Graf de la Fontaine- 75 ! - Das Lebenswerk des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt

  • Sagitt meint:


    Auch wenn in Forums-Beiträge schon Unerfreuliches über den Herrn Grafen zu lesen war, der uns als Nikolaus Harnoncourt bekannter, sollte sein 75ter Geburtstag nicht ohne eine Erwähnung, ein thread als Geburtstagsgruß, vorübergehen.


    Ich weiß nicht mehr,wann mir dieser Name zuerst unterkam, ich glaube es war die Marienvesper 1966 mit dem Monteverdi-Chor aus Hamburg. Harnoncourt hatte schnell den Ruf eines Entdeckers und eines Revoluzzers, weil er teilweise recht polemisch dem herrschenden Paradigma Kunst-Verfälschung vorwarf;eigene Untersuchungen zu den historischen Spielweise anstellte und dann eine Fülle von Aufnahmen mit dem concentus musicus Wien hervorbrachte, die mir unterschiedlich gefielen, je unkonventioneller, desto lieber. Aber schon damals fand ich die Idee, die Bach-Kantaten, Passionen mir Knaben zu exekutieren, recht schauerlich,abgesehen davon, dass er einen Counter, Paul Esswood, in die Aufnahmen einbrachte, den ich nur grauenhaft fand. Aber seine Brandenburgischen Konzerte, der viele, großartige !!! Telemann ( irgendwann einmal eigener thread) sprühten eine barocke Lebensfreude, dass es eine Lust war, diese Musik zu hören. Auch heute, dreißig Jahre später, finde ich viele dieser Aufnahmen noch absolut hörenswert. Etwa die Wassermusik von Händel mit dem concentus oder die Darmstädter Ouvertüren von Telemann usf....
    Allein damit hat Harnoncourt Aufnahmen geschaffen, die seinen Nachruhm auf Dauer begründen. Ich möchte den Monteverdizyklus von Zurück, mit den Inscenierungen von Ponelle hinzufügen.
    Er erweiterte langsam aber stetig sein Repertoire, arbeitete eine Zeitlan mit dem Concertgebouw-Orchester zusammen, machte viel Mozart, der mich bei weitem nicht so ansprach wie seine Zusammenarbeit mit dem concentus.
    In einer dritten Phase arbeitete er mit verschiedenen Orchestern ( zB den komplete n Brahms mit den Berliner), dann verstärkt mit dem dem chamber orchestra of europe. Nicht immer hat er spannende Beiträge zur Interpretationsgeschichte geleistet ( sein kompletter Brahms sagt mir gar nicht zu). Aber auch Aufnahmen aus den letzten Jahren zeigen immer wieder den großen Musiker, etwa die Missa Solemnis von Beethoven.
    Harnoncourt kann nicht nur auf ein gewaltiges Lebenswerk zurückblicken, sondern sich auch rühmen, einen Paradigmenwechsel eingeleitet zu haben, der die pathosgeschwollene Verkleisterung der Musik, wie sie in den fünfziger Jahren so oft auftauchte, gehörig durchgeschüttelt hat. In seiner Nachfolge sind jede Menge Musiker in Erscheinung getreten, die Musik als lebendigen Beitrag zur heutigen Kultur verstehen, nicht als Schönklang oder Weihespiel. Auch wenn diese Richtung in der Musik teilweise etwas seltsame Blüten getrieben hat, ist die Frische des Musizieren und die Beschäftigung mit dem historischen Kontext vielen Werken sehr gut bekommen.


    Ich will nur ein Beispiel anführen. Der Einsatz von Riesenchören bei der Barockmusik klingt dank dieser Bewegung zur historischen Spielweise heute fast ein wenig abartig.


    Danke, Nicolaus Harnoncourt- im Namen taucht ja auch noch " unverzagt" auf, das war und ist er sicher ! und herzlichen Glückwunsch

  • Hallo Sagitt und Rest der Welt,


    Ich halte Nikolaus Harnoncourt für einen sehr gebildeten Menschen und erstklassigen Musikwissenschafter.
    Hingegen ist er kein Pragmatiker, eine IMO unabdingbare Forderung in seinem Beruf als Dirigent. Mögen seine musiktheoretischen Betrachtungen wissenschaftlich untermauert sein, und somit unanfechtbar, die Musik die er macht ist es nicht.
    Er nimmt mit seinem schroffen Dirigat Mozart das Liebliche, ebenso Haydn, bürstet etliches gegen den Strich und hinterlässt des öfteren den Eindruck eines Verfolgten, wenn man seine Tempowahl hernimmt.
    Stellen die von Generationen von berühmten Dirigenten geglättet wurden, und zwar bewußt, werden in ihrer Schroffheit nicht nur ausgespielt, sondern sogar betont, ein Interpretationsansatz, dem ich nicht folgen kann und möchte.
    Anders um jeden Preis, so war jedenfalls des öfteren mein Eindruck. Seine Verdienste um die Alte Musik, der er Impulse gegeben und Interesse verschafft hat seien hier jedoch ausdrücklich erwähnt.
    Allerdings liegen seine gemäßigten Schüler und Nachahmer mir mehr, als er selbst .


    Beste Grüße


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • LIeber Alfred, und alle anderen seien natürlich auch gegrüsst....


    Heute, am Tag des 75. Geburtstags von Nikolaus Harnoncourt merkt man doch sehr schön, wie streitbar er immer noch ist - und ich denke, das ist für ihn das schönste Geschenk, dass wir ihm machen können. Insofern Herzlichen Glückwunsch auch von mir.


    Zur Antwort auf Alfred verweise ich zuerst auf das eben von mir im Figaro-Thread Geschriebene, da ist mir mehr in die Zeilen gerutscht, als ich wollte, aber als es da stand, war es gut so, daher wiederhole ich es hier nicht noch einmal.


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Mögen seine musiktheoretischen Betrachtungen wissenschaftlich untermauert sein, und somit unanfechtbar, die Musik die er macht ist es nicht.


    Welcher Interpret ist schon unantastbar? Hoffentlich keiner!


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Er nimmt mit seinem schroffen Dirigat Mozart das Liebliche, ebenso Haydn,


    Das unterstellt natürlich, dass das Liebliche das wesentliche Merkmal der Musik Mozarts und Haydns sei - eine These, die ich zu verneinen mir hier erlaube, ohne zunächst näher drauf einzugehen. Es gibt genügend Stellen im Schaffen beider, die sich mit "lieblich" wohl nur schwer beschreiben lassen.


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    bürstet etliches gegen den Strich und hinterlässt des öfteren den Eindruck eines Verfolgten, wenn man seine Tempowahl hernimmt.


    Alfred, wann hast Du denn zum letzten Mal eine Interpretation Harnoncourts gehört? Sachen wie "Mein Vaterland" von Smetana oder seine Bartok-Platte, auch seine neuen frühen Mozart-Sinfonien, seine "Clemenza di Tito", seine "Aida" (leider sängerisch absolut enttäuschend), das Mozart-Requiem und die Haydn'sche "Schöpfung" in der zweiten Aufnahme (die ich für eine seiner am wenigsten gelungenen halte), sein Fidelio, ettliche Aufnahmen von Händel-Oratorien (etwa: "Alexander's Feast) und viele mehr können jedenfalls nicht darunter sein, sonst hättest Du diese Bemerkung über seine Tempowahl nicht schreiben können. Harnoncourt tendiert erstaunlich selten zu bemerkenswert schnellen Tempi, da ist Jacobs wesentlich aggressiver :stumm:


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • ...in diesem Zusammenhang darf ich mal eine Glosse zitieren aus der WAZ des heutigen Tages:



    Na dann...


    Gruss,


    Hendrik

  • Lieber Alfred,


    gestatte, dass ich Deine Antwort aus dem Missa solemnis-Thread hierher umleite und beantworte, aber hier passte es glaube ich grundsätzlich eher.


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt im Thread "Beethoven: Missa solemnis", Forum Vokalmusik


    Es ist genau das was ich ihm vorwerfe:
    Er ist kein Pragmatiker, der ein Werk an die Opern- und Konzertgegebenheiten aunpasst,


    Wie passt man ein Werk an die Opern- und Konzertsituation an? Ich verstehe momentan nicht wirklich, was Du damit meinst. Vielleicht kannst Du es ein wenig ausführen?


    Zitat

    Im Prinzip geschieht das übrigens noch heute:
    Seit der "rabiate" Vivaldi von "Il giardino armonico" Erfolghatte,


    BTW: Undenkbar ohne den Erfolg, den jemand wie Harnoncourt mit seinen Vivaldi-Einspielungen hatte!!


    Zitat

    Harnoncourt, wie schon des öfteren betont, ist IMO in erster Linie Musikwissenschafter. Ihn scheint es nicht zu interessieren "wie die Musik beim Publikum" ankommt, ihn interessiert die historische Wahrheit.


    Das allerdings glaube ich nicht - alles, was ich von Harnoncourt bisher über Kunst und seine Interpretationen gelesen habe, lassen mich eher vermuten, dass ihn interessiert, wie man die Werke heute aufführen kann, ohne dass man etwas übersieht oder unter den Tisch kehrt. Und ich denke, er ist insofern nicht "am Publikum" interessiert, als dass er recht kompromisslos seine Sicht auf die Werke umsetzt. Aber ehrlich: Erwarten wir das nicht von jedem Interpreten?


    Ganz nebenbei kommt das, was Harnoncourt macht, beim Publikum ja auf vielerlei Weise an - von begeistert bis völlig ablehnend ist da alles dabei. Ich denke, mehr kann man sich von Kunst nicht wünschen. Und Harnoncourts Aufführungen sind diskutabel und führen zu Diskussionen - da wird plötzlich sogar über Mozart "gestritten". Ich denke, damit erreicht er mehr, als wenn man seine Interpretationen einfach abnicken würde, weil man es ja sowieso kennt.


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Claus Huth schrieb:


    Zitat

    gestatte, dass ich Deine Antwort aus dem Missa solemnis-Thread hierher umleite und beantworte, aber hier passte es glaube ich grundsätzlich eher.


    Ja natürlich, ein Vorgehen, das auch ich praktiziere, und zu dem ich generell ermuntern möchte.
    Derzeit noch nicht nötig, könnte es jedoch, wenn das Forum drastisch wächst, könnte es jedoch nötig sein einen KNAPPEN Verweis im Ursprungsthread zu posten, wel es dann nämlich vielleicht gar nicht mehr möglich ist alle Threads zu lesen und man die Anwort gar nicht findet. Aber wie gesagt - Zukunftsmusik.



    Zitat

    Wie passt man ein Werk an die Opern- und Konzertsituation an? Ich verstehe momentan nicht wirklich, was Du damit meinst. Vielleicht kannst Du es ein wenig ausführen?


    Aber gerne. Besonders im Opernbereich wurde angepasst. Man strich Arien die als "langweilig" verschrien waren, man fügte welche ein die
    einem bestimmten Sänger oder einer Primadonna auf den Leib geschrieben wurden. Man strich bei Konzerten und Sinfonien Wiederholungen.
    Man ersetzte Instrumente, so nicht vorhanden, durch "ähnliche", was einige Komponisten des 17. und 18.- Jahrhundertes, die diese Praxis kannten, dazu veranlasste, dies gleich vorweg in der Partitur zu "legalisieren". Man veränderte, wo man dies für opportun hielt die Tempi, man wechselte Sätze gegeneinander aus. Sir Thomas Beecham änderte für gewisse Aufführung die Reihenfolge der Arien in der "Zauberflöte", weil er seine Anordnung für "logischer" fand.
    Paganini "verstärkte" sein Orchester, wo notwendig, was seinen Konzerten einen unnatürlich agressiven Orchesterklank und den Ruf des Bombasts einbrachte, der in der Originalversion gar nicht vorhanden war. Bruckner schrieb seine Sinfonien willfärig nach jeder schlechten Kritik um, Komponisten des beginnenden 20. Jahrhunderts, deren Klavierspiel auf Welte-Mignon-Walzen festgehalten ist, hielten sich nicht an ihre eigenen Metronomangaben.


    Zitat

    Und ich denke, er ist insofern nicht "am Publikum" interessiert, als dass er recht kompromisslos seine Sicht auf die Werke umsetzt. Aber ehrlich: Erwarten wir das nicht von jedem Interpreten?


    Die letzte Frage betreffend: Eigentlich habe ich nicht den Eindruck, daß es das ist was das Publiokum erwartet. Oh ja - solange der Interpret und das Publikum d´accord sind. Karajans Schönklangaufnahmen waren genau das was sein Publikum suchte, deshalb wurde er so berühmt.
    Er brauchte auch kein Erklärungen abzugeben, weil er war, wie der Booklettext zur Aufnahme der Beethoven Sinfonien 1960/62 so treffsicher formulierte "eine Autorität".


    Zum letzten Punkt: Für ein Forum ist es natürlich angenehm, wenn ein Dirigent polarisiert, wie Harnoncout es sicher tut. Aber ob es das ist, was die Mehrheit der Leute (und ich rede jetzt ausschließlich über das Klassikpublikum) erwartet, wenn sie 80-100 und mehr Euro für eine Karte ausgeben, ist fraglich..... ;)


    Beste Grüße nach Saarbrücken


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Aber gerne. Besonders im Opernbereich wurde angepasst. Man strich Arien die als "langweilig" verschrien waren, man fügte welche ein die
    einem bestimmten Sänger oder einer Primadonna auf den Leib geschrieben wurden. Man strich bei Konzerten und Sinfonien Wiederholungen.
    Man ersetzte Instrumente, so nicht vorhanden, durch "ähnliche", was einige Komponisten des 17. und 18.- Jahrhundertes, die diese Praxis kannten, dazu veranlasste, dies gleich vorweg in der Partitur zu "legalisieren". Man veränderte, wo man dies für opportun hielt die Tempi, man wechselte Sätze gegeneinander aus. Sir Thomas Beecham änderte für gewisse Aufführung die Reihenfolge der Arien in der "Zauberflöte", weil er seine Anordnung für "logischer" fand.


    Das Entscheidende hast Du schon gesagt, ich habe es nochmals hervorgehoben. Wenn Komponisten das im Vorgriff auf spätere Aufführungen legalisierten, heißt das doch noch lange nicht, dass sie es wirklich wollten. Gerade das Beispiel Bruckner passt da überhaupt nicht als Beleg. Er hat zwar allerhand Änderungen akzeptiert, allerdings nur damit seine Werke überhaupt aufgeführt werden. Gleichzeitig hat er ganz bewusst, seine Originalpartituren an die ÖNB (?) vermacht, weil er hoffte (wusste?), dass man irgendwann seine Werke aufführte "ohne" auf die zu seiner Zeit geforderten Konzertsituationen Rücksicht nehmen zu müssen.


    Legalisieren kann daher nur als zähneknirschende, eigentlich nicht gewollte Zustimmung des Komponisten verstanden werden. Deren heutige Beachtung sollte man eher zweifelnd hinterfragen: Im Vergleich zu Beecham macht Harnoncourt vor allem eines: Er respektiert den Willen des Komponisten und maßt sich nicht an, dessen Werke "besser" zu verstehen als der Komponist selbst.


    Bernstein hat ja Szell auch (zu Recht) vorgeworfen, Schumanns Symphonien bearbeitet zu haben. Das heißt jedoch nicht, dass es "die eine Art" gibt ein Werk zu interpretieren. Und ich glaube genau das hat Harnoncourt von seinen Interpretationen "nie" behauptet, auch wenn ihm das manche Hörer/Kritiker gern vorwerfen.

    Gruß,
    Gerrit

  • Lieber Alfred,


    danke für Deine Erläuterungen, die mir jetzt aber den Vorwurf, Harnoncourt mangele es an Pragmatismus, gar nicht mehr verstehen lassen.....


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Aber gerne. Besonders im Opernbereich wurde angepasst. Man strich Arien die als "langweilig" verschrien waren, man fügte welche ein die
    einem bestimmten Sänger oder einer Primadonna auf den Leib geschrieben wurden. Man strich bei Konzerten und Sinfonien Wiederholungen.


    Hmm. Nun. Heisst das, der mangelnde "Pragmatismus" zeige sich bei Harnoncourt daran, dass er diese Arien oder von mir aus auch die Wiederholungen in Sinfonien nicht streicht?


    Da könnte ich nicht folgen - beispielsweise die früher quasi immer gestrichenen Arien des Basilio und der Marzelline im 4. Figaro-Akt erachte ich für durchaus wichtig im Aufbau und der Dramaturgie, und als "langweilig" sind sie vielleicht verschrien, aber beide Arien sind das IMO keineswegs. Harnoncourt macht nun öfters gerade das umgekehrte, dass er diese alten Streichungen und Kürzungen hinterfragt, die Striche wieder aufmacht und die ganze Musik zur Diskussion stellt - weil er sie für notwendig ansieht für die Werke, die er interpretiert. Das ist doch genauso eine "pragmatische" Entscheidung, wie wenn man sich für das Gegenteil entscheidet?


    Oder hast Du doch etwas anderes gemeint?


    Zitat

    Man ersetzte Instrumente, so nicht vorhanden, durch "ähnliche", was einige Komponisten des 17. und 18.- Jahrhundertes, die diese Praxis kannten, dazu veranlasste, dies gleich vorweg in der Partitur zu "legalisieren". Man veränderte, wo man dies für opportun hielt die Tempi, man wechselte Sätze gegeneinander aus. Sir Thomas Beecham änderte für gewisse Aufführung die Reihenfolge der Arien in der "Zauberflöte", weil er seine Anordnung für "logischer" fand.


    Mag sein, mag sein - nur: Heisst das, man muss das jetzt immer machen, um sich als "Pragmatiker" zu zeigen? Ich denke, wir wären heute doch durchaus befremdet, wenn, sagen wir mal, Rattle oder Gardiner die Beethoven-Sinfonien neu instrumentieren würden, weil sie Beethovens Instrumentation für ungeschickt hielten.


    Und was die Tempoveränderungen angeht: Ist doch komisch, den "Pragmatiker" zeichnet es aus, einmal ein Tempo zu ändern, entscheidet sich Harnoncourt, aus mancherlei Gründen den Figaro insgesamt etwas langsamer zu sehen als üblich, ist das mangelnder Pragmatismus?


    Zitat

    Die letzte Frage betreffend: Eigentlich habe ich nicht den Eindruck, daß es das ist was das Publiokum erwartet. Oh ja - solange der Interpret und das Publikum d´accord sind. Karajans Schönklangaufnahmen waren genau das was sein Publikum suchte, deshalb wurde er so berühmt.


    Ich kann letztlich nur für mich sprechen, weil ich *das* Publikum natürlich nicht kenne und nicht für alle in ihrer Gesamtheit sprechen kann. Ich kann nur, letztlich wie Du, meine Sichtweise darstellen: Ich erwarte unbedingt von einem Interpreten, dass er ein Werk so wiedergibt, wie er es sieht. Er soll da keine Kompromisse machen - ob es mir gefällt oder nicht, ist der nächste Schritt. Wenn er anfängt, an allen Ecken und Enden Zuheständnisse an einen (vermeintlichen) Allgemeingeschmack zu machen, dann verliert er für mich seine künstlerische Glaubwürdigkeit.


    Und selbst wenn ich Deiner Argumentation folgen könnte: Irgendjemand muss doch die ganzen Harnoncourt-Aufnahmen, die mit dem Concerto Köln, jene mit Gardiner etc kaufen, sonst würden sie doch kaum gemacht? Also, natürklich kann man dann sagen: Klar, dass ist die oberflächliche junge Generation heute - aber macht man es sich dann nicht etwas einfach?


    Wieder mal viele offene Fragen - aber so geht das Gespräch weiter.....


    Beste Grüsse nach Wien!


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Hallo Brahms-Freunde,


    am Samstag war ich in Bonn um noch einige Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Natürlich auch in einem Klassik-CD-Laden:
    Da fiel mir für meine Mutter die TELDEC-Gesamtaufnahme der Brahms - Sinfonien mit Ouvertüren und Haydn-Variationen mit Harnoncourt/BerlinerPH für lasche 15,-€ in die Hände.
    ;) Zu Hause habe ich mal reingehört, wie denn der Harnoncourt so ist: Der Anfang der Sinf.Nr.1 war so belanglos ohne Dramatik; entschlackt habe ich dann irgenwo im Textheft gelesen. Auch die anderen Hörversuche waren absolut enttäuschend. das ist doch kein Brahms was der da spielen läßt !!!


    :yes: Da greife ich doch lieber zu meiner Solti-DECCA-Gesamtaufnahme oder auch zur Bernstein-DG-Aufnahme.
    Auch meine 4 Brahms-Einstieg-LP´s mit Klemperer sind allererste Referenz für Interpretation, leider nicht der Klang. Wie die Erste klingen sollte hat auch Karajan/WienerPH auf Decca in bester Weise gezeigt.


    :rolleyes: Wenn die Beethoven-Sinfonien mit Harnoncourt auch so "entschlackt" klingen wie der Brahms, dann "gute Nacht" !
    Ich gehöre nicht zu den Leuten, die Irgendwelche Aufnahmen niedermachen, aber das ich Brahms für Hausfrauen !


    Gruß aus Bonn
    Wolfgang

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Sagitt meint:


    Als Harnoncourt-Fan habe ich mehr dafür bezahlt( weil gleich gekauft), war aber mindestens genauso enttäuscht. So ein wenig das Orchester umgruppieren, das macht doch keinen interessanten Klang.Der Brahms strahlt nichts aus, ist für mich quasi eine Nicht-Interpretation. Inwzischen bin ich so weit belehrt, dass man bei Harnoncourt genauer schauen muss. Er ist nichtimmer eine " sichere Bank". Gleich hinterherschieben kann ich die Warnung vor seiner Intepretation der beiden Klavierkonzerte mit Buchbinder. Das ist mit der schlechteste Brahms, den ich je gehört habe. Schade für das Geld, das ich dafür verplempert habe.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo zusammen,


    das sind zwei erstaunliche Aussagen, da, wenn ich mich korrekt entsinne, der Harnoncourt-Brahms doch recht gelobt wurde von der Presse.


    Ich denke, für 15 € hätte ich wohl auch zugeschlagen, wenngleich ich sagitts Aussage unterschreibe, daß man bei Harnoncourt "genauer schauen muß" (z.B. Bruckner 4.,8. oder 9.).


    teleton: Harnoncourts Beethoven ist zwar nicht so "weihevoll" wie der von Karajan, Böhm oder Bernstein, aber die frischen Tempi und das kleinere Orchester passen sehr gut zu Beethoven.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ein uralter thread, dennoch möchte ich einige Sachen ergänzen:


    Man muß Harnoncourt nicht mögen, aber ihm mangelnde Praxis vorzuwerfen ist schlicht falsch. Harnoncourt ist überhaupt kein Musikwissenschaftler und -theoretiker; er hat hier soweit ich weiß nur autodidaktische Kenntnisse (im Gegensatz zu z.B. Leonhardt oder R. Levin). Sondern er wurde in Wien als Cellist ausgebildetet und spielte von Anfang der 50er bis 1969 bei den Wiener Symphonikern. Die Arbeit mit dem Concentus Musicus lief seit Mitte der 50er "nebenher" und auch hier wurden zwar Autographen u.a. gewälzt sowie Instrumente aus dem Museum geholt, dennoch spürt man, gerade bei den teilweise sehr unperfekten frühen Aufnahmen die Spielfreude und den Entdeckergeist der Musiker.


    Weiterhin kann man schlecht leugnen, dass Harnoncourt in den 70ern und 80ern international durch genuin praktische Projekte, nämlich die allseits positiv aufgenommenen Monteverdi- und Mozartopernprojekte in Zürich bekannt worden ist; schon hier zeigt sich, dass er weniger als andere Kollegen die historische Exaktheit keineswegs eng gesehen hat; denn die Mozartopern wurden größtenteils mit modernen Instrumenten aufgeführt (auch sonst mögen viele strenge HIPisten seine Interpretation nicht, weil er sehr oft "zu opernhafte" Sänger verwendet, nicht nur die Sinustonstimmen a la Kirkby).
    Diese Praxis wurde dann in den sinfonischen Aufnahmen mit dem Cocnertgebouworkest und dem Chamber orchestra of Europe (und später auch den Berliner Philharmonikern etc.) weitergeführt. Dabei möchte ich darauf hinweisen, dass Harnocourt sehr lange "bei seinem Leisten", nämlich der Musik des 17. und 18. Jhds. geblieben ist, auch als in 80ern z.B. Hogwood oder Norrington bereits Beethoven, Schubert und gar Brahms einspielten. (Dass er sich inzwischen weit ins 19. Jhd, gar 20. Jhd. vorgewagt sehe ich auch etwas kritisch, wobei ich zugeben muß, dass ich kaum etwas nach Beethoven mit ihm kenne.)
    Ich habe keine Ahnung, ob es rein technische Unzulänglichkeiten bei seinen Dirigaten aufgrund des ungewöhnlichen Werdegangs gibt oder gab; den Aufnahmen hört man es IMO nicht an; und ich habe auch fast nur positive Äußerungen von Musikern, etwa des Concertgebouw oder des CoE über die gemeinsame Arbeit gehört (und letzteres Orchester hat wohl einige Beethovensinfonien mit ihm zum ersten Mal aufgeführt, man also nicht sagen, dass ein gutes Orchester eben einigermaßen gut spielt, egal wer vor ihnen rumfuchtelt).


    Meiner Ansicht nach (wobei ich natürlich lange nicht alle Alternativen gehört habe, aber recht viele Stichproben) erschöpft sich die Bedeutung seiner Arbeit auch nicht hauptsächliich darin, den Anstoß geliefert zu haben und neuere historisch orientierte Musiker die älteren Aufnahmen weitgehen obsolet gemacht haben. Ich finde (mit wenigen Ausnahmen, z.B. Jacobs, MAK/Goebel) erst in der jüngeren Generation (italienische Ensembles, Minkowski, Concerto Koeln, Akademie f. alte Musik Berlin) wieder Interpretationen, die an Originalität, Dramatik und Kontrastreichtum von z.B. Harnoncourts Mozartsinfonien, Händelschen Concerti oder auch Bach und Haydn heranreichen. Die Fähigkeit den Hörer aufhorchen zu lassen, neues zu entdecken, selbst wenn er mit der einen oder anderenr interpretatiorischen Entscheidung alles andere als einverstanden ist, scheint mir bei Harnoncourt sehr viel ausgeprägter als bei den vergleichsweise braven britischen oder niederländischen (abgesehen von einigen Sachen Brüggens) HIP-Musikern. Obwohl die natürlich auch viele hervorragende Interpretationen vorgelegt habe, so klingt das oft in der Tat wie "Marriner mit kratzigen Geigen": etwas distanziert, flott, spritzig, auch elegant, aber kontrastarm und nicht "sprechend". (Auf Herreweghe paßt das vielleicht nicht, der tendiert aber wiederum mitunter etwas zur Weichzeichung) Das paßt auch manche Musik sehr gut, in anderen Fällen hat man doch den Eindruck, sowohl der "Mehrwert" an Klangfarben wie auch an der Idee der Klangrede
    orientierter Phrasierung, Dynamik und Agogik sie verschenkt worden. Man vergleiche etwa die auf ihre Art sicher ordentliche Abschiedssinfonie bei Pinnock mit Harnoncourts. Oder ein beliebiges Konzert aus Händels op. 3 oder 6 mit Hogwood.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • zum titel:
    also graf war harnoncourt nie in seinem leben, da er als österreicher erst nach 1920 geboren wurde.


    zum pragmatismus:
    als wiener habe ich das glück harnoncourt öfter live hören zu können. ich empfinde ihn sehr wohl als pragmatischen dirigenten. im juni diesen jahres erlebte ich mozarts lucio silla im theater an der wien. das ist wesentlich kleiner als die wiener staatsoper. da hat der concentus musicus auf originalinstrumenten und in eher kleiner besetzung, dem haus angepasst, gespielt. im theater an der wien hatte übrigens mozarts zauberflöte und beethovens fidelio ihre uraufführungen.


    vor zwei jahren habe ich den don giovanni in salzburg gesehen (ja der mit der netrebko :-). das grosse festspielhaus ist (nomen est omen) ein sehr grosses haus. da hat harnoncourt die wiener philharmoniker in grosser bestzung dirigiert, wieder dem haus angepasst.


    zum repertoire:
    persönlich waren für mich die live konzerte von bruckners symphonien unter harnoncourt immer ganz besondere erlebnisse. mit den wiener philharmonikern habe ich die 7te (die auch als CD einspielung vorliegt) und die 4te gehört. mit den wiener symphonikern habe ich bruckners 9te gehört, wobei harnoncourt vor der pause den unvollendeten 4te satz vorstellte (so wie auf der salzburg CD, dort allerdings mit den wiener philharmonikern).


    das modernste, dass ich von ihm bisher hörte, war alban bergs violinkonzert mit den wiener philharmonikern und gidon kremer. das 'buch mit sieben siegeln' von franz schmidt kenne ich von ihm nur in der CD einspielung (da hab ich den termin versäumt).


    zu den knabenstimmen:
    ein knabenchor klingt, trotz gleicher stimmlage, ganz anders, als ein frauenchor. ich vermute, dass die komponisten diesen unterschied bei der komposition berücksichtigt haben. der ersatz eines knaben- durch einen frauenchor, bewirkt also denselben unterschied, wie die aufführung alter werke mit originalen oder mit modernen instrumenten. ich finde beides für zulässig, aber das ergebnis ist anders. persönlich bevorzuge ich daher die knaben.


    zur mimik:
    wer die möglichkeit hat, harnoncourt live zu erleben, sollte darauf achten, dass er von seinem platz aus seine mimik (zumindest teilweise) sehen kann. ich würde da einmal sogar auf den klang verzichten - ich denke, seine mimik, seine körpersprache, sein einsatz bis fast zur selbstaufgabe würde mir trotzdem einen relevanten eindruck der (nicht gehörten) musik vermitteln.


    faun

    die kritik ist das psychogramm des kritikers (will quadflieg)

  • Zitat

    also graf war harnoncourt nie in seinem leben, da er als österreicher erst nach 1920 geboren wurde

    .


    Hallo


    Geboren am 6.12. 1929 in Berlin


    Der korrekte Name ist:


    Johann Nikolaus Graf de la Fontaine und d´Harnoncourt-Unverzagt


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • schon, schon, mein hochgeschätzer schef


    aber der alte eberhard ist nur kurz als bauingenieur nach berlin gegangen um sich an der errichtung des spree-havel-kanals zu beteiligen, ab den 30er jahren waren sie dann wieder in graz.


    :hello:

  • Hallo


    Ich hab mich mit den genauen Bedingungen nicht befasst, die erforderlich sind sich auf den Adelstitel zu berufen.
    Harnoncourt benutzt ihn sowieso nicht. Aber ich erinnermich, daß sogar die Exkaiserin Zita bei ihrem ersten Aufenthalt aus der Verbannung vom damaligen Wiener Kardinal mir "Eure Majestät" angesprochen wurde.
    Ditto wird der gesamte Adel in Wiens Innenstadt - mit dem Titel angesprochen, Lediglich Prinz Willi von Thurn und Taxis ließ sich mit "Herr Doktor" ansprechen.


    Aber die Leute lieben "ihre" Adeligen. :P


    Beste Grüße


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Harnoncourt schätze ich mehr durch seine Verwendung historischer Instrumente, denn wirklich als Dirigenten. Für Wagner fehlt ihm, meine Einsicht nach, dann doch deutlich ein musikalisches Charakteristikum. Allerdings wäre ich sehr über eine Einspielung von Schuberts D 821 erfreut.

  • Bitte was soll Harnoncourt mit der Arpeggione-Sonate?


    (Meinst du, er soll wieder Cello-spielen anfangen? ;) )

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ohne mir den Zorn des progressiven Flügels der Taminos, der einen 75jährigen Dirigenten mit limitiertem Repertoire als den Erfinder der Interpretationskunst sieht, zuziehen zu wollen:
    Herr Harnoncourt hat erklärt, daß er Wagner nicht dirigiert, da ihm z.B. seine Schrift "Das Judentum in der Musik" (zu Recht) äußerst mißfällt.
    Vom musikliebenden Standpunkt aus hoffe ich, daß Herr Harnoncourt bei seiner Meinung bleibt.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Hallo Rienzi


    Zitat

    Vom musikliebenden Standpunkt aus hoffe ich, daß Herr Harnoncourt bei seiner Meinung bleibt.


    Dem kann ich mich nicht anschließen. Vor etwa drei Jahren spielte Harnoncourt in einem Styriarte-Konzert die Tannhäuser-Ouvertüre (mit Bacchanal). "Fulminant" wäre eine sehr zurückhaltende Beschreibung des Eindrucks dieser Wiedergabe. Ein Holländer oder Tannhäuser unter Harnoncourt ist eine meiner Wunschvorstellungen für neue Operneinspielungen.


    Dass NH "Probleme" mit Wagner-Musik hat, ist seit langem bekannt, allerdings wusste ich nur über musikalische Bescheid. Dass er jetzt auch formale Gründe ins Spiel bringt, ist eine neue Facette. Ich kann mir aber vorstellen, dass bei passendem Umfeld auch Harnoncourt "überredet" werden könnte. Aber gerade da liegen die Hunde begraben. Man tut sich bei der Besetzung sehr schwer und es ist keine Plattenfirma in Sicht, die im Moment eine Wagner-Operneinspielung auf höchstem Niveau zu finanzieren bereit wäre.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Servus Rienzi


    Vom musikliebenden Standpunkt aus hoffe ich, daß Herr Harnoncourt bei seiner Meinung bleibt.


    Es würde mich interessieren, was Du befürchtest, sollte er seine Meinung doch noch mal ändern.


    LG
    Austria


    Faun hat übrigend irgendwo gelesen, daß er an der Wrt. Staatsoper nicht dirigieren will, weil er nicht genügend Proben zugestanden bekommt

    Wir lieben Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - vorausgesetzt, sie denken dasselbe wie wir (Mark Twain)

  • Zitat

    Original von sagitt
    Aber schon damals fand ich die Idee, die Bach-Kantaten, Passionen mir Knaben zu exekutieren, recht schauerlich


    Gerade diese Idee gefällt mir sehr! Macht Harnoncourt das heute auch noch bzw.: welche sonstige Dirigenten verfahren nach dem selben Schema?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sagitt meint:


    Gottseidank hat er davon Abstand genommen, schon bei seiner zweiten ( entsetzlich schlechten Aufnahme der Matthäus-Passion mit dem Concertgebouw-orkest).
    Ausserdem: Harnoncourt war doch musikhistorisch so interessiert. Da ist ihm sicher nicht entgangen, dass Knaben zur Bach-Zeit deutlich später in den Stimmbruch kamen,ob ein Knabe 12 oder 17 ist, das ist doch wohl ein Unterschied.
    Vielleicht ist ihm aber klar geworden, dass Bach selbst unter der Regel mulier tacet in ecclesia litt.

  • Zitat

    Original von sagitt
    Sagitt meint:


    Gottseidank hat er davon Abstand genommen, schon bei seiner zweiten ( entsetzlich schlechten Aufnahme der Matthäus-Passion mit dem Concertgebouw-orkest).
    Ausserdem: Harnoncourt war doch musikhistorisch so interessiert. Da ist ihm sicher nicht entgangen, dass Knaben zur Bach-Zeit deutlich später in den Stimmbruch kamen,ob ein Knabe 12 oder 17 ist, das ist doch wohl ein Unterschied.
    Vielleicht ist ihm aber klar geworden, dass Bach selbst unter der Regel mulier tacet in ecclesia litt.


    Ich kann Deine Kritik verstehen, vielen mißfallen reine Knabenchöre. Aber kann sich eine Aufnahme denn wirklich HIP nennen, wenn man Frauen im Chor einsetzt?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sagitt meint:


    Historisch ist eben nicht nachzuahmen. Wir haben keine Knaben, wie Bach im Jahre 1729.Für mich ist HIP nicht der Versuch, genau die Bedingungen wiederherzustellen, sondern die Umsetzung von Kenntnisse der Historie bei der Interpretation- die Klangrede,Rhetorik,über die Harnoncourt sich ja breit ausgelassen hat.


    Es ist ja nicht nur der Knabenchor, sondern vor allem die Knabensolisten. Darüber haben wir hier im Forum schon reichlich Gedanken ausgetauscht.


    Ich will von keinem Knaben hören:" Blute nur" oder" aus Liebe will mein Heiland sterben"....

  • Zitat

    Original von sagitt
    Ich will von keinem Knaben horen: Blute nur oder aus Liebe will mein Heiland sterben....


    Gut, aber ist auch Ansichtssache.


    Was die Knabensolisten angeht: Ein eigenes Thema gibt es dazu noch nicht, oder? Denn dann werde ich mal eines eröffnen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Salut,


    ich spiele mal den Hund, der an die Eiche pieselt...


    Der Salzburger Figaro hat es zumindest bei mir geschafft, dass ich keine neueren Harnoncourt-Einspielungen mehr blind bzw. taub einkaufen werde. Die werden vorher total seziert... so ein Risiko gehe ich nicht ein.


    :rolleyes:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    ich hebe ebenfalls mein Bein. Aber ich war ja nie ein großer Freund von Harnoncourts musikalischem Treiben. Ich habe vor kurzem Purcells King Arthur auf DVD gekauft, eine Produktion von den Salzburger Festspielen 2004. Hier leitet Harnoncourt zwar seinen Concentus Musicus, jedoch auch das ist musikalisch alles andere als überzeugend. Viel zu steif und unbeweglich wird da musiziert.



    liebe Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Ich habe einige Aufnahmen von Harnoncourt im Schrank. Mir gefallen die Beethoven-Sinfonien Nr. 6 und 9 unter Harnoncourt ausgesprochen gut. Ebenso die achte von Bruckner.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner