BWV 124: Meinen Jesum lass ich nicht
Kantate zum 1. Sonntag nach Epiphanias (Leipzig, 7. Januar 1725)
Lesungen:
Epistel: Röm. 12,1-6 (Die Pflichten des Christen)
Evangelium: Luk. 2,41-52 (Der zwölfjährige Jesus im Tempel)
Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 17 Minuten
Textdichter: unbekannt; inspiriert aber vom titelgebendem Choral aus dem Jahr 1658
Choral: Nr. 1 und 6 von Christian Keymann (1607-62)
Besetzung:
Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass, Coro: SATB; Oboe d’amore, Horn, Violino I/II, Viola, Continuo
1. Choral SATB, Oboe d’amore, Horn, Streicher, Continuo
Meinen Jesum lass ich nicht,
Weil er sich für mich gegeben,
So erfordert meine Pflicht,
Klettenweis an ihm zu kleben.
Er ist meines Lebens Licht,
Meinen Jesum lass ich nicht.
2. Recitativo Tenor, Continuo
Solange sich ein Tropfen Blut
In Herz und Adern reget,
Soll Jesus nur allein
Mein Leben und mein alles sein.
Mein Jesus, der an mir so große Dinge tut;
Ich kann ja nichts als meinen Leib und Leben
Ihm zum Geschenke geben.
3. Aria Tenor, Oboe d’amore, Streicher, Continuo
Und wenn der harte Todesschlag
Die Sinnen schwächt, die Glieder rühret,
Wenn der dem Fleisch verhasste Tag
Nur Furcht und Schrecken mit sich führet,
Doch tröstet mich die Zuversicht:
Ich lasse meinen Jesum nicht.
4. Recitativo Bass, Continuo
Doch ach!
Welch’ schweres Ungemach
Empfindet noch allhier die Seele?
Wird nicht die hart gekränkte Brust
Zu einer Wüstenei und Marterhöhle
Bei Jesu schmerzlichstem Verlust?
Allein mein Geist sieht gläubig auf
Und an den Ort, wo Glaub’ und Hoffnung prangen,
Allwo ich nach vollbrachtem Lauf
Dich, Jesu, ewig soll umfangen.
5. Aria Duetto Sopran, Alt, Continuo
Entziehe dich eilends, mein Herze, der Welt,
Du findest im Himmel dein wahres Vergnügen.
Wenn künftig dein Auge den Heiland erblickt,
So wird erst dein sehnendes Herze erquickt,
So wird es in Jesu zufriedengestellt.
6. Choral SATB, Oboe d’amore, Horn, Streicher, Continuo
Jesum lass ich nicht von mir,
Geh’ ihm ewig an der Seiten;
Christus lässt mich für und für
Zu den Lebensbächlein leiten.
Selig, wer mit mir so spricht:
Meinen Jesum lass ich nicht.
Diese Choralkantate verarbeitet den gleichen Choral, den Bach ein Jahr zuvor auch schon als Schlusschoral für seine Kantate BWV 154 verwendet hatte. Die dort verwendete letzte Strophe beendet auch diese Kantate.
Der Inhalt dieser Kantate bezieht sich wie BWV 154 erneut auf die Suche der Eltern Jesu nach ihrem vermeintlich verloren gegalubten Sohn, wobei auch hier die Eltern Maria und Joseph durch den sein (Seelen-) Heil suchenden Christen der Jetzt-Zeit ersetzt wurden.
Auch in dieser Kantate fällt erneut der barocke "Trend" auf, eine gewisse Sehnsucht nach den Freuden des Lebens im Jenseits - entsprechend gepaart mit einer gewissen Verachtung des irdischen Daseins - zu entwickeln.
Das "wahre himmlische Vergnügen", von dem im Duett Nr. 5 die Rede ist, wird dementsprechend auch in fröhlich-tänzerischer Form musikalisch ausgedrückt.