vor der Veröffentlichung mit nur sechsundvierzig Jahren den Herztod am Dirigentenpult. Häfner, der auch Bergs "Lulu" mit der Steingruber einspielte, galt als Spezialist für die Moderne. Seine Spuren sind verweht. Nicht einmal das sich gern als allwissend gebende Internet weiß viel über ihn.


    Zurück zu Süsskind, auf dem CD-Cover Susskind geschrieben. Seine Einspielung aus London mit dem New Symphony Orchestra ist bei Praga Digitals neu aufgelegt worden, zuvor war sie bei Arlecchino zu haben. Gesungen wird in der Originalsprache, also ungarisch. Für die Veröffentlichung wurde aber der international gebräuchliche englische Titel "Bluebeard’s Castle" gewählt. Wer kann sich schon "A kékszakállú herceg vára" merken. Europäisch zeitgemäß wäre es schon, sich langsam an den originalen Namen zu gewöhnen. Zumal auf den Opernbühnen und in Studios inzwischen fast nur noch originalsprachlich agiert wird. Süsskind stellt bei seiner Aufnahme erstmals den gesprochenen Prolog voran, der mit den letzten Worten – einem Melodram gleich – in die Musik überleitet (Ernö Lorsy). Er ist wie ein gesprochenes Vorspiel, wird aber meisten weggelassen, was einem tiefen Eingriff in die Struktur des Einakters gleichkommt. Der Text stimmt auf das Werk ein. Mehr noch, er zieht Hörer und Zuschauer hinein in die Geschichte von den sieben Schreckenskammern, die Blaubart auf das Geheiß von Judith öffnet. Die letzte wird sie selbst für immer aufnehmen. "Das Spiel kann beginnen.* Aufgeschlagen sind die Wimpernvorhänge meiner Augen. Klatscht Beifall, wenn sie sich wieder senken", heißt es in der deutschen Fassung des Prologs von Wilhelm Ziegler. Von Mal zu Mal steigert sich der musikalische Ausdruck, um sich mit der fünften Tür, hinter der sich ein Ausblick ins weite Reich von Blaubarts Schreckensherrschaft auftut, gigantisch und bedrohlich zu entladen. In konzertanten Aufführungen fällt an dieser Stelle die Orgel machtvoll ein, die es bei Süsskind aber nicht gibt.


    Judith Hellwig, 1906 geboren und keine Deutsche, wie es der Name vermuten lässt, singt die Judith. Sie stammt aus der Slowakei und wurde in Brünn ausgebildet. Sprachlich dürfte mit dem Ungarischen vertraut gewesen sein, ist im Ausdruck sogar klarer und deutlicher als der gleichaltrige Muttersprachler Endre Koreh als Blaubart. Beide sind ihren Aufgaben vortrefflich gewachsen, auch deshalb, weil sie sich als Teil der Musik verstehen und keine herausgehobenen eigenen Wege gehen. Es ist, als ob sie sich dem Werk unterwerfen. Aufgefüllt ist die CD mit Bartóks "Cantata Profana", in der unter der Leitung von Süsskind der Tenor Richard Lewis und der Bariton Marko Rothmüller auftreten. Damit wird die übliche Kapazität einer CD um gefährliche fast zwei Minuten übertroffen.


    * Mit diesen Worten endet auch in deutscher Übersetzung der Prolog des "Pagliacci" von Leoncavallo.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent