Aspekte zu "Wiederholungszeichen"

  • Salut Compagnon!


    Zitat

    Original von Khampan
    P.S. was um aller Welt ist eine "Spart"?


    Dieser Begriff war allgemein gebräuchlich für die [wohl handschriftliche] Partitur.


    Zitat

    Und wo gibt es Informationen zur Wiederholungs-Option in der Frühklassik? Davon wußte ich noch nichts. Auch im Barock?


    Überall und nirgends. Das heißt, man "darf" sich das aus allerlei "zeitgenössischer" Literatur zusammenklau[b]en und sich ein Bild davon machen bzw. eine Tendenz erkennen.


    Beispielsweise schreibt Carl Philipp Emanuel Bach im "Versuch":


    [...] Wenn ein Satz wiederholet wird, so kann man ihn durch eine Abwechslung mit dem ungetheilten und getheilten Accompagnemente angenehm machen [Teil II, §10]


    Dieser Aussage ist m. A. zu entnehmen, dass eine Wiederholung nur dann "Sinn" macht, wenn man in der Wiederholung eines Satzes [er meint damit auch Teile eines Satzes] Veränderungen, also Auszierungen, vornimmt.


    Bereits in Teil eins weist er darauf hin:


    Man weiß aber aus Erfahrung, daß überhaupt in der Musik das vernünftige Wiederholen gefällig macht.


    "Vernünftig" kann demzufolge nur das Vornehmen von Auszierungen sein, damit eine Wiederholung einen Sinn ergibt - ganz anders natürlich immer besonders dann, wenn es unterschiedliche Voltenklammern am Ende der Exposition z.B. gibt [Beethoven, insbes. Schubert, aber auch gelegentlich bei Mozart zu finden --> KV 540].


    Fast ungeklärt muß die Frage der Wiederholungen bei Menuetten bleiben: Ewige Zeiten lang wurden die Wiederholungen im ersten Durchlauf gespielt, im zweiten nicht mehr. Heute spielt man sie im zweiten durchlauf wieder mit, weil's halt so schön ist... Bei "echten" Menuetten [solchen also, die zum Tanz bestimmt waren], wird die Wiederholung vermutlich auch gespielt worden sein, ganz einfach, damit das Tanzvergnügen länger andauerte.


    Ein interessantes Beispiel bietet Mozarts Menuett II aus dem Divertimento di sei pezzi [Streichtrio Es-Dur KV 563]: Nach dem Trio I verlangt Mozart ausdrücklich Menuetto da capo, le repliche piano - nach dem Trio II Menuetto da capo, senza replica e poi la Coda.


    Nach dem ersten Trio also sollen die Wiederholungen gespielt werden, allerdings leise; somit nimmt er in gewisser Weise Bezug auf CPE's Aussage. Nach dem zweiten Trio sind die Wiederholungen im Menuett nicht zu spielen, stattdessen schliesse man die Coda an.


    Der einzige mir bekannte Fall, in dem eine Wiederholung tatsächlich nicht gespielt werden soll, ist Mozarts Haffnersinfonie, erster Satz: Denn hier hat Mozart [???] die Wiederholungszeichen ausgestrichen:



    Der Thread ist dazu da, Material über [nicht] zu spielende Wiederholungen zu sammeln und um über den Sinn und Unsinn von Wiederholungen zu diskutieren. Ich werde es begrüßen, wenn sich auch "Subjektivis" [= Nurhörer] mit Ihrer Meinung beteiligen, denn diese interessiert mich ebenso.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    interessante Idee - die Ausführung/ Beachtung und Nichtbeachtung von "Wiederholungen"!


    Dieses Thema kommt mir meistens immer beim Hören von vor allem "klassischen" Sinfonien in den Sinn, wenn ich während des 1. Satzes hellhörig werde: "Lässt der Dirigent die Wiederholung der Exposition spielen oder nicht?"


    Es scheint jedenfalls kein festes "Muster" zu geben: Meist wird die Exposition wiederholt (was ich wegen der Satz-Architektur sehr begrüße, die Wiederholungszeichen stehen schließlich nicht zum Spaß in der Partitur...!), recht häufig habe ich aber auch schon Aufnahmen gehört/ hören müssen, in denen man auf eine Expo-Wiederholung verzichtet hat - um Zeit zu sparen? Keine Ahnung.... finde ich jedenfalls ärgerlich!


    In den Menuetten/ Scherzi (meist den 3. Sätzen also) wird dagegen das Konzept mit den notierten Wiederholungen wesentlich konsequenter eingehalten! Auch von den "Sündern", die im 1. Satz auf eine Wdh. der Exposition verzichtet hatten..... :no:


    Bei Mozarts (und teilweise Beethovens frühen) Klaviersonaten habe ich mich auch schon intensiver mit dem Notentext beschäftigt und muss auch hier konstatieren, dass die Interpreten in den 1. Sätzen erfreulicherweise fast durch die Bank die Expositionsteile wiederholen...
    Was mich allerdings beim Ansehen des Notentexts überraschte, ist die Tatsache, dass die ersten (und meistens auch die letzten) Sätze in den angesprochenen Sonaten meist auch mit einem Wiederholungszeichen enden?!?!
    Davon abgesehen, dass ich noch keine Aufnahme gehört habe, in der dieses letzte Wiederholungszeichen beachtet und ausgespielt worden wäre, wüsste ich auch nicht, was das für einen Sinn machen sollte, da überhaupt eines hinzusetzen ?(
    Warum sollte man am Ende des Satzes nochmals mit der Durchführung beginnen und alles ein zweites Mal zu Ende spielen?

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Salut,


    zu dem Thema hat mich Khampan angeregt. Ich finde es auch sehr interessant, hingegen aber nur in Ausnahmefällen wirklich bedeutend, es wird wohl teilweise in Haarspalterei enden, aber das soll uns ja nicht davon abhalten, darüber zu diskutieren. ;)


    Zu Deinen Äußerungen:


    Es gibt bei den Schlußsätzen in der Wiener Klassik ganz im Gegensatz zu den [ersten] Hauptsätzen verschiedene Typen: eigentlich eher selten [dafür aber bei Mozart konsequent (504, 543, 550, 551)] ist, dass der Schlußsatz im Prinzip auch der "Sonatenhauptsatzform" [die es nicht gibt] weitestgehend entspricht. Dementsprechend sind auch die Wiederholungszeichen vorhanden. Auch hier ist aber oftmals sicher "sinnvoll", die DF mit samt der Coda nicht zu wiederholen, da ich persönlich auch das "zweimal zu Ende spielen" für einen Widerspruch halte. Anders ist das, wenn es noch ein paar Takte zusätzlicher Coda gibt. Am wenigsten würde mir persönlich eine Wiederholung der DF im 4. Satz bei KV 543 [die Endgültigkeit im Thema!] gefallen. Bei KV 551 stellt sich die Frage in Anbetracht der nach der Wdh. angefügten separaten Coda [die nicht wiederholt wird] eh nicht. Bei KV 550 hingegen "schadet" es nicht.


    Ein weiterer Satztypus wäre die Rondoform oder vergleichbare Konstrukte, also ein eher durchkomponiertes Finale - da gibt es die Wdh. quasi auskomponiert.


    Zitat

    Was mich allerdings beim Ansehen des Notentexts überraschte, ist die Tatsache, dass die ersten (und meistens auch die letzten) Sätze in den angesprochenen Sonaten meist auch mit einem Wiederholungszeichen enden?!?!


    ?( Wenn sie mit einem :// enden, muss es auch am Beginn des Satzes oder zu Anfang der DF ein //: geben. Hast Du Beispiele?


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • ... ich schau heute abend nochmal in die Noten und prüf das nach!


    Im übrigen ist mir bei den in Sonatenhauptsatzform gehaltenen Schluss-Sätzen bisher noch nie wissentlich aufgefallen, dass da die Exposition wiederholt wurde. Kann aber auch daran liegen, dass ich beim Hören des Schluss-Satzes nicht so bewusst darauf achte, weil ich meist hier gar nicht mit einer Sonatenhauptsatzform rechne....

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    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von MarcCologne


    Im übrigen ist mir bei den in Sonatenhauptsatzform gehaltenen Schluss-Sätzen bisher noch nie wissentlich aufgefallen, dass da die Exposition wiederholt wurde. Kann aber auch daran liegen, dass ich beim Hören des Schluss-Satzes nicht so bewusst darauf achte, weil ich meist hier gar nicht mit einer Sonatenhauptsatzform rechne....


    Doch, datt isso. Eindeutig bei KV 504. Hier wird übrigens bei vielen Einspielungen der "falsche" vom "richtigen" Schluß schön abgestuft, bei der Wiederholung klingts dann erst so "richtig" endgültig - damit kann ich leben.


    Bei KV 543 besteht ebenfalls die Option, beide Teile zu wiederholen, ebenso KV 550 ud 551. Alle viere haben gemeinsam, dass sie im piano beginnen, weshalb es Dir [wenn es gespielt wird] ggfs. nicht so auffällt !?


    Und KV 551 hat eben nach der DF noch eine anschließende Coda [die nicht als solche namentlich gekennzeichnet ist], hier ist der berüchtigte Fall, dass es 2 Klammern gibt [T. 356] :D


    Interessant ist übrigens der Aspekt, dass die zweifach vorhandenen Takte [also die Volten 1 und 2] in den meisten Editionen einfach als Takt gezählt werden - das ist Betrug :rolleyes: es sind zwei Takte!


    [Klammer auf


    Besonders interessant finde ich, dass Mozart //: wenn er Texte einklammerte :// dies <---- so tat. Ich glaube nicht, dass es sich dabei um eine Marotte eines nur in Musik denkenden handelte: es war so üblich, oder? Das lässt die Wiederholungszeichen in der Musik in etwas merkwürdigem Licht erscheinen: die ganze Musik ist eingeklammert... hingegen schrieb er nie die Voltenklammern in der heute üblichen Form, sondern notierte nur in der linken oberen Ecke der betreffenden Takte ein 1. oder 2. - //: das nur am Rande :// 8)


    Klammer zu]


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Hallo, liebe Taminos!
    Ich bin ehrlich genug zuzugeben, dass ich ein leidenschaftlicher Befürworter der Beachtung von Wiederholungszeichen bin. Ich war teilweise so bekloppt, mir ganze Werkgruppen neu zu kaufen nur um die Werke vollständig zu haben :pfeif:.
    Die Erfahrungen von MarcCologne kann ich nur bestätigen, finde sie eher noch etwas zu positiv. Wobei ich zugeben muss, dass bei neueren Aufnahmen Interpreten schon mal eher dazu neigen, alle Wiederholungen spielen zu lassen bzw. zu spielen.
    Bei Aufnahmen aus der Schallplattenaera kann ich die Kürzungen verstehen, denn die Aufnahmekapazität war ja beschränkt. Aber bei Cd's gibt es zumindestens keine technischen Gründe mehr, auf die Wiederholungen zu verzichten. Ein durchaus positives Beispiel bei den Symphonien Beethovens sind die Aufnahmen G. Wands mit NDR mit einer ärgerlichen Ausnahme: die Neunte. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Aufnahmen Otto Klemperers, der es zumindestens in den drei mir bekannten Aufnahmen wagt, alle von Beethoven geforderten Wiedeholungen spielen zu lassen. Meines Wissens ist er da eine rühmliche Ausnahme. Übrigens ist der Satz, "Die Wiederholungszeichen stehen nicht zum Spass in der Partitur" von Hannes Brahms im Zusammenhang mit seinen Symphonien überliefert. Leider weiß ich die Quelle nicht mehr. Im ersten Satz seiner "Vierten" sucht man die Wiederholungszeichen übrigens auch in der Partitur vergeblich...


    Liebe Grüße
    hemmi (Bernd Hemmersbach)

  • Zitat

    Original von MarcCologne
    Dieses Thema kommt mir meistens immer beim Hören von vor allem "klassischen" Sinfonien in den Sinn, wenn ich während des 1. Satzes hellhörig werde: "Lässt der Dirigent die Wiederholung der Exposition spielen oder nicht?"


    Es scheint jedenfalls kein festes "Muster" zu geben: Meist wird die Exposition wiederholt (was ich wegen der Satz-Architektur sehr begrüße, die Wiederholungszeichen stehen schließlich nicht zum Spaß in der Partitur...!), recht häufig habe ich aber auch schon Aufnahmen gehört/ hören müssen, in denen man auf eine Expo-Wiederholung verzichtet hat - um Zeit zu sparen? Keine Ahnung.... finde ich jedenfalls ärgerlich!


    Es war früher auch in Konzerten meist üblich, auf Wdh. zu verzichten. Das scheint sich jedoch in unserem unerträglich prosaischen Zeitalter langweiliger Taktschläger ;) geändert zu haben.


    Zitat


    Bei Mozarts (und teilweise Beethovens frühen) Klaviersonaten habe ich mich auch schon intensiver mit dem Notentext beschäftigt und muss auch hier konstatieren, dass die Interpreten in den 1. Sätzen erfreulicherweise fast durch die Bank die Expositionsteile wiederholen...
    Was mich allerdings beim Ansehen des Notentexts überraschte, ist die Tatsache, dass die ersten (und meistens auch die letzten) Sätze in den angesprochenen Sonaten meist auch mit einem Wiederholungszeichen enden?!?!
    Davon abgesehen, dass ich noch keine Aufnahme gehört habe, in der dieses letzte Wiederholungszeichen beachtet und ausgespielt worden wäre, wüsste ich auch nicht, was das für einen Sinn machen sollte, da überhaupt eines hinzusetzen ?(
    Warum sollte man am Ende des Satzes nochmals mit der Durchführung beginnen und alles ein zweites Mal zu Ende spielen?


    Tja. warum? Stehe die Wdh.-Zeichen nun zum Spaß in der Partitur oder nicht? ;)
    Man kann argumentieren, dass die Wdh., besonders von DF und Reprise Relikte aus der Vorzeit, also Spätbarock und Frühklassik sind. Tanzformen der Form //:A://: B:// (eine typische Bachsche Allemande etwa) waren eines der Ingredienzien, aus denen die Sonatenform entstand.


    Bei Mozart und Haydn bin ich unschlüssig. Zwar gibt es hier auch schon alles, d.h. gar keine Wdh (selten, aber durchaus in freieren Finali möglich, oder zB in KV 319, i), Wdh. nur der Expo, Wdh. von Expo und DF+Reprise. Aber ich bin nicht immer sicher, ob ein Wdh. aus bloßer Konvention oder aus gezielten Balance/Architektur-Erwägungen verlangt wird (und auch nicht, ob die Komponisten von einer strikten Befolgung ausgegangen sind). Eine ausgezierte Wdh. ist in einem schnellen Sonatensatz m.E sinnlos, anders als in einem barocken Tanzsatz oder vielleicht auch in der Kalssik noch in einem adagio.


    Bei Beethoven ist die Wdh. der zweiten Hälfte aber klar die Ausnahme (in op.18, zB nur in 5 und 6), die Wdh. der Expo die Regel und zunehmend gibt es einzelne Sätze ganz ohne Wdh (op.59,1i, Appassionata i). Daher gehe ich bei Beethoven davon aus, dass da nichts nur aus Konvention steht.


    Es stimmt allerdings, dass "dramaturgisch" die Wdh. von DF und Reprise oft etwas seltsam ist. Versteht man die DF als Zuspitzung und die Reprise als Lösung der dramatischen Entwicklung, so ergibt es wenig Sinn, diesen Prozeß zweimal zu durchlaufen. Aber wenn z.B. Beethoven im Kopfsatz von op. 59,1 gar keine Wdh. fordert, in op.59,2 dagegen sowohl die von Expo als auch DF & Reprise, und in op.59,3 nur der Expo MUSS er sich was dabei gedacht haben...


    Harnoncourt macht wenn ich recht sehe in seinen Einspielungen von Mozart und Haydn-Sinfonien alle nur denkbaren Wdh., da dauert dann der Kopfsatz von KV 504 schon mal Brucknersche 19 min. ...


    Die Wdh. in Scherzo u.ä. Sätzen sehe ich etwas lockerer. Ob auch beim Dacapo alle Wdh. befolgt werden müssen? Ist mir nicht so wichtig, obwohl es bei Beethoven mal die Angabe gibt "dacapo il scherzo senza repetizione" oder so, woraus man schlißen könnte, dass gewöhnliche beim dacapo des Scherzoteils die Wdh befolgt werden sollen.Da diese Sätze oft ohnehin schon motivisch ziemlich repetitiv sind, ist das aber manchmal zuviel des Guten...(das wären übrigens in Beethovens 9. die einzigen Wdh., der Kopfsatz hat keine)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Salut,


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Es war früher auch in Konzerten meist üblich, auf Wdh. zu verzichten. Das scheint sich jedoch in unserem unerträglich prosaischen Zeitalter langweiliger Taktschläger ;) geändert zu haben.


    ich denke, dafür gibt es den klassischen Grund des "wir kennen sowieso jede Note" :rolleyes:


    Allerdings empfinde ich es objektiv gerade bei Mozart so, dass hier stets eine Themenfülle aus dem Container gekippt wird [das berichteten bereits Zeitgenossen etwas blumiger], dass eine Wiederholung für den Nichtkenner sicherlich kein Fehler ist. ICh höre Mozart derzeit ohnehin ohne alle Wiederholungen, d.h. eher gar nicht. Eben auch aus dem "wir kennen sowieso jede Note"-Grund.



    Zitat

    Tja. warum? Stehe die Wdh.-Zeichen nun zum Spaß in der Partitur oder nicht? ;)
    Man kann argumentieren, dass die Wdh., besonders von DF und Reprise Relikte aus der Vorzeit, also Spätbarock und Frühklassik sind. Tanzformen der Form //:A://: B:// (eine typische Bachsche Allemande etwa) waren eines der Ingredienzien, aus denen die Sonatenform entstand.


    Natürlich wurden von Bach und Consorten bei den Wiederholungen Auszierungen gespielt. Bei Händel war das auch der Fall und eine solche "rekonstruierte" Fassung von Arien bietet die Rodelinda mit Kermes et al. - das ist wirklich etwas Neues, lebende Musik! Man muß halt damit leben können, dass nicht jede Note der wiederholten A-Teile unmittelbar vom Komponisten abgesegnet ist. Händel verzichtete übrigens später auch auf die Wiederholung des A-Teiles [hab ich irgendwo gelesen], das muß ihm in späteren Jahren tierisch auf den Sender gegangen sein.


    Natürlich ist es nicht denkbar, die Wiederholungen einer Mozart- oder Haydn-Sinfonie auszuzieren - da ist bereits alles haarfein aufnotiert. Die Wiederholungen haben m. E. in dem Fall den Zweck, per summa abendfüllend zu sein. Daraus hat sich evtl. später der "Gag" entwickelt, mit diversen Voltenklammern zu arbeiten, um die Wdh. "interessant" zu machen: "Wie leitet der denn nun über?"...


    Zitat

    Aber ich bin nicht immer sicher, ob ein Wdh. aus bloßer Konvention oder aus gezielten Balance/Architektur-Erwägungen verlangt wird (und auch nicht, ob die Komponisten von einer strikten Befolgung ausgegangen sind).


    Ich bleibe bei der "Option". Auch die 1. Voltenklammer stellt m. E. eine Option des Komponisten dar: "Für den Fall, dass Du eben unbedingt wiederholen willst, habe ich einen Extraübergang für Dich komponiert. Eigentlcih aber ist es ohne viel schlüssiger..." [Ich weiß, es widerspricht meiner obigen "Mozart-These"].


    Zitat

    Eine ausgezierte Wdh. ist in einem schnellen Sonatensatz m.E sinnlos, anders als in einem barocken Tanzsatz oder vielleicht auch in der Kalssik noch in einem adagio.


    Mozart schrieb für seine [tastenlöwige] Schwester teilweise extra Auszierungen in die Sonatensätze hinein, damit es nicht "zu langweilig" wird. Aber auch schnelle Sonatensätze wurden im Barock durchaus ausgeziert... es ist eben die Frage, was man unter "schnell" versteht.


    Zitat

    Es stimmt allerdings, dass "dramaturgisch" die Wdh. von DF und Reprise oft etwas seltsam ist. Versteht man die DF als Zuspitzung und die Reprise als Lösung der dramatischen Entwicklung, so ergibt es wenig Sinn, diesen Prozeß zweimal zu durchlaufen. Aber wenn z.B. Beethoven im Kopfsatz von op. 59,1 gar keine Wdh. fordert, in op.59,2 dagegen sowohl die von Expo als auch DF & Reprise, und in op.59,3 nur der Expo MUSS er sich was dabei gedacht haben...


    Wurde nicht eines der Quartette weit vorher komponiert? Es müsste jetzt, damit meine rhetorische Frage auch Sinn macht, op. 59,2 sein... vielleicht erinnere ich mich falsch.


    Zitat

    Harnoncourt macht wenn ich recht sehe in seinen Einspielungen von Mozart und Haydn-Sinfonien alle nur denkbaren Wdh., da dauert dann der Kopfsatz von KV 504 schon mal Brucknersche 19 min. ...


    Aber nicht wegen der Wdh.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Johannes Roehl schrieb:
    Die Wdh. in Scherzo u.ä. Sätzen sehe ich etwas lockerer. Ob auch beim Dacapo alle Wdh. befolgt werden müssen? Ist mir nicht so wichtig, obwohl es bei Beethoven mal die Angabe gibt "dacapo il scherzo senza repetizione" oder so, woraus man schlißen könnte, dass gewöhnliche beim dacapo des Scherzoteils die Wdh befolgt werden sollen.


    Also zumindest das kenne ich eigentlich als -quasi stillschweigende "Gesetzmäßigkeit"- nur so, dass es üblich war, beim Dacapo des Scherzos (und natürlich des Menuetts) nach dem Durchspielen des Trios ohne die dort für den ersten Durchlauf vorgeschriebenen Wiederholungszeichen auszukommen. Quasi als Abschluss des Satzes wird in einem Rutsch der ganze erste Teil (also alles, was vor dem Trio steht) nochmal durchgespielt und dann ist Schluss.
    So gesehen ist der Beethoven-Hinweis, von dem Johannes schreibt, eine "Regelfall-Anweisung" und keine Ausnahme. Aber evtl. ist es ja auch ein Verleger-Hinweis, der später -ohne Ludwigs Wissen- hinzugefügt wurde, um auch "Unwissende" auf die gewünschte Bahn zu bringen?


    Jedenfalls habe ich -wie versprochen- gestern abend nochmal ein bissel meine Noten gewälzt und bin gerade bei Mozarts frühen Klaviersonaten auf ein geradezu inflationäres Wiederholungszeichen-Setzen gestoßen, das ich in dieser Häufigkeit nicht mehr in Erinnerung hatte!


    Ich habe mir "rausgepickt":


    Klaviersonate KV 279 (189 d)
    1. Satz (Allegro) T38 ://: T39 -> T100 :// (= Satzende)
    2. Satz (Andante) T28 ://: T29 -> T74 :// (= Satzende)
    3. Satz (Allegro) T56 ://: T 57 -> T158 :// (= Satzende)


    Klaviersonate KV 280 (189 e)
    1. Satz (Allegro assai) T56 ://: T57 -> T144 :// (= Satzende)
    2. Satz (Adagio) T24 ://: T25 -> T60 :// (= Satzende)
    3. Satz (Presto) T77 ://: T 78 -> T190 :// (= Satzende)


    Klaviersonate KV 281 (189 f)
    1. Satz (Allegro) T40 ://: T41 -> T109 :// (= Satzende)
    2. Satz (Andante amoroso) T46 ://: T 47 -> T106 :// (= Satzende)
    3. Satz (Rondeau. Allegro) //: T52 -> T59 ://: T60 -> T67 :// -> T162 //


    Die Tatsache, dass mit diesem zuletzt beschriebenen 3. Satz (in KV 281) Mozart zum ersten Mal in einer seiner Klaviersonaten überhaupt einen Satz mal nicht mit einem Wiederholungszeichen sondern mit einem "endgültigen Doppelstrich" enden lässt, scheint mir der weiter oben geäußerten These zuzusprechen, dass es sich bei der Verwendung von diesen Wiederholungszeichen eher um eine Art Konvention handelte, als dass diese Notierung wirklich ernst gemeint gewesen sein kann, oder?? Ich hatte eigentlich diese Praxis nur für die Enden der jeweils 1. Sätze in Erinnerung und war gestern ziemlich überrascht, dass Mozart jeden Satz am Ende mit Wiederholungszeichen versehen hat....


    Ich glaube nicht, dass die in der Praxis irgendjemand alle einhält und ausspielt (die Wiederholung der Exposition natürlich ausgenommen)...


    Aber schon bei den nächsten Klaviersonaten befreit Mozart sich merklich von dieser Konvention, z. B.:


    Klaviersonate KV 283 (189 h)
    1. Satz (Allegro) T53 ://: T54 -> T120 :// (= Satzende)
    2. Satz (Andante) T14 (2 Klammern) ://: T15 -> T37 (2 Klammern, 2. Klammer mit 2 Takten Schluss-Coda) ://
    3. Satz (Presto) T102 ://: T103 -> T273:// danach 4 Takte (als "Coda" bezeichnet) //


    Durch die Verwendung von Klammern erhalten die Wiederholungszeichen meiner Meinung nach gleich ein ganz anderes Gewicht: Der Komponist gibt für beide Durchgänge unterschiedliche Über- bzw. Weiterleitungen vor und erwartet damit quasi, dass die Wdh-Zeichen beim Spielen auch beachtet werden.


    Beim frühen Beethoven wurde ich ebenfalls fündig:


    Klaviersonate op. 2 Nr. 1
    1. Satz (Allegro) T48 ://: T49 -> T152 :// (= Satzende)
    4. Satz (Prestissimo) T52 (2 Klammern) :// dann //: T59 -> T196 :// (= Satzende)


    Klaviersonate op. 2 Nr. 2
    1. Satz (Allegro vivace) T114 (2 Klammern) :// dann //: T122 -> T336 :// (= Satzende)


    Klaviersonate op. 10 Nr. 2
    3. Satz (Presto) T32 ://: T33 -> T150 :// (=Satzende)


    Ich habe dann noch weiter geblättert, aber keine "typischen" Beispiele der oben beschriebenen Art und Weise in den folgenden Sonaten mehr finden können.
    Beethoven hat sich von dieser (überflüssigen?) Wiederholungszeichen-Setzerei am Satzende offenbar sehr viel schneller losgesagt als Wolfgang Amadé....



    Zitat

    Ulli schrieb:
    Interessant ist übrigens der Aspekt, dass die zweifach vorhandenen Takte [also die Volten 1 und 2] in den meisten Editionen einfach als Takt gezählt werden - das ist Betrug es sind zwei Takte!


    Das ist mir zu meiner großen Überraschung gestern auch aufgefallen - die Herausgeber zählen den "Klammertakt" als einen und unterschlagen damit quasi einen Takt (an einer Stelle habe ich auch den Zusatz "a" bzw. "b" hinter der entsprechenden Taktzahl gesehen) - scheint eine allgemein übliche Übereinkunft/ Konvention zu sein. Nicht ganz logisch, wird aber offenbar wenigstens einheitlich so gehandhabt... :no:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von MarcCologne


    Also zumindest das kenne ich eigentlich als -quasi stillschweigende "Gesetzmäßigkeit"- nur so, dass es üblich war, beim Dacapo des Scherzos (und natürlich des Menuetts) nach dem Durchspielen des Trios ohne die dort für den ersten Durchlauf vorgeschriebenen Wiederholungszeichen auszukommen. Quasi als Abschluss des Satzes wird in einem Rutsch der ganze erste Teil (also alles, was vor dem Trio steht) nochmal durchgespielt und dann ist Schluss.
    So gesehen ist der Beethoven-Hinweis, von dem Johannes schreibt, eine "Regelfall-Anweisung" und keine Ausnahme.


    Das ist ja gerade der Witz! Aus der Existenz dieser Aufforderung kann man schließen, dass was heute die reguläre Praxis ist, falsch ist, sondern auch beim dacapo eigentlich alle Wdh. gespielt werden müssen, sonst hätte ja niemand extra darauf hingewiesen. Auf den Regelfall muß man nicht extra hinweisen. Ich weiß aber nicht genau, wie hier der Stand der Forschung ist und halte es wie gesagt bei Tanzsätzen auch für nicht besonders wichtig, wie man verfährt. Man sollte hier auch die Gesamtlänge des Satzes und die Relation zu den anderen im Blick haben.
    Wenn ein allein durch Wdh. aufgeplustert ein Scherzo auf einmal zum längsten Satz eines Werks wird, ist das etwas seltsam (kann IIRC bei Schuberts 9. passieren, absolut tödlich bei Musik, die ohnehin viel zu langatmig und repetitiv ist, auch noch im dacapo die Wdh. zu machen!)


    Zitat


    Die Tatsache, dass mit diesem zuletzt beschriebenen 3. Satz (in KV 281) Mozart zum ersten Mal in einer seiner Klaviersonaten überhaupt einen Satz mal nicht mit einem Wiederholungszeichen sondern mit einem "endgültigen Doppelstrich" enden lässt, scheint mir der weiter oben geäußerten These zuzusprechen, dass es sich bei der Verwendung von diesen Wiederholungszeichen eher um eine Art Konvention handelte, als dass diese Notierung wirklich ernst gemeint gewesen sein kann, oder?? Ich hatte eigentlich diese Praxis nur für die Enden der jeweils 1. Sätze in Erinnerung und war gestern ziemlich überrascht, dass Mozart jeden Satz am Ende mit Wiederholungszeichen versehen hat....


    Dass das kein wirkliches Argument ist, ist dir aber klar? "Konvention" bedeutet ja keineswegs, das der Komponist davon ausgeht, dass der Interpret selbst entscheidet, ob er Wdh. spielt oder nicht. Genaugenommen ist fast alles in der Musik und musikalischen Notation Konvention... Man benötigt schon noch weitere Gründe, um zu entscheiden, mit welcher Umsetzung ein Komponist rechnet.
    Mozart rechnet z.B. in einem Konzert damit, dass der Solist gegen Ende nach einem lauten Tutti-Akkord auf der Dominante eine Kadenz spielt, aber das steht gewöhnlich nicht explizit da. Es wäre jedochr äußerst seltsam, wenn ein Solist einfach gar keine Kadenz (oder eine Minimalkadenz aus 3 Akkorden) spielen würde, obwohl es streng genommen nicht dem Buchstaben der Partitur widerspricht.
    (in seinem 5. Konzert schreibt Beethoven die Kadenz aus und es steht explizit in den Noten, dass der Solist nicht etwa eine Kadenz spielen soll, sondern bitte sofort, was da steht, nämlich die auskompnierte Kadenz)


    Zitat


    Ich glaube nicht, dass die in der Praxis irgendjemand alle einhält und ausspielt (die Wiederholung der Exposition natürlich ausgenommen)...
    ....


    Warum natürlich? Die Wdh. der Expo ist exakt genauso konventionell wie eine andere Wdh. ;) Warum das eine machen oder das andere nicht?
    Wie gesagt, Harnoncourt nimmt meines Wissens in den Mozart-Sinfonien alle Wdh.. Bei den Klaviersonaten weiß ich es nicht, aber Gulda spielt auf den "Mozart tapes" ebenfalls erstaunlich viele Wdh. (da ich nie so drauf geachtet habe und keine Noten dazu besitze kann ich ohne im Detail nachzuhören, nicht sagen)



    Nicht auch in op.10,2 im ersten Satz?
    Außerdem noch in den kurzen Sonaten op. 78 u. 79 Kopfsätze und IIRC op.49,2 Kopfsatz.
    Ich vermute ja dass es auch mit der absoluten Länge der Stücke zu tun hat.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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  • Salut,


    die Sonate KV 281 B-Dur ist im letzten Satz in der Tat ein "Sonderfall": Sie baut nämlich nicht auf der sogenannten nicht existenten Sonatenhauptsatzform auf, sondern Rondoform, wenn auch ein wenig versteckt [steht aber auch deutlich oben drüber: RONDEAU]:


    T 001 - 028 Thema A ex B-Dur
    T 029 - 038 Thema B ex F-Dur
    T 039 - 043 Coda I
    T 044 - 051 Thema A ex B-Dur
    T 052 - 067 Thema C ex g-moll [2-teilig!]
    T 068 - 070 Überleitung zu
    T 071 - 089 Thema A ex B-Dur
    T 090 - 100 Thema D ex Es-Dur
    T 101 - 114 Überleitung/Modulation zu
    T 114 - 123 Thema A ex B-Dur
    T 124 - 135 Thema B' ex B-Dur [!]
    T 136 - 162 Coda II [inkl. Thema A]


    Tansparenter kann man ein Rondo kaum komponieren.


    Die Wiederholungen von Thema C sind im Sinne der Proportionen sehr notwendig: Thema A als Haupt- oder "Rondo"-Thema ist mit 28 Takten am längsten, Thema B weist 9 Takte auf [in etwa ein Drittel von A, die Coda I mitgerechnet exakt die Hälfte]. C umfasst 16 Take [wiederholt also 32] - das gibt dem Mittelteil etwas "Gewicht", Thema D hat wiederum 11 Takte [ähnlich Thema B]


    Übrigens soll Mozart angeblich häufig in den Hauptsätzen im goldenen Schnitt komponiert haben [das macht den Mozi als Mathematiker für den Pius vielleicht interessanter als den Mozi als Literaten :rolleyes: ].


    Beispiel: Sonate KV 333, I


    Hauptteil bis zum :// hat 63 Takte. 63 x 1,618 = 102 [für den Teil nach dem //: ], Summe von A+B = 165.


    Beispiel: Sonate KV 545, I


    Hauptteil bis zum :// hat 28 Takte. 28 x 1,618 = 45 [für den Teil nach dem //: ], Summe von A+B = 73.


    Schau nach, ob's stimmt.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Auf den Regelfall muß man nicht extra hinweisen.


    Salut,


    müssen tut man es bestimmt nicht - dennoch steht hinter ausnahmslos jedem Menuett Mozarts und Haydns [auch Beethovens?] da capo. Dass nach dem Trio der Hauptteil wiederholt wird, das wird sicher niemand abstreiten wollen, wozu dann noch das da capo?


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    wie beurteilst Du denn nun die Wiederholungszeichen am Ende jedes Satzes in den Klaviersonaten KV 279 und 280 (siehe oben)?


    Eigentlich überflüssige Konvention (evtl. sogar missgedeutet durch den Herausgeber und Mozart hatte hier eigentlich gar keine Wiederholungszeichen gesetzt?) oder doch strikt einzuhalten (Johannes vertritt ja diese Ansicht)?


    Ich bin der Ansicht, dass die Architektur der Sätze und das Verhältnis der einzelnen Teile innerhalb eines Satzes untereinander total aus dem Gleichgewicht geriete, wenn diese Wiederholungen am jeweiligen Ende der einzelnen Sätze tatsächlich ausgespielt würden...

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Salut,


    hm, schwierige Frage. :rolleyes:


    Die Wiederholungszeichen stammen schon im Original von Mozart; ich halte sie dennoch in diesen Fällen für eine Option. Man muß natürlich die Gesamtlänge eines Satzes und der gesamten Sonate im Auge behalten und schlüssig, d.h. in Relation zum Mittelsatz "gewichten".


    Es sind die Sonaten, die Mozart [vermutlich] meint, wenn er in Briefen an den Vater von seinen "schweren Sonaten" spricht [die späteren hatte er zuvor noch nicht komponiert, daher muß man das "schwer" in Relation sehen (ja, schöne Stilblüte)].


    Wenn man nun diese technischen Anforderungen, die eben offenbar zur damaligen Zeit noch nicht ganz alltäglich waren, mit ins Boot nimmt, dann wäre es doch durchaus auch für den Interpreten irgendwie doof, wenn er seine mühsame Übearbeit nur einmal preisgeben kann/darf. Auch unter diesem Blickwinkel erscheinen die Wiederholungen geradezu sinnvoll zu sein.


    Zum 2. Satz von KV 310 [a-moll] schreibt Wolfgang Plath:


    [...] Es mag von Interesse sein, daß die ursprünglich gesetzten Repetitionszeichen für den zweiten Teil im Autograph ausradiert worden sind.


    Es bestätigt somit die auch von Dir bereits angesprochene "Konsequenz", einen DF-Teil nicht zu wiederholen.


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von MarcCologne
    Hallo Ulli,


    wie beurteilst Du denn nun die Wiederholungszeichen am Ende jedes Satzes in den Klaviersonaten KV 279 und 280 (siehe oben)?


    Eigentlich überflüssige Konvention (evtl. sogar missgedeutet durch den Herausgeber und Mozart hatte hier eigentlich gar keine Wiederholungszeichen gesetzt?) oder doch strikt einzuhalten (Johannes vertritt ja diese Ansicht)?


    Das ist ein Mißverständnis. Ich vertrete lediglich, dass man nicht einfach so eine Art Wdh. als überflüssig, die andere dagegen als wünschenswert auffassen kann. Es braucht Gründe (entweder historische, besser musikalische), die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen!


    Zitat


    Ich bin der Ansicht, dass die Architektur der Sätze und das Verhältnis der einzelnen Teile innerhalb eines Satzes untereinander total aus dem Gleichgewicht geriete, wenn diese Wiederholungen am jeweiligen Ende der einzelnen Sätze tatsächlich ausgespielt würden...


    Warum? Die Komponisten hatten demnach keine Ahnung, wie ihre Werke am besten balanciert sind? Warum ist die Wdh. der Exposition für die Balance notwendig, die völlig gleichwertig vorgeschriebene des 2. Teils aber verheerend?
    Das ist doch erstmal nur unsere Gewöhnung, weil wir seit Beethoven daran gewöhnt sind, dass nur die Expo wiederholt wird. Ebenso könnte man aber aus Gewöhnung an die Aufführungspraxis der 1. Hälfte des 20. Jhds. sagen, dass auch die Expo-Wdh. weggelassen werden sollte. Denn die Balance wird doch wohl stärker verändert, wenn eine Wdh. beachtet wird, die andere aber nicht, als wenn beide befolgt oder ignoriert werden.


    Ich teile natürlich diese Gewöhnung und habe ja weiter oben auch schonmal gesagt, dass es der "Dramatik" eines Satzes scheinbar widerspricht, den zweiten Teil, der die Auflösung bringt, zu wiederholen. Aber man könnte natürlich auch sagen, dass es der Dramatik ähnlich widerspricht die Expo zu wiederholen (der Kontrast Tonika-Dominante ist etabliert, auch einmal das ganze nochmal von vorn).


    Es ist eine schwierige Frage, die man nicht allein mit Verweis auf das, woran wir uns nun gewöhnt haben, lösen kann.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Hallo Johannes,


    Zitat

    Warum? Die Komponisten hatten demnach keine Ahnung, wie ihre Werke am besten balanciert sind? Warum ist die Wdh. der Exposition für die Balance notwendig, die völlig gleichwertig vorgeschriebene des 2. Teils aber verheerend?


    Ich beziehe meine Äußerungen zu den aus meiner Sicht "unangebrachten Wiederholungszeichen" am Ende des Sonatenhauptsatzes vor allem auf das, was allgemein als "Dramaturgie" der Sonatenhauptsatzform beschrieben wird:


    Die Exposition stellt die Themen, die in der Durchführung verarbeitet werden, vor. Hier ist eine Wiederholung der Expo sicher noch am sinnvollsten, da die vorgestellten Themen sich dem Hörer gut einprägen sollen, damit er besser nachvollziehen kann, was nun im Durchführungsteil mit ihnen passiert.


    Im Durchführungsteil erfahren die in der Expo vorgestellten Themen eine Verarbeitung, sie machen eine vom Komponisten geplante Entwicklung durch, die in irgendeiner Form dann in der Reprise endet, die so etwas wie eine "Erlösung" der in der Durchführung aufgeworfenen musikalischen Entwicklung/ Zuspitzung darstellen sollte.


    Zum Abschluss gibt es dann meist noch eine Coda, die das Ganze zu einem wirkungsvollen Ende bringt - alles in allem also eine irgendwie dramaturgisch geplante Entwicklung....


    Und in diesem Zusammenhang scheint es mir eben irgendwie unpassend, den kompletten Teil Durchführung - Reprise (- Coda) zu wiederholen, weil das ja irgendwie der Dramaturgie widerspricht. Schließlich wurde mit dem erstmaligen Erreichen der Reprise ja der Themenentwicklungs- und -verarbeitungsprozess zu einer Lösung gebracht, der mit einer simplen Wiederholung des gesamten Abschnitts irgendwie in Frage gestellt würde...


    Ist schwer zu formulieren, aber evtl. verstehst Du mein Unbehagen bei solchen "pauschalen" Wiederholungszeichen, die auf mich halt irgendwie den Eindruck machen, dass sie nur da stehen, weil man damals am Satzende einfach Wiederholungszeichen hinzuschreiben hatte...

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Salut,


    Du meinst, ein Satz sollte nur einen Höhepunkt haben [oder im Zweifel eben einen zweiten, der noch höher ist, wie im Finale von KV 551 Coda].


    :hello:


    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    vielleicht ist Höhepunkt nicht ganz treffend ausgedrückt - ich wüsste nicht, wo der Höhepunkt in meiner Beschreibung der Dramaturgie des Sonatenhauptsatzes liegen sollte, das Setzen und Verteilen solcher Höhepunkte kann der Komponist bei dieser Satz-Form ja noch selber bestimmen.


    Ich würde es eher mit: "Ein (Sonatenhaupt-) Satz sollte nur eine - möglichst stringente - dramaturgische Entwicklung haben" ausdrücken wollen. Sonst wirkt das Ganze etwas unschlüssig und ziellos. Allein eine geschickte Steuerung der harmonischen Entwicklung eines solchen Satzes kann ja schon viel (meist eher Unbewusstes) beim Hörer bewirken.

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    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Zitat

    Original von MarcCologne


    Ich würde es eher mit: "Ein (Sonatenhaupt-) Satz sollte nur eine - möglichst stringente - dramaturgische Entwicklung haben" ausdrücken wollen. Sonst wirkt das Ganze etwas unschlüssig und ziellos. Allein eine geschickte Steuerung der harmonischen Entwicklung eines solchen Satzes kann ja schon viel (meist eher Unbewusstes) beim Hörer bewirken.


    Schade um die vielen Haydn-Sinfonien, die Dir dadurch entgehen... ;(


    Viele Grüße
    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Wieso?


    Ich schätze Haydns-Symphonien sehr, gerade die etwas unbekannteren "im Mittelfeld".


    Warum sollten die mir entgehen, bloß, weil ich meine, dass ein Sonatenhauptsatz idealerweise eine stringente Entwicklung haben sollte??

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    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

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  • Ja klar, das habe ich ja selbst ganz oben versucht darzustellen, wenn auch nicht so ausführlich. Ich kann das alles nachvollziehen und teile das gewisse Unbehagen. :yes: Die Frage ist aber, ob eine so strikt dramaturgische Auffassung nicht vielleicht zu eng ist. Erstens wäre es wie schon erwähnt dann eigentlich nur konsequent auch die Expo nicht zu wiederholen (denn das bessere Einprägen der Themen ist keine dramaturgische Überlegung, eher eine "pädagogische") und zweitens fragt man sich, ob die Komponisten wirklich dieses Bild teilten, sonst hätten sie nicht so oft DF und Reprise wiederholt... :rolleyes:


    Zitat


    Ist schwer zu formulieren, aber evtl. verstehst Du mein Unbehagen bei solchen "pauschalen" Wiederholungszeichen, die auf mich halt irgendwie den Eindruck machen, dass sie nur da stehen, weil man damals am Satzende einfach Wiederholungszeichen hinzuschreiben hatte...


    Ja aber warum hatte man sie hinzuschreiben? Eine KOvention fällt ja nicht vom Himmel... Und m.E. wichtiger: Warum werden sie eben nicht immer hingeschrieben?
    Wenn es beim mittleren Beethoven noch einzelne Sätze gibt, die auch Wdh. von DF und Reprise fordern, daneben schon solche, die nicht mal die Expo wiederholen, bei Haydn und Mozart ebenfalls (auch wenn gar keine Wdh. hier selten ist, in der Haffner-Sinf hat Mozart sie zB gestrichen), dann glaube ich einfach nicht, dass man mit dem Hinweis auf die Konvention so schnell bei der Hand sein sollte, abgesehn davon, dass - wie gesagt - die Wdh. der Expo ebenso konventionell ist. Man müßte eine große Zahl von Sätzen, etwa bei Haydn und Mozart daraufhin untersuchen, ob es irgendwelche Muster gibt, was die Vorschrift der Wdh. des 2. Teils betrifft, d.h. ob sie ab einem gewissen Zeitpunkt selteren vorkommt, ob sie mit der Satzlänge, der Werklänge, der Position dese Satzes zu tun hat oder sogar mit tieferen strukturellen Eigenschaften der jeweiligen Sätze. Oder ob es gar kein Muster gibt. Das wäre recht mühsam und ich wüßte nichtmal, was man genau herausfinden könnte, aber das scheint mir das richtige Vorgehen.


    viele Grüße


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    Zitat

    ...ob sie ab einem gewissen Zeitpunkt selteren vorkommt,


    Also ich hatte den Eindruck, dass sich das "Phänomen" vor allem auf frühe Werke (konkret habe ich Beethovens und Mozarts Klaviersonaten durchgesehen) beschränkt. Je weiter die künstlerische Entwicklung/ Emanzipation voranschreitet, desto experimentierfreudiger und "selbständiger" werden die Herren Compositeure und setzen sich über mehrere Konventionen * und "ungeschriebene Gesetzmäßigkeiten" hinweg (z. B. die "übliche" Satzreihenfolge und -anzahl).


    (* Daher meine Vermutung, dass es sich bei den diskutierten Wiederholungszeichen um eine Konvention handeln könnte...)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Salut,


    mir fallen eben noch zwei interessante Beispiele Mozart und Wiederholungen betreffend ein:


    Zunächst der Hauptsatz der Sinfonie KV 338: Dort gibt es keine Wiederholungen, weder der Exposition, noch der DF mit Reprise - Mozart komponiert durch. Das erklärt evtl. auch, warum er in der nachfolgenden "Haffner"-Sinfonie KV 385 die Wiederholung wieder strich. Vermutlich war es dann ein Zeitgeschmack, der dafür verantwortlich zeichnet, denn später bei KV 504, 543, 550 und 551 nimmt er die Praxis der Wiederholugen wieder auf.


    Dann habe ich schon länger den Marche funèbre KV 453a [aus dem Stammbuch der Barbara Ployer] im Auge. Die Henle-Ausgabe [Klavierstücke, Nr. 19] verzeichnet für den ersten Teil eine Wiederholung, im 2ten Teil wir die Wiederholung ausgeschrieben, obwohl sie [natürlich] 1:1 identisch ist. Ich vermute, es wurde so gemacht, um die Seite voll zu bekommen, denn in der NMA ist der Satz "normal" abgedruckt:


    //: A ://: B ://


    Fast ebenso merkwürdig wie Henle ist die Darstellung bei Erich Lauer [Mozart, wie ihn niemand kennt, Nr. 29]: Hier fehlt die Wiederholung beim 1ten Teil, beim 2. ist sie vorhanden.


    Das mal zum Thema "Verantwortlichkeit der Herausgeber"...


    :rolleyes:


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Im Thread über Schuberts große C-dur-Symphonie machte JR folgende Anmerkung:


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Und noch zu Wdh. allgemein: Jemand erwähnte Tempovariationen. Tatsächlich sind mir in letzter Zeit zwei oder drei Stücke begegnet, wo ein schnelleres Tempo für die Wdh. eines Satzteil in der Partitur steht! In einem von Beethovens Quartetten op.18 für ein Menuett oder Scherzo und IIRC in Haydns Kaiserquartett im Kopfsatz sollen Durchf. und Reprise beim zweiten Mal schneller gespielt werden!??!?


    Das Haydn-Beispiel kann man ja erfreulicherweise online einsehen:


    http://www.dlib.indiana.edu/va…bhr7942c/large/index.html


    (links runterscrollen auf op. 76/1, 1. Satz)


    In der Tat sollen hier die 16 Schlusstakte des Satzes, also T. 105-120 (nicht die gesamte Durchführung + Reprise), bei der Wiederholung schneller gespielt werden ("la seconda volta più presto"), was einen Stretta-Effekt ergibt. Dazu äußert sich übrigens auch Ludwig Finscher in Reclams Kammermusikführer: "In die sonst wenig veränderte Reprise ist am Schluß eine kleine Kadenz der 1. Violine eingebaut; bemerkenswerter ist aber, daß der darauf folgende Schlußabschnitt la seconda volta più presto zu spielen ist - das heißt, die vorgeschriebene, aber heute meist ignorierte Wiederholung von Durchführung und Reprise ist zwingend notwendig." (S. 342).


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Ulli
    Natürlich ist es nicht denkbar, die Wiederholungen einer Mozart- oder Haydn-Sinfonie auszuzieren - da ist bereits alles haarfein aufnotiert.


    Mir hat kürzlich eine Sängerin anvertraut, dass der Stand der Wissenschaft sei, dass sogar noch bei SCHUBERTs Liedern improvisierte Veränderungen der Wiederholungen üblich waren, den Studenten das entsprechende stilistische Gespür für derlei Varianten beizubringen ist man aber wohl noch im Anfangsstadium.


    Mir kommt das sehr glaubwürdig vor.

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  • Ich sehe die zwei Wiederholungen im klassischen Sonatensatz als sehr willkommene Traditionen an: Was man beim ersten Mal verschlafen hat, da kann man jetzt aufpassen, wo man aufgepasst hat, da kann man jetzt dösen.
    :D
    Übrigens bin ich oft irritiert, wenn der zweite Teil nicht wiederholt wird. ICH WILL NOCHMAL ZURÜCK AUF DIE DOMINANTE!

  • In der Suche nach dem Thema "Wiederholung" im Forum bin ich auf diesen Uralt-Thread gestossen.


    Es fällt nicht jedem Hörer (Ausnahmen soll es geben) immer auf, wenn in einer Interpretation die Wiederholungszeichen nicht befolgt werden und er ein Stück nicht mit der Partitur verfolgen kann.

    Vergleicht man die Spielzeiten unterschiedlicher Aufnahmen kann es grosse Abweichungen geben. Das kann schon darauf hinweisen (bei gleichem Tempo), dass die Hälfte der Musik gespielt wird. Schwierig wird es, wenn die Wiederholungen teilweise befolgt werden. In einer HIP Aufnahme ist mir aufgefallen, dass in einem Schlusssatz die Spielzeit sich im Vergleich zu anderen Einspielungen halbiert hat. Ein Vergleich mit dem Notentext bestätigte meine Vermutung, dass alle Wiederholungszeichen nicht berücksichtigt wurden. Das empfinde ich als grossen Eingriff in die Komposition.


    Mir stellt sich die Frage: Darf man die in der Partitur vom Komponisten gesetzten Wiederholungen in einer Interpretation unterschlagen? Liegt das in der künstlerischen Freiheit des Musikers? Verschieben sich dadurch die Proportionen eines Werkes?


    Liest man die Beiträge in diesem Thread gibt es eine differenzierte Sicht. Selbst in der Zeit der Entstehung eines Werkes, wurde das nicht einheitlich befolgt.


    Meine Meinung ist: Die ausführenden Musiker haben den Willen des Komponisten zu respektieren. Es ist in jedem Fall so zu spielen, wie es in der Partitur steht.


    kurzstueckmeister erwähnt im Beitrag 25, dass in den Wiederholung der Schuberlieder improvisierte Veränderungen aus historischer Sicht üblich waren.

    In Beitrag 26 unterstreicht er, dass er die zweite Wiederholung zwingend hören möchte, um zurück zu Dominante zu kommen.

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Weil ich mich gleich auf den Weg zu Igor Levit mache, mache ich es mal kurz ;):


    Darf man die in der Partitur vom Komponisten gesetzten Wiederholungen in einer Interpretation unterschlagen?

    Ja.


    Liegt das in der künstlerischen Freiheit des Musikers?

    Ja.


    Verschieben sich dadurch die Proportionen eines Werkes?

    Ja.


    Meine Meinung ist: Die ausführenden Musiker haben den Willen des Komponisten zu respektieren. Es ist in jedem Fall so zu spielen, wie es in der Partitur steht.

    Gegenfrage: Warum haben sie das zu tun? Und: Was in der Partitur steht, ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem "Willen des Komponisten". Brahms hat z.B. über die Expositionswiederholung in seinen Symphonien sinngemäß geschrieben, dass die nur notwendig gewesen seien, solange die Leute die Stücke noch nicht genug kannten. Sie stehen aber da.

    Meine Meinung ist: Ein Musiker "darf" nichts Sinnloses tun. Eine Wiederholung aus dem einzigen Grund zu spielen, "dass sie da steht", ist sinnlos.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Brahms hat z.B. über die Expositionswiederholung in seinen Symphonien sinngemäß geschrieben, dass die nur notwendig gewesen seien, solange die Leute die Stücke noch nicht genug kannten.


    Das erscheint mir schlüssig. Da ich ein relativ schlechtes musikalisches Gedächtnis habe, sind mir natürlich alle gespielten Wiederholungen willkommen. Für Leute mit "fotografischem" musikalischen Gedächtnis könne ich mir schon vorstellen, da selbige genervt sind, wenn es nicht schnell genug weitergeht...

    Ich denke, wir müssen hier sehr deutlich unterscheiden zwischen Zeiten, in denen es noch keine jedermann verfügbaren Tonaufnahmen gab und jetzigen Zeiten, wo man sich seine eigenen Wiederholungen "bauen" kann. Vielleicht waren ja die Wiederholungen einfach der Ausruf des Komponisten: "Nun hört euch das bitte doch noch mal genauer an"?

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Das erscheint mir schlüssig. Da ich ein relativ schlechtes musikalisches Gedächtnis habe, sind mir natürlich alle gespielten Wiederholungen willkommen. Für Leute mit "fotografischem" musikalischen Gedächtnis könne ich mir schon vorstellen, da selbige genervt sind, wenn es nicht schnell genug weitergeht...

    Ich denke, wir müssen hier sehr deutlich unterscheiden zwischen Zeiten, in denen es noch keine jedermann verfügbaren Tonaufnahmen gab und jetzigen Zeiten, wo man sich seine eigenen Wiederholungen "bauen" kann. Vielleicht waren ja die Wiederholungen einfach der Ausruf des Komponisten: "Nun hört euch das bitte doch noch mal genauer an"?

    Ich denke sehr ähnlich, dass man sich eben Gedanken über die Bedeutung des Zeichens machen muss. Warum vor zweihundert Jahren und welcher Komponist. Es gibt doch eine sehr breit geführte Debatte über die Wiederholung der Exposition in Schuberts D. 960 hier im Forum. Brendel lehnt sie zum Beispiel ab.


    Franz Schubert, Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960, CD (DVD)-Rezensionen und Vergleiche (2017)


    Wenn ein zeitgenössischer Komponist eine Wiederholung in die Noten schreibt, würde das Argument von Reinhard nicht zählen. Man müsste sich also andere Gedanken machen.



    Meine Meinung ist: Ein Musiker "darf" nichts Sinnloses tun. Eine Wiederholung aus dem einzigen Grund zu spielen, "dass sie da steht", ist sinnlos.

    Eben! Das sollte nicht nur für die Wiederholungszeichen, sondern eben für jede Note gelten, die er spielt.

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