BWV 61: Nun komm, der Heiden Heiland
Kantate zum ersten Adventssonntag (1714 - Weimar)
Lesungen:
Epistel: Röm. 13,11-14 (Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber herbei gekommen)
Evangelium: Matt. 21,1-9 (Jesu Einzug in Jerusalem)
Libretto:
Satz 2,3,5: Erdmann Neumeister (1714)
Satz 1: Martin Luther (1524) (Nun komm, der Heiden Heiland / -> Hymnus: Veni redemptor genitum)
Satz 4: Offenbarung 3,20
Satz 6: Philipp Nicolai (1599) (-> Wie schön leuchtet der Morgenstern)
sechs Sätze, Dauer: ca. 15 Minuten
(vokale) Besetzung: Sopran, Tenor, Baß + vierstimmiger Chor
ZitatAlles anzeigenDas Libretto:
1. (Coro)
Violino I/II all' unisono, Viola I/II, Fagotto, Continuo
Nun komm, der Heiden Heiland,
Der Jungfrauen Kind erkannt,
Des sich wundert alle Welt,
Gott solch Geburt ihm bestellt.
2. Recitativo T
Continuo
Der Heiland ist gekommen,
Hat unser armes Fleisch und Blut
An sich genommen
Und nimmet uns zu Blutsverwandten an.
O allerhöchstes Gut,
Was hast du nicht an uns getan?
Was tust du nicht
Noch täglich an den Deinen?
Du kömmst und lässt dein Licht
Mit vollem Segen scheinen.
3. Aria T
Violino I/II, Viola I/II all' unisono, Continuo
Komm, Jesu, komm zu deiner Kirche
Und gib ein selig neues Jahr!
Befördre deines Namens Ehre,
Erhalte die gesunde Lehre
Und segne Kanzel und Altar!
4. Recitativo B
Violino I/II, Viola I/II, Continuo
Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.
5. Aria S
Violoncelli, Continuo
Öffne dich, mein ganzes Herze,
Jesus kömmt und ziehet ein.
Bin ich gleich nur Staub und Erde,
Will er mich doch nicht verschmähn,
Seine Lust an mir zu sehn,
Dass ich seine Wohnung werde.
O wie selig werd ich sein!
6. (Choral)
Viola I coll'Alto, Viola II col Tenore, Fagotto col Basso, Violino I/II all' unisono, Continuo
Amen, amen!
Komm, du schöne Freudenkrone, bleib nicht lange!
Deiner wart ich mit Verlangen.
Eigentlich war Bach in Weimar ja nur als Konzertmeister und Organist angestellt. Da der Kapellmeister Drese (der somit in etwa das Amt des Hof-Kantors innehatte) kränkelte, wurde Bach gebeten, ihn zu entlasten und alle vier Wochen eine Kantate zu komponieren.
BWV 61 ist kurz aber hat es in sich. Der Eingangssatz arbeitet unüberhörbar mit den Stilmitteln der "französischen Ouvertüre". Wir werden noch in einigen anderen Kantaten interessante Gattungsüberschneidungen dieser Art erleben. Alfred Dürr schreibt diesbezüglich eine interessante Deutung: "Der Eingangssatz ist eine feinsinnige Kombination von Choralbearbeitung und französischer Ouvertüre: Die Ouvertüre eröffnet das Kirchenjahr; zugleich ist sie in der französischen Oper dasjenige Musikstück, zu welchem der König seine Loge zu betreten pflegte. Auch in dieser Kantate aber gilt es einen einziehenden König zu begrüssen. Die Grundform der Ouvertüre, langsam - schnell (Fuge) - langsam, ist mit dem vierzeiligen Luther-Choral so kombiniert, daß die ersten beiden Zeilen auf den langsamen Eröffnungsteil und je eine Zeile auf die beiden folgenden teile entfallen...."
Der zweite Satz geht von einem secco-Rezitativ in ein Arioso über, in Satz drei folgt eine Tenorarie, die zusammen mit der Tenorarie aus BWV 62 meiner Meinung nach eine der schönsten Bachs ist.
Eines der bemerkenswertesten Rezitative Bachs nimmt in Satz vier seinen kurzen Lauf: Die "vox christi" (Baß) klopft mit lautmalerischer Begleitung an die Tür des Christen.
Die Sopranarie wird erstaunlicherweise nur von der Continuo-Gruppe begleitet und ist von zurückgenommener, innerlicher Natur.
Der Schlußchor wurde vom Librettisten Neumeister verstümmelt! Er streicht den Beginn des Chorals "Wie schön leuchtet der Morgenstern" und verwendet nur den "Agesang" des Chroals, der nach dem dreiteiligen Schema "Stollen, Stollen, Abgesang" gebaut ist.