Max Bruch: Streichquartette Nr 1 und 2 - Werke eines jugendlichen Konservativen

  • Liebe Forianer,


    Wer einen Thread über Bruchs Streichquartette beginnt, muß damit rechnen deaß dieser Thread als Ein-Beitrags-Thread endet. :D
    Und genau dieses Risiko nehme ich hier auf mich.
    Wer sollte auch antworten, kaum jemand wird von der Existenz dieser Werke wissen, geschweige denn eine Aufnahme davon besitzen.


    Auch ich gelangt reinzufällig in den Besitz.
    Als ich vor einigen Monaten Material für den Bruch-Thread suchte, wir besprachen damals einige seiner Orchesterwerke, ihr erinnert euch ?, da fiel mir zufällig unter anderem diese Aufnahme in die Hände.



    Ich bin nun sicher kein Kammermusik-Spezialist, aber es war mir klar, daß eine solche Aufnahme vermutlich nicht allzulange in den Katalogen existieren würde - so kaufte ich sie.
    Ich erinnere mich noch, daß ich sie kurz anspielte, ich hatte wenig Zeit uind eine Menge CDs abzuhören.


    Ungespielte CDs gelangen bei mir jedoch nicht in die Sammlung, sie werden quasi "zwischengelagert", bis ich sie zumindest einmal komplett
    gehört habe. Das war dann gestern, bzw heute.


    Bruch ist, wie erwartet, kein Neuerer mit revolutionärem Ansatz, er ist sicher konventionell, jedoch finde ich, daß diese Werke vor allem für jene hörenswert sein dürften, die Schmelz und Lieblichkeit einerseits und temperamantvolle Heiterkeit über schroffe, "gewagte" Neuerungen stellen.
    Als er die hier erwähnten Streichquartette schrieb war er erst 18 bzw 22 Jahre alt. Ich habe Probleme Vergleiche zu ziehen. Bruch fühlte sich Brahms verbunden ist aber sicher wesentlich freundlicher, manches erinnert mich auch entfernt an Dvorak


    So ist dieser Beitrag eine Einladung an alle Kammermusikfreunde, die Quartette beispielsweise via Internet auszugweise abzuhören um sich ein Bild machen zu können. Wenn sie jemandendem gefallen und er mehr davon haben möchte, der wird die gleiche Enttäuschung erleben wie ich: Es gibt lediglich diese zwei.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    die Streichquartette von Bruch sind mir wohl bekannt. Vor mehreren Jahren mochte ich sie ganz gerne, da sie, wie von Alfred beschrieben, liebliche Melodien und temperamentvolle Heiterkeit beinhalten, auch eine gewisse Qualität vorweisen.


    Durch den Beitrag ist mir aber bewusst geworden, dass ich auf die Quartette schon seit einiger Zeit gar nicht mehr zurückgreife. Ich empfinde mittlerweile wohl doch zu wenig Tiefe in den Stücken.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Die heutige Bekanntheit von Max Bruch beruht nahezu ausschließlich auf seinem vielgespielten ersten Violinkonzert. Dabei hat Max Bruch ein äußerst umfangreiches Oeuvre hinterlassen und ist weit davon entfernt ein "One-Hit-Wonder" zu sein. Sein beachtlicher Werkkatalog enthält drei Symphonien (zwei verschollene Werke nicht mit einbezogen), drei Violinkonzerte, Konzerte für Klarinette und Bratsche, große Oratorien, Opern, zahlreiche Chorwerke auf biblische, antike und historische Stoffe sowie Kammermusik.


    Dass die meisten Werke von Max Bruch heute in Vergessenheit geraten sind, hat nicht zwangsläufig mit deren Qualität zu tun, sondern liegt in der Tatsache begründet, dass Bruch mit seiner an Felix Mendelssohn Bartholdy orientierten romantischen Musiksprache der kompositionsgeschichtlichen Entwicklung spätestens ab 1890 hinterherhinkte, und dies für die verbleibenden 30 Jahre seines Lebens - sein Stil hatte sich bereits zu seinen Lebzeiten überlebt: So entstanden Bruchs letzte Werke etwa zeitgleich mit den ersten atonalen Werken Arnold Schönbergs.


    Die hier angesprochenen Streichquartette Opus 9 und Opus 10 entstanden während der Studienzeit (1856 - 1860) und sind, wie Alfred schon erwähnt hat, der einzige Beitrag Bruchs für diese Gattung. Der Komponist sah in dem "intelligenten Vierergespräch" keine sonderlichen Mitteillungsmöglichkeiten und widmete sich fortan groß dimensionierten Werken.


    Wer sich aber mit solide komponierter und durchaus phantastisch bis leidenschaftlich geschriebener Musik von Max Bruch auseinander setzen will, dem seien diese beiden Jugendwerke wärmstens empfohlen.


    An dieser Stelle möchte ich auch das Streichquintett, das Streichoktett und das Klavierquintett (alle Opus Posthum veröffentlicht) erwähnen.


    Eine lohnende Aufnahme bietet das Label CPO.



    Davidoff

    Verachtet mir die Meister nicht

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Wer einen Thread über Bruchs Streichquartette beginnt, muß damit rechnen deaß dieser Thread als Ein-Beitrags-Thread endet. :D


    Oder man nimmt in Kauf, daß man stattdessen über das Streichquintett spricht :D


    Das SWR2-Nachtkonzert überraschte mich mit dieser Musik (gerade heute hatte ich die Schwedischen Tänze op. 63 für späteres Hörvergnügen auf meine Festplatte geparkt)... Zufälle gibts.


    Angekündigt wurde das Werk als Streichquintett a-moll op. posth., gespielt wurde auf hervorragende Weise vom Ensemble Ulf Hoelscher (der Namensgeber und Mitstreiter ist mir persönlich bekannt).


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Da es von diesem Ensemble nur eine CD mit Werken Max Bruchs gibt, wird es diese sein, die auch bereits oben gezeigt wurde (ich habe jetzt wegen Nachtruhe keine Gelegenheit, das zu überprüfen):



    Es müßte sich dabei um das Quintett Nr.1 a-moll (1918 ) WoO (sic! diesmal wirklich ohne Ordnungsnummer!) handeln, welches neben dem 2. Quintett in Es-Dur, ebenfalls aus 1918 (?), ebenfalls WoO, existiert.


    Das Werk hat mich vom ersten Ton an hingerissen. Wenn das Werk tatsächlich 1918 entstanden ist, kann man hier aber kaum noch von 'jugendlich', wohl aber im stilistischen Sinne von 'konservativ' sprechen.


    Zitat

    Dass die meisten Werke von Max Bruch heute in Vergessenheit geraten sind, hat nicht zwangsläufig mit deren Qualität zu tun, sondern liegt in der Tatsache begründet, dass Bruch mit seiner an Felix Mendelssohn Bartholdy orientierten romantischen Musiksprache der kompositionsgeschichtlichen Entwicklung spätestens ab 1890 hinterherhinkte, [...]


    An Mendelssohn fühlte ich mich nicht so sehr erinnert, eher an 'Brahms light' (wobei ich Brahms nicht sonderlich mag). Außerdem ist mir der Stilsturkopf jetzt schon weitaus sympathischer, als seine Lebensdaten es erahnen lassen würden... was wieder einmal beweist: mit der Zeit wächst Gras über die Sache - der Musik selbst ist es egal, wann sie komponiert wurde...


    Muß ich haben!


    :faint:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Ja, wir müssen auch über die Streichquintette sprechen und zwar vor allem über das Es-dur Quartett. Das hat seine Welturaufführung erst 2008 - 90 Jahre nach der Entstehung - durch das Henschel Quartett in der Londoner Wigmore Hall erfahren. Und - um es kurz zu sagen - das ist ein absolutes Hammerwerk, 19 min spätromantische Kammermusik vom Allerfeinsten. Ich kenne außer dem berühmten Violinkonzert kein zweites Werk von Bruch, das mir so gut gefällt. Die Henschels haben es 2009 zusammen mit den beiden Streichquintetten von Mendelssohn eingespielt und das ist eine CD, die 76 min Kammermusik der höchsten Kategorie bietet. Darf eigentlich in keiner Kammermusiksammlung fehlen.



    The whereabouts of Bruch’s E flat major String Quintet was not known for many years and thought lost. Then in the 1980s Gertrude Bruch’s hand-written copy emerged in private hands and was subsequently bought at a Sotheby’s auction by the German music publisher Henle in July 2006. In July 2008 the Henschel together with second violist Kazuki Sawa were entrusted with what was claimed to be the world première performance of the Bruch E flat major Quintet at the Wigmore Hall, London.

    In the opening movement of the Bruch marked Andante con moto the five string voices just melt gloriously together. I felt suffused by music evocative of golden sheaves of corn awaiting harvest gently swaying in a warm breeze. Truly this is playing that I didn’t want to end. The relaxing atmosphere of the opening movement immediately vanishes in the amenable Allegro a movement that the Henschel and Sawa propel forward unstintingly with abundant exuberance. What a marvellous surprise it was to hear the comforting music of the Andante con moto for the first time. With playing of this elevated standard I am inspired to write in the manner of the poet W.B. Yeats that ones soul feels at ease and ones heart has found peace. This Andante is surely one of Bruch’s most glorious offerings. In the varying mood-swings of the final Andante con moto – Allegro ma non troppo vivace the music radiates the joy and rapture of heady summer days. At 1:18-2:12 Bruch lets loose with energetic writing of passionate fervour. Again at 3:34-4:17 the high-stepping music returns with dynamic zest and vitality. With considerable confidence the Henschel and Sawa close the score with a sense of bold carousing.


    Read more:http://www.musicweb-internatio…os30901.htm#ixzz3FxYh40Ar

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  • Mit Max Bruch ist es irgendwie "zwiitterhaft": Ich mag seine Musik sehr - wüsste ich es nicht besser, würde ich ihre Entstehungszeit allerdings 40 Jahre früher schätzen. Dies ist insofern ungerecht, als wir uns daran gewöhnt haben, in bester Schönberg'scher Manier alles Mögliche am Stand der "Verarbeitung des musikalischen Materials" zu messen. Zugegeben: Mit Mahler oder dem frühen Schönberg mag ich Bruchs letzzte Werke nicht vergleichen, weil sich in ihnen die Erfahrungen der Gebrochenheit nicht findet, die wir zum Beispiel bei Mahler schätzen. Ich halte Bruchs Musik für "anachronistisch" - und für sehr hörenswerte romantische Musik.