Furien in der Oper - das Salz in der Suppe!

  • Salut,


    parallel zum Thread über Rache-Arien möchte ich einen solchen über Furien-Arien starten. Die Furien [als Bösewichtinnen] haben in der Opera Seria zwar keinen Einfluß auf den Handlungsverlauf, dennoch sind sie m. E. das Salz in der Suppe: Als 5. Rad am Wagen - das immer etwas im richtigen Moment zu meckern hat - tauchen sie auf, um die strikte Handlung für einen nicht unbedeutenden Moment zu unterbrechen: Sie lassen Dampf ab, drohen, weissagen irgendwelche künftigen Unheile [die niemals eintreten werden] und sind stocksauer.


    Als Paradebeispiel sei die Elettra aus Mozarts Idomeneo genannt, die kurz vor dem Ende der Oper nochmals so richtig aufdreht - womit eigentlich niemand wirkich rechnet: Nachdem die Statue des Neptun [la Voce] die verzwickte Lage bereits überraschender Weise zum Positiven gewendet hat [Idamante soll Idomeneo als König von Kreta ablösen und Ilia zur Gemahlin nehmen], dreht die eifersüchtige Elettra vollends durch und tut dies durch ihre Arie D'Oreste, d'Aiace kund. Die Arie steht bezeichnender Weise in c-moll und kann als Akzent des drittes Aktes gelten. Nach dieser Predigt verlässt sie auf nimmer Wiedersehen wutentbrannt die Bühne [parte infuriata]. Anscheinend aus Zeitmangel wurde die Arie bei der Münchener Uraufführung leider gestrichen - es sollte ja noch ein nicht gerade kurzes Ballett sowie die Krönungsfeierlichkeiten an sich folgen.


    Welche Beispiele für typische Furien-Arien gibt es noch?


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Die berühmteste aller Rachearien:


    Der Hölle Rache tobt in meinem Herzen,
    Tod und Verzweiflung flammet um mich her!
    Fühlt nicht durch dich Sarastro Todesschmerzen,
    So bist du meine Tochter nimmermehr.
    Verstossen sei auf ewig,verlassen sei auf ewig,
    Zertrümmert sei'n auf ewig alle Bande der Natur,
    Wenn nicht durch dich Sarastro wird erblassen!
    Hört,Rachegötter,hört der Mutter Schwur! :angry:


    (Sie versinkt mitten in Donner und Blitz)

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Furien in der Oper? Ach so, du meinst auf der Bühne!


    Wenn ich so nachdenke - in Puccinis "Turandot" hat die Dame sogar die Hauptrolle...


    Alfons

  • Salut Siegfried,


    der Hölle Rache tobt nicht, sie kocht! :yes:


    Ansonsten finde ich die Arie gut gewählt: Sie passt besser hier hinein, als in den Thread zu den Rachearien [siehe meine Ausführungen dort].


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Ulli,


    ich gratuliere dir! Du hast den kleinen Schnitzer bemerkt,wer auch sonst?
    Übrigens hat mancher Koch schon getobt,wenn ihm mal das Essen angebrannt ist ;)


    Doch im Ernst: Manche "Sternflammende" hat schon tobt gesungen,weil der Kehllaut mehr anstrengt. Aber das tut der grandiosen Arie, die vermutlich als am schwierigsten zu singen gilt, keinerlei Abbruch.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Salut,


    beim Kochen tobt höchstens der Hund in der Pfanne... :D


    Ich empfinde es so, dass das "ch" im Wort "kocht" nach dem Wort "Rache" nochmals das Fauchen [auch da ist das harte "ch" enthalten] hervorhebt - bei "tobt" wirkt das für mich eher lächerlich. Ich finde den Text durchaus wohldurchdacht.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Herbert,


    Du bringst mich gerade auf Joseph Haydns Orfeo: Darin sind natürlich die wunderbarsten Furienchöre [cori di furie] enthalten: Hier interessanter Weise nur Tenöre und Bässe.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • In der Clemenza di Tito ist die Figur der Vitellia zumindest zu Beginn ja ziemlich furiös angelegt: Wie sie den armen Sesto immer wieder anstachelt und ihn mit spitzen Bemerkungen über seine Untätigkeit und sein Zaudern piesackt und gar mit dem Entzug ihrer (anfänglich wohl auf reiner Berechnung beruhenden) Gunst droht, das hat schon was!


    Und wenn er dann endlich nachgibt und den Anschlag auf Kaiser Titus initiiert, dann passiert etwas für eine klassische Furienfigur seltenes:
    Vitellia zeigt tatsächlich Einsicht und Reue und am Ende der Oper scheint sie so etwas wie ein besserer Mensch geworden zu sein.
    Eine "Furien-Läuterungsoper" sozusagen ;)


    So kommt es, dass sie leider, leider auch keine richtig schön rasende Furien-Arie bekommt - im Gegenteil: Ihr (in der Mozart-Version) Rondo kurz vor Ende der Oper zeigt sie dagegen als reumütigen Menschen.


    Also:
    Es gibt Hoffnung - auch für Furien aller Art! :]

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

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  • Salut,


    es ist wirklich fatal, dass es in der Clemenza keine wirkliche Furienarie gibt - aber der Librettist hat ja nach Mozarts Angaben eine wirkliche Oper daraus gemacht - da wurde alles zu der Zeit überflüssige abgemäht und man hat sich auf die Ausarbeitung der Charaktere eingelassen: Also keine Opera Seria im herkömmlichen Sinne mehr! Vermutlich war auch das der Grund, warum sich eine gewisse Fu... äh... Dame, deren Namen wir nicht nennen wollen, über das Werk leicht abwertend äußerte: Ihr fehlte die Furienarie, ganz klar.


    ;)


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Ulli,


    im ungekürzten "Director's Cut" der "Clemenza di Tito", also dem Libretto von Metastasio in seiner unbearbeiteten Form gibt es aber leider auch keine geeignete Furienarie für die arme Vitellia :(


    Ich glaube, es liegt am Autor selber, nicht an den Kürzungen für die spätere Mozart-Vertonung:
    Metastasio war einfach nicht der Typ für solche Furien-Damen. Sein durchweg nobler Stil erlaubte ihm keine rasenden Weiber und dergleichen - alles hat hier "Noblesse" und übt sich in vornehmer, allenfalls leise leidender/ zürnender Zurückhaltung - schade eigentlich!
    Die ganzen Zauberinnen und rasenden Furien, die in der Barockoper bisweilen ihr Unwesen treiben, entspringen keinem einzigen der vielfach vertonten Metastasio-Libretti.
    So gesehen konnte aus Vitellia ja auch nix G'scheits werden - rein furientechnisch gesehen .... kein Wunder, dass sie sich am Ende bessert :wacky:


    Ich habe eine Vertonung des Ursprungs-Textes der "Clemenza" von Caldara - da darf Vitellia auch nicht rumtoben - die Ärmste :(



    Interessante Aufnahme (ein Live-Mitschnitt aus Italien) - gerade im direkten Vergleich zur Mozart-Version!

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Salut,


    wie ist denn die Aufnahmequalität der Caldara-Ur-Fassung? Bei dem Label ist das immer russisches Roulette... :D


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Das stimmt - ich war jedoch so neugierig auf die Aufnahme einer "Clemenza", die nicht von Mozart stammt, dass ich wahrscheinlich alles genommen hätte :D


    Aber ich war positiv überrascht:
    Der Mitschnitt stammt aus dem Jahr 2003 (?) - ist jedenfalls keine 10 Jahre alt. Und damit ist die Klangqualität erstaunlich gut.
    Lässt sich anhören :yes:


    Eine Aufführung (wie hier ja der Fall) kommt natürlich nicht ohne die obligatorischen Kürzungen aus... :motz:


    Die Musik selber ist allerdings -naja- etwas belanglos, finde ich jedenfalls...


    Aber eine interessante Ergänzung ist es allemal! :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)