Einen regelrechten Schock bekam ich, als ich lesen mußte, daß eine Radioasustrahlung von Bartoks "Cantata Profana" unter der Leitung von André Rieu im August diesen Jahres geplant ist.
Hilfe.
Ich fasste all meinen Mut zusammen und schaute ein zweites mal in das Programheft. Es würde sich aufklären. Ruhig durchatmen. SO verrückt kann diese Welt nicht sein.
ANDRÉ RIEU - DIRIGENT.
Ganz gelassen und meiner Selbstzweifel völlig unbewusst sprangen mir die Buchstaben ein zweites mal ins Auge, indes -wie mir schien - mit noch mehr Elan, als wollten sie mir zuflüstern: "Hey Kumpel, nimms leicht, that´s life."
Meine Umgebung verschwamm - sie begann sich aufzulösen, wie eine gttverdammte Brausetablette. Ich schnappte meine CD rannte zur Kasse und brachte ein "Zahlen" hervor. Zahlen? Das war das Stichwort.
Zahlen dominieren mein Leben, nicht immer erheiternd, aber dieses mal sollten sie meinen Verstand retten.
Letzte Ecken meines Verstandes dirgierten meine Augen ein Strück tiefer.
Die Aufzeichnung stammte aus dem Jahr 1971. Neunzehnhunderteinundsiebzig. Zweifel regten sich in mir - war dieser Mensch etwa ein seriöser Dirigent, bevor er Geschmack und Vernunft den Kampf ansagte?
Wieder zu Hause schleppte ich mich mit letzten Kräften zu meinem Computer und googlte. Warum ich? Warum ausgerechnet ich?
Ich gab den Namen ein - schon das bloße Schreiben glich einem Kraftakt - und fügte ein "Dirigent" hinten an.
Jetzt mußte alles ganz schnell gehen. Zu lange gewartet mit dem ENTER-Drücken, hätte sich mein letzter Rest Verstand verabschiedet, meine Augäpfel hätten ob der Kombination "André Rieu" und "Dirigent" vor Scham ihren mir bisher so treuen Dienst versagt.
Doch dann geschah es. Meine Umwelt gewann urplötzlich wieder Konturen, die Brausetablette setzte sich wieder zusammen, wie in einem Film, den man rückwärts laufen lässt: André Rieu - Vater - seriöser Dirigent.
5 Buchstaben entschieden zwischen Sinn und Wahnsinn - zwischen Verstand und Idiotie.
Es verbarg sich nicht viel hinter der angewählten amazon-Seite: Eine CD André Rieu - der Vater und eine Bemerkung eines mir unbekannten Menschen, der auf den gleichnamigen Vater und seine Rolle als seriösen Dirigenten hinwies. Zurück zu den Suchergebnissen fand ich einen wikipedia-Hinweis. Natürlich über junior.
" Der Niederländer stammt aus einer Musikerfamilie und wuchs mit klassischer Musik auf. Sein Vater André Rieu sen. war bereits Chef der Leipziger Oper und lange Jahre Dirigent des LSO (Limburgs Symphonie Orkest)...."
Diese Worte wirkten wie eine sanfte Brise nach dem Orkan, dem sich mein Bewußtsein ausgesetzt fand. Senior war angeblich - natürlich nur in höchst gemäßigten Maße - am Entwickeln der HIP-Szene beteiligt. Sein Dirigat wird mit dem Marriners verglichen.
Mir schoss wieder Bartok durch den Kopf. War es denn nun der Vater? Im festen Glauben daran, daß es zumindest nicht der Sohn war und mit einiger Wahrscheinlichkeit der Vater (vielleicht gibt es einen dirigierenden Namensvetter?) übermannte mich der Schlaf dermaßen heftig, daß ich es in letzter Sekunde zu meinem Bett schaffte.....
Wulf.