Sagitt meint:
Auch wenn in Forums-Beiträge schon Unerfreuliches über den Herrn Grafen zu lesen war, der uns als Nikolaus Harnoncourt bekannter, sollte sein 75ter Geburtstag nicht ohne eine Erwähnung, ein thread als Geburtstagsgruß, vorübergehen.
Ich weiß nicht mehr,wann mir dieser Name zuerst unterkam, ich glaube es war die Marienvesper 1966 mit dem Monteverdi-Chor aus Hamburg. Harnoncourt hatte schnell den Ruf eines Entdeckers und eines Revoluzzers, weil er teilweise recht polemisch dem herrschenden Paradigma Kunst-Verfälschung vorwarf;eigene Untersuchungen zu den historischen Spielweise anstellte und dann eine Fülle von Aufnahmen mit dem concentus musicus Wien hervorbrachte, die mir unterschiedlich gefielen, je unkonventioneller, desto lieber. Aber schon damals fand ich die Idee, die Bach-Kantaten, Passionen mir Knaben zu exekutieren, recht schauerlich,abgesehen davon, dass er einen Counter, Paul Esswood, in die Aufnahmen einbrachte, den ich nur grauenhaft fand. Aber seine Brandenburgischen Konzerte, der viele, großartige !!! Telemann ( irgendwann einmal eigener thread) sprühten eine barocke Lebensfreude, dass es eine Lust war, diese Musik zu hören. Auch heute, dreißig Jahre später, finde ich viele dieser Aufnahmen noch absolut hörenswert. Etwa die Wassermusik von Händel mit dem concentus oder die Darmstädter Ouvertüren von Telemann usf....
Allein damit hat Harnoncourt Aufnahmen geschaffen, die seinen Nachruhm auf Dauer begründen. Ich möchte den Monteverdizyklus von Zurück, mit den Inscenierungen von Ponelle hinzufügen.
Er erweiterte langsam aber stetig sein Repertoire, arbeitete eine Zeitlan mit dem Concertgebouw-Orchester zusammen, machte viel Mozart, der mich bei weitem nicht so ansprach wie seine Zusammenarbeit mit dem concentus.
In einer dritten Phase arbeitete er mit verschiedenen Orchestern ( zB den komplete n Brahms mit den Berliner), dann verstärkt mit dem dem chamber orchestra of europe. Nicht immer hat er spannende Beiträge zur Interpretationsgeschichte geleistet ( sein kompletter Brahms sagt mir gar nicht zu). Aber auch Aufnahmen aus den letzten Jahren zeigen immer wieder den großen Musiker, etwa die Missa Solemnis von Beethoven.
Harnoncourt kann nicht nur auf ein gewaltiges Lebenswerk zurückblicken, sondern sich auch rühmen, einen Paradigmenwechsel eingeleitet zu haben, der die pathosgeschwollene Verkleisterung der Musik, wie sie in den fünfziger Jahren so oft auftauchte, gehörig durchgeschüttelt hat. In seiner Nachfolge sind jede Menge Musiker in Erscheinung getreten, die Musik als lebendigen Beitrag zur heutigen Kultur verstehen, nicht als Schönklang oder Weihespiel. Auch wenn diese Richtung in der Musik teilweise etwas seltsame Blüten getrieben hat, ist die Frische des Musizieren und die Beschäftigung mit dem historischen Kontext vielen Werken sehr gut bekommen.
Ich will nur ein Beispiel anführen. Der Einsatz von Riesenchören bei der Barockmusik klingt dank dieser Bewegung zur historischen Spielweise heute fast ein wenig abartig.
Danke, Nicolaus Harnoncourt- im Namen taucht ja auch noch " unverzagt" auf, das war und ist er sicher ! und herzlichen Glückwunsch