Organisten im Dienste Bachs und ihre Tonaufnahmen.

  • Hallo,


    Vielleicht sollte ich zu Beginn den Sin dieses Threads erklären, so es überhaupt einen gibt :D


    Wenn man als Neueinsteiger eine Aufnahme mit Orgelmusik kauft, so steht man vor eingen Problemen:


    Man kennt kaum berühmte Organisten und wenn, dann bestenfalls ihre Namen. Dabei ist man sich anfangs gar nicht sicher, ob man Walcha von Richter überhaupt unterscheiden kann. Wie wichtig ist der Interpret bei Orgelmusik, ist er überhaupt erkennbar ?
    Vor etlichen Jahren hätte ich sicher geantwortet, die Unterschiede wären sicher nicht graviernd.
    Dann wollte es das Schicksal, daß ich (lediglich zum Test meiner Stereoanlage) das BWV 565 (Toccata und Fuge) hinereinander abhörte. Die Interpreten ich erinnere mich genau, waren Helmut Walcha ,Marie- Claire Alain und Ton Koopman. Da lagen Welten dazwischen, Indes - Es gibt ja noch unzählige andere Interpreten. Welche sind hörenwert ? Wie unterscheiden sie sich ?
    Wenn ich das wissen will, versuche ich in der Tat zunächst eine Aufnahme des BWV 565, eingespielt von jenem Künstler zu bekommen,der mich interessiert, weil ich hier die persönlichen Musikauffassungen sehr gut feststellen kann.
    Aber unabhängig davon ist es natürlich interessant die Meinuing von Spezialisten einzuholen, weil man hier verschiedene Standpunkte, aber auch Interpreten kennenlernen kann, wenn man Glück hat, nebst Charakterisierung.


    Wenn im Titel steht "im Dienste Bachs" so sollte das nicht zu wörtlich genommen werden, es sind auch Zeitgenossen gemeint.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,
    ein recht schwieriges Thema dass Du einem hier vorgiebst......
    Habe lange gezögert bzw. aus zeitlichen Gründen es nicht geschafft, hier zu antworten.


    @BigBerlinBaer vermisse ich mit seinem Statement hierzu als Orgelsachverständiger....


    Aber nun zu meinem Beitrag:
    Zu der Interpretationsform und künstlerischem Können der Organisten muss folgendes vorab unbedingt über die "Orgel" erwähnt werden:


    Orgeln gibt es in vielerlei Größen und Ausführungen. Wer war der Erbauer:... Walcker-... Silbermann-... Schubert-l.... Beckerath... Ladegast.... Schnittger... Sauer-Orgel... etc.
    Für die Komponisten und Musiker des deutschen Barock war es wichtig, die schönste, attraktivste und wichtigste Orgel ihrer Zeit wegen ihrer „Schönheit und Verschiedenheit des Klanges, zu spielen.


    Mehrere Manuale ermöglichen variantenreiches, also spannenderes Spiel und ist für viele Orgelwerke unbedingt notwendig. Je mehr Register und Manuale eine Orgel besitzt, desto interessanter kann der Organist die Werke darstellen.
    Es ist sehr viel schwieriger eine Orgel mit wenigen Registern zu spielen.
    Bei kleineren Orgeln fällt es sofort auf, daß der Organist nicht spielen kann, bei großen Orgeln kann das ein schlechter Organist unter viel Getöse verstecken, indem er alle möglichen Register zieht. Unter soviel Gedonner merkt man dann das Unvermögen kaum.
    Kleinere Orgeln sind auch deswegen schwieriger zu spielen, weil dem Organist hier weniger Klangfarben zur Verfügung stehen, er also sehr viel Geschmack und Geschick beweisen muß, um die Stücke abwechslungsreich und interessant zu spielen.


    Da die Wiederentdeckung Bachs im 19. Jahrhundert jedoch mit der Blüte der romantischen Musik zusammenfiel, kam es dabei oft zu krassen Verzerrungen von Bachs ursprünglicher Aufführungspraxis. Die Forschung des 20. Jahrhunderts, die anfangs vom Enthusiasmus Albert Schweitzers getragen wurde, hat nach und nach Aufführungsformen rekonstruiert, die Bachs Zeit und seiner Musik gerechter werden.
    Dies als Kernaussage.....


    Gross geworden bin ich mit den Organisten: Albert Schweitzer und Helmut Walcha...


    Albert Schweitzer
    geb. 14.1.1875 in Kayserberg/Elsass, gest. 4.9.1965 Lambarene Afrika



    l
    Im Alter von 8 Jahren hat Schweitzer mit dem Orgelspiel begonnen, er erhielt eine sorgfältige musikalische Ausbildung, die die Grundlage für sein späteres hervorragendes Orgelspiel und für seine Kenntnisse im Orgelbau bildeten.


    Als junger Mannstudierte er Philosophie,Theologie und Musiktheorie.
    Orgelunterricht nahm er bei dem berühmten Organisten und Komponisten Charles Marie Widor in Frankreich..
    Einer der ganz großen Menschen unseres Jahrhunderts ist ohne Zweifel "Albert Schweitzer". Bekanntermaßen war der Wohltäter ein wahres Multigenie. Den Betrieb seines Urwaldkrankenhaus in Lambarene finanzierte er mit Orgelkonzerten.
    Er war ein bedeutender Bachforscher seiner Zeit und begründete den neuen Interpretationsstil
    Bachscher Orgelwerke im 20. Jahrhundert.....


    Eine Aussage Schweitzers zum 100. Todestages von J.S. Bach 1908...
    dass wir Bach wiederentdeckt haben ihn verstehen, wiedergeben wie nie zuvor.. weniger Bach-Rechthaberei, mehr Können, mehr Bescheidenheit, mehr Tiefe und Verinnerlichung, etwas mehr Weihe, so wird Bach mehr im Geist und in der Wahrheit verehrt werden als bisher.
    Grosse Worte eines grossen Organisten, der bis in der heutigen Zeit seinen Anspruch besitzt......
    Seine Orgelkonzerte verfolgte ich im Radio.... Originalaufnahmen von Schweizer besitze ich leider nicht...
    Schweitzers Interpretationstil, Virtuosität und Klangfülle des Orgelspiels begeisterten mich....


    Helmut Walcha
    geb. 27.10.1907 in Leipzig, gest. am 11.8.1991 in Frankfurt a. M war ein Organist und Cembalist.
    Mit 16 Jahren erblindete er.
    Walcha besticht mit einer Exaktheit im Spiel... mit einer Perfektion sowie einer
    hohen technischen Virtuosität und einem besonderen Wissen um die Interpretation dieser Zeit...
    um Bach.
    Walcha erwarb als Bachinterpret Weltruf, bereits 1947 unternahm er die erste Gesamteinspielung, 1971 vollendete er die zweite Gesamtaufnahme des Bach'schen Orgelwerks.
    Die Artikulation und Spielfreude sowie die Kunst des Registrierens hat zu dieser Zeit Maßstäbe gesetzt....
    Manual- und Registerwechsel im Verlaufe der großen Präludien und Fugen verpönte er...
    nicht nur die Noten spielen, sondern auch die Musik erfassen die in ihnen enthalten ist, war sein oberstes
    Gebot.
    Der Organist aus Leipzig gilt als führende Autorität in Sachen korrekter Bachinterpretation,
    war besessen davon, seinem musikalischen Idol Johann Sebastian Bach die größtmögliche Perfektion angedeihen zu lassen.
    Weiterhin ist zu bemerken, dass die Orgeln in seiner Zeit z.Teil noch beschädigt und wieder im Aufbau
    sich befanden.....!!!
    Die Aufnahmetechnik dieser Zeit lag noch in den Kinderschuhen... ein Knacken und leichtes Rauschen verhinderten ein ungetrübten Hörgenuss.... aber dem zum Trotz: ein ungewöhlicher und genialer
    Organist und Bachinterpret seiner Zeit....
    Walcha verfasste Neuausgaben vieler Partituren Johann Sebastian Bachs und Georg Friedrich Händels, darüber hinaus aber auch eigene Choralvorspiele und viele musikwissenschaftliche Orgelstudien. Walcha war profunder Kenner früh- und hochbarocker deutscher Orgelkompositionen. Mit einem letzten Konzert verabschiedete er sich 1981 endgültig vom öffentlichen Musikleben.


    Seine Einspielungen wurden für die Archiv Produktion der Deutschen Grammophon vorgenommen....




    Als sein Nachfolger ist Karl Richter (1916 bis 1981) in der Organistenhistore anzusehen.....


    Über seine Virtuosität des Orgelspiels und Begründer der Bachinterpretationen des angehenden
    21. Jahrhunderts ist in einem eigenen Thread:
    Karl Richter - Dirigent, Organist und Cembaliist
    beschrieben worden.......



    Ein lMusterbeispiel an Orgelvirtuosität moderner Prägung an einer Barockorgel ist folgende CD
    zu empfehlen... das Thema: Ein fest Burg ist unser Gott.... von verschiedenen Orgelkomponisten des
    17. bis 18. Jahrhunderts,
    Organist:
    Georg Stanek spielt an der Döring-Markert-Orgel (1738/184 Werke von Hanff, Buxtehude, Pachelbel, Kauffmann, Walther, Bach, Beethoven und Richter.




    Herzliche Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Mein Lieber reklov,


    der 100ste Todestag von JSB war aber nicht im jahre 1908....


    Da ich ja selbst ein orgler bin, muß ich hier ja jetzt auch mal was schreiben, aber nur kurz, trage später vielleicht noch etwas nach.


    Vor einigen jahren mochte ich Simon Prestons Bachaufnahmen bei der DGG, habe aber lediglich 3 CDs mit ihm. Das "Orgelbüchlein" (unterschätztes Werk!) spielt er sehr sehr schön, mitunter aber auch etwas extrem in der registrierung.
    Preston ist ansonsten meist ein Hochgeschwindigkeitsorganist. Die organistengemeinde ist gespalten: die einen sind ihm treu ergeben, die anderen haben eine zwiespältige Meinung über ihn. Seine Phrasierungen (sofern sie den Geschwindigkeitsrausch aushalten) finde ich teils ansprechend und peppig, teils plump-gewalttätig.


    Ton Koopman, sicher ein guter Mann, aber seine Verzierungsexzesse sind nicht mein Ding.


    Gustav Leonhard: Solide, Symphatisch, Sorgfältig, historisch bemüht


    In der Bachgesamtaufnahme bei Hänssler hat der frankfurter Organist Martin Lücker mitgewirkt. Ich besitze zwar keine dieser Aufnahmen, aber Lücker ist immer für interessante neue und überzeugende Extreminterpretationen mit Bach zu haben (gewagte registrierungen, ungewöhnliche Phrasierungen, moderates tempo)


    Bei Naxos gibt es natürlich auch noch viele Organisten, Wolfgang Rübsam ist der bedeutsamste, exzentrischste und umstrittenste unter ihnen. In Orglerkreisen auch Glenn Gould der Orgel genannt. Mir gefiel sein Stil erst nicht, lerne ihn aber jetzt immer mehr schätzen (auch am Klavier)


    Ich werde mich bei gelegenheit vielleicht noch mal dem ein oder anderen hervorragenden französischen Organisten widmen.


    (Karl Richter ist für mich nicht mehr up to date, Helmut Walcha wird immer hörenswert bleiben, den großen Schweitzer an der Orgel zu hören ist zwar eine außergewöhnliche Sache, man muß ihn ganz anders rezipieren und muß über viele Fehler hinweghören)


    Gruß aus Frankfurt

  • Ich bin überrascht, dass eine der bedeutendsten Bach-Interpreten noch gar nicht erwähnt wurden:


    Die "Grande Dame" der französischen Orgelmusikszene, Marie-Claire Alain, die das Bach'sche Orgeloeuvre dreimal eingespielt hat. Meines Erachtens sind ihre Bach-Aufnahmen sehr gute "Einsteigerkost":
    Alain stellt sich vollkommen in den Dienst des Komponisten, sie verzichtet auf jegliche Extreme (beispielsweise zu schnelle/langsame Tempi, Verzierungen, Registrierungen usw). Weiterhin ist ihr Spiel historisch informiert: wenn sie auch kein "Fanatiker" in diesem HIP-Bereich ist, ist sie vollkommen mit historischen Spielweisen, Artikulation, Registrierungen und natürlich Verzierungen vertraut und wendet ihr Wissen natürlich auch an. In der letzten Gesamtaufnahme verwendet sie (bis auf eine bedauerliche Ausnahme) durchwegs historische Instrumente.


    Gruß
    Karsten

  • Marie-Claire Alain wurde von mir im Einführungsbeitrag erwähnt, jedoch mangels Spezialistenkenntnissen nicht bewertet.


    Gruß


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Thomas Bernhard,
    Mein Lieber reklov,
    der 100ste Todestag von JSB war aber nicht im jahre 1908....
    ------------------------------------------------------------------------------


    Nach Adam Riese muss es wie folgt heissen:


    Die Aussage Schweitzer wurde 1950 gemacht, Todesjahr J.S.Bach 1750 ergibt dann wirklich 200 Jahre
    entweder ein Tippfehler oder Adam Riese war gerade nicht zugegen.
    Danke für Deine Aufmerksamkeit.....


    Möchte Dich noch auf den Thread:
    Johann Sebastian Bach: Toccata und Fuge BWV 565 aufmerksam machen....
    hier rezensiere ich neuerworbene CD's unter anderem von Schweitzer, Walcha,etc. meine Hörgewohnheiten der Jugendzeit zu heute haben sich entschieden geändert, zumal die Aufnahmetechniken einen ungemeinen Fortschritt vollzogen haben.


    Gruss
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • ich glaube, daß man angesichts der "originalklang bewegung" (wie auch immer) die alten ehrwürdigen Herren ins Regal zurückstellen sollte - es gibt eine riesige Menge an jungen Organisten, die unverglichlich viel besser spielt als Richter und Co. (von Richter gibts eine weit verbreitete Aufnahme mit Toccata und Fuge 565, Passacaglia... da sind falsche Noten drin, daß es einer Sau graust, von den Registrierungen ganz zu schweigen!!)


    Bitte nicht jetzt mit den berühmten Beispielen von Edwin Fischer und Alfred Cortot kommen, heutzutage darf eben keine fehlerhafte Einspielung auf den Markt kommen.


    das wäre was, wenn ein junger von sich behauptet - ich bin so toll, da ist es egal, ob ein paar Töne nicht stimmen...
    Nicht das die obengenannten das von sich behauptet hätten, aber wann, unter welchen Bedingungen sind wir denn bereit, das zu akzeptieren?


    und das Gesamtwerk einzuspielen ist heute keine lohnende Aufgabe mehr - eher ein Privatvergnügen


    Zitat Karsten
    Alain stellt sich vollkommen in den Dienst des Komponisten, sie verzichtet auf jegliche Extreme (beispielsweise zu schnelle/langsame Tempi, Verzierungen, Registrierungen usw). Weiterhin ist ihr Spiel historisch informiert: wenn sie auch kein "Fanatiker" in diesem HIP-Bereich ist, ist sie vollkommen mit historischen Spielweisen, Artikulation, Registrierungen und natürlich Verzierungen vertraut und wendet ihr Wissen natürlich auch an.


    bist du dir da sicher? vollkommen vertraut ist eine zu starke Aussage

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Zitat

    Original von tastenwolf
    ich glaube, daß man angesichts der "originalklang bewegung" (wie auch immer) die alten ehrwürdigen Herren ins Regal zurückstellen sollte - es gibt eine riesige Menge an jungen Organisten, die unverglichlich viel besser spielt als Richter und Co. (von Richter gibts eine weit verbreitete Aufnahme mit Toccata und Fuge 565, Passacaglia... da sind falsche Noten drin, daß es einer Sau graust, von den Registrierungen ganz zu schweigen!!)


    Was die falschen Töne angeht: Der Vorwurf sollte (da es sich ja nicht um Live-Aufnahmen handelt) in vollem Umfang an den/die Produzenten gehen.
    Was die Registrierungen (und eigentliche Interpretation angeht) angeht: das sind immer auch historische Dokumente, die im entsprechenden historischen Kontext betrachet werden sollten. Mit heutigen Aufnahmen kann man sie nur bedingt vergleichen.


    Zitat

    Original von tastenwolf
    Bitte nicht jetzt mit den berühmten Beispielen von Edwin Fischer und Alfred Cortot kommen, heutzutage darf eben keine fehlerhafte Einspielung auf den Markt kommen.


    Ja, heutzutage vielleicht (und ich bin mir da nicht mal so sicher, ob das für alle hier stimmt). Die von Dir kritisierten Aufnahmen stammen aber von "früher".


    Zitat

    Original von tastenwolf
    und das Gesamtwerk einzuspielen ist heute keine lohnende Aufgabe mehr - eher ein Privatvergnügen


    Im Bereich Orgelmusik (und so manchem anderen Gebiet auch) kann man das eigentlich von jeder Aufnahme sagen. Geld wird mit Orgelmusik heute eigentlich nur durch Lehrtätigkeit oder einer guten Organistenstelle verdient... Wenige Ausnahmeorganisten, die sich entsprechende Gagenforderungen leisten können, bestätigen die Regel.


    Zitat

    Original von tastenwolf


    bist du dir da sicher? vollkommen vertraut ist eine zu starke Aussage


    Gut, "vollkommen vertraut" mag zu extrem und daher unglücklich gewählt sein.
    Aber dennoch war/ist MCA seiner Zeit auf dem Gebiet der historischen AUfführungspraxis erstaunlich versiert. Manche ihrer älteren Aufnahmen auf modernen Instrumenten sind aufgrund der Interpretation "historischer" als etwa zu gleicher Zeit erschienene Aufnahmen an historischen Instrumenten, bei denen "nur legato" gespielt wird...


    Gruß
    Karsten

  • Hallo tastenwolf,
    Dein Ausspruch:
    ich glaube, daß man angesichts der "originalklang bewegung" (wie auch immer) die alten ehrwürdigen Herren ins Regal zurückstellen sollte - es gibt eine riesige Menge an jungen Organisten, die unverglichlich viel besser spielt als Richter und Co. (von Richter gibts eine weit verbreitete Aufnahme mit Toccata und Fuge 565, Passacaglia... da sind falsche Noten drin, daß es einer Sau graust, von den Registrierungen ganz zu schweigen!!)
    --------------------------------------------------------------------
    Woher nimmst Du den Mut, soetwas zu behaupten, lies Dir den Thread von Anfang an einmal genau
    durch, dann wirst Du etwas zurückhaltender mit Deiner getätigten Aussage: "die alten ehrwürdigen.....
    umgehen.
    Einmal etwas zu Albert Schweitzers Verdienste gesagt: Universalgenie auf mehreren Gebieten befasste
    sich seit seiner Jugendzeit mit Orgelmusik Bachscher Werke. Seine Aussage:
    zum 200. Todestages von J.S. Bach im Jahr 1950......


    dass wir Bach wiederentdeckt haben ihn verstehen, wiedergeben wie nie zuvor.. weniger Bach-Rechthaberei, mehr Können, mehr Bescheidenheit, mehr Tiefe und Verinnerlichung, etwas mehr Weihe, so wird Bach mehr im Geist und in der Wahrheit verehrt werden als bisher.


    Mit welchen Problemen hatte ein Schweitzer als Organist zu kämpfen, Orgelreisen durch Europa, gespielte Werke an nicht restaurierten Orgeln, kein tägliches Üben möglich, nur von dem Gedanken beseelt, Gelder für sein Hospital Lambarene in Afrika, einspielen zu können.


    Die Aufnahmetechniken gehörten in den 30er bis 50er Jahren zur allgemeinen Steinzeit und sind mit den
    heutigen Möglichkeiten überhaubt nicht vergleichbar.


    So sollte hier mehr Bescheidenheit gegenüber den "Alten Organisten" zu der heutigen Generation
    von Organisten mit ihren manigfaltigen Möglichkeiten und den neuesten restaurierten und gebauten Orgeln, ausgeübt werden.
    Dank Albert Schweitzer und eines Helmut Walcha wurde die Orgelmusik von Bach neu entdeckt und interpretiert sowie gefördert.



    Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

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  • auf dem Gebiet der Klaviermusik lasse ich die ewige Vergleiche mit älteren Semestern durchaus gelten, da die Leistungen ähnlich sind.


    Hingegen, was die Orgel betrifft, hat sich im 20.Jh. so viel verändert, daß es IMO nicht gerechtfertigt ist, die "Pioniere" mit den heutigen zu vergleichen.


    die Verdienste von A.Schweitzer - und bitte: schön die musikalischen von den anderen trennen... ich rede hier nicht über seine menschliche Bedeutung... sind für seine Zeit bemerkenswert.


    Sein Bach- Buch - ebenfalls, für seine Zeit bedeutsam - hat heute überhaupt nichts beizutragen außer einem Exempel der Bachverehrung.


    Über blinde Organisten kann man schwer Urteile fällen, diese Leistungen stehen immer außerhalb des Normalen, daher bleibt Helmut Walcha meine prinzipielle Anerkennung nicht versagt.


    Jedoch, darauf lege ich großen Wert.
    Interpretatorisch haben uns die Leute nichts zu sagen, bestenfalls die Beispiele, wie mans nicht macht...
    es gibt zahlreiche künstlerische Ansätze - von M.Cl.Alain war schon irgendwo die Rede, daß sie "umgelernt" hat auf neue Aufführungspraxis, andere Große wie z.B: Anton Heiller haben auch - im Gegensatz zu Karl Richter, der nur seinen Personalstil gepflegt hat - neue Erkenntnisse aufgenommen und ihre Interpretation verändert.


    Zitat ThomasBernhard
    (Karl Richter ist für mich nicht mehr up to date, Helmut Walcha wird immer hörenswert bleiben, den großen Schweitzer an der Orgel zu hören ist zwar eine außergewöhnliche Sache, man muß ihn ganz anders rezipieren und muß über viele Fehler hinweghören)


    also allein stehe ich ja nicht da mit meiner Meinung


    und die grundsätzlich abschätzige Bewertung junger Musiker gegenüber den Urgroßvätern kann ich nicht ausstehen,


    mit Enthusiasmus allein sind solche Themen schwer zu diskutieren...
    Wolfgang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • ich denke, daß ich Reklov29 noch einige Erklärungen schuldig bin...


    das Thema "alte gegen junge" Musiker bewegt mich sehr - wahrscheinlich daher die Überreaktion.
    mit "einer Sau graust" war nur(!) die Richter Aufnahme gemeint - am meisten stört mich dabei, daß sie im Rahmen einer Zeitschriftenreihe über Große Komponisten und ihr Werk als Bachbeispiel beigelegt war und dadurch eine IMO unberechtigte Verbreitung erfuhr


    Karsten

    Zitat

    Was die falschen Töne angeht: Der Vorwurf sollte (da es sich ja nicht um Live-Aufnahmen handelt) in vollem Umfang an den/die Produzenten gehen.
    Was die Registrierungen (und eigentliche Interpretation angeht) angeht: das sind immer auch historische Dokumente, die im entsprechenden historischen Kontext betrachet werden sollten. Mit heutigen Aufnahmen kann man sie nur bedingt vergleichen.


    sehe das nicht nur als Schuld des Produzenten...ich würde mich für eine fehlerhafte Aufnahme genieren...(wenn es welche gäbe :] )
    die Bezeichnung historisches Dokument für eine Aufnahme fällt mir sehr schwer... da sich der "Wissensstand" ständig ändert, läuft jede Interpretation schnell Gefahr, überholt zu sein. und heutzutage kann man sich dem Zwang nach "stilistisch korrekter" Aufführung schwer entziehen.


    IMO ist Karl Richter eher als Einzelpersönlichkeit bedeutsam, nicht aber als stilistischer Maßstab. Aber man sollte Interpretationen im Dienste Bachs schon auch speziell überprüfen, ob sie dem Anspruch auch gerecht werden.


    Während meines Studiums habe ich es angestrebt, eine Bach-Gesamtaufführung zu organisieren, jedoch ist das Projekt ein Riesiges, und mir fehlte damals die Unterstützung - heute die Zeit, um genügend zu Üben.


    Die Tatsache, daß mir im Repertoire nur ca. 5% der Orgelwerke Bachs fehlen ist vielleicht schwer zu akzeptieren - den Großteil davon, kann ich durch Konzertprogramme auch beweisen....


    mit der Bitte um Verständnis,
    Wolfgang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Hallo Wolfgang,
    Zitat:
    das Thema "alte gegen junge" Musiker bewegt mich sehr - wahrscheinlich daher die Überreaktion.
    ---------------------------------------------------------------------------
    Hier ist von meiner Seite auch ein wenig über das Ziel hinausgeschossen worden, aber ich möchte die
    Verdienste eines Albert Schweitzers in der Bachschen Orgelhistorie, die er massgeblich für die Neuzeit mitgestaltet hat immer wieder erwähnen, und wie folgt darzustellen versuchen:


    Als Schweitzer bei Widor (Paris) studierte, klagt dieser, dass ihm die Musik der Choralvorspiele Bachs merkwürdig fremd erschienen, obwohl doch die Präludien und Fugen so klar seien.
    Widor bittet daraufhin seinen Schüler, er möge doch eine Einführung in Bachs Kunst für das Pariser Konservatorium verfassen.


    Aus dem geplanten Aufsatz wird ein Standartwerk der europäischen Musikwelt.


    Schweitzer wird unerbittlicher Kämpfer für den Erhalt alter, klangschöner Orgeln. Er tut dies gegen
    den herrschenden Zeitgeist, der die moderne technisch perfekte Fabrikorgel schätzt, und wird belächelt
    und verspottet.
    Erst allmählich begreift man, dass Schweitzers Klangideal erhaltenswert ist.
    Ein Jahr vor seiner Geburt war das erste umfassenden Werk von Phillip Spitta über J.S.Bach erschienen,
    der zuvor 125 Jahre in Vergessenheit geraten war.
    Schweitzer war ein Mitbegründer für die Wiederentdeckung, Interpretation und Darstellungsform der
    Bachschen Orgelwerke, und das ist nicht hoch genug zu bewerten.


    Als Orgelvirtuose ist er gemäss dem heutigen Standard - wo es an ungemein vielseitigen Könnern nicht
    mangelt - siehe auch im Thread" Orgelmusik nur was für Liebhaber,"
    von mir beschriebene Jungorganisten, aus heutiger Sicht nur als gehobener guter Durchschnitt anzusehen.


    Ein Albert Schweitzer ist mir nur zu schade, einfach ins Regal abgestellt zu werden, um in Vergessenheit zu geraten.


    Herzliche Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • reklov29
    :hello::)


    Ich hab mit der Tiefe, Verinnerlichung und Weihe als Kriterium noch Probleme (altersbedingt?) diese scheinen mir nicht meßbar zu sein...


    IMO haben Charakteristika wie Oberflächlichkeit... gewiß Einfluß auf die Qualität der Musik , und es entstehen beim Hörer Eindrücke, die ihn diese Eigenschaften assoziieren lassen... aber nachweisen läßt es sich schwer.


    Ich hatte ein diesbezügliches Erlebnis mit einem Organisten, der eine eigene Bearbeitung der 6. Bruckner Symphonie spielte.
    ich fand sofort, daß er ein zu schnelles Tempo für den ersten Satz wählte und hatte sofort den Eindruck, hier sollte nur Virtuosität demonstriert werden. (nebenbei: Begriffe wie Weihevoll passen für mich eher in den Bruckner - Wagner Bereich...) nach wenigen Minuten habe ich das Konzert verlassen, weil ich fand, daß hier kein Bruckner gespielt wurde...
    heute hätte ich das Konzert vielleicht zu Ende gehört..


    soweit auch zu meinen emotionalen Reaktionen, manchmal finde ich es auch wichtig, zu heftig zu reagieren. In höflichem Rahmen..


    liebe Grüße
    Wolfgang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • Tastenwolfgang meint:


    Zitat

    nebenbei: Begriffe wie Weihevoll passen für mich eher in den Bruckner - Wagner Bereich...)


    Da wär ich mir nicht so sicher, denn was z.b. wollen Karl Richters Bach-Darstellungen (Zuckerwatte-Sound des Orchesters, nervige Cembali, wo eine gedackte Orgel das einzig angemessene wär, bleischwere Gewichte an den Chorälen) denn anderes sein ?


    Bei Richter meine ich immer den geradezu physischen Schmerz darüber
    zu verspüren, daß Bach NICHT Richard Wagner ist ! :)
    Wenn die "Pastorale" im Weihnachtsoratorium zum Tannhäuser-Vorspiel missrät, ist des Guten einfach zu viel getan :rolleyes:


    Und genau diese Darstellung/Auffassung ging mir, mit Verlaub, schon damals gegen den Strich, als sie sich noch weitgehender, ungebrochener Anerkennung erfreute. Da kann auch ein erlesenes Solisten-Team nicht darüber hinwegtragen, daß hier munter "drauflos historisiert" wird, nur nicht in Richtung des 18. sondern in Richtung 19. Jahrhundert.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Ich möchte hier einige weitere Organisten in die Runde werfen. Da wäre zum einen Matthias Eisenberg. Zur Zeit im sächsischen Zwickau als Kantor angestellt, aber wohl mehr auf Konzertreisen unterwegs. Er ist ein typisches Beispiel für die Verquickung von Genie und Wahnsinn. Brilliant, wenn er Tasten unter seinen Fingern hat, als Mensch aber eine Katastrophe. Er hat Anfang der 90er Jahre eine umfangreiche Reihe mit Bach´schen Orgelwerken vorgelegt (12 CDs, RAM).


    Weiters möchte ich die Organisten nennen, die im Freiberger Dom an den beiden Silbermann-Orgeln wirkten. Diese Stelle wird schon traditionell mit herausragenden Künstlern besetzt. In jüngerer Vergangenheit waren dies Hans Otto und Dietrich Wagler. Ersterer hat u.a. bei mehreren CDs der Reihe "Orgelwerke an Silbermann-Orgeln" mitgewirkt (erschienen bei Berlin Classics), die sich ausschließlich mit Bach beschaftigen (Vol. 3, 7 & 8 ). Nicht ganz so umfangreich ist die Diskographie von Herrn Wagler, was aber seine Qualität als Organist nicht schmälert. Mit etwas Glück kann man ihn noch live erleben. Nach seiner Pensionierung vor ein paar Jahren nutzt er die freigewordene Zeit zu Konzertreisen und ist nebenbei Präsident der Silbermann-Gesellschaft.


    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • salisburgensis wirft:


    Zitat

    zum einen Matthias Eisenberg


    Respekt, Respekt, ich denk, der ist ganz schön schwer :D


    Ich erlebte Eisenberg 1997 bei der Einweihung der "neuen" Sonnenorgel, (weiland Casparini 1703) an St. Peter in Görlitz.
    Der offensichtlich erheblich alkoholisierte Maestro haute derart inne Tasten, daß einem schier Hören und Sehen verging und auch die verbleibenden Sinne in Gefahr liefen, möglicherweise dauerhaft geschädigt zu weden.


    Nichtsdestotrotz: seine Viruosität ist über jeden Zweifel erhaben und gerade wenn es um opulente Klang-Entfaltung geht, hat er, zumindest in Deutschland, kaum Konkurrenz zu fürchten !
    In Frankreich wär das, z.b. auch Dank O. Latry, schon anders :)
    Sensible Registerarbeit und raffinierte Klang-Abmischungen sind weniger Eisenbergs Ding und daran krankt auch seine Bach-Einspielung bei RAM.


    Dietrich Wagler wiederum ist vor allem ein Kenner seines Instrumentes
    in Freiberg, das er souverän handhabt, dessen Möglichkeiten (und Schwächen) er kennt. Über ihn eine halbwegs verbindliche Aussage machen zu können, müsste man ihn einmal auf einem anderen Instrument denn seiner "Hausorgel" hören.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • @BBB


    ich wollte das dadurch unterstreichen, daß der begriff weihevoll etc. vorwiegend beim Parsifal etwas zu suchen hat und nur sehr vorsichtig auf andere Komponisten angewendet werden darf.
    solche Interpretationen verdienen meinetwegen den Namen historisch - ich hab auch schon begonnen, auf romantischen Orgeln Bach in diesem Sinne "historisch" zu registrieren.
    Aber das sind Ausnahmefälle, die man einmal anhört und dann - wie zu anfang gesagt - ins Regal stellt.


    Ich darf doch sagen, daß die Interpretationsgeschichte von Bachs Orgelmusik im 20. Jh Höhen und Tiefen durchlaufen hat vor allem aber - sie hat eine Entwicklung erlebt, die man als Wahrheitssuche bezeichnen kann, und deshalb zählen für mich eher die neueren als die alten Spielweisen.


    bei K.Richter ist der Begriff Wahrheitssuche vielleicht weniger anwendbar als bei Schweitzer...


    Eisenberg aufnahmen hab ich gehört - sehr beeindruckend, die Triosonaten, aber auch sehr eigenwillig...
    aber ich muß ja gestehen, daß ich die Orgel seit meinem Konzertdiplom sehr vernachlässigt habe - in Österreich ist als Organist kein Geld zu machen...


    vielleicht bring ich doch meine boshafte Sichtweise moderner Barockinterpretionen in einem neuen Thread.. Vorsicht, wird überspitzt formuliert! 8o


    Ciao,
    Wolfgang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

  • tastenwolf schreibt:


    Zitat

    in Österreich ist als Organist kein Geld zu machen...


    Wem sagst du das, aber in Deutschland erst recht nicht. In dne vergangenen Jahren wurde eine Unzahl von Organisten hervorragend ausgebildet, während gleichzeitig den Kirchgemeinden das Geld ausging,
    freigewordene Stellen neu zu besetzen. Diese werden jetzt mit durchaus anerkennswertem Fleiss von Laien wahrgenommen.
    Natürlich können diese ihre Choräle spielen aber daß zum Amt auch eine kompetente Pflege der Instrumente zählt, stehht auf einem anderen Blatt, denn genau DIESE können (die meisten von ihnen) nicht leisten.
    Ich prophezeihe bestimmt nicht falsch, wenn ich behaupte, daß in 20 Jahren nur noch etwa jede dritte Orgel in Deutschland spielbar sein wird.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • @BBB


    ich hoffte, es wäre etwas besser aufgrund der Konzertkultur, die es doch noch in D gibt...
    in Ö mache ich die katholische Kirche mit ihrer Kulturellen Anspruchslosigkeit (seit dem Konzil??) für die musikalische Misere verantwortlich.


    einer der Tiefpunkte ist IMO das letztklassige Musikalische Bewußtsein, daß "den Geschmack der Allgemeinheit" scheinbar immer einbeziehen muß.
    als Beispiel: ein feierliches Hochamt zum Kirchenjubiläum, der kardinal zelebriert (über 2 Stunden...) Chor, Orchester und 2 Organisten werden aufgeboten. Werke von Haydn, Mozart werden im typischen Kirchenstil (eine Probe - "es geht schon") aufgeführt, das Volk singt ein paar Gottesloblieder und 8o 8o 8o 8o natürlich das unvermeidliche Taizé Vaterunser wird gegrölt...


    ich war so wütend an dem Tag....


    immerhin wird noch musiziert...


    aber im Herbst hab ich ein Konzert mit vorwiegend unbekannten Werken Bachs gegeben mit großem Erfolg...(OK, den 40 Leuten hats gut gefallen...das ist großer Erfolg eines Orgelkonzerts)


    alles Gute und weiterhin viel Idealismus


    wünscht
    Wolfgang

    Im übrigen bin ich der Ansicht, dass gepostete Bilder Namen des Fotografen, der dargestellten Personen sowie eine genaue Angabe des Orts enthalten sollten.
    (frei nach Marcus Porcius Cato Censorius)

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  • @BigBerlinBaer,


    Die Aussage:
    Ich prophezeihe bestimmt nicht falsch, wenn ich behaupte, daß in 20 Jahren nur noch etwa jede dritte Orgel in Deutschland spielbar sein wird.
    ---------------------------------------------------------------------
    das kann so nicht unkommentiert stehen bleiben. Die Orgelklassen der Musikhochschulen in Westfalen
    sind voll.
    Deine Angabe über den Sparkurs der Kirchen stimmt leider, aber es gibt neue Möglichkeiten für diese
    Junginterpreten der Orgelmusik sich zu profillieren dank neuer Sponsoren aus der Wirtschaft, die scih
    dem Können der Neuorganisten nicht verschliessen und sie zu fördern versuchen, als Betätigungsfeld
    haben wir in Deutschland eine ungemein rege Orgelkonzerttätigkeit und Festvals, wo sie sich ihr Rüstzeug
    für die Zukunft erspielen können.
    Die Orgelmusik hat bei uns eine ungemein grosse Tradition, die nicht Tod zu kriegen ist. Deshalb habe
    ich nicht die Befürchtung, einen Niedergang prophezeien zu müssen...........


    Beste Grüsse
    reklov29

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • reklov schreibt:



    Zitat

    Die Orgelklassen der Musikhochschulen in Westfalen sind voll.


    Hallo reklov, sicher, das ist nicht nur in Westfalen so, hier auch, und trotzdem ist jetzt schon abzusehen, daß von den derzeit in der Ausbildung stehenden etwa nur jeder dritte einen Arbeitsplatz
    bekommen wird, der ihm ermöglicht, auf orgelspielende Weise seine Brötchen zu verdienen.
    Das ist in Berlin besonders augen- und ohrenfällig, aber auch anderswo in Deutschland ist es nicht wirklich besser. Das war z.b. eines der Themen, die wir im Rahmen der Buxtehude-Gesellschaft ansprachen und man war da unisono meiner Meinung. Natürlich ist es zu begrüssen, wenn einzlene Personen aus der Wirtschaft Rekonstruktion und Erhalt alter, vor dem Zerfall stehender Orgeln finanziell sponsern; alles in allem ist jedoch auch das nur ein "Tropfen auf den heissen Stein" und insgesmt eben doch zu wenig, um z.b. Kantorenstellen in bisher gewohnter Weise neu zu besetzen. Damit ist auch die z.b. in Sachsen und Thüringen jahrundertealte Kantorei-Tradition akut gefährdet und es wäre kurzsichtig, davor die Augen zu verschliessen. Natürlich wär ich froh, wenn es anders wäre und wirklich etwas ändern kann sich erst dann, wenn in diesem Lande die Rezession zuende ist und die Geldströme wieder ungehindert fliessen können. Ich schreibe das am Vorabend, an dm eines der taditionsreichsten Berliner Orchester seinen Konkusr anmelden muss. Kein Spendenaufruf und kein noch so wohlmeinendes Politikerwort vermochte das zu verhindern. Die Orgeln sind nur ein Opfer des allgemeinen Ab- und Raubbau von Kulturgut und derzeit habe ich nicht den Eindruck, als ob die Talsohle wirklich schon durchschritten wäre.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • BBBs Meinung zur Lage von Organisten, Kirchenmusikern allgemein, kann ich leider nur voll und ganz teilen.
    Aber vielleicht sollten wir wieder zur Eingangsfrage zurückkehren, denn dieser Thread ist einer von denen, die „weitergeführt werden wollen“.


    Albert Schweitzer ist sicher ein bedeutendes Denkmal an der Allee der Bach-Interpretationen, aber empfehlen würde ich seine Aufnahmen nur aufführungsgeschichtlich Interessierten – vom sehr „historischen“ Klangbild einmal abgesehen.


    Einer der wichtigsten und immer noch gut zu hörenden Bach-Organisten des 20. Jhs. ist für mich Helmut Walcha, der mit seinen beiden Gesamteinspielungen Maßstäbe gesetzt hat. Seine Bedeutung liegt aber nicht allein darin, sondern auch in seinem Bestreben, auf eigenen Wegen – andere Möglichkeiten gab es damals ja sowieso kaum – Einsichten (wieder) zu gewinnen und zu einem historisch korrekteren Orgelspiel zu finden. Das ist nicht so weit weg von dem, was heute „hiP“ genannt wird, und in allen Belangen überzeugend.
    Seine erste Gesamteinspielung – mono, etwas flach im Klang und verrauscht – ist klanglich kein großer Ohrenschmaus, interpretatorisch aber ein Meilenstein, den man sich für nur 10 Euro zu Gemüte führen kann.
    Die zweite, in Alkmaar und Strasbourg aufgenommene, lässt sich immer noch sehr gut hören. Damit kann man eigentlich auch heute noch nichts falsch machen.


    Mehr oder weniger zur selben Generation wie Walcha gehören Organisten wie Karl Richter, Kurt Jacob, Heinz Wunderlich, Walter Kraft, Michael Schneider, Robert Köbler und sicher noch einige, die mir gerade nicht einfallen, aber durchaus ebenso bedeutend sein können. Die Geradlinigkeit und Intensität von Walcha haben sie nicht immer erreicht; meistens stehen sie im Gefolge der Orgelbewegung und klingen trotzdem immer noch ein bisschen nach Straube und Ramin.


    Von den derzeitigen „reifen Meistern“ imponieren mir einige sehr: Weinberger, Foccroulle, Fagius, Vogel, Radulescu, Rogg, Bouvet, Zender – allesamt immer hörenswerte Interpreten Bachscher Musik, immer auf höchstem Standard und meist an wunderbaren historischen Instrumenten.
    Die Gesamteinspielungen der drei erstgenannten sind ausgesprochen gut, Einzelaufnahmen der anderen, von denen es mit Ausnahme von Rogg m. W. keine Gesamtaufnahme gibt, sind manchmal wahre Sternstunden – etwa Zenders Aufnahmen an der grandiosen Orgel der Naumburger Wenzelskirche (den Erbauer möchte ich nicht nennen :D ).


    Zur jüngeren Garde lässt sich meiner Meinung nach noch nicht so viel sagen, da tut sich immer wieder etwas Neues und sicher auch viel Gutes.
    Und dann habe ich bestimmt auch viele verdienstvolle Orgelspieler vergessen, zu manchen auch eine Meinung, aber fürs Erste soll das mal reichen.

  • Zu den empfehlenswerten Gesamtaufnahmen gehört auch die im Rahmen der "vollständigen Bach-Edition" bei Hänssler erschienene. Hier nur ein Beispiel:



    Mit Ausnahme zweier guter Neubauten kommen historische Instrumente (meistens die üblichen Verdächtigen) zum Einsatz.
    Die Organisten sind allesamt erste Wahl: Johannsen, Lücker, Zerer, Marcon, Bryndorf, van Dijk.
    Einiges ist besser gelungen als etwa bei Weinberger, Foccroulle oder Fagius, anderes nicht so gut – wie das halt oft so ist bei Gesamteinspielungen.
    Der Preis ist inzwischen gesenkt worden, und es gab auch eine sehr preiswerte Ausgabe beim Label b. m. s. in fünf Viererpäckchen, allerdings ohne die lobenswerten Booklets.


    Eine der besten Gesamteinspielungen gab es offensichtlich nur auf LPs: Ewald Kooiman auf historischen Orgeln. Warten wir halt auf die Wiederveröffentlichung.


    Marie-Claire Alain ist m. E. eine vorzügliche Konzertorganistin, aber eine im Vergleich – man verzeihe mir das grobe Wort – eher langweilige CD-Einspielerin, der da häufiger der Mut zu fehlen scheint, den sie vor leibhaftigem Publikum durchaus aufbringt.


    Und BWV 565 als Maßstab sollte besser ausrangiert werden. Das nicht von JSB stammende Werk ist konsequenterweise auch völlig untypisch für JSB. :D

  • Ich möchte endlich mal eine CD von André Isoir kaufen. Eigentlich brauche ich die zwanzigste CD mit den Bach-Toccaten nicht, aber dann hat man immerhin eine Vergleichsbasis. Ist die CD zufällig besonders empfehlenswert?


  • Zitat

    Original von ThomasBernhard
    Ich möchte endlich mal eine CD von André Isoir kaufen. Eigentlich brauche ich die zwanzigste CD mit den Bach-Toccaten nicht, aber dann hat man immerhin eine Vergleichsbasis. Ist die CD zufällig besonders empfehlenswert?



    Isoir ist der Walcha Couperins. :D


    Und die Orgel steht in St. Cyprien, nicht Caprien, wie jpc behauptet.
    Außerdem sind das ja nur drei Toccaten von Bach.


    Willst Du sie immer noch kaufen? :D


    Die beste Platte, die ich von Isoir kenne, ist die hier:


  • mit Walcha hat für mich die Liebe zu Bach angefangen, so in den späteren 60ern, da war es auch egal, ob Mono und verrauscht. Heute gibt es klangtechnisch sehr viel besseres - und interpretatorisch ist es nicht unbedingt schlechter.


    Ich mag Alessio Corti sehr, seine Gesamtaufnahme der Bachschen Orgelwerke (Orgel der Kirche Santa Maria Segreta in Mailand, 1986 in Betrieb genommen) sind nur zu toppen durch die leider sehr wenigen Werke, die Miklos Spanyi einmal für sogenannte Billiglabel aufgenommen hat.


    Im Vergleich zu Corti fällt Fagius imho sowohl in der Interpretation als auch in den verwendeten Instrumenten ab, obwohl er keinesfalls schlecht ist - aber auch hier ist das Bessere des Guten Feind

  • Zitat

    Original von m-mueller


    Ich mag Alessio Corti sehr, seine Gesamtaufnahme der Bachschen Orgelwerke (Orgel der Kirche Santa Maria Segreta in Mailand, 1986 in Betrieb genommen) sind nur zu toppen durch die leider sehr wenigen Werke, die Miklos Spanyi einmal für sogenannte Billiglabel aufgenommen hat.


    Da sind mir die Orgeln, die etwa Weinberger verwendet, aber auf alle Fälle lieber als dieses Instrument mit der etwas suspekten Disposition.
    Für Weinberger sprechen auch die derzeitigen Dumpingpreise, während Corti-CDs schon als Sammlerstücke gehandelt werden.


    Miklos Spanyi habe ich vor längerer Zeit mal auf dem Cembalo gehört und schnell wieder vergessen. Das hat mir damals nicht so sehr gefallen – aber wer weiß?

  • Also es ist unbestritten, daß Anton Heiller einer der bedeutendensten Bach Interpreten des 20. Jahrhunderts war. Seine Einspielungen und Konzerte und Improviationskunst sind legendär, seine internationale Reputation unumstritten. Er hat viele der heute bedeutendensten Organisten ausgebildet.


    Karl Richter war zweifelos ein aüßerst virtuoser Organist. Ich habe selbst noch im Wiener Musikverein erleben dürfen als er einen Orgelabend gegeben hat, auf dem Program Reger, Bach, ets. Alles auswendig gepielt und wie gesagt virtuos.


    Sein Bach-Stil mag umstritten sein und keinesfalls, wie man es heute so nennt "historisch" interpretiert. Auch ich neige da klar zum Stile Anton Heillers aber ich war damals an dem einen Abend dennoch aüßerst beeindruckt. In seinem Verständnis zur Interpretation und zur Darstellung war er in einer gewissen Art und Weise genial. Allerdings Improvisationen von Richter gibt es meines Wissens nach nicht und das ist auch in einer gewissen Art einer der funda
    mentalen Ausnahmen, die es beinahe nur noch bei Organisten gibt und gepfegt wird und eine besondere Kunstfertigkeit darstellt.



    Grüße


    Christopher

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