Franz Schubert: Die Klaviersonaten

  • Liebe Schubertfreunde,


    mit Überraschung hab ich heute registriert, daß wir bis heute das Thema Schubert-Klaviersonaten nicht einmal gestreift haben.



    Der nun initierte Thread soll gewissermaßen als Trailer verstanden werde, der, wie schon einige Threads in der Vergangenheit, lediglich abcheckt ob Interessn vorhanden sind. Wenn ja, können wir uns dann einzelnen, wichtigen Sonaten Schuberts widmen.
    Schubert Klaviersonaten zählen neben jenen Beethovens zum Bedeutendsten, was für diese Gattung je geschrieben wurde. Die Sonaten tragen jedoch typischerweise keinen Namen, von einer Ausnahme mal abgesehen, der "Reliquie" D 840. Bedauerlicherweise hat Schubert von den 22 begonnenen Sonaten lediglich 12 vollendet, ein großer Verlust. Bei aller obeflächlicher Nähe zu Beethoven sind Schuberts Werke dieses Genres doch sehr persönlich geprägt, lyrischer und weicher.


    Wenngleich heute der Stellenwert von Schuberts Klaviersonaten unumstritten ist, so kam deren Durchbruch doch relativ spät, man könnte darüber spekulieren , warum.


    Robert Schumann äusserte sich eher abfällig über Schuberts letzte Sonaten, eines seiner vielen Fehlurteile.


    Und nun wäre es an der Zeit, eine grobe Bestandaufnahme, der in Euren Augen interessantesten Sonaten zu machen, bzw. ihrerer Interpreten. Hier sollten neben etablierten Schubert-Spezialisten auch die "jüngere" Generation Erwähnung finden.


    Und selbstverständlich sind auch "Meilensteine" gefragt.


    Ich bin gespannt was wir hier alles gemeinsam "ausgraben" werden


    mit freundlichen Grüßen


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    fühle mich da durchaus angesprochen :D und hätte diesen Satz


    Zitat

    mit Überraschung hab ich heute registriet, daß wir bis heute das Thema Schubert-Klaviersonaten nicht einmal gestreift haben.


    glatt als Frage forumliert.


    Für mich ist Schubert fast noch zentraler als Sonatenkomponist als Beethoven (da kann ich :stumm: auf vieles verzichten :stumm:, bei Schubert nicht). Ein Blick in meine Sammlung offenbart ziemlich viele Einträge:


    Die Komplettaufnahmen von Kempff und Schiff, einzelne (oder mehrere) CD's von Volodos, Michelangeli, Richter, Tverskaja, Brendel, Ashkenazy, Lupu, Gilels, Uchida, Perahia, Arrau, Kissin, Schnabel, Pollini etc. etc. Insgesamt über 50 CD's, leider aber nicht die Doppel-CD mit den späten Sonaten von Staier (die ist wohl aus dem Katalog gestrichen worden).


    Eigentlich hat jede CD ihre guten Seiten, manche haben auch Schwächen, manche aber nicht. Die beiden Komplettaufnahmen überzeugen mich nicht restlos - ich wünschte Lupu hätte/würde seinen Zyklus vollendet/vollenden.


    Ach so, meine Lieblingssonaten sind neben den drei letzten die D664 und D894, wobei ich 784 und 850 auch hin und wieder gern höre. Insgesamt finde ich dass Schubert in den letzten drei Sonaten die Krönung des Genres geschrieben hat, weit seiner Zeit voraus, da ist auch nicht mehr viel nachgekommen - Chopin ist ja eher an Mozart orientiert, Brahms ziemlich stark an Beethoven. Irgendwie gab es nach Schubert nur noch große Klaviermusik mit kleinen Stücken (ich weiß übertrieben), aber die Genrebeiträge von Prokofiev und Scriabin sind ja schon wieder eine ganz andere Welt als die klassische Klaviersonate.

    Gruß,
    Gerrit

  • Zitat

    Insgesamt finde ich dass Schubert in den letzten drei Sonaten die Krönung des Genres geschrieben hat, weit seiner Zeit voraus, da ist auch nicht mehr viel nachgekommen


    Mit dem ersten Teile des Satzes kann ich mich anfreunden, aber man sollte Liszts h-moll Sonate nicht so einfach unter den Tisch kehren.


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Wenn Du Dich mit dem ersten Teil anfreunden kannst, müsstest auch Du Liszt unter den Tisch kehren. Wie auch immer, Liszt höre ich zwar auch ganz gerne, aber wenn ich mich entscheiden müsste, kann ich gar nicht schnell genug kehren ... da bleibt Schubert vorne. Aber ich muss mich ja nicht entscheiden.

    Gruß,
    Gerrit

  • Zitat

    ... da bleibt Schubert vorn.


    Darum geht es auch gar nicht. Aber die h-moll Sonate ist nun einmal (zeitlich) nach Schubert musikhistorisch das so ziemlich bedeutendste Werk für Soloklavier im 19. Jhdt., ob sie einem gefällt oder nicht.


    Ciao

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Hallo,


    Zitat

    musikhistorisch das so ziemlich bedeutendste Werk für Soloklavier im 19. Jhdt.,


    Das ist für mich so was von egal. Ich höre Musik nicht um musikhistorische Feldforschung zu betreiben und lasse mich nicht von einer Disziplin beeinflussen, deren Blick reichlich beschränkt war.


    Um das zu erläutern. Es ist keineswegs als Angriff auf Deine Person oder Meinung gedacht. Nur hat die Musikhistorie im Laufe der Zeit soviel vergessen, verdrängt oder ins Abseits geschrieben, dass man sich auf dieses Kriterium kaum verlassen sollte. Natürlich bin ich mir des Einflusses von Liszt bewusst, mir gefällt allerdings das meiste von ihm nicht sonderlich. Die Sonate finde ich gut, kehre aber immer wieder zu Schubert zurück oder höre Skjriabin, Prokofiev, Rachmaninoff etc oder Schumann (dessen Klavierwerk natürlich von Liszt beeinflusst wurde, der aber imo wesentlich bedeutendere Werke geschrieben hat als Liszt).

    Gruß,
    Gerrit

    Einmal editiert, zuletzt von Gerrit_Stolte ()

  • Sagitt meint:


    Ja, wenn man die Sonaten D. 958,959 und 960 hört, fragt man sich wirklich, warum die nicht immer gleichberechtigt neben den großen Beethovensonaten gestanden haben. Aber: bei Beethovens Begräbnis waren zehntausende anwesend, a star was dead und Schubert ?


    Heute nur zur B-Dur Sonate D. 960. Sie scheint gar nicht verstörend zu sein, wie etwa der zweite Satz von D. 959. Aber die scheinbare Lieblichkeit ist nur die Oberfläche, darunter eine tiefe Traurigkeit. Die Dur-Tonart könnte täuschen, ebenso die scheinbar munteren Sätze, das Scherzo und das finale Allegro. Ich mag Interpretationen, die über alles ein wenig den Mehltau von Verzweiflung legen. Deswegen, trotz des erlesenen Anschlags, schätze ich die Pires mit dieser Sonate nicht so. Sie stürmt das Allegro ( fast eine Minute schneller als Brendel) und spielt die Nachbarschaft zu Beethoven heraus. Deswegen auch Pollini weniger, der mir zu streng spielt- es ist nicht das Spätwerk Beethovens


    Drei Favouriten seien genannt . Rubinstein, Brendel und Zacharias. Allen dreien gelingt es, den morbiden Charme eines Spätwerks zu zelebrieren.


    Meine Frage an die Taminos: ich kenne nur eine alte Version von Horowitz, banal. aber wie ist die Aufnahme bei der DG ? Da ich solide Vorbehalte gegen diesen Pianisten habe, wollte ich mir die Hochpreisaufnahme bei der DG nicht kaufen .

  • Wenn Du solide Vorbehalte gegen Horowitz hast, stellt sich die Frage nach einem Erwerb doch gar nicht. Ich wollte auf Horowitz nicht verzichten, auch wenn die Attribute, die Du sucht, von ihm nicht sonderlich in den Vordergrund gestellt werden.


    Ich finde allerdings auch nicht, dass die anderen von Dir genannten Interpreten die Verzweifelung und tiefe Traurigkeit und das Morbide wirklich treffen. Dafür würde ich eher zu Richter greifen. Auf ECM gibt es dann noch eine Extremversion mit Afannassiev (?), die soll noch extremer sein (mehr als 50 Minuten glaube ich)

    Gruß,
    Gerrit

  • Also, mein erster Versuch mit dem Bewertungssystem:


    Titel: Franz Schubert - The Late Piano Sonatas/Impromptu 899
    Interpret: Claudio Arrau
    Label: Philips Duo
    Katalog: 473 895-2


    Die Aufnahmen sind zwischen dem September 1978 (D958 ) und dem August 1982 (D959) im Het Concertgebouw in Amsterdam entstanden also rund zehn Jahre vor Arraus Tod, allerdings auch ein paar Jahre nachdem er für mich seinen Zenit überschritten hatte. Die verschiedenen Aufnahmedaten haben unterschiedliche Klangqualität zur Folge, auch die Interpretationen sind nicht einheitlich zu bewerten.


    D 958: Die ersten beiden Sätze sind ziemlich schwach, da fehlt ein wenig die Vorwärtsbewegung. Nach ein paar Minuten ist alles vergessen, es bleibt nichts hängen. Die "linke" Hand, also die tiefen Noten (heißt das Diskant?) sind nur verwischt zu hören. Die beiden letzten Sätze gelingen deutlich besser, auch wenn Arrau die Spielfreude im Scherzo ziemlich unterdrückt.


    D960: Insgesamt nichtssagend. Relativ getragener 1. Satz (mit Wiederholung), bringt jedoch nicht das Morbide/Verzweifelte zum Ausdruck, das in der letzten Sonate von Schubert durchaus vorhanden ist. Es hört sich eher wie Schicksalergebenheit an. Hier gelingt im letzten Satz eine deutliche Steigerung, vor allem weil Arrau die Verzögerungen sehr intelligent einsetzt.


    D959: Hier ist mir nur das Scherzo haften geblieben - ein ziemlicher Reinfall. Es wird einfach nur runter gespielt, ohne Gefühl für Rhythmus oder Dramatik.


    D899: Gemischte Gefühle. Das c-Moll Impromptu ist leb- und lieblos dahingespielt. Die anderen drei Impromptus sind akzeptabel bis gut und machen Lust auf mehr.


    Besonders hervorzuheben ist der Klang/Sound, den Arrau auf dem Flügel schafft. Goldener Klavierklang würde ich es mal nennen, auch wenn die unteren Register wie schon gesagt nicht so gut eingefangen sind. Insgesamt aber gerade bei der Konkurrenz in diesem Bereich keine zwingende, überzeugende Einpielung:


    Interpretation: 4-5
    Klang: 4

    Gruß,
    Gerrit

  • Ausnahmeweise ein Hinweis an alle Mitleser:


    Thorsten benutzt hier ein von mir zusammengestelltes Punktesystem, das NICHT kompatibel ist, mit jenen den heutigen Fachzeitschriften !!
    Heutige Bewertungen werden aus welchen Gründen auch immer üblicherwese viel zu positiv abgefasst. Liest man diese Zeitschriften, so hat man den Eindruck, heute gäbe wes fas ausschließlich überdurchjschnittliche CDs (was beileibe nicht der Fall ist). Bei meiner Bewertung sollte aber Platz für wirklich hervorragendes geschaffen werden, also sit eine Bewertung ab 5 das was man als guten Durchschnitt bezeichnen kann, und keinesfals so schlecht, wie es dem Uneingeweihten scheint. Diie Maßstäbe sind hier eben sehr streng, zudem darf nicht vergessen werden, daß unsere Urteile doch sehr subjektiv sind. Ich rege daher an, jene die Lust und das nötige Hintergrundwissen mitbringen, Zweit und Drittrezensionen zu verfassen. (wie dies eine Zeitschrift schon vor Jahren praktizierte) Man wir hier sehr gut sehen können, daß (aiuch ptrofessionelle)Rezensionen nur eine subjektiveve Meinung darstellen.


    Grüße aus Wien


    Alfred



    Und nun wieder zurück zu Schuberts Klaviersonaten.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Bevor jemand mit Zweitrezensionen daherkommt :D, mache ich mal mit einer weiteren Sonatenaufnahme weiter:



    Werke: Klaviersonate D 850, 9 Lieder, deren Komposition in die gleiche Phase wie die Sonate fällt.
    Interpreten: Leif-Ove Andsnes, Ian Bostridge (Tenor)
    Label: EMI Classics
    Katalog: 5 57460 2


    ACHTUNG: Copy-protected


    Andsnes spielt seit ein paar Jahren die Schubert-Sonaten für EMI ein. Das besondere an dem Projekt ist die Verbindung mit diversen Liedern, die Schubert jeweils im zeitlichen Umfeld der Sonatenkomposition geschaffen hat. Bisher hat als Solist immer Ian Bostridge seinen Tenor zur Verfügung gestellt.


    Ich fange am besten mit den negativen Momenten an: In Passagen, die ein kräftiges Spiel verlangen, verliert sich Andsnes immer wieder. Er schafft es nicht, die harmonischen Auflösungen natürlich erklingen zu lassen. Vor allem im ersten Satz gehen dadurch einige schöne Melodien ein wenig unter. Er geht mir die Sache da auch ein wenig zu schnell an, was eine natürlich atmenden Interpretation auch nicht förderlich ist - es fehlt das kantable Moment, ohne dass es deshalb sportiv wirkt Die leisen Passagen sind allerdings im ersten Satz sehr schön gespielt. Im zweiten Satz plätschert es so ein wenig dahin. Im dritten und vierten Satz mit seinen vielen spielerischen und fragilen Elementen ist Andsnes aber voll in seinem Element. Die leisen Töne gelingen ihm. Die Melodien bekommen Platz zur Entfaltung und können so ihre ganz Wirkung entfalten.


    Wenn es auch nicht in diesen Thread passt: Richtig gut sind die Lieder, nicht nur weil es sich um selten aufgenommene und wohl auch nur selten gespielte Exemplare handelt. Bostridge intoniert glasklar (soweit ich das beurteilen kann) und Andsndes erweist sich als guter Begleiter (obwohl auch hier in kräftigen Passagen manchmal der Zusammenhang verloren geht). Insgesamt dennoch eine empfehlenswerte Scheibe:


    Interpretation: 6-7 (Sonate), 7 (Lieder)
    Klang: 6 (über dem EMI-Standard für Klavieraufnahmen)

    Gruß,
    Gerrit

  • Da hier bereits die drei letzten Sonaten besonders hervorgehoben wurden, möchte ich für diese neben den schon genannten Klassikern Brendel und Kempff für D 960 neben Uchida vor allem verweisen auf



    Von Kovacevic gibt es auch eine beeindruckende Aufnahme von D 959, aber z.Z. wohl vergriffen - oder?


    Besonders liegt mir auch die D 959 und vor allem der 2. Satz, den Sagitt hier schon als verstörend beschrieben hat.


    Darfür vielleicht besonders hervorzuheben die Aufnahme mit Andsnes/Bostridge, der hier bereits auch für D 960 genannt wurde.


    Ich höre besonders gern bei D 959 (und vor allem im 2. Satz Andantino) die nicht repräsentative und sehr subjektive Aufnahme von Afanasiev aus März 1997, Denon 1998 (Doppel-CD die letzten drei Sonaten) - wohl auch vergriffen - deshalb hier nur als Anmerkung.


    Mit noch weihnachtlichen Grüssen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Natürlich muß ich hier auch den Namen Paul Badura-Skoda ins Spiel bringen, der wie ich glaube bei Euch nicht allzu bekannt ist. Unter Insidern und in Wiener Musikkreisen geniesst er jedoch höchste Verehrung.



    Badura Skoda ist kein "Virtuose" sondern ein höchst subtiler Gestalter, der besonders den cantablen Schubert optimal gestaltet, auf einem Bösendorfer Flügel wenn möglich, nicht auf Steinway.
    Auf "Effekte" wird man bei ihm vergeblich hoffen, das eigentlich Spektakuläre ist, daß er unspektakulär spielt, nein das trifft es auch nicht, er bringt das Instrument zum Blühen, wie nur wenige.
    Dazu kommt, daß er hisorische Flügel sammelt, er kennt all ihre Eigenarten und vermag sie zu spielen. Zudem ist er auch als Musikwissenschafter tätig, er hat einige Werke verfasst, bzw herausgegeben, manchmal gemeinsam mit seiner Frau Eva Badura-Skoda, einer Mozart- Haydn- und Opernforscherin.
    Aber ich sehe meine Begeisterung reisst mich mit.....
    Daher wieder auf den Boden der Realität:


    Meine Empfehlung ware, so erhältlich:


    Franz Schubert:


    Sonate in B-Dur D960
    3 Klavierstücke D946


    Paul Badura- Skoda spielt einen Bösendorfer Imperial 1923


    HARMONIC RECORDS PARIS


    Sie scheint im Internet-Versand leider nicht auf, ich hab sie aber erst vor ca 1 Jahr in Wien gekauft. Die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1986 und ist vorzüglich.



    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bereits an anderen Stellen im Forum wurde nicht nur von mir auf den Pianisten Michael Endres lobend hingewiesen, der ja von ArteNova zu Oehms Classic gewechselt hat.
    Vor seiner Zeit beim BMG-Budget-Label hatte er diverse Aufnahmen für Capriccio gemacht, zusammen mit dem WDR.
    Hierunter insbesonders die interpretatorisch wie auch klanglich hervorragende Gesamteinspielung der Schubert-Sonaten, die schon lange nicht mehr verfügbar waren. Selbst ich haderte mit meinem Schicksal, weil mir über einen größeren Zeitraum eine einzige CD noch fehlte, die ich dann glücklicherweise gebraucht erstehen konnte.


    Jetzt hat das Label Capriccio eine 6 CDs umfassende Box veröffentlicht, in der alle 17 Sonaten zusammen verfügbar sind - und das zu einem Preis, der es wirklich leicht machen dürfte, sich einmal Endres' Interpretationen zu widmen und sich dadurch vielleicht auch von Schubert-"Werten" wie die von Alfred Brendel zu lösen.
    Bei jpc gibt es die Box für schlappe EUR 11,99 !


    Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, den Menschen zu sagen, was sie nicht hören wollen. [frei nach George Orwell]

  • Observator schrieb im Thread über Schuberts Sinfonie D944:


    Zitat

    ich schätze überhaupt extreme interpretationen, z.b. d 959 mit afanassiew oder beethoven 3.sym mit savall, ohne die "braven" geringzuschätzen.



    Ja,Afanassiev mit D 959 ist wirklich etwas Besonderes. Wie bist Du auf diese Aufnahme gestoßen, die Einspielung in Hannover - auf Denon?


    Gruß


    Matthias



    ANMERKUNG:
    Da der Thread sich von Schuberts 9. Zu den Klaviersonaten hin abdriftete, was sich aber erst nach einigen Posings herausstellte,
    habe ich an sinnvoller Stelle getrennt und hierher verschioben


    Alfred , Moderator

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

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  • Wie ist die ecm-Aufnahme im Vergleich zur Denon-Aufnahme?
    Lohnt es sich, die ecm-Aufnahme noch zusätzlich anzuschaffen?


    Gruß


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • ( das gehört eigentlich ja nicht mehr hier her, aber ich kann es nicht verschieben. das wird wohl nur der maître de la maison können ;))


    ich hab jetzt nur das scherzo anhören können.
    während die 1985er aus dem burgenland mit 46 minuten schon überdurchschnittlich lang ist, gelingt dem verrückten (positiv gemeint!) in seiner 1997er aus niedersachsen mit 56 minuten noch eine steigerung um 22%. wobei alle wiederholungen gespielt werden, bzw. im dacapo scherzo in beiden aufnahmen nicht.
    ( das ist übrigens auch bei den spielzeitvergleichen von d944 (thema ;)) zu berücksichtigen, dass nämlich 8 wehas möglich sind, und deshalb 43 minuten nicht 63 minuten sind...)
    afanassiev wählt hier also wirklich verschiedene grundzeitmaße. aber nicht nur das. in seiner ersten einspielung wirkt das trio, auf welches ich bei meiner zugegeben extrem subjektiven herangehensweise immer besonders höre, wie eine insel der erschöpften und auch noch bangen ruhe ( wie das gefühl eines/r vaters/mutter, wenn das fiebernde kind mitten in der nacht endlich kurz eingeschlafen ist, aber man weiss, es ist noch nicht überstanden...). in der zweiten aufnahme erinnert mich das trio eher an ein herumstapfen in einem ruinenfeld (germania anno zero), viel perspektivloser also.
    die stärkere betonung des 3/4 taktes in der jüngeren einspielung lässt mich auch an glenn gould und seinen mozart denken. im gegensatz zu ihm liebt aber afanassiev den komponisten.


    zum abschluss noch daten:
    ecm 13288295392 juli 1985 lockenhaus/ denon co18051/2 -28.märz 1997 hannover
    I: 22'40/ 28:13
    II: 11:10/ 12:40
    III: 4:10/ 5:06
    IV: 8:55/ 10:20
    G: 46/ 56:20


    grüsse aus schubert-town

  • ich habe matthias stauchs frage zum anlass genommen, mir meine 33 einspielungen von d960 anzuhören (nur den 3. satz). und das ergebnis des rennens um meinen geschmackspokal: auf den ersten 3 plätzen der valery! am liebsten ist mir eine konzertaufnahme vom 28.11.97, die ich mir vom orf überspielen habe lassen. da macht das trio die tür zu einer anderen welt auf! er ist schon extrem, aber wesentlich exzentrischer finde ich den (subjektiv) letzten platz: die zweite horowitz-aufnahme vom 3.86. das trio wirkt gehetzt, die linke hand zerhackt die melodie der rechten.
    :beatnik:

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  • sammle ich ja d944 -neben unzähligen d759 quasi als "beifang"
    (aber d911, d956 und eben d960 sind für mich auch wichtig)
    :beatnik:
    gruss aus schubert-town


  • Franz Schubert - Late Piano Works, Volume 7: D 960 und Wandererfantasie
    Philips 422062-2


    Kompetent, mehr nicht, wenn auch besser als seine analogen Aufnahmen für Philips auf Philips Duo. Der Funke springt nicht über und das hat zum großen Teil mit manuellen Defiziten bei Brendel zu tun. Die Anstrenung ist zu hören, die größen Melodiebögen sind nicht auszumachen. Note wird an Note gereiht, selbst kurze Phrasen werden, wenn es mal schneller gefordert wird, nicht fließend zu hören. D 960 hat ein paar schöne Momente im ersten Satz, Scherzo und Finalsatz sind allerdings höchstens Durchschnitt.

    Gruß,
    Gerrit

  • Schubert-Sonaten ist wohl eines jener Themen, die mich seit einigen Jahren sehr intensiv beschäftigen und berühren, so war es auch mein Wunsch, auf meiner allerersten CD zwei - eine sehr bekannte (a-Moll, D 845) sowie eine eher selten gespielte (f-Moll, D 625, unvollendet) einzuspielen. Ich hatte mich immer wieder mit diesen so persönlichen und oftmals ein Schattendasein fristenden Werken auseinandergesetzt und bin auf die Suche gegangen, wer meiner Meinung nach einen wirklich tiefen und seelenvollen Zugang zu dieser immens schwer zu gestaltenden Musik haben könnte. Einige Pianistenkollegen haben den Ton unverwechselbar und richtig getroffen. So bin ich z.B. von den Aufnahmen von IMOGEN COOPER (Label: Ottavo) sehr angetan. Cooper, eine enge Vertraute von Alfred Brendel (Doppelkonzert Mozart auf der Phillips-Gesamtaufnahme oder d-Moll Konzert Kv. 466 Soundtrack "Amadeus") schafft eine großartige Mischung zwischen der tänzerischen Leichtigkeit und Unbeschwertheit und den jähen Abgründen, in welche diese Musik auch weist.
    RADU LUPU erreicht diese Stimmung ebenfalls auf seinen früheren Decca-Aufnahmen. Natürlich ARTHUR SCHNABEL, oftmals ALFRED BRENDEL, die B-Dur Sonate von VALERY AFANASSIEV, ein Livemitschnitt vom Kammermusikfestival Lockenhaus auf ECM ist in ihrer Dichte wunderbar, auch die letzte Einspielung FRIEDRICH GULDAS bietet großartige Einblicke auf die Sichtweisen eines reifen großen Musikers. Aber es gibt auch noch weitere beachtenswerte Einspielungen, leider auch einige, die den Schubertschen Ton völlig verfehlen und sich mit einer undefinerbaren Mischung aus Kitsch und falschem Pathos präsentieren.

  • Hallo Markus,
    wenn man schon mal einen leibhaftigen Pianisten fragen kann - was halten Sie von Mitsuko Uchida und Christian Zacharias, deren Schubert-Sonaten ich sehr mag?

    Herzliche Grüße
    Uranus

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  • Dafür habe ich soeben die 1992 live aufgenommene Interpretation von G. Sokolov gehört.
    Eine sehr feinsinnige Interpretation, bei der Sokolov sein unglaubliche Ausdrucksfähigkeit zeigt.


    Sehr schön und auch die Aufnahmequalität ist gut.


    Gruß

  • Mein Tip zu den Schubert-Klaviersonaten wäre


    THE COMPLETE FINISHED SONATAS FOR PIANO (5 CDs)


    gespielt von dem dänischen Pianisten John Damgaard (Aufnahme von 2002) Eine dynamisch und agogisch sehr differenzierte, also rundum "musikalische" Aufnahme. Dabei ohne jegliche "schaut mal, wie toll ich klavierspielen kann"-Attitüde.


    Die schlechte Nachricht dazu: diese CDs sind anscheinend regulär nirgends mehr zu bekommen. Ich hatte da wohl das Glück, beim onlineshop eines der letzten Exemplare zu einem Spottpreis zu bekommen.


    Im Grunde kannst du so gut klavierspielen wie du willst, wenn du von der Promotion nicht entsprechend gefördert wirst, interessiert sich niemand für dich. Ich denk mal, das liegt daran, daß die Leute selber garnicht beurteilen können, wie gut eine Aufnahme ist. Erst wenn du in den Massenmedien als Superstar gehandelt wirst, kaufen die Leute die Platte, weil, was so vielen gefällt, muß ja gut sein :wacky:


    Gruß
    Heinz

  • Hallo,


    Ich möchte an dieser Stelle bitten, Markus nicht in Bedrängnis zu bringen. Gerade als Insider ist es schwierig so offen von der Leber zu schreiben, wie wir es können. Schon als Kritiker einer Zeitschrift ist man von gewissen Vorgaben abhängig.


    Bedenken wir, daß noch heute Zitate von Günter Wand und Eugen Jochum etc etc gerne in Internetforen zitiert werden. Auch Strawinskys Verdikt über Vivaldi wurde ihm nicht nur lebenslänglich "um die Orhren geschlagen", es ist geradezu unsterblich, und hat seinen "Schöpfer" überlebt.
    Daher ist es wohl verständlich, wenn sich aktive Künstler in der Öffentlichkeit (und das Forum ist Öffentlichkeit) eher nicht äussern wollen. Dieser Beitrag war schon mehrere Stunden lang geplant, noch b e v o r Markus hier antwortete, aber er war schneller als ich.


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ohne auf unterschiede in brendels 3 einspielungen eingehen zu wollen (können?), möchte ich ihm "vorwerfen", dass er nie die exposition im ersten satz von d960 wiederholt, und uns dadurch diese herrliche "tabula rasa"-überleitung vorenthält.
    :beatnik:

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