Sibelius : Karelia Suite op. 11 u.a. Orchesterwerke

  • Hallo,


    Ähnlich Klingsors Projekt, den großen und kleineren kirchenmusikalischen Werken Joseph Haydns je einen eigenen Thread zu widmen, so will ich eine Serie zu Sibelius´ (1865 - 1957) Orchsterwerken starten. Man möge mir die Bezeichnung "Kleinkram" verzeihen oder besseres vorschlagen. Langfristig will ich mich auch ausführlicher mit den Sinfonien und "Kullervo" auseinandersetzen. Zunächst aber steht die Karelia Suite auf dem Programm, dann vielleicht Finlandia, Luonnotar, The Oceanides, Tapiola, En Saga, "Pelleas und Melisande" und die ganzen kleinen "schönen" Sachen, über die häufig besonders die Nase gerümpft wird.


    Laut Booklet (DG 00289 477 5522) geht die dreisätzige Karelia Suite aus einer "Bühnenmusik für historische Szenen" hervor, die karelische Studenten 1893 an der Universität Helsinki aufführten... ich werde die nächsten Tage sicherlich an aufschlussreichere und ausführlichere Literatur darüber gelangen.


    Karelia, das bedeutet Karelien, heute ein Gebiet im Norden Finnlands, das bis weit über die russische Grenze reicht. Als Sibelius dies komponierte war Finnland freilich unter russischer Kontrolle. in Sibelius frühen Werken kommt ein musikalisch-nationalistisches Unabhängikeitsbestreben zum Vorschein, am deutlichsten in der Finlandia spürbar, aber auch in der Karelia-Suite ist dergleichen erhörbar. Aber da ich um den Zusammenhang der Karelia-Bühnenmusik nicht weiß, gehe ich mal auf das rein musikalische ein.


    Drei Sätze hat sie, die Karelia Suite op. 11 (1893)


    I Intermezzo. Moderato (3-4 Minuten)
    II Ballade. Tempo di menuetto - Un poco piu lento (6-7 Minuten)
    III Alla marcia. Moderato (4-5 Minuten)


    Ich mag sie in erster Linie wegen der Ecksätze, die mich in gute Laune versetzen können. Eine Charakterisierung des zweiten Satzes werde ich noch abliefern, aber jetzt bin ich erst mal etwas verwirrt, wie unterschiedlich der bei Neeme Järvi und Mackerras klingt...


    Der erste Satz beginnt im Nichts (Paukenwirbel und Streichertremolo im pianissimo) dann kommen Hörner dazu und es formiert sich relativ schnell etwas vorwärtsdrängendes. Ein Marsch? Eine Fanfare? Keine Ahnung, aber die rhythmisch schwebende, etwas verquere Begleitung macht das Ding zu etwas Mitreissendem (ohne martialisch zu sein) und das Thema verschwindet wieder, während man auf eine erneute Steigerung wartet. Klammheimlich ist auf einmal wieder das muntere Thema weg und der Satz ebbt (erstaunlich lange) aus.


    Zum zweiten Satz komme ich wie gesagt später


    Der dritte Satz - "Alla Marcia" - ist natürlich wieder kein "Marsch" für Marschierer. Er beginnt, an Elgar erinnernd, locker daherschlendernd, dann kommt eine Fanfare hinzu, die sich steigernd einbringt.



    Vielleicht nicht unbedingt ein bedeutungsschweres Meisterwerk, auch nicht unbedingt mutig "formulierte" Musik mit politischer Aussage (vom aussermusikalischen Kontext her mal abgesehen), aber ich finde es doch ganz schön und ermunternd.


    Weit besser als Sir Charles Mackerras mit dem Royal Philharmonic Orchestra hat mir Neeme Järvi mit seinen Göteborgern bei DG gefallen:



    Selbige Aufnahme (Studioproduktion von 1992) gibt es auch in diversen anderen Zusammenstellungen der DG, auch im lowprice-Bereich.


    Aber eine neuere skandinavische Aufnahme (oder mit Barbirolli) würde ich mir schon noch vielleicht zulegen... Tips?

  • Ja, die Karelia-Suite...


    Schon lange ist eine Anschaffung geplant, bloß vergesse ich das dann immer wieder... :wacky:
    Das "Alla marcia" ist schon ziemlich mitreißend und wunderschön, ein richtiger Ohrwurm.
    Wird echt mal Zeit für eine Aufnahme, mal schauen.



    Gruß, Peter.

  • Hallo ThomasBernhard,


    auf die symphonischen Werke außerhalb der Sinfonien einzugehen ist eine gute Idee. Innerhalb der Sibelius-Sinfonien -Threads habe ich hier und da immermal die eine oder andere Sinfonische Dichtung erwähnt.


    Die Karelia-Suite wird oft als U-Musik von Sibelius abgetan. Ich frage mich warum ? Mir gefällt dieses Kurzwerk aus 3Sätzen bestehend sehr gut.
    Als langjähriger Sibelius-Liebhaber haben sich bei mir verschiedene Aufnahmen der Sibelius-Kurzwerke (nicht Kleinkram, daß ist nicht angemessen) angesammelt.
    Auf die von Dir vorgestellte Järvi-DG-Aufnahme habe ich auch schon geschielt, habe diese aber nicht gekauft, weil ich die Werke in anderen Interpretationen bereits habe.
    Die Karelia-Suite finde ich in Ashkenazy´s Decca-Aufnahme nicht nur klangtechnisch bestens gelungen, sondern auch vom Stimmungsgehalt. Wo aufgetrumpft werden muß ist Ashkenazy voll im Element. Die Aufnahme macht solchen Spaß, dass ein Wunsch eine andere Aufnahme zu haben nicht aufkommt. Meine weiteren Aufnahmen mit Kamu, Karajan und Berglund verblassen total gegenüber Ashkenazy.

    Karelia-Suite, Sinfonische Dichtungen: Finlandia, Tapiola, EnSaga
    Philharmonia Orchestra London / Vladimir Ashkenazy
    Decca 1991 DDD
    Decca hat die Aufnahmen dieser CD im Laufe der Jahre in mehreren Fassungen und Serien herausgegeben. Wer zum Beispiel die Sinfonien auf Decca-Einzel-CD´s gekauft hat, kommt ebenfalls in den Genuß der o.g.Werke. Wer die GA (wie ich) kauft die Kurzwerke auf einer Decca-Einzel-CD (ich habe wieder eine andere Version aus der Serie Decca-Ovation.


    Finlandia, der "finische Knaller per Excellance" ist ebenfalls mit Ashkenazy der absolute Hammer. Die Energien die da von ihm freigesetzt werden sind unglaublich und erlauben einen Gänsehautfaktor der Extraklasse.
    Diese Wucht muß man gehört haben. Die einzig noch von diesem Werk von mir geschätzte Aufnahme stammt von Karajan auf EMI (siehe weiter unten).
    Man vergleiche Colin Davis auf Philips mit Ashkenazy und wird feststellen welche Schlaftablette Davis aus einem Werk wie Finlandia machen kann.


    EnSaga, ein Werk mit ruhigeren Zwischentönen wird von Ashkenazy auf Decca ungewöhnlich kammermusikalisch Interpretiert. Hier liefert Ashkenazy einen ganz anderen Interpretationsansatz, der sämtliche Orchesterstimmen plastisch hörbar macht. IMO geht dem Werk durch dieses gewisse Buchstabieren die Spannung verloren.
    Hier ziehe ich die EMI-Aufnahme mit Karajan und eine längst gestrichene Decca-Aufnahme mit Horst Stein weit vor, die beide einen konträr dazu stehenden Interpretationsansatz liefern.


    Tapiola, meine liebste sinf.Dichtung, hätte Sibelius fast als eine späte Sinfonie herausgeben können. Hier erreicht Ashkenazy den goldenen Mittelweg zwischen Orchesterbrillanz auf höchster Ebene und feinstem auszelibieren aller
    Orchesterstimmen. Ashkenazy ist der EMI-Karajan-Aufnahme weitaus näher, die ich genausohoch schätze.

    Finlandia, Tapiola, Der Schwan von Tuonela, Karelia-Suite
    Berliner PH / H.v.Karajan
    EMI 70er, ADD


    Auf weitere Kurzwerke gehe ich aus Zeitgründen in einem späteren Thead noch ein.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ist die Sibelius-Kleinkram-Serie schon eingeschlafen? Bitte unbedingt weitermachen!
    Ich möchte auch einen kleinen Beitrag liefern und Euch die "Belshazzars Fest-Suite, op. 51" ans Herz legen. Wer die Karelia-Suite mag wird an dieser kleinen Suite sicherlich ebenfalls gefallen finden, obwohl die Sujets völlig verschieden sind. Die Musik ist sehr stark "orientalisch" gefärbt, aber der typische Sibelius schimmert trotzdem immer wieder durch.


    fp

  • Also mir gefällt die "Karelia"-Suite außerordentlich gut. Vermutlich mein erster Kontakt mit Sibelius, passt sie für mich wunderbar in die Winterzeit.


    Vor allem das "Intermezzo" hatte es mir sehr angetan (mit diesem ganzen Glöckengedümz :stumm::D ).


    Heute liebe auch den schwermütigen 2. Satz, der dritte, das "Alla marcia" ist eine nette Abrundung.


    Ich besitze eine Aufnahme mit Mariss Jansons und den Osloern - erschienen bei EMI. Auf der CD noch das etwas totgenudelte (und musikalisch nicht so überzeugende) "Finnlandia" (erstaunlich, daß es außerhalb Finnlands das bekannteste Werk des Finnen ist !!) und die 1. Symphonie in einer recht überzeugendne Aufnahme.


    Jansons kann ich rundum empfehlen..


    LG
    Wulf.

  • Zitat

    Man vergleiche Colin Davis auf Philips mit Ashkenazy und wird feststellen welche Schlaftablette Davis aus einem Werk wie Finlandia machen kann.


    Kürzlich habe ich die Karelia-Suite mit Davis und dem London Symphony Orchestra gehört.
    Außer im spannungsvoll gespielten 2. Satz teilt sich bei dieser Aufnahme dem Hörer kaum mit, was an dem Werk gut sein soll.
    1. Satz noch etwas langsamer als Barbirolli, was aber nicht der eigentliche Grund ist, weshalb sich hier genau das Gegenteil zu Barbirollis federndem Rhythmus einstellt. Grotesk zum Beispiel das Becken, das überwiegend deutlich zu spät auf der 1 schlägt und dadurch der ohnehin schon bleiernen Schwere noch eine zusätzliche Bremse anlegt. :no:
    Das deckt sich mit obiger Einschätzung von Finlandia und verheißt nichts gutes für den ganzen Sibelius-Zyklus mit dem London SO. Davis' früherer Zyklus mit dem Boston SO soll allgemein besser sein, enthält aber nicht die Karelia-Suite.


    Gruß, Khampan

  • Da ich von Sibelius eigentlich lange Zeit nur das Violinkonzert kannte (in der Version von Julia Fischer), dieses aber überaus schätze, habe ich oft überlegt mir weiteres dieses Komponisten zu besorgen, wusste aber nicht recht, wo anfangen. Bis dahin hatte ich mit Sinfonien noch nicht viel am Hut, deshalb fielen diese erst einmal flach.
    In einem Anfall von akutem Kaufrausch kaufte ich mir jedoch eines Tages in einem großen Elekto-Markt in Berlin, einfach aus dem Bauch heraus, folgende kleine Box:


    Ich habe sie mit großer Freude gehört. Besonders die Theatermusik für "Pelleas und Melisande" hat mir außerordentlich gefallen, da ich auch Fan der Debussy Oper und des Stücks an sich bin, hat mir Sibelius Sichtweise wieder einen neuen Zugang ermöglicht. Trotz der Unterschiede, bringt doch jeder der beiden trotzdem diese existente Stimmung des Stück wieder. Sibelius schafft es die Melancholie der Geschichte richtig herauszuarbeiten, wo Debussy, finde ich eher, das Geheimnisvolle, Unausgesprochene komponiert hat.
    Sehr positiv überrascht war ich von der einzigen Oper Siblius' "The Maiden in the Tower", erst recht, weil kommentiert wurde, sie sei recht schwach und auch nie wirklich beliebt geworden. Mir ging sie sofort ins Ohr (trotz des zuerst ungewohntem gesungenen Finnisch) und ich höre sie immer wieder gerne (ist ja auch recht kurz). Kann die Unbeliebheit bzw. das mangelnde Interesse nicht richtig nachvollziehen.
    Auch "Kullervo" (hier besonders die letzten beiden Teile), "Finlandia" und einige der selten eingespielten Kantanten gefallen mir sehr (sollen hauptsächlich Auftragsarbeiten gewesen sein, wobei ich nicht verstehe, warum man da schnell dabei ist, sie deswegen geringer zu schätzen), dagegen weniger zB "Lemminkäinen" oder "Tapiola" (die ist allerdings nicht auf der angegebene CD, die kenne ich von woanders).
    "Karelia" kenne ich dagegen noch gar nicht.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)