Schumann: Das kammermusikalische Werk

  • Hallo, Kammermusikfreunde!



    Es ist sehr schade, daß zu diesem Thema im Forum bislang weitgehend geschwiegen wurde. Andererseits gibt es nun die Möglichkeit für einen umfassenden, systhematischen thread, in dem das versäumte aufgearbeitet werden kann.


    In diesem Eröffnungsbeitrag werde ich das Kammermusikschaffen Schumanns zunächst umreißen, ohne näher auf die Werke einzugehen.
    Ich hoffe sehr, daß der ein oder andere Forianer, der die Kammermusik Schumanns mag, hier etwas beitragen kann, sei es dadurch, ein Werk oder dessen Entstehungsumstände näher zu beschreiben oder dadurch, interessante CD-Aufnahmen der Werke zu nennen.


    Ich selbst habe nur wenige CDs mit Schumanns Kammermusik, dabei lediglich zwei Werke in zwei Aufnahmen. Die Violinsonaten und Klaviertrios sind mir immer noch noch gänzlich unbekannt. Also auch bei mir gibt es Nachholbedarf.



    Nun zum eigentlichen Thema:


    In seiner Jugendzeit hat Robert Schumann (1810-1856) nur ein einziges Kammermusikwerk komponiert; es handelt sich um das 1829 entstandene Klavierquartett c-moll WoO 32.


    Seine bekanntesten Kompositionen auf diesem Gebiet stammen aus dem Jahre 1842, das man wohl als Schumanns "Kammermusikjahr" bezeichnen kann. Es entstanden nacheinander:
    Streichquartett a-moll op. 40 Nr. 1
    Streichquartett F-dur op. 40 Nr. 2
    Streichquartett A-dur op. 40 Nr. 3
    Klavierquintett Es-dur op. 44
    Klavierquartett Es-dur op. 47
    Fantasiestücke für Klaviertrio op. 88


    Als Nachzügler entstand Anfang 1843 noch Andante und Variationen für 2 Klaviere, 2 Violoncelli und Horn B-dur WoO 10 Nr. 1 , siehe hier.


    1847 dann komponierte Schumann zwei Klaviertrios:
    Klaviertrio d-moll op. 63
    Klaviertrio F-dur op. 80


    Die Werke des Jahres 1849 waren dann weniger formale, kleinere Kompositionen:
    Fantasiestücke für Klavier und Klarinette (ad lib. Violine oder Violoncello) op. 73
    Adagio und Allegro As-dur für Klavier und Horn (ad lib. Violoncello oder Violine) op. 70
    Fünf Stücke im Volkston für Violoncello (ad lib. Violine) und Klavier op. 102
    Drei Romanzen für Oboe (ad lib. Violine) und Klavier op. 94


    Nach dem Umzug nach Düsseldorf komponierte Schumann dann vorwiegend für die Besetzung Klavier und Violine.
    1851 stellte er fertig:
    Märchenbilder für Klavier und Viola (ad lib. Violine) op. 113
    Violinsonate a-moll op. 105
    Klaviertrio g-moll op. 110
    Violinsonate d-moll op. 121


    Und 1853 folgten seine letzten Kammermusikwerke:
    Violinsonate a-moll WoO 22
    Märchenerzählungen für Klarinette (ad lib. Violine), Viola und Klavier op. 132



    Zusätzlich zu diesen Originalkompositionen arrangierte Schumann sowohl Bachs Sonaten und Partiten für Violine solo als auch Paganinis Capricen für Violine solo für Violine und Klavier. Außerdem fertigte er Arrangements für Violoncello und Klavier von Bachs Suiten für Cello solo an.



    Schließlich sei noch erwähnt, daß auch seine Gattin Clara Schumann (1819-1896) auf diesem Gebiet kompositorisch tätig war. Zu erwähnen ist vor allem das Klaviertrio g-moll op. 17 von 1847.



    Viele Grüße,
    Pius.

  • Ich habe fast alle genannten Werke, kenne jedoch z.B. die Violinsonaten und die Klaviertrios bisher kaum. Die Streichquartette, sowie Klavierquartett- und -quintett kenne ich ganz gut und habe sie in den letzten Tagen mal angehört. Sie gehören fraglos zu den wichtigsten und originellsten Werken der Kammermusik der Romantik. Ich kann in den nächsten Tagen gern Näheres nachliefern (zumal ich vom Quintett 4 oder 5, vom Klav-Quartett 2 und von 1. Streichq. 3 Einspielungen besitze)
    (Ich kann momentan nicht von dort posten, wo meine CDs sind und nicht hören, von wo ich poste...)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo, Johannes!


    Danke! Ich dachte schon, das wird ein Monolog von mir werden. :wacky:
    Es ist dennoch erschreckend, wie wenige diese Werke interessieren. 8o
    Ich habe vor, möglichst heute noch etwas über das Klavierquintett zu schreiben, mein Liebblingswerk unter den oben aufgeführten.
    Wenn Du etwas über z.B. das Klavierquartett schreiben könntest, das wäre toll! :yes:


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo,


    gerne würde ich an der Besprechung dieser Werke teilhaben, allerdings gehören sie zu den (wenigen?) klassischen Streichquartettwerken, die ich wenig kenne und nicht besitze. Ich habe die drei Schumann-Quartette vor mehreren Jahren lediglich einmal gehört; sie haben mir nicht sonderlich gefallen (ich glaube, mit Ausnahme eines adagio-Satzes). Vielleicht lag das damals an meiner Stimmung oder ich habe nicht richtig zugehört - ich weiß es nicht mehr.


    Ich würde mich freuen, wenn Ihr mir die Streichquartette schmackhaft machen würdet, so dass ich mich mit diesen noch einmal befassen kann.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • na jetzt traue ich mich doch auch, nicht sehr tiefschürfendes herzunudeln ...


    ich habe das f-dur-klaviertrio gespielt und bin restlos begeistert davon.


    besonders fein beim spielen sind diese vielen vortragsanweisungen (akzente, fp, sforzati - und zwar in großer menge), die die melodik gliedern und eine ungemeine spannung und komplizierte ausdrucksintensität bewirken (im krassen gegensatz zu mendelssohns kantileniger melodieseeligkeit), und die mir ungemein viel spass gemacht haben.


    und dann das ende der durchführung im ersten satz mit diesem absurden chromatischen hinaufschrauben der sextenschritte oder was das war,
    WAHNSINN!
    :jubel:

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Das Werk ist viersätzig:


    1. Allegro brillante
    2. In modo d’una marcia. Un poco largamente – Agitato
    3. Scherzo. Molto vivace
    4. Allegro, ma non troppo


    Komponiert wurde es innerhalb kürzester Zeit im Herbst 1842. Am 23. September begann Schumann mit dem Komponieren und am 28. notierte er bereits im Tagebuch: „Ziemlich fertig mit dem Quintett“.
    Am 13. September – dem Geburtstag der Widmungsträgerin Clara Schumann - des darauffolgenden Jahres erschien das Werk bei Härtel im Druck.


    1. Satz: In Sonatenhauptsatzform gehalten, setzt der Satz kräftig und entschlossen mit dem Hauptthema ein. Im weiteren Verlauf dominieren jedoch eher verträumte, lyrische Passagen. Die Durchführung ist „dramatisch“. Der Satz ist schön anzuhören, hat nicht den Tiefgang des folgenden. Ohne es nachvollziehen zu können, zitiere ich:


    Zitat

    Beleuchtet man den unmittelbaren Anfang der Durchführung näher, so erkennt man, daß die Streicher jeweils nacheinander in deutlich von den anderen Stimmen abhebenden Abwärtsbewegungen einsetzen. Dieser überkommene Topos (Katabasis) diente im 17./18. Jhdt. Zur bildhaften Darstellung von Textaussagen und nimmt hier bereits Gedanken des folgenden Trauermarsches vorweg. Dies wird wenig später noch durch die mehrfach eingesetzte und auch im Trauermarsch wieder erklingende leere Quint und die als Leidensmotiv zu deutenden Sekundschritte unterstützt.


    Das mag ein exemplarischer Hinweis auf die feine konzeptionelle Arbeit Schumanns bei diesem Werk sein.


    2. Satz: Der Satz beginnt schleppend als Marcia funebre in c-moll. Das Trauermarsch-Thema (passt auch prima zu den erlahmenden Bewegungen bei der großen Hitze derzeit) kehrt rondoartig wieder, der ganze Satz ist in etwa A-B-A-C-A-B-A aufgebaut. Der B-Teil ist dabei schwärmerisch-melancholisch, der C-Teil vehement und aufbegehrend.
    Der 2. Satz wird meist als „Herzstück“ des Quintetts bezeichnet. In gewisser Weise ist er auch der gewichtigste, mich jedoch zieht es immer zum Finale hin.
    Der Satz verklingt ebenso leise und schleppend wie er begann.


    3. Satz: Es ist ein schnelles Scherzo, das nach dem verebbenden Trauermarsch wie aus dem Nichts in heiterstem Es-dur hervorbricht. Diesen Satz änderte Schumann nachträglich:


    Zitat

    Mendelssohn (der an einem ersten Durchspielen im Dezember 1842 teilnahm) übte Kritik am zweiten Trio im Scherzo. Schumann schenkte dem gebührende Achtung und ersetzte das trio durch einen lebendigereren Abschnitt.


    Noch was für die Experten:


    Zitat

    Das doppelte Quintmotiv geht bereits auf die erste Zeit der Freundschaft Schumanns mit Clara Wieck zurück, als er auf der Grundlage der von ihr komponierten „Romance variée por le piano“ op. 3 über dieses Thema eigene Variationen mit einem neugegliederten Baß, eben jenem Quintenmotiv, entworfen hatte.


    4. Satz: Für mich einer der besten Sätze Schumanns überhaupt. Die Grundtonart ist c-moll, und dennoch klingt es leicht, hüpfend, verzückend – es fällt mir schwer zu beschreiben, was ich genau daran so sehr mag und warum – es passt einfach alles. Der Satz endet schließlich in Es-dur.


    Zitat

    Das abschließende Allegro, ma non troppo ist ein breit angelegter Satz kaleidoskopartig wechselnder Teilabschnitte. Deren Abfolge orientiert sich in freier Weise am Verlaufsprinzip des Sonatenrondos. Die kraftvolle Anfangspartie, deren Eröffnungsakkord an den Beginn der Eroica erinnert, basiert auf drei kurzgliedrigen thematischen Figuren, dem dominanten Dreiklangsmotiv und seiner Gegenfigur, sodann einem Skalenmotiv, das mit der Figurationsstimme der Scherzopartie aus dem 3. Satz korrespondiert.


    Zitat

    Das Glanzstück kommt jedoch in der Coda des Werkes, wo Schumann die einleitenden Themen des ersten und des letzten Satzes miteinander kombiniert und danach andere charakteristische Bestandteile einbezieht, die sich im Laufe dieses aufheiternden Stückes bemerkbar machten.



    Die Zitate sind aus dem Reclam-Kammermusikführer, dem Reclam-Musikführer Schumann und dem Booklet dieser Doppel-CD



    die bislang meine einzige Aufnahme ist. Für die Nennung weiterer interessanter Aufnahmen (Johannes?) wäre ich dankbar!

  • Hallo, Uwe!


    Was? Ausgerechnet die Quartette von Schumann kennst Du / hast Du nicht? 8o
    Dann schaff Dir mal schnell eine Aufnahme an!


    Auch Clara Schumann haben die Werke überzeugt:


    Zitat

    Jetzt fange ich an, Gefallen an der Quartettmusik zu finden, denn bis jetzt muß ich offen bekennen, langweilte mich diese Musik meistens, ich konnte das Schöne nicht herausfinden.


    Später schrieb sie gar:


    Zitat

    Ich kann über die Quartette nichts sagen als daß sie mich entzückten bis ins Kleinste. Da ist alles neu, dabei klar, fein durchgearbeitet und immer quartettmäßig.


    Näheres zu den Werken im Laufe der nächsten Wochen...


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Pius,


    was soll ich um die Meinung einer Person geben, die sagt:


    Zitat

    Jetzt fange ich an, Gefallen an der Quartettmusik zu finden, denn bis jetzt muß ich offen bekennen, langweilte mich diese Musik meistens, ich konnte das Schöne nicht herausfinden.


    ?


    Wo es doch in der gesamten Kunst (für mich) nichts größeres gibt als die späten Beethoven Quartette!


    Wenn aber Du und weitere hier diese Werke empfehlen, ist das etwas anderes. Ich werde mir die Quartette sofort zulegen und bestellen. Aber in welcher Einspielung? So viele Einspielungen von meinen Lieblingsquartettformationen scheint es, wie ich gerade gesehen habe, gar nicht zu geben, oder?


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Die Streichquartette sprechen mich nicht so unmittelbar an, aber das Klavierquintett zählt schon seit vielen Jahren zu meinen absoluten Lieblingswerken. Und ich kann auch verstehen, daß es Pius immer zum Schlußsatz zieht. Es ist unglaublich, wie sich die Musik hier in immer leidenschaftlicheren Steigerungen bis zur Coda hinaufschraubt und einem schließlich völlig den Atem und den Verstand nimmt. Für meine Ohren ist das einer der ganz großen Würfe der Musikgeschichte.


    Ich habe eine alte Plattenaufnahme mit Jörg Demus und dem Wiener Kammerensemble. Sie reicht mir zur Vermittlung des großartigen Stücks völlig aus (angesichts solcher Musik benötige ich keine außergewöhnliche Interpretation), aber inzwischen gibt es sicherlich bessere Einspielungen.


    Das Klavierquartett, welches von vielen als dem Quintett ebenbürtig betrachtet wird, kann mich nicht annähernd so begeistern. Dagegen gefallen mir die Violinsonaten wieder sehr gut. Die in a (op.posth.) besitzt ein ähnlich exstatisches Finale wie das Quintett.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Das geringe Interesse an Schumanns Kammermusik mag auch damit zusammenhängen, dass es wirklich wenige herausragende Einspielungen gibt - mal abgesehen vom Klavierquintett (meine Favoriten: Rubinstein und Guarneri Quartett, R. Serkin und das Budapest String Quartett). So erschloss sich mir der Reiz des ersten Klaviertrios in d-Moll erst durch folgende Aufnahme:



    Im Unterschied etwa zum Beaux-Arts-Trio, die das Werk mit starken Temposchwankungen vermeintlich 'romantisch' spielen, dadurch aber die Struktur verwischen, gibt Richter ein gleichmäßiges Tempo vor, er gliedert das Werk mit großem Überblick aus dem Untergrund und schafft so ein Fundament, auf dem sich die leidenschaftlichen Ausbrüche (1. Satz) um so stärker entfalten können. Das ist schlichtweg großartig. Aber es bedarf eben auch eines Ausnahmepianisten wie Richter, um diese Musik - die sicher schwerer zugänglich ist als Schumanns Klaviermusik - ins Lot zu bringen. Die anderen Aufnahmen auf der CD mit Elisso Wirssaladze am Klavier sind ok, fallen aber naturgemäß etwas ab.


    Viele Grüße,
    Christian

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo!


    @ Uwe:



    Das sollte ja kein echtes Argument sein, sondern eher ein "Schmankerl". Da Du Dich allerdings sehr für Kammermusik interessierst, ist das fast verpflichtend, die Schumann-Quartette kennenzulernen...


    Zitat

    Wenn aber Du und weitere hier diese Werke empfehlen, ist das etwas anderes. Ich werde mir die Quartette sofort zulegen und bestellen. Aber in welcher Einspielung? So viele Einspielungen von meinen Lieblingsquartettformationen scheint es, wie ich gerade gesehen habe, gar nicht zu geben, oder?


    Ich kenne Deine Lieblingsquartett-Formationen nicht, jedenfalls scheint es aber tatsächlich keine Aufnahmen von ABQ, Emerson, Juilliard, Amadeus Quartett und anderen berühmten zu geben - zumindest nicht aktuell im Handel.
    Ich kenne nur die Cherubini-Quartett-CDs, die ich oben abgebildet habe und noch op. 41 Nr. 1 einzeln mit dem Gewandhausquartett.


    Wenn ich aus dem aktuellen JPC-Angebot eine Aufnahme kaufen würde, dann sicher diese:



    Das Arcana-Label scheint bei Kammermusik Garant für hohe Qualität zu sein...



    @Bernd:


    Zitat

    Die Streichquartette sprechen mich nicht so unmittelbar an, aber das Klavierquintett zählt schon seit vielen Jahren zu meinen absoluten Lieblingswerken


    Ja, das Quintett war "Liebe auf den ersten Blick". Bei den Quartetten hat mich zuerst das Moll-Werk, also Nr. 1, angesprochen, aber längst nicht so sehr. Ich glaube, man muß diesen Werken Zeit geben. Bei op. 41 Nr. 3 hat es lange, lange gedauert bis es bei mir "klick" gemacht hat und ich plötzlich gemerkt habe, was das für eine grandiose Komposition ist! Ich schätze sie inzwischen fast so sehr wie das Klavierquintett. Op. 41 Nr. 2 ist für mich ein "Schönwetterquartett", ideal für den Sommer...


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Das Klavierquartett (für einen ausführlicheren Kommentar muß ich nochmal um Geduld bitten) ist gewiß nicht so ein "Feger" wie das Quintett, sondern lyrischer (mehr Eusebius als Florestan), aber auch ein sehr schönes Werk, das mich teils deutlich an einiges beim späten Beethoven erinnert.
    Zu den Quartetten würde ich mich auch gerne nochmals ausführlicher äußern. 2 &3 kenne ich bisher auch nur in der von Pius genannten Einspielung, das a-moll außerdem noch mit dem Hagen und dem Petersen-Quartett. Die sind beide schlanker als die etwas pastosen Cherubinis, das Hagen-Q. spielt das Werk stellenweise geradezu fiebrig(ich habe 2&3 mit denen jetzt bestellt), ist wohl aber nicht jedermanns Sache. Das a-moll ist mit dem Klav.-Quintett (P. Gulda) gekoppelt, eine sehr mitreissende, wohl aber polarisierende Aufnahme (für den ersten Satz benötigen meine drei anderen, Cherubini, Emerson und Smetana-Q. mit Partnern ziemlich exakt 9 min, die Hagens knapp 7:30, die anderen Tempi sind aber im Durchschnitt. Zwar habe ich in den letzten Tagen die alle gehört, möchte aber noch keine vergleichende Wertung aussprechen. Das Werk ist (im Gegensatz zu vielen anderen Schumann-Stücken) anscheinend ziemlich robust. Die Hagens sind mit der großartigen Energie und Überschwang im Kopfsatz und dem sehr fahl gestalteten Trauermarsch (der ist, wie manche Schubert-Sätze weniger ein Marschieren als ein stolperndes sich-dahin-schleppen), aber definitiv hörenswert. Emerson/Pressler sind hier wie im Quartett hochprofessionell, aber für mein Gefühl ein wenig zu "neutral".


    Schumann hat alle 3 Streich-Quartette anscheinend innerhalb von ca. 2-3 Wochen geschrieben, nachdem er Quartette von Haydn, Mozart, Beethoven ausführlich studiert (und mit Clara am Klavier durchgespielt hatte). Mir gefällt das a-moll-Quartett bisher auch mit Abstand am besten (ich kenne es aber auch am besten), das ist ganz gewiß eines der bedeutendste Werke in der Gattung nach Beethoven (vom subjektiven Gefallen liegt es mir näher als alle 3 Brahms-Quartette)


    Die HIP-Einspielung mit dem Kujken-Q. würde ich zumindest nicht ohne Probehören kaufen; HIP bei Schumann ist mir etwas suspekt (wobei ich allerdings die Unterschiede zwischen HIP- und Un-HIP-Streichquartetten meist als unwesentlich empfinde, anders als Ulli)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo, Johannes!


    Zitat

    Das Klavierquartett (für einen ausführlicheren Kommentar muß ich nochmal um Geduld bitten) ist gewiß nicht so ein "Feger" wie das Quintett, sondern lyrischer (mehr Eusebius als Florestan)


    Das erinnert mich daran, daß ich beim Recherchieren für op. 44 auf eine szenische Interpretation des Werkes mit Eusebius und Florestan als Akteuren stieß (das wiederum erinnerte mich an unsere Diskussion zu Beethovens "Sturm"-Sonate). Ich hoffe, das ist Unsinn - oder haben die beiden Figuren möglicherweise doch so großen Einfluß auf Schumanns Komponiern gehabt? (Carnaval, Davidsbündlertänze mal ausgenommen)


    Zitat

    Mir gefällt das a-moll-Quartett bisher auch mit Abstand am besten


    Was heißt "auch"? Bei mir führt mitlerweile mit Abstand das dritte in A-dur (habe mich aber dahingehend unklar ausgedrückt), zu dem ich auch folgende Meinung habe:


    Zitat

    das ist ganz gewiß eines der bedeutendste Werke in der Gattung nach Beethoven


    Zitat

    HIP bei Schumann ist mir etwas suspekt


    Blind (bzw. taub) kaufen würde ich die CD für 20 Euro auch nicht.
    Allerdings ist z.B. die HIP-Einspielung des Schubert-Streichquintettes des Quatuor Festetics (auch bei Arcana) wirklich klasse!


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius


    @ Uwe:


    Ich kenne Deine Lieblingsquartett-Formationen nicht, jedenfalls scheint es aber tatsächlich keine Aufnahmen von ABQ, Emerson, Juilliard, Amadeus Quartett und anderen berühmten zu geben - zumindest nicht aktuell im Handel...


    Es gibt eine Juilliard-Ges.-Aufn. (CBS, die aber leider wohl nie auf CD erhältlich war) Dem Vernehmen nach ist sie sehr gut (nachvollziehbar anhand op. 47 mit Gould). Von den "klassischen Quartetten" hat außerdem das Q. Italiano die Stücke eingespielt (Philips). (Mich würde nicht wundern, wenn es auch eine Amadeus-Aufn. in den Archiven gibt).
    Es gibt aber wirklich nicht sehr viel (was allerdings bis vor ein paar Jahren bei Mendelssohns Quartetten genauso war). Welcehs Quartettensemble spielt denn in der Brilliant-Box?


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Schumanns Streichquartette - Herausforderung pur... Ich spreche da auch aus praktischer Erfahrung, also nicht nur vom Hören her. Das für Schumann so typische Rhythmisch-wider-den-Stachel-Löcken wird hier geradezu auf die Spitze getrieben, noch mehr als bei allen anderen Werken Schumanns, die ich je unter den Fingern haben durfte. Den romantischen Odem aus diesem Gespinst feinster Ösen und Widerhaken heraus zum Klingen, ins Ohr und Herz des sehnsüchtigen Hörers zu bringen, das ist wahrlich keine kleine Aufgabe. Diese Quartette spielen und entfalten sich ganz und gar nicht von selbst.


    Die größte Faszination übt auf mich das 3. Quartett in A-dur aus, vielleicht weil es beim ersten Zugang das widerspenstigste ist. Voller Ideen, voller Überraschungen, voller plötzlicher Stimmungswechsel und kleinster Nuancen, von denen jede wichtig ist. Gemeinplätze, die zu vielen Werken passen? Man höre, lese die Partitur, spiele (sofern Streicher) - und staune. Am konventionellsten wirkt der dritte Satz, ein herrliches Adagio molto. In den Ecksätzen ist man da wohl weniger schnell zu Hause. Im ersten Satz gibt es eine Passage, die m.E. einmalig in der gesamten Literatur der Zeit ist: Ich meine die T. 46 - 75 sowie die ähnliche Stelle T. 154 - 169. Das kantable Thema beginnt sozusagen auf dem linken Fuß (nämlich auf dem "falschen" Taktteil) und wird ellenlang von stecknadelartigen Piano-Achteln im Gegentakt von den drei anderen beunruhigend störend untermalt. Bei mehreren Aufnahmen stimmt es schon rein buchhalterisch an dieser Stelle nicht - scheint mir, sollte ich sagen, denn an so einer Stelle kann selbst der unbestechlichste Beckmesser an sich irre werden; erst recht also jemand, der wie ich doch gar nicht beckmessern möchte! Die Frage, ob die Stelle "wirklich stimmt", ist denn auch weniger wichtig als die Frage, ob sie - stimmt. Was hat sich Schumann nur dabei gedacht?


    Eben habe ich zwei Aufnahmen, die ich davon besitze, verglichen. Beim Auryn-Quartett (Tacet 102, aus dem Jahr 2001) klingen die besagten Stellen ähnlich einem rückwärts laufenden Tonband. Ich habe beim Hören immer wieder das Gefühl, daß dieses Ensemble am ehrlichsten den völlig aus dem Rahmen fallenden Notentext widergibt. Das Ergebnis ist ein Klangeffekt, den ich erst in der Musik ca. 120 Jahre nach Schumann wiedergefunden habe. Wenn es wahr ist, daß Schumann das so wollte - und geschrieben hat er es so! -, dann handelt es sich um einen revolutionären Vorgriff, wie man ihn in anderer Weise bekanntlich den letzten Beethoven-Quartetten zuerkennt. Ich bin daher froh, die Aufnahme des Auryn-Quartetts zu haben, obwohl ich die Gesamt-Interpretation weniger gelungen (und die CD-Qualität weniger gut) finde als die des Hagen-Quartetts (DG 449214, aus dem Jahr 1996). Die besagten Stellen im ersten Satz werden vom Hagen-Quartett in gekonnter Eleganz "entschärft", für mich so, als habe man eine Peinlichkeit zugedeckt; ja, es klingt schon schön - aber wollte Schumann das so? Bei den Auryns höre ich alles, was die Partitur sagt, während ich bei den Hagens das Gefühl nicht los werde, daß geschummelt wurde. Aber ansonsten... Das "Assai agitato" ist so überzeugend assai agitato, daß sich beim Hören rastlose Unruhe einstellt, das "Tempo risoluto" ist wirklich resolut, das "Finale molto vivace" so lebhaft, wie es nur sein kann. Und alles, alles von erlesener Eleganz. Das ist eine bestens zu empfehlende Aufnahme, finde ich.


    Aber es ist schwerer zu sagen, ob eine Interpretation stimmt als ein


    Lagenwechsel

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo Lagenwechsel,


    ich besitze die Schumann Quartette in einer Einspielung des Melos-Quaretts, gekoppelt mit dem Brahms-Quartetten (DG, vergriffen, kein Bild im Internet gefunden). Die Aufnahme ist meines Erachtens - wie eigentlich alles, was das Medlos Quartett für die DG aufgenommen hat - strukturbetont, präzise und ausdrucksstark. Der Ton könnte vielleicht noch etwas klangschöner sein, das war aber noch die Stärke dieses Quartetts (siehe Beethoven-Gesamtaufnahme, auch DG). Ich würde die beschriebene, interessante Passage gerne überprüfen, besitze aber die Noten nicht. Kannst du einen timecode angeben zusammen mit der Gesamtlänge des Satzes in der dir vorliegenden Einspielung vom Auryn Quarett? Das wäre für mich zur Orientierung hilfreich.


    Viele Grüße,
    Christian

  • Hallo, Christian!


    Zitat

    Original von Christian B.
    Kannst du einen timecode angeben zusammen mit der Gesamtlänge des Satzes in der dir vorliegenden Einspielung vom Auryn Quarett? Das wäre für mich zur Orientierung hilfreich.


    Also, bei meiner Aufnahme mit dem Cherubini Quartett ist die Stelle von 1'27 bis 2'13 (Gesamtlänge das 1. Satzes: 7'56).


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Pius,


    Danke für den Hinweis, ich hatte die Stelle durch die Beschreibung von Forianer 'Lagenwechsel' eigentlich schon gefunden, wollte mir aber sicher sein. Beim Melos Quartett klingt die Passage stimmig und in allen Details durchhörbar, wenn auch ungewohnt: das zunächst aufsteigende Thema (ist es nicht das Seitenthema des Satzes?) ist wunderschön, es irritieren aber in der Tat die rhythmischen Akzente der anderen Streicher, die die Melodie gegen den Strich oder eben "im Gegentakt" (siehe Beitrag von Lagenwechsel weiter oben) punktieren. Beim mehrmaligen, genauen Hinhören nimmt man diese Passage in ihrer rhythmischen Eigenwilligkeit immer stärker war. In der Darstellung des Melos Quartetts - und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass sie hier schludrig zu Werk gehen - wirkt aber auch diese merkwürdige Akzenturierung stimmig, zumindest soweit ich das ohne Noten beurteilen kann.


    Beste Grüße,
    Christian

  • Hallo liebe TaminoanerInnen


    Für uns die schönste CD mit Kammermusik von Schumann


    Werke für Oboe und Klavier mit Heinz Holliger und Alfred Brendel


    B000026E9Y.03._SS300_SCLZZZZZZZ_V1133616271_.jpg


    Für Schumann, der sich von der Klaviermusik über die Liederzyklen und die Kammermusik schrittweise alle Gattungsbereiche eroberte, bedeuteten Kompositionen für ein Instrument und Klavier musikalisches Neuland. Die Werke sind nicht, wie bei Weber oder Spohr, für bestimmte Bläsersolisten geschrieben. Es sind Manifestationen musikalischer Introversion, denen jede äusserliche Virtuosität fremd sein muss. Diese Stücke haben eine unerhört dichte Motivarbeit und bis zum Äussersten gesteigerte Anforderung an Atemführung und Ausdrucksintensität. Dieser damals fast utopisch scheinenden Ansprüche bewusst, hat Schumann von vornherein alternative Besetzungen vorgesehen. Er selbst hat alle Werke zuerst mit Violine gehört. Für die Oboenromanzen ist sogar erst 1863 eine Aufführung in der ursprünglichen Besetzung verbürgt.
    Alle der auf dieser CD eingespeilten Werke stammen aus dem Jahre 1849, dem fruchtbarsten Kompositionsjahr Schumanns.


    Herzliche Grüsse


    romeo&julia

  • Hallo Pius,


    wollte an dieser Stelle nur mal ein großes Lob loswerden!


    TAMINO hat es mal wieder vollbracht, dass ich mir einige neue Anregungen aus dem Forum für neue CDs geholt habe!


    Und letzte Woche war halt auch besagtes Klavierquintett von Schumann dabei - ich habe mich für die von Dir vorgestellte Aufnahme mit Zacharias und dem Cherubini-Quartett entschieden!


    Das Klavierquintett hat mich wirklich begeistert, vor allem der erste und der letzte Satz sind grandios - ich habe am vergangenen Wochenende fast nix anderes gehört :yes::jubel:


    Bin gerade dabei, die Gattung "Klavier plus Streichquartett/ -terzett" für mich zu entdecken und Schumanns Werkbeitrag kannte ich noch gar nicht (nicht mal theoretisch, sprich: ich wusste gar nicht, dass er ebenfalls ein Klavierquintett komponiert hatte)...


    Nach den Klavierquartetten von Mozart bin ich jetzt aktuell also von Roberts op. 44 sehr angetan!


    Nochmals Danke für diesen Thread und den Tipp an dieser Stelle :jubel:


    (muss man ja auch mal sagen...)

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo MarcCologne,


    falls Du sie noch nicht kennen solltest, auch die drei Klavierquartette und das Klavierquintett von Brahms sind wahre Schätze! Ein weiterer Höhepunkt dieser Gattung ist für mich Dovraks Quintett op.81, z.B. in der Einspielung von S. Richter und dem Borodin Quarett (in der Phillips Originals Serie seit kurzem günstig greifbar, die Aufnahme war lange vergriffen).


    Viele Grüße,
    Christian

  • Hallo Christian,


    danke für den Tipp!
    Ich bin natürlich sehr froh, dass es in der von mir in diesem Jahr für mich neu entdeckten Gattung noch so viel zu "erforschen" gibt....
    Da gehört natürlich auch Brahms dazu - der kommt ganz bestimmt noch an die Reihe - durch den Thread hier bin ich halt zunächst auf Schumanns Gattungsbeitrag aufmerksam - und dann ja auch nicht enttäuscht worden :yes::yes:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Es handelt sich bei dieser Komposition aus dem April 1849 um eine kleine Suite mit fünf Sätzen für Klavier und Cello.


    Vor den revolutionören Unruhen (Niederschlagung der 1848er durch die preußischen Truppen) in Dresden war Schumann aufs Land geflüchtet und schrieb neben den fünf Stücken auch folgende Zeilen:
    Als ob die äußeren Stürme den Menschen mehr in sein Inneres trieben, so fand ich nur darin ein Gegengewicht gegen das von Außen so furchtbar Hereinbrechende.


    Nr. 1 "Vanitas vanitatum". Mit Humor (a-moll)
    Die Nichtigkeit des Seins wird mit Humor genommen - ein ironisch anmutender Satz mit eigenartiger, aber faszinierender Stimmung. Für mich ist dieses Stück das beste und interessanteste der fünf, das hat nicht nur mit der Ohrwurm-Qualität des Themas zu tun.


    Nr. 2 Langsam (F-dur)
    Ein friedliches Stück im Stile eines Wiegenlieds.


    Nr. 3 Nicht schnell, mit viel Ton zu spielen (a-moll)
    Das volksliedhafte Stück gehört wegen seiner Doppelgriffpassagen zu den technisch anspruchvollsten Werken der Cello-Kammermusikliteratur.


    Nr. 4 Nicht zu rasch (D-dur)
    Dieses sehr kurze Stück ist im Tonfall eines Marsches komponiert.


    Nr. 5 Stark und markiert (a-moll)
    Das Schlußstück ist der Gegenpol zum "Vanitas vanitatum", eine weniger auffällige Caprice mit subtilem Humor.


    Die Stücke sind Andreas Grabau, einem Cellisten des Leipziger Gewandhausorchesters, gewidmet. Dieser spielte es zusammen mit Clara Schumann bei der Uraufführung am 8.6.1850, dem 40. Geburtstag Robert Schuamnns.



    Ich höre mir die Stücke im Volkston gerne immer mal wieder an, vor allem das erste Stück mag ich sehr gerne.
    Uneingeschränkt empfehlen kann ich diese CD mit Cello-Werken von Schumann:


  • Hallo,


    eigentlich hatte ich schon lange vor, das Klavierquintett kennenzulernen, es kam aber irgendwie nie dazu. Aus dem Radio kannte ich das Scherzo, das mir schon immer sehr gefiel.
    Den Schumann-Gedenktag habe ich dann genutzt, um mir endlich eine Aufnahme zu besorgen. Leider hatte der Saturn in Köln nicht allzuviel Auswahl, es sollte ja auch keine Hochpreis-CD werden. Eine habe ich dann aber doch gefunden und ich bin sehr zufrieden:



    Mit dabei ist noch das Klavierquartett op. 47 und es spielt das Gewandhaus-Quartett mit Peter Rösel am Klavier.


    Heute hatte ich Gelegenheit, in die Aufnahme etwas ausführlicher reinzuhören und ich bin dem Quintett ziemlich schnell erlegen gewesen. Besonders der letzte Satz hat es mir angetan, ich liebe dieses Vorwärtsdrängen, das Rastlose (so kommt es mir jedenfalls vor). Ganz toll! :jubel:


    Das Quartett ist ebenso schön, hat aber noch nicht ganz so gefunkt wie das Quintett. Aber das geht bestimmt ganz schnell bei den nächsten Sessions.

    :hello:


    Gruß, Peter.

  • Hallo!


    Da bin ich aber froh, daß der thread doch noch auf Interesse gestoßen ist. :yes:
    Und besonders freut mich, daß Schumanns Klavierquintett zwei neue begeisterte Hörer hat! :yes:



    Marc:


    Zitat

    Hallo Pius,
    wollte an dieser Stelle nur mal ein großes Lob loswerden!


    Dankeschön! =) :hello:


    Zitat

    Ich bin natürlich sehr froh, dass es in der von mir in diesem Jahr für mich neu entdeckten Gattung noch so viel zu "erforschen" gibt....


    Ich weiß nicht, woran es liegt, aber gerade bei Klavierquintetten gibt es unter den wenigen bekannten Werken viele IMO absolut herausragende Kompositionen.
    Für absolut unverzichtbar für jeden Kammermusikfreund halte ich folgende:


    Schubert: A-dur D 667
    Schumann: Es-dur op. 44
    Brahms: f-moll op. 34
    Dvorak: A-dur op. 81
    Faure: d-moll op. 89


    Die Liste wäre aber nicht vollständig ohne den "Vater" des Klavierquintetts, Luigi Boccherini, der zwölf schöne bis sehr, sehr, sehr schöne Werke dieser Gattung komponiert hat.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Banner Trailer Gelbe Rose

  • (Bei Fauré vermischen sich bei mir im Kopf die beiden Klav.-Quartette und Quintette, daher weiß ich nicht, ob ich eines dieser Stücke so hervorheben würde). ebenfalls hörenswert aus der Spätromantik das von Cesar Franck. Wichtiger als Franck, Fauré und Boccherini finde ich allerdings das Klav.-Quintett von Schostakowitsch. Ohne das ist die Liste wirklich unvollständig (aber zu der Gattung gibt es wenn ich nicht irre bereits eine eigenen thread).


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Das Werk steht wie das Klavierquintett in Es-Dur und entstand, wenn Reclams Führer zu trauen ist, praktisch gleichzeitig mit diesem Werk im Oktober/November 1842. Schumann selbst hielt es anscheinend für "effektvoller" als das Quintett, heutzutage scheint es aber neben diesem, das das mit Abstand beliebteste Kammermusikwerk Schumanns sein dürfte, weitaus weniger bekannt.
    Nachdem ich mich in den letzten Wochen zum ersten Mal wirklich näher mit dem Werk befaßt habe, möchte ich keine Wahl zwischen beiden treffen: Beide gehören zu den gelungensten Werken Schumanns und zu den besten Stücken im jeweiligen Genre. Dennoch halte ich das Quintett für etwas eingängiger und effektvoller. Da mir keine Partitur zur Verfügung steht, stütze ich mich im folgenden teils auf die Diskussion in Reclams Kammermusikführer (S. 601 ff.), obwohl dort offensichtliche Fehler wie "2. Violine" (gemeint ist die Viola) den Lektoren entgangen zu sein scheinen.


    1. Sostenuto assai - Allegro ma non troppo


    Wie in manchen Haydn-Sinfonien besteht die Einleitung aus einer statischen, "ungeformten" Version des späteren Hauptmotivs. Ähnlich wie in einigen späten Beethoven-Quartetten taucht sie noch zweimal im Verlauf des Hauptsatzes auf, was diesen recht übersichtlich gliedert. Das Hauptthema selbst besteht aus 4 Akkorden als Auftakt (die ersten drei sind auch wirklich ein Auftakt) und einer in Achteln fließenden Antwort des Klaviers. Nach seiner Vorstellung schließen sich sofort schwungvolle legato-Varianten an. Das zweite Thema ist ebenfalls lebhaft bewegt und wird im Verlauf zunehmend von einem "obligaten Kontrapunkt" in langen Noten begleitet. Die Durchführung ist durch die Rückkehr von Motiven aus der langsamen Einleitung abgegrenzt und wird auschließlich vom Hauptthema bestimmt. Auf die Reprise mündet wieder in einer (sehr kurze) Reminiszenz an die Einleitung, worauf noch eine sehr schöne, romantisch-schwärmerische Coda folgt.


    2. Scherzo: Molto vivace


    Den Hauptteil des Satzes bildet ein "Gnomenreigen", ein schnell und spukhaft dahineilendes perpetuum mobile.
    Es gibt zwei kontrastierende Episoden, in denen die Läufe aus dem Hauptteil aber auch immer wieder auftauchen. Vor allem das zweite "Trio" wirkt eher wie eine Variante als wie ein eigenständiger Abschnitt.


    3. Andante cantabile


    Laut Reclam handelt es sich hier um einen Variationensatz, über ein zuerst vom Cello vorgetragenes Thema. Das ist zwar nachvollziehbar springt aber keineswegs ins Auge; Reclam räumt ein, dass die 3. Variation schwer als solche zu erkennen ist und ein folgender Mittelteil "als Variation verstanden werden" kann, den erkenne ich immer noch nicht recht als Variation, ebensowenig das Ende. Dagegen hat m.E. die auf den "Mittelteil" folgende Variation (Thema in der Bratsche) deutlichen Reprisencharakter, es handelt sich vielleicht um eine Mischung aus Varitations- und dreiteiliger ABA´-Struktur. In dieser Coda wird auf eine eigentümlich leuchtende Weise das Hauptmotiv des folgenden Satzes vorausgeahnt.


    4. Finale: Vivace


    Formal eine eigenartige Kombination aus Rondo und Sonatensatz. Das Hauptthema wirkt fast wie eine komprimierte und beschleunigte Version desjenigen aus dem Kopfsatz. Sowohl der Beginn als auch die rasche 16tel-Fortführung weisen für Fugenthemen charakteristische Elemente auf. Das Thema erscheint entsprechend sofort am Anfang und auch bei seinem späteren Auftreten fast immer als ein kurzes Fugato. In der Folge erscheinen zwei weitere Themen, ein kurzes punktiertes, zuerst im Cello, und eins, daraus entwickelt, dass ich eher schwungvoll als "seelenvoll" (Reclam) empfinde.
    In der Durchführung wird das Fugato dramatisch ausgedehnt, hier spielt auch der "Themenkopf" eine größere Rolle, ebenso eine markante Gegenstimme, die bei der ersten Vorstellung des Themas nur kurz aufgetaucht war. Anschließend folgt, abweichend vom Sonatenschema ein Teil mit völlig neuem Material. Die Reprise ist dann umgedreht, d.h.
    zuerst kommt das "Cello-Motiv", dann die Schlußgruppenthematik und schließlich das Hauptthema.
    Die Coda betont erneut den Fugencharakter des Hauptthemas, der Kopf des Themas wird nun zu einem typischen Fugenthema entwickelt und entsprechend verarbeitet.


    Ich habe nur zwei Einspielungen des Werk zur Verfügung, Emerson/Pressler (DG) (ich habe leider keine auf ein Schwarzes Loch zu fliegenden Instrumente auf meinem Cover, sondern nur die in die Kamera grinsenden Musiker) und Juilliard/Gould (Sony/CBS). Keine von beiden ist besonders romantisch. Emerson &Co sind sehr solide, aber ziemlich blaß. Ich bevorzuge die Alternative. Gould ist lange nicht so gouldsch wie man befürchten könnte. Tatsächlich unterstützt sein non legato-Spiel z.B. den bizarren Charakter des Scherzos. Im Finale sind Gould/Juilliard deutlich flotter unterwegs, was wiederum trotz oder wegem der relativ trockenen Darbietung extrem mitreißend wirkt. Die Kopplung mit dem Quintett macht die (hochpreisige) Emerson-Einspielung dem Einsteiger allerdings vermutlich attraktiver als die sehr Gouldianische Lesart von Brahms Klavierquintett, die es andernfalls dazu gibt.



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich weiß nicht, ob Sibelius das Es-Dur-Quartett gekannt hat, aber die angesprochenen 4 ersten Akkorde des Kopfsatzes müssten funktional genau die selben sein, mit der das Choralthema seiner "Finlandia" beginnt.
    Vielleicht nur ein Zufall, mir kam das Schumann-Thema nur irgendwie bekannt vor...


    :hello:


    Gruß, Peter.

  • Bei Schumanns Streichquartetten ist wiederum eine Neuaufnahme erschienen, die hier sehr gelobt wird. Zu recht? Ist dies eine alternative zum Hagen Quartett und der preisgekrönten durch das Zehetmair- Quartett?


    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Liebe Forianer,


    noch nicht genannt wurden die Klaviertrios, die wohl zweiffellos zu den schönsten Kammermusikkompositionen Schumanns gehören.


    Meine definitive Lieblingsaufnahme ist jene im frühromantischen, abwechslungsreichem Sinne interpretierte des Altenberg Trio Wiens (ehemals Vanguard, nun Challenge - oder aber wieder Vanguard?).



    Wer eher höchst dramatische Interpretationen im Sinne der Spätromatik sucht, wird wohl nicht um das op. 63 mit Sviatoslav Richter, Kagan und Gutman (LiveClassics) herumkommen:




    oder - etwas weniger impulsiv - um jenes Trio Nr. 1 mit Oistrach/Oborin/Knushevitzky (etwa in der Oistach-Kammermusikbox bei BrilliantClassics)

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

    Einmal editiert, zuletzt von a.b. ()

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Tamino Beethoven_Moedling Banner