Bach als zu schwer verdaulich?

  • Ein Thema, das lMontag im Musikunterricht von unserem Lehrer angesprochen wurde, war die angeblich schwere Verdaulichkeit des Bachs. Angeführt wurde dazu die Kritik Scheibes, Bach sei zu sehr auf Virtuosität ausgerichtet. Danach folgte noch ein Werk seines Sohnes Carl Philipp Emanuel, das auf mich persönlich eher gezwungen "modern" (aus damaliger Sicht) wirkte. Ich wusste nicht all zu viel zu erwidern. Es stand z.B. die Aussage im Raum, Bach würde das Klavier als Maß aller Dinge nehmen und damit z.B. andere Instrumente überfordern. Meine Meinung dazu war dann, dass Bach ja glaubte, Musik würde auf einer höhreren Ebene existieren, so dass z.B. ja auch Klavieraufnahmen heutzutage akzeptiert sind. Von der Transkription Busonis - Toccata, Adagio & Fugio in C-Dur mal ganz zu schweigen.
    Was sagt ihr dazu?
    Und nein, das ist keine Hausaufgabe :beatnik: :D

    Einmal editiert, zuletzt von Davidsch ()

  • Hallo,



    Angeführt wurde dazu die Kritik Scheibes, Bach sei zu sehr auf Virtuosität ausgerichtet.


    Ich als Oboist kann dazu nur anmerken, daß fast alles, was Bach für mein Instrument geschrieben hat, rein technisch ziemlich gut und in der Regel ohne großes Üben spielbar ist. Bei Vivaldi sieht das hingegen schon anders aus - da ist teilweise eine enorme Virtuosität gefordert.


    Es stand z.B. die Aussage im Raum, Bach würde das Klavier als Maß aller Dinge nehmen und damit z.B. andere Instrumente überfordern.


    Kann ich aus meinen bisherigen Erfahrungen absolut nicht nachvollziehen.


    "Schwer verdaulich" - nun ja, maches scheint manchem schwer verdaulich. Auch Wagners Tristan kommt dem einen oder anderen schon zu fett vor....


    Instinktiv würde ich aber einfach mal behaupten, daß dein Lehrer ziemlichen Unsinn verzapft hat. Sei ihm deswegen nicht zu böse - leicht hat er es mit dem Musikunterricht heutzutage sicherlich nichr!


    Viele Grüße von Bernd, dem die Schule hauptsächlich negative Erfahrungen gebracht hat

  • Hallo und guten Abend,


    ich verstehe dein Anliegen nicht ganz. Möchtest du jetzt wissen, ob Bach (Johann Sebastian oder welcher?) "schwer verdaulich" ist, oder ob man Bach auf einem modernen Flügel spielen darf oder sollte, oder noch etwas anderes?


    Zu der ersten Frage würde ich spontan erst einmal sagen, dass die Frage nach schwer oder leicht doch ziemlich vom Stück abhängt.
    Die "Kunst der Fuge" :jubel: :jubel: :jubel:ist wahrscheinlich nicht sehr leicht zu verstehen und auch emotional nicht immer spontan zugänglich, aber der langsame Mittelsatz der h-moll-Flötensonate :jubel: :jubel:oder das Air aus der Orchestersuite Nr. 3 BWV 1068 :jubel:spricht fast jeden unmittelbar an. In der im März veröffentlichten und J.S. Bach gewidmeten Ausgabe der Schweizer Kulturzeitschrift "du" schreibt Lislot Frei: Der Hörtest bei Freunden und Freundinnen ergibt diesmal die Ausbeute überirdisch, schwebend, ergreifend, innig, offen, himmlisch, die Adjektive purzeln nur so, nicht zu vergessen das Wort schön. (Jour fixe im Café Zimmermann, Seite 63-64). :P


    Der Eisenach-Leipziger Komponist schrieb Musik sehr unterschiedlichen Anspruchsniveaus, auch wenn der künstlerische Rang wahrscheinlich immer ganz oben war. Daher trifft die Sache mit dem schwer verdaulich und trifft auch wieder nicht. Zum Thema vielleicht noch ein von Elisabeth Schwarzkopf gerne zitiertes Motto der Marschallin aus dem "Rosenkavalier":
    "Leicht will ich`s machen mir und dir". :angel:

  • Die Bach-Kritik Scheibes richtete sich keinesfalls gegen ausufernde Vituosität, denn dagegen hatte sein Zeitalter wenig einzuwenden und für die Publikumsanfoderungen an die italienische Barock-Oper war Vitruosität geradezu ein Muss !


    Es ging Scheibe, Zitat: um "mehr Annehmlichkeit" bei Bach, will sagen,Bachs herausragende satztechnische Künste und die Demonstration polyphoner Verflechtungen schien dem Kritiker einfach zu viel des Guten und für ein
    "konsumierendes" Publikum Nachvollziehbaren zu sein.


    Dabei anerkennt er durchaus Bachs ausserordentliche Leistungen "...könnte die Bewunderung ganzer Nationen sein...", verkennt aber letztendlich das Anliegen Bachs die musikalischen Entwicklungen seiner Zeit mit den kompositionstechnischen Errungenschaften der Vergangenheit zu verbinden.


    Das "Klavier als Maß aller Dinge", (der neu aufkommenden Hammermechanik
    stand er z.b. ablehnend gegenüber), war ganz gewiss nicht der Motor seines Schaffens, sondern für die Kirche komponierte er, gemessen an den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten, "Gebrauchs-Musik" und speziell für Tastenistrumente
    ist der pädagogische Charakter seiner Werke unverkennbar. Er selber beschrieb es treffend so:


    "Dem Höchsten Gott allein zu Ehren,
    Dem Nächsten, draus sich zu belehren" !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Sagitt meint:


    die Zeit Bachs hatte andere als seine Bedarfe. Warum interessierte sich Friedrich II nicht wirklich für ihn ? Er wollte Leichteres,keinen schwer-deutschen Bach, sondern einen Quantz. Warum wurde er bei seinem Tod nur als Orgelmeister wahrgenommen ? Rokoko-Leichtigkeit war Bachs Sache nicht. Selbst seine fröhlichen Sachen- Bauernkantate- sind eher von rustikaler Derbheit und deutscher "Schlichtheit" ( Kaffee-Kantate).


    Die Söhne haben den Zeitgeist verstanden und bedient- Bach nicht.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo


    Ob Bach als "unverdaulich" und "spröde" gesehen wird, ist vielfach eine Frage des "Zeitgeistes" - und somit auch der Interpretation.


    Noch in meiner Jugend war Bachs Musik (gemessen an seiner Bedeutung !!) nicht sehr geliebt. Sie wurde ja lange Jahre relativ
    "neutral" interpretiert, ich glaube man wusste teilweise nichts rechte anzufangen damit, Man näherte sich (aus heutiger Sicht) Bach mit jener Ehrfurcht, die man einer verstaubten Kommode in Familienbesitz zugesteht - die jedoch unbenütz ist.
    Allerdings waren schon Anzeichen für die "Neubewertung" (sprich Ausdeutung) zu erkennen:
    Karl Richter, heute als non-hip gescholten, war einer der Befürworter für einen rhytmischen Bach - und deswegen teilweise angefeindet, teilweise bewundert (die Nachwelt dankt es ihm nicht ).


    Die Wiedergabe Bachs auf "Originalinstrumenten" bzw deren Nachbau belebte IMO die Bach-Szene sehr. Weniger behäbig und voller Schwung.
    Ich glaube daß die Akzeptanz Bachs bei der (klassikinteressierten) Jugend sehr groß ist - nicht zuletzt der zu Verfügung stehenden eingespielten Interpretationen wegen.


    Der Kreis schliesst sich. Hilary Hahn beispielsweise spielt die Violinkonzerte in Zusammenarbeit mit einem Orchester auf "modernem" Instrumentarium ein - voller Schwung, daß die Fetzen fliegen. Ob diese Aufnahme Bach gerecht wird vermag ich nicht zu sagen: Interessant ist sie allemal.



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Vielen dank für die umfangreichen Antworten, ich hatte eine kleine Forumspause eingelegt (und auch meinen Mussorgsky nicht hinreichend geübt ^^), das wird aber besser ;).

  • "http://www.youtube.com/watch?v=ad_BmCBVBEM&mode=related&search=
    Er könnte einem ja Bach auch näher bringen :D
    Keine Angst das Video ist nicht geklaut, das gibts auch umsonst auf seiner Homepage.