Objektive Qualitätskriterien bei Opernaufführungen

  • Das Thema finde ich wichtig. Wobei es hier nicht um "gefällt oder gefällt nicht", "singt gut oder schlecht", "Regietheater ja oder nein" , etc. geht. Sondern:


    Haben die Beteiligten ihre "Hausaufgaben" gemacht?
    Bekommt man woanders mehr fürs Geld geboten?
    Gibt es objektiv(!) Verbesserungspotenzial?


    Ich fange mit einer vereinfachten Betrachtung an. Ein Opernaufführung besteht zu gleichen Teilen aus:


    (1) Musik
    (2) Text
    (3) Inszenierung


    Grundforderung ist, dass man alle drei rein akustisch bzw. optisch/gedanklich versteht.


    Musik:
    Das ist in der Regel der Fall. Allenfalls kann es vorkommen, dass akustisch schlechte Plätze nicht entsprechend verbilligt angeboten werden, aber ich persönlich hatte hier noch nie Probleme.


    Text:
    Früher kam es oft vor, dass man vom Text kaum etwas verstand. Man hätte da glatt ein Drittel des Eintrittspreises zurückverlangen können. Der Mangel entsprach allerdings dem damaligen Stand der Technik. Eine Erstattung wäre gerichtlich nicht durchsetzbar gewesen. Heute gibt es Übertitel, damit lässt sich die Textverständlichkeit enorm verbessern. Man muss sie auch bei deutschsprachigen Opern einfordern, zumindest bei solchen, in denen die Handlung durch schwer verständlichen Gesang vorangetrieben wird. Also nicht unbedingt bei der Zauberflöte, aber bei Wagner oder Strauss und natürlich bei allen eingedeutschten italienischen Opern des 19. Jahrhunderts. Davon abgesehen muss man nach wie vor verlangen, dass die Sänger so textverständlich wie möglich singen. Das gilt insbesondere für diejenigen, die nicht in ihrer Muttersprache singen. Manchmal hapert es schlichtweg an der Sprachausbildung. Ist das eigentlich Teil einer Sängerausbildung, oder muss man sich das "privat" aneignen?


    Inszenierung:
    Hier liegt vieles im Argen. Dabei verstehe ich die Gegner des Regietheaters nicht: Sie sollen doch erst mal fordern, dass man die Gedanken des Regisseurs nachvollziehen kann. Das Hauptproblem beim Regietheater liegt nämlich aus meiner Sicht nicht in den "falschen" Ideen der Regisseure, sondern darin, dass es ihnen oft nicht gelingt, ihre Ideen in schlüssiger Form auf die Bühne zu bringen. Sie sind dabei übrigens mehr gefordet als z.B. die Maler von abstrakter Kunst. Die Werke von letzteren kann man sich fast beliebig oft ansehen, dazu gibt es in der Regel auch Literatur. Beim Besuch einer Operninszenierung fehlen diese Hilfsmittel. Man muss sie entweder sofort verstehen, oder das Opernhaus muss die Inszenierung erklären (z.B. im Programmheft oder auf der Web-Seite).


    Was ich mir wünsche, ist, dass die Besucher mehr Wert auf die Einhaltung der o.g. "Grundkriterien" legen und dies ggf. auch einfordern.


    Selbstverständlich gibt es noch weitere objektive Kriterien. Ich belasse es vorerst mal bei den 3 oben genannten.


    Wie seht ihr die drei genannten Punkte?


    Welche weiteren objektiven(!) Forderungen habt ihr?



    Thomas Deck

  • Salut,


    also ich seh das mit der Gewichtung etwas anders: Die subjektive Grundvoraussetzung ist für mich, dass Musik und Text [mehr oder minder] bekannt sind - im Vordergrund stünde für mich bei einem Opernbesuch definitiv die Inszenierung und die Darsteller.


    Zitat

    Dabei verstehe ich die Gegner des Regietheaters nicht: Sie sollen doch erst mal fordern, dass man die Gedanken des Regisseurs nachvollziehen kann.


    Besser wäre, wenn der Regisseur die Gedanken der Genies nachvollziehen könnte... aber das gehört sicher in andere Threads.


    Auf die Textverständlichkeit zu Lasten einer guten Interpretation kann ich getrost verzichten.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ich bezweifle ein bisschen, ob es in der Oper (oder überhaupt in der Kunst) so etwas wie objektive Beurteilungskriterien gibt. Ob eine Regie dem Werk gerecht wird oder nicht, ist doch ebenso Auslegungssache wie die richtigen/falschen Tempi, die ein Dirigent nimmt, von der Einschätzung einer Stimme einmal ganz abgesehen. (Siehe den AN-Thread :D) Es gibt Leute, die mit der Partitur bewaffnet auf jeden falschen Ton eines Sängers lauern und triumphierend schwarze Punkte verteilen. Für sie ist offensichtlich die Perfektion der höchste Grad ihrer Glückseligkeit. Abgesehen davon, dass ich über kein absolutes Gehör verfüge, ist mir solche Beckmesserei fremd.
    Ich will damit sagen, dass wohl jeder seine ganz individuellen Beurteilungskriterien hat, das sieht man ja schon bei den "Berufskritikastern". Wenn man nach einer PR die Kritiken verfolgt, fragt man sich doch oft, ob die Herren alle in derselben Vorstellung waren! Ich kann z.B. auch nicht objektiv begründen, warum mir der Sänger X besser gefällt als Y, der eine berührt mich eben, der andere nicht.
    lg SEverina

  • Zitat

    Original von severina
    Ich will damit sagen, dass wohl jeder seine ganz individuellen Beurteilungskriterien hat, das sieht man ja schon bei den "Berufskritikastern". Wenn man nach einer PR die Kritiken verfolgt, fragt man sich doch oft, ob die Herren alle in derselben Vorstellung waren! Ich kann z.B. auch nicht objektiv begründen, warum mir der Sänger X besser gefällt als Y, der eine berührt mich eben, der andere nicht.
    lg SEverina


    Das ist der springende Punkt!
    Manche erleben einen Opernbesuch mit dem Herzen, Andere mit dem Kopf.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Was ich objektiv gerne haben möchte:


    Es sollte der Eindruck vorhanden sein, dass wenigstens ein bischen geprobt wurde. :rolleyes:


    Nichts ist schlimmer, als wenn man ständig um das Auseinanderdriften zwischen Sänger und Orchester bangen muss, die Inszenierung eigentlich obsolet ist, weil keine Personenregie nachvollzogen werden kann und von den Souffleuren mehr zu hören ist, als von den Sängern.


    Leider im Repertoirebetrieb auch an guten Häusern nicht so selten, wie es sein sollte. :motz:


    Gruß
    Sascha