Zum Tod der russischen Komponistin Galina Ustwolskaja ( 1919 - 2006 )
Ihre Musik hämmert und irritiert mit exzessiven Klangballungen. Ihr Klavier vibriert in klanglichen Sphären mit heftigen Einzeltönen oder dichten Tonballungen.
Elementar wirkt diese Musik, als ein Aufschrei, der aus tiefster Seele kommt, einer wahrhaft verwundeten Seele. Galina Ustwolskaja stammt aus der damaligen Sowjetunion, die rastlos gearbeitet, aber das meiste in der Schublade versteckt hat – nicht nur aus Furcht vor der ästhetischen Gängelung, sondern auch aus radikalen Qualitätsvorstellungen heraus. Nur gut zwei Dutzend Werke liess sie gelten. Sie kombinierte und wählte seltsame Besetzungen wie Piccoloflöte mit Tuba und Klavier. Mit grosser satztechnischer Präzision verfasste Galina Ustwolskaja ihre Werke und doch wirken ihre Kompositionen ungeschliffen und befreiend. Ihre Werke sind religiös konnotiert, aber nicht im Stile des mystischen Minimalismus eines Arvo Pärt oder eines Henryk Gorecki.
Spät sind diese Werke an die Öffentlichkeit gekommen. Galina Ustwolskaja, am 17. Juni 1919 in St. Petersburg geboren. Sie begann schon im Kindesalter zu komponieren. Galina Ustwolskaja schloss 1947 am dortigen Konservatorium ihr Kompositionsstudium ab: bei keinem Geringeren als Dmitri Schostakowitsch, dessen Assistentin sie wurde. Schostakowitsch, der nicht nur ihre Musik so bewunderte, dass er sie in eigenen Stücken zitierte, so in seinem fünften Streichquartett ein Thema aus ihrem 1949 komponierten „Trio“, sondern auch um ihre Hand anhielt – allerdings vergebens. Der Lehrer und Übervater war Galina Ustwolskaja, so viel liess sich ihren ganz wenigen Äusserungen entnehmen, eine schwere seelische Belastung. Über Jahrzehnte lebte sie vollkommen zurückgezogen vom Unterrichten in St. Petersburg; Aufführungen ihrer Werke gab es kaum, Reisen waren ebenso wenig möglich.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kam dies schmale Werk langsam ans Licht. In Holland war es der Dirigent Reinbert de Leeuw, der sich mit dem Amsterdamer Schönberg-Ensemble ihrer kantigen, hochexpressiven Musik annahm, in Österreich der Pianist Markus Hinterhäuser, der die sechs gewaltigen Klaviersonaten aus den Jahren 1947 bis 1988 spielte und auf CD aufnahm, während das Festival Wien modern ihr 1998 einen Schwerpunkt widmete und das Ballett Basel zu Musik von Galina Ustwolskaja tanzte.
Verstehen liess sich diese solitäre Kunst kaum; die Komponistin hat sich gegen Analysen und Deutungen ebenso verwahrt, wie sie sich der Begegnung beim Interview verweigert hat. „Ich schreibe dann, wenn ich in einen Gnadenzustand gerate“, sagte sie. „Danach ruht das Werk eine Zeitlang, und wenn seine Zeit gekommen ist, gebe ich es frei. Wenn seine Zeit nicht kommt, vernichte ich es. Nur ich selbst bestimme den Weg meiner Werke.“ Der Ausstrahlung dieser feinen, zerbrechlich wirkenden und doch so ungemein starken Frau konnte man sich allerdings nicht entziehen. Am 22. Dezember 2006 ist Galina Ustwolskaja im Alter von 87 Jahren in St. Petersburg an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.
Herzliche Grüsse
romeo&julia