Salut,
wieder ein Rankingthread für JR
Ich meine es aber ernst: Alfred, der Lullist und ich haben in Laufe des vergangenen und diesen Jahres einige von Mozarts Zeitgenossen [im weitesten Sinne] vorgestellt und die Resonanz war, wie ich finde, erstaunlich gut und positiv.
Was mich interessiert, sind Eure persönlichen ‚Favoriten’. Ich mache es gleich wieder falsch, indem ich nun versuche, in eine [abwertende ] Reihe zu bringen. Da ich von Joseph Martin Kraus behaupten kann, dass ich mittlerweile [von wenigen Ausnahmen abgesehen] alles greifbare an Werkeinspielungen besitze, kann ich ihn als die Nr. 1 benennen [abgesehen von einigen Frühwerken, insbesondere Klaviersonaten :kotz: ]. Aber das geht mir bei Mozart selbst auch nicht anders. Kraus ist ein Dramatiker im Sinne Beethovens, der für mein musikalisches Verständnis subtiler als Beethoven das Wort-Ton-Verhältnis beherrscht [Beethoven ist klarer!], zudem kombiniert er [bei vollem Bewusstsein eines ihm innewohnenden Unsicherheitsfaktors] den Mannheimer Stil mit einer gewissen Renovierung der Musik.
Ein Treppchen tiefer steht Vicente Martín y Soler. Eigentlich gebührt ihm ebenfalls der erste Platz. Seine Opern, die ich kenne, stehen Mozarts da-Ponte-Opern in nichts nach. Matthias meinte einmal sinngemäß: „Wer Mozarts da-Ponte-opern kennen lernen möchte, höre Martín y Solers ‚La Capricciosa Corretta’“. Dem kann ich zustimmen. Es ist für mich mehr als nur wunderlich, dass ein so genialer Komponist so unbeachtet bleibt. Meine Vorliebe zur Gattung „Oper“ rückt ihn vor Kozeluch:
An dritter Stelle folgt ganz klar Antonín Kozeluch, der m. E. besonders in der Kammermusik [Klaviertrios] für Mozart große Konkurrenz [aus heutiger Sicht und auf mich bezogen] darstellt. In den Sinfonien ist er großartig und gefällt, was für seine Zeit gut war. Herausstechend sind seine mittlerweile berühmte C-Dur-Sinfonie und jene in g-moll. Sein Oratorium ‚Moisé in Egitto’ ist erste Sahne – idomeneohafte Züge [etwas später als Mozart: 1787], großartige Tremor-Chöre, sehr fein gearbeitet! Seinen Klavierkonzerten fehlt eigentlich nur ein Hauch, um mit jenen Mozarts definitiv verglichen werden zu können. Besonders der Variationssatz des D-Dur-Konzertes ist spitze!
Die vierte Position bekleidet für mich [da aber auch kammermusikalisch unterrepräsentiert bei mir] Antonio Rosetti, ein unglaublicher Komponist, wenn es um Sinfonien und Hornkonzerte geht. Seine Hornkonzerte könnten als Ersatz dienen, wenn man sich Mozart überhört hat. Auch scheint Mozart von ihm die Verwendung der ‚Romanze’ als Mittelsatz übernommen zu haben. Rosettis Sinfonien sind meisterhaft, besonders hervorzuheben ist seine g-moll-Sinfonie, die fast zeitgleich mit Mozarts „großer“ [KV 550] entstanden ist und – wie bei Kozeluch – fehlt wenig zu einem echten Vergleich.
An fünfter Stelle – wobei ich alle genannten ‚Top Five’ auf einer Treppe sehe – kommt Josef Myslivecek: Il boemo divino, ein Titel, den sich zurecht seinerzeit erhielt. Er brilliert in Opern und Oratorien gleichermaßen und hatte hier - damals wie heute - Bombenerfolge zu verzeichnen.
Kraus, Martín y Soler, Kozeluch, Rosetti und Myslivecek sind eigentlich für mich Garanten für gute Musik – zudem mit Gehalt -, die mir außerdem noch gefällt. Deswegen kommt hier der „Schnitt“. Alle genannten Komponisten gehören für mich auf die gleiche Stufe. Wobei ich ein wenig nach dem Genre unterscheide – ganz klar liegt bei mir die Oper als Gesamtkunstwerk vorn. Danach schließen sich augenblicklich die Kammermusik an. Dann erst folgen geistliche Musik mit Oratorien und schlussendlich Sinfonien und sonstiger Kram. Dennoch möchte ich Gossecs 'Grand Messe des Morts' und Pleyels 'Requiem' besondrs hervorheben. Kraus vereint alle Genres meisterhaft, daher: Nr. 1 – Martín y Soler ist, wie gesagt, ein Meister des 1780er Opernstiles da Pontes, Kozeluch tut sich mit Kammermusik, aber auch ganz hervorragend mit seinem Oratorium hervor, die Sinfonien sind beachtenswert. Rosetti sei als ‚Sinfoniker’ empfohlen und Myslivecek kann ich nicht richtig einordnen. Vielleicht gehört er auch an die Stelle 2a – aber Kozeluchs Kammermusik ist mir einen Tick lieber. Mysliveceks 'Passione di Nostro Signore Gesú Cristo' nach dem beliebten Libretto Metastasios gefällt mir von allen zur Verfügung stehenden Vergleichen am besten.
In der weiteren Folge sind Komponisten wie Michael Haydn, der sich als herausragender Opern- und Messkomponist bewährt hat, Grétry [ebenfalls Oper], Dittersdorf [Oper, Kammermusik, Sinfonien, teilweise albern], Gossec [mitreißend, teilweise hervorragende Arien, aber auch (wie Grétry) sehr nationalistisch]. In den Bereich Oper gehört selbstverständlich aus Giovanni Paisiello, von dm ich besonders seine 'Nina' schätze. Johann Christian Bach steht nochmals über den ‚Top Five’ als musikalischer Vater von Mozart und seinen Zeitgenossen. Daher folgendes [derzeitiges] Ranking:
1. Joseph Martin Kraus
2. Vicente Martín y Soler
3. Antonín Kozeluch
4. Antonio Rosetti
5. Joseph Myslivecek [oder wie das Ding heißt ]
Ich bin gespannt, wen ich alles vergessen habe, viel mehr aber, wie die Taminos das sehen.
Viele Grüße
Ulli