Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan - Monostatos

  • Liebe Forianer und Opernfreunde.


    Wieder einer unserer Threads wor Opernfiguren durchleuchtet werden.
    Heute geht es um eine in jeder Hinsicht undankbare Rolle, jene des Monostatos. Kaum ein Sänger wurde dadurch berühmt, daß er ihn sang.


    Aber auch die Figur selbst ist eher undurchsichtig und ambivalent.
    Ist Monostator ein loyaler Diener seines Herrn, der lediglich durch seine Passion für Pamina aus dieser Rolle ausbricht, oder ein charakterloser Wendehals, der sich immer auf die Seite des vermeintlich Stärkeren schlägt. Ist er ein Leutschinder oder selbst ein geprügelter, geschundener ?


    Ein erster Vorkämpfer gegen den Rassismus ? (Hier beziehe ich mich auf die Anklage "weil ein Schwarzer häßlich ist) Bezog Schikaneder sich auf eine reale Person ? (Wer hier in Frage käme, das erörtere ich bei Bedrf später)


    Letzlich fragt sich noch wie gerecht Sarastro seinen Diener behandelt hat...


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    soweit es das reale Vorbild des Monostatos betrifft, kommt mir sofort Angelo Soliman in den Sinn.



    Der um 1720 in Nigeria Geborene wurde im Laufe seines Lebens mehrmals verschleppt, verkauft und verschenkt und landete so letztendlich in Wien.
    Er arbeitete in verschiedenen Europäischen Adelshäusern als Kammerdiener, Prinzerzieher, Reisebegleiter, Gesellschafter und rettete sogar seinem Herren Johann Georg Christian von Lobkowitz in einer Schlacht das Leben.


    1782 schloß er sich der Freimaurerloge "Zur wahren Eintracht" an, wo er später das Amt des Vize-Zeremonienmeisters inne hatte. Dort machte er mit Sicherheit auch Bekanntschaft mit Logenbruder Mozart.
    Ob er auch mit Emmanuel Schickeneder befreundet war, ist mir nicht bekannt, da dieser nicht Mitglied der Loge war.


    Obwohl er zu Lebzeiten hohes Ansehen genoss (er war hoch gebildet und beherrschte sieben Sprachen) und die Reformen von Kaiser Josef II ihm den Status eines freien Mannes verliehen, wurde sein Leichnam nach seinem Tod 1796 präpariert und im Kaiserlichen Naturalienkabinett ausgestellt.
    Die Proteste seiner 1772 geborenen Tochter Josefine blieben unerhört.


    Erst durch einen Brand während des Wiener Oktoberaufstandes 1848 fand er seine letzte Ruhe.


    Neuerdings geht man allerdings davon aus, dass er seine Haut noch zu Lebzeiten dem Naturalienkabinett gespendet hat. Dafür spricht vor allem seine Freundschaft zu dem Verwalter des Kabinetts, dem Schriftsteller Ignaz von Born.


    Ich halte jedoch eine Anlehnung der Figur Monostatos an Soliman für unwahrscheinlich, da de Charaktere zu verschieden sind.


    Es gelingt mir nicht, Soliman als gebildeten, selbstbewussten, angesehenen, freien Mann einerseits mit dem unterwürfigen, opportunistischen Monostatos andererseits in Einklang zu bringen.


    Als Vorkämpfer gegen den Rassismus taugt meines erachtens Monostatos ebensowenig, da er durch seinen groben Umgang mit Pamina nicht gerade die Sympathien des Publikums auf sich zieht. Schickaneder stellt ihn ja zuletzt auch ganz eindeutig auf die Seite des Bösen (Königin der Nacht).


    Ich erinnere mich jedoch an eine Inszenierung (ich glaube es ar die "Britische Zauberflöte" der London Music Company), die den Spiess umdreht und Sarastro als menschenfangenden Sekteführer darstellt und die Königin der Nacht in ihrem verzweifelten Kampf um die Seelen Paminas und Taminos Unterstützung durch den von Sarastro geschundenen Monostatos(welcher allerdings von einem Bleichgesicht dargestellt wird) erfährt.


    Aber dass führt dann doch zuweit offtopic...es geht hier ja schließlich um die ursprüngliche Konzeption der Figur.


    LG :hello:
    V.

  • Eine gute Frage:


    Welche Rolle spielt der "dunkle" Monostatos im Reich der Sonnenpriester Sarastros??


    Ich hatte ihn bisher immer als eher unwichtige Nebenfigur gesehen - dramaturgisch gesehen ist er halt der obligatorische Verräter/ Überläufer, wie es ihn in vielen Stücken (und Agentenfilmen :D ) gibt...


    Es ist daher evtl. ein bissel naiv vom Autor gewesen, diesen späteren Verräter von Anfang an nicht nur durch sein auffällig anderes Verhalten (als das der übrigen Sarastro-Gefolgsleute), sondern eben auch noch durch seine dunkle Hautfarbe (dunkel = düsterer Charakter = Nachtseite der Königin) kenntlich zu machen.


    Viel spannender wäre es doch, wenn sich ein Verräter aus Sarastros Reihen zu Beginn noch unauffällig im Verborgenen hält und dann z. B. erst in der Szene mit der Königin im 2. Akt (wenn sie Pamina den Dolch übergibt) sein wahres Gesicht als "Böser" zu erkennen gibt - das wäre ein dramatischer Knalleffekt gewesen! Ha!


    So überrascht Monostatos' Seitenwechsel im 2. Akt dann eigentlich niemanden mehr wirklich, das war seit seinem ersten Auftreten eigentlich vorherzusehen.


    Liegt evtl. an der Tatsache, dass der Autor seinem Vorstadttheaterpublikum quasi mit dem "Holzhammer" von Beginn an ziegen wollte: "Seht her! Der da ist, obwohl er zu Sarastros Leuten gehört, ein BÖSER!!!" :]
    Bei einem Kasperletheaterstück sind die "Gut-und-Böse-Fronten" ja auch von Anfang an eindeutig geklärt :wacky:


    Oder aber Monostatos ist ein "Überbleibsel" aus der ursprünglichen Version der Zauberflöte, in der ja Sarastro & Co. noch die Bösen waren und die Königin die Gute...
    Obwohl diese Theorie ja mittlerweile umstritten ist, wie ich nun schon mehrfach gelesen zu haben glaube.
    Es gab Zeiten, wo man ja fast schon selbstverständlich davon auszugehen schien, dass die Bösen in der Zauberflöte bei der ersten Konzeption tatsächlich die Sonnenpriester waren - so einfach will man es sich heutzutage aber glücklicherweise nicht mehr machen, dafür ist das Libretto zu vielschichtig.


    Und so gesehen bin ich Monostatos als Figur immerhin sehr dankbar für seine bloße Existenz: Er trägt zu dieser Vielschichtigkeit bei und zeigt, dass reines "Gut-und-Böse-Denken" nie funktioniert, sondern es immer mehrere Facetten und Abstufungen dazwischen gibt - auch in der Märchenwelt der Zauberflöte :yes:


    @ Violoncellchen:
    Danke für die interessanten Fakten zu Angelo Soliman - den kannte ich noch überhaupt nicht. :hello:


    Eine spannende und exotische Biographie muss das gewesen sein.
    Wie Herr Soliman wohl im Alltag im Wien der damaligen Zeit gelebt haben muss? Stets unverblümt angestarrt und als "Exot" betrachtet... muss anstrengend gewesen sein.
    Immerhin: Im josephinischen, den Idealen der Aufklärung stark verhafteten Wien um 1780 war das Leben dort für einen Afrikaner sicher leichter als 50 Jahre später im von metternichscher Restauration gepägten Umfeld....

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Nachdem ich nun eine ganze Weile mit mir gerungen habe, wage ich es dennoch, diesen Thread etwas Offtopic zu führen, indem ich einen anderen berühmten "Mohren" vorstellen möchte, auch wenn dieser als reales Vorbild des Monostatos nicht in Frage kommt, da er zum Entstehungszeitpunkt der Zauberflöte gerade erst 11 Jahre alt war und in Polen lebte.


    Er verdeutlicht jedoch, dass die soziale Stellung, die Soliman im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts einnahm kein Einzelfall war.


    George Bridgetower wurde am 29.8.1780 in Baila, Polen geboren. Sein Vater (Ost-Inder) und seine Mutter (Osteuropäerin) waren beide Diener des Prinzen Esterhazy.



    Bereits als Neunjähriger gab George Violinkonzerte in Paris und London. Der spätere Englische König George IV nahm das Wunderind unter seine Fittiche und sorgte dafür, das er von François-Hippolyte Barthélémon, Giovanni Giornovichi und Thomas Attwood Unterricht bekam.


    Bei einem Besuch in Wien traf er auf Beethoven, mit dem er gemeinsam auftrat. Beethoven war tief beeindruckt und widmete Bridgetower seine Violinsonate Nr. 9, Op. 47 mit den Worten "Sonata per uno mulaticco lunattico" :D


    Am 24. Mai 1803 führten beide gemeinsam die Sonate im Augarten Theater auf. Eine abfällige Bemerkung Brigetowers über eine mit Beethoven befreundete Dame führte zum Bruch zwischen beiden und zu einer Änderung der Widmung an Rudolph Kreutzer.


    Am 4. Oktober 1807 wurde Bridgetower in die Royal Society of Musicians aufgenommen. 1811 wurde er Bachelor of Music an der Cambridge University.


    Er starb in London im Februar 1860.

  • Salut,


    die Namensschöpfung "Monostatos" wird im Allgemeinen aus dem griechischen monos für allein, einsam, verlassen und statos für stehend [auch lat. stare = stehen] abgeleitet. Somit ist Monostatos ein Alleinstehender - und das bleibt er ja allen Versuchen zum Trotz auch, obschon sich anböte, im Finale der Handlung noch mit einer Monostata aufzuwarten [vermutlich aber hat Monostatos aufgrund seines fortgeschrittenen Alters bereits mit seiner Prostata zu kämpfen]. Die Wortschöpfung lässt aber auch andere Deutungen zu, so bedeutet z.B. das griechische stasis u.a. Aufstand oder Aufruhr, Empörung, Zwietracht, Streit, Zwist.


    Monostatos stellt für mich im Rahmen der "Zauberflöte" eher Füllmaterial in Form eines Komparsen dar, also keinen bedeutungslosen Statisten [obschon das wiederum zur Wortschöpfung mehr passte]. Je nach Betrachtungsweise der Handlung ist die Rolle allein wegen des Hu! - Hu! unerlässlich. :D


    Angelo Soliman [Portrait im Mozarthaus Wien ansehbar] wird im Allgemeinen [wie das Contrafagottle berichtete] wegen seiner Zugehörigkeit zur Freimaurerloge und seiner Hautfarbe sehr eng mit der Zauberflöte verbunden und als Vorbild für die Figur des Monostatos genannt und betrachtet.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Manche Threads müssen reifen, bevor sie sich zu ihrer vollen Blüte entwickeln können.


    Ich persönlich musste erst drei Zauberflöten unterschiedlichester Inszenierunge hintereinander sehen, bevor mir weiteres zu diesem Thema einfallen konnte. Ein "Wilder", ein "Böser" und sogar ein "Weisser" - welche vielfalt. Und och ist damit noch nicht alles ausgeschöpft und gesagt.
    Farinellis Anregunge, einen jungen, hübschen, nach Liebe dürstenden Mohren, auf die Bühne zu stellen hat nicht nur etwas für sich, sondern lässt die Figur als ganzes plausiebler erscheinen.


    Gleichzeitig bin ich nun - nachdem viel Zeit seit der Eröffnung des Threads verflossen ist - einige Dinge die weiter oben beanstandet wurden ins rechte Licht zu setzen.


    Es wurde da behauptet, Monostatos habe die Seiten gewechselt.
    Was aber, wenn ich davon ausgehe, er habe niemals freiwillig auf irgendeiner seite gestanden ? Seine Position als Aufseher war vielleicht nur dazu gut die eigene Lebenssituation erträglich zu gestlten.
    Ein besonderes Naheverhältnis im positiven Sinn dürfte zwischen Sarastro und Monostatos ohnehin nicht bestanden haben, sonst hätte eine so gütiger Weiser wie Sarastro angeblich ist, nicht gleich die Bastonade über seinen Gefolgsmann (?) verhängt. Eher ist anzunehmen, daß Sarastro eher gewungenermaßen ein Untergebener Sarastros war....
    Kein Wunder wenn er ihn bei erstbster Gelegenheit im Stich lässt....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !