Hallo werte Forumsgemeinde,
seit Tagen, eher seit Wochen gehe ich mit dem Thema "schwanger", denn unter obigem Namen haben die Berliner Philharmoniker in Zusammenarbeit mit der Welt eine Edition heraus gegeben, in der -pünktlich zum 125-jährigen Bestehen des Orchesters 2007- ein Querschnitt vom Beginn der Tonaufzeichnungen des Orchesters (1913 unter Alfred Hertz bis hin zur Neuzeit (2002 unter Harnoncourt) in wichtigen Aufnahmen gezeichnet wird.
Mich würde interessieren, wer sich, außer mir, die Edition gekauft hat, welch Gefallen die Aufnahmen gefunden haben und ob vielleicht eine Anschaffung geplant ist.
Da die Edition inzwischen im gut sortierten Fachhandel, darunter auch bei unseren Lieblings-Werbepartnern , erhältlich ist, seien mir obige kleine Links sicher gestattet, denn sie dienen der Einführung und nicht der Werbung.
Alle Chefdirigenten des Orchesters sowie wichtige Gastdirigenten sind auf den CDs vertreten, etliche Aufnahmen stellen Erstveröffentlichungen dar. Sämtliche Aufnahmen sind auch einzeln erhältlich.
Auf alle zwölf Aufnahmen einzugehen, würde imo zu weit führen, deswegen suche ich diejenigen heraus, die mir am bemerkenswertesten erscheinen.
-Aufnahmedatum 1928; die erste elektro-akustische Aufnahme des Orchesters mit Bruckners 7.
Die Einspielung stellt für mich eine doppelte Sensation dar. Zum einen begeistert die Aufnahmequalität der fast 80 Jahre alten Aufnahme. Man würde sie ohne weiteres auf 1940-1950 schätzen, wüßte man nicht, daß sie viel früher entstand. Rauschen und Verzerrungen halten sich in Grenzen und trüben nur wenig den Hörgenuß.
Mindestens ebenso sehr erstaunt die Interpretation. Mit einer Spielzeit von 59' 07'' liefert Horenstein eine der schnellsten mir bekannten Deutungen ab. Ohne Pathos und übermäßiger Weihe dirigiert er das Werk und zeigt die Modernität der Sinfonie -für 1928 sowieso, aber gemessen an Horensteins Sichtweise klingen viele andere, modernere Aufnahmen "alt" und "hausbacken". Ein "Muß" für jeden Bruckner-Anhänger.
-Aufnahmedaten 1930-1935, gespielt werden u.a. die "Kleine Nachtmusik", Till Eulenspiegel, Schuberts 7 ( 8 ).
Man begreift, woher Sohn Carlos sein Temperament hatte und warum Erich Kleiber vor dem Krieg ein großes Renommee genoß. Für mich steht fest, daß ich mich näher mit dem Dirigenten beschäftigen werde.
-Aufnahme vom 15.10.1963 zur Eröffnung der Berliner Philahrmonie. Es wurde Beethovens 9. mit den Solisten Gundula Janowitz, Sieglinde Wagner, Luigi Alva und Otto Wiener gespielt.
Hier zeigt sich wieder einmal, daß der "Live-Dirigent" sich grundlegend vom "Schallplatten-Dirigenten" unterschied.
Natürlich betont Karajan die Größe und die Schönheit der Musik, aber er opfert keine Details seinem berüchtigten "Schönklang", sondern liefert mit seinem Orchester eine temperamentvolle, rhythmisch-elegante und -für mich- großartige Einspielung ab.
-Sir Simon Rattles erstes Konzert mit dem Orchester vom 14./15.11.1987. Gespielt wurde Mahlers 6.
Man begreift nach dieser Aufnahme, weswegen die Berliner Philharmoniker Rattle zum Chefdirigenten wählten. Der zum Zeitpunkt der Aufnahme 32-jährige überraschte mit einer sehr detailreichen und individuellen Leseart der Sinfonie. Er dirigierte mal rhythmisch präzise, mal die Schönheiten der Musik auskostend, aber nie vulgär, oberflächlich oder resignativ. Sein Mahler verströmt Hoffnung und bietet im vierten Satz keine "Hinrichtung" (wie etwa bei Solti).
-"Haffner Serenade" von Mozart, aufgenommen 13.-15.12.1996
Ein straffer Mozart, ein wenig auf "HIP-Spuren", aber ich frage mich, ob in den Archiven nichts charakterisitischeres von Abbado zu finden war. Immerhin gilt er u.a. als Freund und Förderer der Moderne...
Die Edition wird in einem goldfarbenen Schuber, zusammen mit einem sehr umfangreichen Beiheft ausgeliefert. Im Beiheft erfährt man viel über die Geschichte des Orchesters und über die Dirigenten.
129 € für 12 CDs sind sicherlich kein Schnäppchen, aber die igs. sehr gute künstlerische Qualität der Aufnahmen und die sorgfältige klangliche Aufbereitung, sowie das detaillierte Beiheft lassen den Preis imo gerade eben noch gerechtfertigt erscheinen.