Tschaikowsky - Die Jahreszeiten (Opus 37 bis)

  • Hallo zusammen,


    Habe schon vor längerem einzelne Stücke aus diesem wunderbaren Zyklus gehört und bin jetzt im Klavierunterricht wieder darauf gestoßen - hier im Forum dazu habe ich bisher noch keinen Thread dazu gefunden (ich hoffe, dass ich ihn nicht übersehen habe).
    Ich bin kein Musikkritiker oder ähnliches, möchte aber trotzdem gerne ein paar Sätze dazu schreiben (Quellenangabe weiter unten):


    Zitat

    Peter Iljitisch Tschaikowsky schrieb den Zyklus "Die Jahreszeiten" op. 37 bis im Auftrag des Musikverlegers Nikolaj Matvejevitsch Bernard und für dessen musikalische Zeitschrift "Le Nouvelliste". Seit 1873 arbeitete Tschaikowsky gelegentlich für den "Nouvelliste", der das Publikum mit neuen Werken russischer und ausländischer Komponisten bekannt machte und auch über das musikalische Leben in Russland, Westeuropa und Amerika berichtete


    Aus den Tschaikowskys Briefen ist ersichtlich, dass der Verleger ein sehr gutes Honorar zahlte und dem Komponisten die Titel der Stücke vorschlug.


    Zitat

    Die jeweils vorangestellten poetischen Motti gehen offensichtlich auf den Herausgeber zurück, der ein großer Kenner der russischen Literatur und Poesie und auch selbst Verfasser literarischer Werke war. [...] Ob die Wahl der Verse mitTschaikowsky abgesprochen worden war, ist nicht bekannt [eine andere Quelle sagt, sie seien in jedem Fall erst im Nachhinein den Werken zugeteilt worden und dienten dem Komponisten somit nicht als Vorlage]. Alle zu seinen Lebzeiten erschienen Ausgaben enthalten jedoch diese Vers-Motti., Tschaikowsky muss folglich auf die eine oder andere Weise von ihnen Kenntnis genommen und sie gebilligt haben. [...]


    Aus unbekannten Gründen gab Bernard dem Zyklus die Opuszahl 37. Bei allen anderen KompositionenTschaikowskys stammen die Opuszahlen von seinem Verleger Jürgenson. Die in anderen Verlagen erschienen Werke des Komponisten blieben ohne Opuszahl. 1885 kaufte Jürgenson Bernard die Rechte für diesen Zyklus ab und ließ die Stücke im Oktober desselben Jahres zunächst einzeln erscheinen. [...] Bei der Übernahme der "Jahreszeiten" in das Eigentum des Verlages erhielt der Zyklus die Opuszahl 37bis. Die Opuszahl 37 selbst gab Jürgenson der "Großen Sonate". [...]


    aus:
    Vorwort zu "Tschaikowsky - Die Jahreszeiten (Opus 37 bis)"
    von Ludmila Korabelnikova, Polina Vajdman ( Moskau, Frühjahr 1998 )
    erschienen im G. Henle Verlag, Nr. 616




    Soviel zur Geschichte des Werkes. Ich finde das Verhältnis von Verleger zu Komponist in diesem Fall ein relativ besonderes. Ich kenn mich mit Tschaikowsky, seiner Biographie und seinen Charakterzügen, herzlich wenig aus, aber auf mich macht es auch den Eindruck, dass Verleger und Komponist hier ganz gut auf einer Wellenlänge liegen - was vielleicht bei einem solchen Auftrag, der zwischendurch kam, nicht selbstverständlich ist.
    Bernard scheint die Musik Tschaikowskys geschätzt zu haben - und sogar so sehr geschätzt zu haben, dass er ein höheres Honorar als eigentlich üblich gezahlt hatte. Tschaikowsky wiederum kam ihm sehr entgegen und versuchte den Wünschen und Ansprüchen des Verlegers völlig gerecht zu werden. Er bot sogar an, ein schon geschriebenes Stück für einen Monat bei Nichtgefallen völlig neu zu komponieren.
    Natürlich mögen wohl beide Betroffenen in diesem Fall profitiert haben, aber es spricht für den Verleger, seine literarischen Kenntnisse und sein Einfühlungsvermogen in diese Musik, dass er diese wunderbar passenden Verse den einzelnen Stücken vorangestellt hat (insofern sie erst im Nachhinein hinzugefügt wurden).
    Letztlich wird hier vielleicht auch der Anspruch ins Spiel gebracht, sich nicht nur allein auf die Musik und den Notentext zu beschränken, sondern eben ein Stück russische Kultur darzustellen.


    Ich selbst kenne die "Jahreszeiten" in der Aufnahme mit Lev Vinocour:



    Ich habe schon öfters gehört, dass Tschaikowskys Musik als etwas "schmalzig" wahrgenommen wird und vielleicht etwas zu sehr "verklärt". Er ist natürlich schon ein Kind seiner Zeit, in der vorliegenden Interpretation kann ich allerdings in diesem Punkt kaum etwas Übertriebenes erkennen - die Aufnahme auf diesem Steinway-Flügel von 1901 ist sogar eher etwas nüchtern gehalten, was vielleicht auch der Transparenz des Werkes zugute kommt.


    Falls Ihr diesen Zyklus noch nicht kennt, hoffe ich, euch mit diesem Beitrag darauf aufmerksam und neugierig gemacht zu haben. Mir selbst liegen diese kürzeren Stücke mit viel Charakter sehr am Herzen, wie z.B. Mendelssohns Lieder ohne Worte, Brahms' Klavierstücke, etc. - es müssen ja nicht immer gleich die großen Sonaten sein ;).
    Tschaikowsky schafft mit jedem Monat eine eigene kleine Welt mit ihrem ganz eigenen Charakter, die sich - den Zyklus zusammen gesehen - dann letztendlich wieder zu etwas Größerem ergibt.


    Und falls ihr den Zyklus kennt, bin ich auf eure Meinungen und Empfehlungen gespannt.


    Viele Grüße soweit,
    Benjamin

  • Hallo,


    Ich habe die Jahreszeiten von Tchaikovsky diesen Sommer auf France Musique in einer Interpretations-Vergleichs-Sendung gehört, und fand das Werk wirklich sehr schön. Seither bin ich auf der Suche nach einer Aufnahme, aber es scheint nicht so viele zu geben. Den einzigen Interpreten in der Radiosendung, den ich kannte, war Vladimir Ashkenazy. Insgesamt waren glaube ich alle Interpreten Russen. Falls jemand verschiedene Interpretationen kennt und eine speziell empfehlen kann, wäre ich sehr dankbar.


    Beste Grüsse,


    Jürgen

  • Hallo,


    also ich kenn nur die Interpretation von S. Richter (Label Olympia), die ich sehr gelungen finde.
    Gerade bei Tschaikowsky's Soloklavierwerken besteht m.E. immer ein wenig die Gefahr der gepflegten Langeweile, der Richter aber mit entschiedenem Zugriff souverän trotzt.


    Gruß
    Wolfgang

  • Hi,


    wollte fragen, ob "die Jahreszeiten" als fester Zyklus gesehen werden oder ob man auch einzelne Stücke in einem Konzertprogramm aufnehmen kann. Wenn "Ja", ist es nicht etwas seltsam, wenn man in einem Frühlingskonzert den "Oktober" spielt?
    Und dann noch eine weitere Frage: Kennt jemand noch weitere kleiner Stücke (also nicht die Sonaten), die man für ein Konzertprogramm empfehlen kann? Denn viele Stücke, die ich vom guten Petr T. kenne, sind doch etwas platt, öde, einfallslos und nicht so originell.
    Ich hoffe jemand kann mir welche nennen, die meine Meinung etwas ändern. (Auch gerne via pn).
    Viele Grüße
    Alex

    Die Dame des Hauses erhebt sich vom Klaviersessel: "Das war Siegfrieds Tod." Ein Zuhörer zu seinem Nachbarn: "Kann ich verstehen."


  • Hallo Alex,
    ich weiss nicht, ob es Dich noch interessiert- (da es als antwort ja reichlich spät ist)-, aber:
    soweit ich mich (an ein Booklettext) erinnere wurden die Stücke jeden Monat als Beilage einer Zeitschrift beigegeben. Insonfern sind sie meiner Meinung durchaus eigenständig. Tschaikowsky hat sie (glaube ich s.o.) nicht sehr geschätzt, sondern immer kurz vor dem Abgabetermin schnell "runtergeschrieben". Trotzdem mag auch ich diesen Zykllus! Ich kenne ihn in der Einspielung mit Y. BRONFMAN (rec. 1998) , die mir sehr gut gefallen hat!



    siehe auch:
    Yefim Bronfman


    Sehr gelobt wurde auch die Aufnahme von M. PLETNEV.


    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

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  • Zitat

    Original von Freischütz
    Hallo,


    also ich kenn nur die Interpretation von S. Richter (Label Olympia), die ich sehr gelungen finde.
    Gerade bei Tschaikowsky's Soloklavierwerken besteht m.E. immer ein wenig die Gefahr der gepflegten Langeweile, der Richter aber mit entschiedenem Zugriff souverän trotzt.


    Gruß
    Wolfgang


    Also S. RICHTER hat nur vier der zwölf Stücke diese Zyklus im Repertoire!
    Nr.1 Januar, Nr.5 Mai, Nr. 6 Juni, Nr.11 November


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)