Das Wienerlied

  • Meine Frage richtet sich vorrangig an die "Wiener" Forianer.


    Sicher sind Euch die von Fritz Wunderlich auf CD gebannten Wiener Lieder bekannt. Auch ich habe damit schon schöne Konzerte gehabt.


    Andererseits gibt es Wiener Lieder, die mir nicht in die selbe Kategorie zu passen scheinen, oder vielleicht doch?


    Unterscheiden sich die genannten Wiener Lieder offiziell von den Schrammelstücken? Von den Liedern, die Hans Moser und Paul Hörbiger so bekannt gemacht haben? Z. B. die Reblaus, das Fiakerlied, etc. - und wie ist es mit den noch "neueren" Liedern des Peter Alexander?


    Ist das alles ein Wienerlied-Genre? Oder wo trennt sich das feine Lied von den volkstümlichen Schrammeln - und gibt es noch weitere Unterscheidungen?


    Man möge mir meine nicht-wienerische Unwissenheit verzeihen, obwohl all diese Melodien von mir gern selbst präsentiert werden und gut aufgenommen werden!


    Noch eins: viele dieser Schrammel-Lieder sind so schwer zu bekommen (Noten und Texte). Hat jemand vielleicht einen Bezugsquellen-Tip für mich?



    Ciao :hello: Principe

  • Hallo Principe


    Es freut mich, hier einen Anhänger des Wienerliedes und der Schrammelmusik gefunden zu haben. Ich als großer Wienfan (im September darf ich wieder für 14 Tage hin !!) liebe die Wienerlieder, die Fiakerlieder, die Schrammelmusik und eben alles was so dazugehört (auch die Stubenmusik - vor allem zur Winterzeit. Sie ist auch der Grund, warum mein nächstes Wunschinstrument die Zither ist.).


    Gelesen habe ich einmal, daß die Kinderschuhe des Wienerliedes im Heurigen standen und daß der Wiener sich sehr eng verbunden fühlt mit dieser Musik. Weil es nicht nur über seine Stadt singt, sondern von seiner Stadt, ihren Menschen und dem Lebensgefühl bzw. dem Leben mit all seinen Höhen und Tiefen.


    Ein wichtiges Merkmal des Wienerliedes sind u.a. die ständigen Temposchwankungen – je nach Text, der gesungen wird. Es hat einen erzählenden Charakter und soll die Geschichte spannend und interessant darstellen. Einfach zu singen sind die Wienerlieder aus diesem Grund nicht und auch die intensive Chromatik trägt ihren Teil dazu bei.


    Die Schrammelmusik (benannt nach den Schrammel-Brüdern) war wohl mehr Instrumentalmusik, bei der sich in Wirtshäusern, Cafehäusern und Heurigen ein paar Musiker zusammentaten (meist mit Gitarre, Geige, Klarinette und/oder Knopfharmonika), die aber manchmal auch von Gesang begleitet wurde und wenn es nur vom Gesang eines Fiakerfahrers war, der vor dem Lokal auf seinen Gast wartet.


    Natürlich darf man die Zither nicht vergessen. Sie wurde einst in vielen Wirtshäusern gespielt und fand ihren großen Durchbruch Dank Harry Lime...


    Die neueren Lieder, wie Du sie nennst, sind sicher eine Weiterentwicklung dieser Geschichte um das Wienerlied. Ich mag lieber die alten - aber das ist Geschmackssage. Wie sich das „feine Lied“ von dem „volkstümlichen Lied“ wie Du es nennst unterscheidet, das vermag ich nicht zu sagen, aber sicher gibt es hier jemanden, der das kann.


    Im übrigen komme ich mit dieser Unterscheidung eh nicht klar, denn es gibt sehr alte, sehr derbe Wiener Lieder, die man somit unmöglich als „feines“ Lied bezeichnen kann und „volkstümlich“ ist für mich kein Gegensatz zu „fein“... Ich glaube eher, daß das Wienerlied verschiedene Entwicklungsstadien durchlaufen hat und es somit verschiedene Richtungen gibt.


    Noten für Wienerlieder findest Du in allen großen Notenshops im Internet.
    Empfehlen kann ich Dir:


    Erich Zib
    Die 60 schönsten alten Wienerlieder


    Die Wiener hier im Forum wissen bestimmt besser Bescheid als ich und mögen mir verzeihen, daß ich hier antworte, obwohl sie von Principe vorrangig angesprochen worden sind. Aber es hat mich soooo in den Fingern gejuckt, trotz der deutschen Staatsbürgerschaft....


    Menschen, Menschen san ma alle...
    Liebe Grüße - Mimi

    che gelida manina....

  • http://www.wien-vienna.at/wienerlied.htm


    http://homepage.univie.ac.at/ernst.paunzen/wl.html


    Hallo Principe, hallo Mimi!


    ich hab da ein paar Links angeführt die ich beim schnellen googeln fand. da findet man aber sicher noch mehr.
    ich sehe es ebenso wie Mimi - bin allerdings auch kein Profi - dass das traditionelle Wienerlied, jejen Heurigenmusik ist die man aus Hans Moserfilmen kennt.
    Erst kürzlich sah man ja die Kronprinz Rudolph Verfilmung wo wir ein paar solcher Lieder von KPRs Fiakerfahrer Bratfisch hören konnten.


    ich kann nicht mehr weiterhelfen als Mimi - nur möchte ich noch anfügen, dass zB Lieder wie Peter Alexanders - "Kleines Beisel in unserer Strasse" - NICHT dazugehören, obwohl vielleicht der Ursprung vom Wienerlied kommen mag.


    LG Paul?

    Einmal editiert, zuletzt von Paul? ()

  • Hallo Principe,
    ich bin zwar kein Wiener,aber als Interpreten des Wiener Lied's
    ist sicher die erste Wahl Julius Patzak,
    und die zweite Wahl Erich Kunz.


    (Von denen gibt's natürlich keine DVD-Aufnahmen,wozu auch?)




    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • ja, aber...


    das ist dann auch so, wie wenn placido domingo zarzuelas singt.
    wenn man das wiener lied als volksmusik begreifen will, kommt man nicht umhin, sich an die sog. natursänger zu halten.
    leider erlauben es mir meine momentanen persönlichen umstände nicht, mehr zu schreiben, daher DIE adresse:


    'ttp://www.wvlw.at/allgemein/volksliedwerk.html


    (hier dann v.a. die literaturtipps beachten)


    noch eine persönliche warnung vor so was:



    auslaufmodell a. (dürfte außerhalb österreichs noch einigen bekannt sein) kann von mir aus tom waits und bob dylan übersetzen und paraauthentisch singen, aber hans moser, dessen genie sogar aus kitsch kleinodige kunstwerke schafft, ist nicht coverbar.


    als hardcorempfehlung das:



    :hello:

  • Hallo Observator,
    Entshuldigung,aber ich las am Anfang:Fritz Wunderlich,und der
    konnte doch wohl nicht mal weanerisch.Der Vergleich mit
    Zarzuelas hinkt ja wohl auch.Ein Vergleich mit neapolitanischen
    Liedern wäre da noch angebrachter.Die Sänger Patzak und Kunz
    waren immerhin echte Weaner,und beherschten den oftmals
    melancholischen Charakter der Weaner Lieder perfekt.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Hallo


    observator hatte nicht ganz Unrecht. Will man das Wienerlied wirklich kennenlernen, muss man einige wichtige Natursänger kennen (und Hans Moser wäre kein schlechter Anfang, einfach weil man ihn ohnehin noch(?) gut kennt und er eine sehr charismatische Ausprägung dieser Spezies darstellt; aber weitere Tips sollte man sich besser bei den Weanern holen...).


    Auf der anderen Seite darf es natürlich nicht verboten sein, als Wienerlied-Interpret gut singen zu können. Und so empfinde ich Julius Patzak und Erich Kunz sehr wohl als hörenswerte Interpreten, während man bei Fritz Wunderlich in erster Linie staunen kann, wie gut er auch das noch hinkriegt. Dennoch ist er beim Wienerlied nicht mehr zu Hause als Domingo bei Wagner. ;)


    Hinweisen möchte ich aber auf die große Wienerlied-Edition, die der ORF vor ca. einem guten Jahrzehnt eingespielt hat. Ich weiß nicht wieviel davon noch erhältlich ist, aber Walter Berry, Heinz Zednik und (gegen Ende noch hinzugekommen) Angelika Kirchschlager geben auch ein sehr erfreuliches Team ab.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Na , das ist ja drollig. Vor ein paar Jahren hatte ich Kontakt mit Heinz Zednik, aber es kam dann nicht zu einer Zusammenarbeit. Von seiner Wienerlied-Sympathie hatte er mir allerdings nichts gesagt.


    Apropo Domingo: es gibt eine "Wiener" CD mit ihm, die mich aber außer seiner Stimme nicht wirklich überzeugt. Nun ja, vielleicht ist er auch nicht der ideale deutschsprachige Interpret. Auch seine neue CD unter dem Titel "Italia, ti amo" reißt mich nicht vom Hocker, da sie stimmlich zwar akzeptabel ist, aber sprachlich eher mäßig und ganz bestimmt nicht von der wünschenswerten "Italianita" geprägt ist; da gibt es deutliche bessere Interpretationen von Caruso, Corelli, di Stefano, Gigli oder Schipa. Dagegen kenne ich keinen besseren lebenden männlichen Zarzuela-Interpreten - und erst seine Mariachi-CD ist vom ersten bis zum letzten Titel absolute Spitze!


    Herbert, Dein Bezug vom Wienerlied zu den neapolitanischen Liedern ist interessant. Ich werde darüber noch nachdenken. Immerhin sind die Wiener Lieder und die neapolitanischen Lieder ja mein liebstes, bevorzugtes Repertoire. Vielleicht erklärt sich ja dadurch meine Passion, weil eine -vermutlich von den Emotionen her- Verwandschaft besteht. Oder weil sie gleichermaßen der musikalische Ausdruck ihrer einfachen, normalen Landsleute sind? Also doch im eigentlichen Sinne Musik des jeweiligen Volkes, welches sich darin wiederfindet bzw. sich dadurch repräsentiert fühlt? Spannender Denkansatz!


    Und noch ein Wort zu Wunderlich, der auch eine deutliche Liedpräferenz hatte. Einige der von ihm gesungene Lieder waren mir auch schon davor bekannt. Seine klassische Interpretation aber hatte mich ganz spontan tief ergriffen. Aber auch wenn Moser und Hörbiger interpretierten war ich berührt, aber auf andere Weise, schlichter, natürlicher! Dennoch gibt es eine (wienerische) Verbindung, denn es zeigt sich die mögliche Interpretation im Konzertsaal oder Salon ebenso, wie die auf der Straße oder im Heurigenlokal, bei diversen Festen, Feiern, Dampfschiffahrten etc..


    Vielleicht ist es deshalb auch meine innere Verbundenheit, daß ich so gern auch Liedertexte für Wiener Lieder schreibe.


    Jedenfalls danke ich allen für die rege Beteiligung. :yes:



    Ciao :hello: Principe

  • Hallo,


    ich hätte auch eine Frage an die "Weana":


    Im welchen Verhältnis stehen denn die Lieder aus den Stücken von Ferdinand Raimund und Johann Nestroy zum "Wiener Lied"? Gibt es da Überschneidungen (z.B. beim populären "Hobellied") oder sind das zwei unterschiedliche Sphären?


    Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Principe,
    die neapolitanischen Lieder sind Dialektlieder.
    Sie handeln von Liebe,Wein,Landschaft und auch manchmal
    vom Tod.Es sind keine Volkslieder.Ich glaube,das trifft auch
    alles auf die Wiener Lieder zu.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

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  • Hallo Giselher!
    Das sind die typischen "Couplets", die in einem stilisierten Volksliedtonfall gehalten sind - aber es sind eben Verfeinerungen. Das "Hobellied" etwa ist von Schubert nicht gar so weit weg, und auch der Papageno lugt bei diesen Couplets alle Ecken und Enden aus den Noten hervor. (Bzw. haben sich Mozart und Schubert mitunter am Tonfall dieser Couplets orientiert.)


    Die wichtigste ältere Sammlung des Wienerlieds sind die drei Kremser-Alben, von denen die ersten beiden in Musikantiquariaten regelmäßig auftauchen, das dritte ist etwas seltener zu bekommen.
    In diesen Kremser-Alben werden die Melodien mit einer Harmonisierung für Klavier geboten. Es sind übrigens auch einige einfachere Walzer von Strauß und Lanner enthalten - die Grenze zur Volksmusik wird also fließend.
    Bei den Liedern stehen zumeist Textdichter und Komponist dabei - es handelt sich also oft nicht um "Volksmusik" im eigentlichen Wortsinn, sondern eher um "volkstümliche Musik". Aber es gibt auch Melodien von unbekannter Hand.


    Bei der Wienerliedinterpretation ist Hans Moser IMO ein sehr guter Einstieg, vorausgesetzt, man mag seine Art, die Lieder eher vernuschelt zu sprechen als sie zu singen. Was bei Moser freilich unvergleichlich ist: Der Klang des Wienerischen wird in Reinkultur dargeboten, und da klingt dann die Sprache von selbst.


    Eine wahre Großtat des ORF war dann die von Theophilus oben angesprochene Edition der erwähnten Kremser-Alben mit Zednik, Berry und Kirchschlager, die geradezu Idealaufnahmen dieser Lieder hinlegen und wunderbar die Balance zwischen stilisiertem und echtem Wienerlied-Tonfall halten.
    Wenn man nicht gleich zu echten Volkssängern greifen will, ist diese Sammlung des ORF das denkbar beste Reservoir an Wienerliedern.


    :hello:

    ...