Da sitz' ich nun, ich armer Tor...
Laut Definition geht es in dieser Tamino-Abteilung um Unverzichtbare Aufnahmen. Meine Blicke schweifen über die Plattenregale und ich rätsle, was denn für mich unverzichtbare Aufnahmen wären. ... Nichts. Mir will keine einfallen. Irgendwie passt das Wort "unverzichtbar" nicht auf das, was ich für sehr geschätzte Aufnahmen empfinde. Natürlich gibt es einige, die ich außerordentlich schätze, manche so sehr, dass es mir wirklich leid täte, sie nicht kennengelernt zu haben. Aber dieses "unverzichtbar" ist mir zu eng, noch dazu, wo es, von ganz wenigen Beispielen abgesehen, fast immer Alternativen gibt, die auf vergleichbarem Niveau liegen, oder wo es so viele mir unbekannte Alternativen gibt, dass ich gar nicht auf die Idee käme, das mir bekannte besonders herauszuheben.
Aber: Es gibt wirklich ein paar Tondokumente, die fast einzigartig sind, oder solche, die ich aus irgendeinem Grunde für bemerkenswert erachte, und die im Forum seltsamerweise kaum oder gar nicht aufscheinen. Von diesen besonderen Aufnahmen soll also hier die Rede sein.
Damit der erste Artikel nicht nur trockene Theorie bleibt, stelle ich gleich auch eine wirklich einzigartige Aufnahme vor. Ich kann nicht einmal ein Bild verlinken, denn es gibt sie nicht. Zumindest nicht bei uns in Mitteleuropa. Schon Jahre nicht. In Amerika gab es sie bis vor zwei Jahren, voriges Jahr konnte man sie noch über Japan-Importe bei unseren bekannten Versendern bekommen. Zur Zeit bleibt für ungeduldige Naturen nur der Weg über Japanische Versandhäuser. Ich habe noch etwas Geduld und hege solange meine LP...
Die Aufnahme ist wirklich einzigartig. Die Komposition wurde 1981 von einem damals noch sehr jungen Virtuosen veröffentlicht. Die Einspielung erfolgte 1982 und bis zum heutigen Tag ist der Komponist der einzige Künstler geblieben, der das Werk in der Öffentlichkeit gespielt hat! Und das nicht, weil das Werk so schlecht ist...
Der Künstler ist Kazuhito Yamashita, und es geht hier um seine Bilder einer Ausstellung in der Fassung für Sologitarre. Man könnte einwenden, wie man erstens überhaupt auf die Idee kommen kann, die Bilder für Gitarre zu setzen, und zweitens was das für einen Sinn macht. Nun, beim ersten Punkt kann ich auch nicht weiterhelfen, aber den zweiten kann ich nur uneingeschränkt bejahen.
Vermutlich wird die Interpretation jedem, der die Originalfassung für Klavier einigermaßen kennt, bei der ersten Bekanntschaft sehr ungewohnt vorkommen. Aber ich zumindest wurde sehr schnell mit ihr vertraut und staune immer wieder, wie idiomatisch passend Yamashita die Komposition gelungen ist. Und es ist schier unglaublich, wie orchestral er sein Instrument erklingen lassen kann! Man kann sich eigentlich russische Musik auf Gitarre kaum vorstellen, nachdem man diese Platte kennt, ist es die selbstverständlichste Sache der Welt. Eine meiner Insel-Platten! Auch klanglich eine Wucht!
Übrigens: Der Grund für die Absenz jeglicher Konkurrenz liegt in der geradezu abartigen Schwierigkeit der Partitur, die selbst abgebrühten Kennern der Materie bei ihrer Ansicht ein "völlig unmöglich zu spielen" entlockt. In einem Artikel über moderne Gitarre las ich einmal sinngemäß: "Die Geschichte des modernen Gitarre-Spiels kann sehr einfach in zwei Perioden eingeteilt werden. In die Zeit vor den Bildern und in die die Zeit danach". Kazuhito Yamashita hat als einer der wenigen Virtuosen der letzten Jahrzehnte seinem Instrument völlig neue Dimensionen eröffnet.