Interpreten auf der Höhe Ihrer Schaffenskraft - am Abstellgleis ?

  • Lieber Taminoianer,


    Wieder einemal war es einer von Euch, der mich zu diesem Thread angeregt hat, und zwar im "Sting-Thread". Dort schrieb Heinz Gelking:


    Zitat

    Die großen Klassik-Firmen haben in den vergangenen zehn Jahren viele Verträge mit Künstlern auslaufen lassen. Das Betraf vor allem Künstler in jenem Alter, in dem Sting sich befindet. Die Generation der heute 40 bis 60jährigen Musiker, die nicht so viel "Glamour" haben wie Mutter oder Maisky, findet in den Katalogen der Traditionslabels nicht statt.


    Stings CD wird nun mit einem gewaltigen Medienrummel (in wirklich absolut professioneller Weise!) am Markt bekannt gemacht. Für den Klassikmarkt wäre es aber wichtiger, die Aktivitäten der Klassikkünstler seiner Generation zu dokumentieren. Sting hilft der Klassik nicht - er verdrängt Chancen.


    Lassen wir Sting mal in diesem Thread beiseite, sondern widmen wir uns dem Phänomen, inwieweit Künstler im Alter zwischen 40 und sechzig Jahren von der Tonträgerindustrie aufs Eis gelegt wurden - warum das geschah - was man degegen unternehmen könnte, wenn es überhaupt zuträfe - und ob die Aussage überhaupt stimmt - ob sie je gestimmt hat , und was wir uns diesbezüglich von der Zukunft erwarten, bzw Nennung von Künstlern die dem Trend zuwiderlaufen - und warum.


    Eine ganz schöne Menge.....


    mfg
    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bei Frau von Otter scheint mir indes, dass sie zumindest das Repertoire, bei dem sie ohnehin an die stimmlichen und technischen Grenzen gelangte (zB Händel-Opern), inzwischen lieber lassen sollte. Mag sein, dass sie, etwa im Liedrepertoire tatsächlich noch auf der Höhe ist.
    Auch fürchte ich, dass die ABBA-CD tatsächlich freiwillig gemacht wurde, sie hat nämlich vorher mindestens schon eine Costello-Crossover-CD, ich meine auch noch mehr dieser Art, gemacht.


    Als hauptsächliche "Opfer" (denn sie haben ja alle dennoch ihre Karriere und auch etliche Aufnahmen gemacht) erscheinen mir z.B. etliche Geiger wie F.P. Zimmermann, Thomas Zehetmair und Christian Tetzlaff, die alle mit Anfang 20 in den 80ern herausragendes versprachen. Wenigstens Zimmermann (und teils Zehetmair) hat damals recht viel eingespielt, ist dann aber irgendwann von der EMI "abgesägt" worden. Inzwischen sind die Anfang/Mitte 40 machen auch noch Aufnahmen, aber eher wenige, verstreut, auf unterschiedlichen Labels. Man setzte schon seinerzeit und auch heute lieber auf (zweifellos oft ebenfalls musikalisch hervorragende) hübsche junge Damen.


    Und der größte derartige "Skandal" in letzter Zeit dürfte der Umgang von Warner mit den hochrenommierten ERATO und TELDEC-Künstlern, besonders aus dem Bereich der Alten Musik wie Harnoncourt und Christie gewesen sein.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    ich glaube, daß sie die "guten Alten" zugunsten der "besseren Neuen" links liegen lassen. Das zum einen bezogen auf eine gewisse - verzeihbare - Geldgeilheit zum anderen auf den Spaß am Marketing.


    Neue Besen kehren gut, die alten aber kennen die Ecken besser.


    Zudem glaube ich auch, dass die "Alten" [auf sich selbst bezogen] nicht mehr unbedingt interessiert sind an dem Rummel, der um die "Neuen" gemacht wird. Ich denke, sie treten auch mehr oder minder freiwillig oder im Einvernehmen zurück und machen Platz für die neue Generation.


    Was bleibt, sind darüber Erhabene.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Ich denke, sie treten auch mehr oder minder freiwillig oder im Einvernehmen zurück und machen Platz für die neue Generation.


    So viel Blödheit wirdt Du doch keinem Klassikinterpreten unterstellen -
    Was gibt es schöneres als eine Aufnahme zu machen und dann jahrzehntelang die Tantiemen zu kassieren - sowas gibt man niemals freiwillig aus der Hand. :no:


    Aber eigentlich beginnen wir schon das Thema zu verlassen....


    Ich behaupte mal, die etablierten Tonträgerfirmen haben versucht die alten Künstler abzubauen und durch neue zu ersetzen, welche billiger und optisch (für die Jugend, die angestrebte Zielgruppe) ansprechender sind, als die genannten "Alten"


    Dabei wurde jedoch einiges ausser Acht gelassen:


    Wenn ich beispielsweise einen unbekannten chinesischen Teenager als Pianisten hören will - dann greife ich zu Naxos. Für einen bis-vor-kurzem-noch-Nobody zahle ich keinen Vollpreis. Ich habe in den letzten 30 Jahren etliche Klassikstars aufgehen und verglühen sehen.....


    Die Leute wollen "Stars" sehen - das ist wahr - aber keine künstlich gemachten -in der Klassikwelt muß man sich Berühmtheit in der Regel erarbeiten...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    So viel Blödheit wirdt Du doch keinem Klassikinterpreten unterstellen -


    Ich nenne das keineswegs Blödheit, sondern Intelligenz, im Zweifelsfalle Einsicht. Ich denke schon, dass es auch [alters-]müde Interpreten gibt.


    Zitat

    Was gibt es schöneres als eine Aufnahme zu machen und dann jahrzehntelang die Tantiemen zu kassieren


    Keine mehr zu machen und von den "guten alten" zu leben, die - zumindest, wenn ich diesem Forum folge - noch immer "inn" sind.


    Zitat


    Ich behaupte mal, die etablierten Tonträgerfirmen haben versucht die alten Künstler abzubauen und durch neue zu ersetzen, welche billiger und optisch (für die Jugend, die angestrebte Zielgruppe) ansprechender sind, als die genannten "Alten"


    Ich bin mir nicht sicher, ob die "Neuen" dauerhaft wirklich billiger sind - es ist mehr Aufwand, mehr Marketing [und somit mehr Kosten] damit verbunden, jemand Neuen zu promoten, als einen alten Hasen, den jeder [!?] kennt und von dem man [meistens jedenfalls :wacky: ] weiß, was man hat. Hingegen möchte ich nicht den "Neuen" ihre Berechtigung absprechen.


    Zitat

    Wenn ich beispielsweise einen unbekannten chinesischen Teenager als Pianisten hören will - dann greife ich zu Naxos. Für einen bis-vor-kurzem-noch-Nobody zahle ich keinen Vollpreis. Ich habe in den letzten 30 Jahren etliche Klassikstars aufgehen und verglühen sehen.....


    Ich zahle [zur Zeit eher un-] gerne Vollpreis für eine vollpreiswürdige Aufnahme, egal, ob ich die Interpreten kenne oder nicht.


    Auch, wenn's am filo vorbei ist: Was spricht dagegen, einen guten Preis für einen "Newcomer" zu bezahlen, der just in diesem Moment eine brillante Aufnahme abgeliefert hat und kurz darauf "von allen guten Geistern verlassen" wurde? Schmälert dies sein Talent jenes Momentes?


    Zitat


    Die Leute wollen "Stars" sehen - das ist wahr - aber keine künstlich gemachten -in der Klassikwelt muß man sich Berühmtheit in der Regel erarbeiten...


    Da stimme ich Dir zu.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Die Leute wollen "Stars" sehen - das ist wahr - aber keine künstlich gemachten -in der Klassikwelt muß man sich Berühmtheit in der Regel erarbeiten...


    Ich denke, daß stimmt heute leider nicht mehr. Die Mehrzahl der normalen Klassikhörer (die mit der Zweit-CD neben Andre Riö 8) ) - und die sollen die CDs der jungen, marketinggerecht gestylten Stars ja kaufen - nehmen die Sprüche und den Hype der Marketingabt. idR für bare Münze. Nach dem Motto, wenn über den oder die so viel geredet wird, er im Fernsehen/Radio /Zeitungen auftaucht, dann muß er auch gut sein. Die wenigsten können Qualität erkennen, selbst hier im Forum gibt es da unterschiedliche Meinungen zB über Lang Lang oder AN...


    Das Nachsehen haben die wirklich guten Künstler, die zu bescheiden, nicht fotogen, oder sonstwie für die großen Firmen nicht interessant sind. Langfristig aber schaufeln die mit dieser Personalpolitik weiter an ihrem Grabe... :]

  • Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Das Nachsehen haben die wirklich guten Künstler, die zu bescheiden, nicht fotogen, oder sonstwie für die großen Firmen nicht interessant sind.


    Ich meinte genau die Bescheidenheit.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Die Mehrzahl der normalen Klassikhörer (die mit der Zweit-CD neben Andre Riö )


    Das sind mit Sicherheit KEINE Klassikhörer.


    Ihnen kann man Talmi für Gold verkaufen.
    Vielleicht sind es "Konsumenten", vielleicht haben sie genau so viel Ahnung von Klassik wie manche Manager der Tonträgerindustrie (Frage eines solchen an an Andres Staier: "Hätten Sie nicht Lust mal ein Klavierkonzert von Schubert aufzunehmen ?") - Aber Klassikhörer - nein das sind sie mit Sicherheit nicht.


    Marktgerecht - das bedeute an die entsprechende Konsumentengruppe angepasst.


    Im Falle der Klassik sehen sich die Entscheidungsträger vor folgende Probleme gestellt.



    1) Austausch der Künstler gegen junge lockere sexy Typen, die auf das ANGEPEILTE Zielpublikum zugeschnitten sind.


    2) Austausch des typischen Klassikpublikums gegen ein angepeiltes.
    Jung, dumm, ahnungslos, zahlungswillig und gutmütig.


    3)Austausch der alten verzopften Musik gegen besser Verkäufliches....



    das wärs mal fürs erste


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !