Robert Schumann: Werke für Soloklavier Vol. 02 - Davidsbündlertänze op 6

  • Die Davidsbündlertänze

    david.jpg

    "In all und jeder Zeit/ Verknüpft sich Lust und Lied:/ Bleibt fromm in Lust und seyd/ Dem Leid mit Mut bereit"


    Als Autoren der "Davidsbündlertänze" sind Florestan und Eusebius genannt. Dahinter verbirgt sich niemand anderes als Robert Schumann selbst. Schumann liebte das Spiel mit Versatzstücken, Verrätselung und Maskerade, darin seinem Vorbild Jean Paul ähnlich. Florestan und Eusebius sind zwei Gesichter Schumanns: Hier der geistreiche, scharf und sicher urteilende und dennoch leidenchaftliche Verstandesmensch, Florestan, dort der gefühlvolle, sanfte Träumer- Eusebius. In der Erstausgabe von 1838 ist mit Ausnahme der Nummern 1, 13, 15 und 17 jedes Stück mit einem "F" oder einem "E" oder einer Überschrift entweder Florestan oder Eusebius zugeordnet. Bei den Davidsbündlertänzen handelt es sich vereinfacht gesprochen um ein Maskenspiel zyklischer Tänze, ein Spiel was Schumann später noch mit dem "Carnaval" und dem "Faschingschwank aus Wien" fortsetzt.

    Zwei Aufnahmen möchte ich empfehlen:

    Wilhem Kempff




    und

    Andras Schiff

    9971835.jpg

    Herzliche Grüße,:hello: :hello:

    Christian


    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo Forianer,


    die Aufnahme von Andras Schiff ist wirklich empfehlenswert, ihm gelingt die Balance zwischen den stürmische-ungeduldigen und den zart-lyrischen Stücken sehr gut. Kempff schätze ich auch, aber in den schnellen Stücken vermisst man bei ihm doch etwas den wilden Zug nach vorne. Des weiteren ist eine Aufnahme der Davidsbündlertänze von Stephen Hough sehr empfehlenswert:




    Die schnellen Stücke bersten schier vor Energie, dabei bleibt der Klavierton immer schlank und durchsichtig, was gut zu Schumann passt. Die auf dieser CD ebenfalls enthaltene Fantasie op. 17 erreicht dieses Niveau leider nicht, aber welche Einspielung ist hier schon überzeugend...


    Viele Grüße,
    Chrisitan

  • Hallo Taminoianer,


    ich kann den beiden Christians - einer von Euch wohnt ja in meiner Geburtsstadt Heidelberg - nur beipflichten, die Aufnahme von András Schiff unter dem Label »elatus« ist wirklich insgesamt, also auch klangtechnisch, sehr gut und auch gut bezahlbar. Die in dieser Digitalaufnahme mit enthaltenen Symphonischen Etüden op. 13, die Arabeske op. 18 und das Blumenstück op. 19 sind ohne Fehl und Tadel und sind auch für Klassik-Neulinge ansprechende romantische Klaviermusik.

    Grüße aus Eisenach
    Alexander

  • Hallo Alexander,


    der einzige Nachteil der o.g. Schumann-CD von Andras Schiff ist, dass er die nachgelassenen fünf Variationen der Symphonischen Etüden dem ganzen Zyklus nachstellt und sie nicht in diesen integriert. Natürlich gibt es viele unterschiedliche Meinungen, an welcher Stelle diese nachgelassenen Stücke integriert gehören - Alfred Brendel etwa hat da eine sehr eigenwillige, um nicht zu sagen verstörende Anordnung gewählt -, aber ich finde doch, dass wenn man diese herrlichen Variationen spielt, sie auch in den Zyklus integriert gehören, sonst bleiben sie ein Fremdkörper. Natürlich könnte man per Programmierung eine gewünschte Reihenfolge herstellen, aber man würde dadurch auch den intendierten Bogen des Interpreten zerstören oder zumindest ignorieren: wenn man etwa einmal Brendels eigenwillige Reihenfolge in die vertraute Reihenfolge umprogrammiert, stellt man erstaunt fest, dass das so keinen Zusammenhang ergibt und völlig unstimmig wirkt.


    So bleiben bei Schiff die fünf nachgelassenen Variationen eben nur ein (wunderbar gespielter) Anhang, was dem Zyklus seine Größe nimmt.


    Beste Grüße,
    Christian

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  • Hallo Christian,


    Du scheinst ja ein Perfektionist zu sein, und das meine ich überhaupt nicht negativ. Mit Deinem Einwand hast Du tatsächlich recht. Die nachgelassenen Variationen als "P. S." hintanzustellen, ist sowohl unlogisch als auch künstlerisch kaum zu erklären. Natürlich wäre es konsequenter gewesen, diese fünf Variationen an ursprünglicher Stelle zu integrieren.


    Aber naja, es bleibt trotzdem eine in der dargebotenen Reihenfolge interpretatorisch und klanglich hochkarätige CD mit sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis.

    Grüße aus Eisenach
    Alexander

  • Hallo!


    Bevor ich das aus den Augen verliere:
    Kennt jemand diese Aufnahme und kann mir sagen, ob sie als Erstaufnahme geeignet ist (ich kenne die Davidsbündlertänze noch nicht):



    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Original von Pius
    Bevor ich das aus den Augen verliere:
    Kennt jemand diese Aufnahme und kann mir sagen, ob sie als Erstaufnahme geeignet ist (ich kenne die Davidsbündlertänze noch nicht):




    Kenne ich nicht. Es gab Berezovskys (Teldec) Einspielung immer mal preiswert. (Schiff auf Elatus kenne ich auch nicht, soll aber hier gut sein, was mich indes einigermaßen wundert). Wenn Du den Aura/Ermitage-Mitschnitt mit Anda findest, der ist billig und gut.
    Der Zyklus ist eines meiner Lieblingsstücke von Schumann, hoffentlich schaffe ich es demnächst mal meine Einspielungen zu hören und was dazu zu äußern.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Kenne ich nicht. Es gab Berezovskys (Teldec) Einspielung immer mal preiswert. (Schiff auf Elatus kenne ich auch nicht, soll aber hier gut sein, was mich indes einigermaßen wundert). Wenn Du den Aura/Ermitage-Mitschnitt mit Anda findest, der ist billig und gut.
    Der Zyklus ist eines meiner Lieblingsstücke von Schumann, hoffentlich schaffe ich es demnächst mal meine Einspielungen zu hören und was dazu zu äußern.


    Servus Johannes,


    zwei Fragen:


    Kennst Du Schiff´s Einspielung der Davidsbündlertänze? (By the way: Mir gefällt sie; die "Symphonischen Etüden" auf der gleichen CD weniger, einmal abgesehen von der Reihenfolge in der Schiff die Etüden spielt) Ad secundam: Welche Einspielungen hast Du?


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat

    Original von Caesar73


    Kennst Du Schiff´s Einspielung der Davidsbündlertänze? (By the way: Mir gefällt sie; die "Symphonischen Etüden" auf der gleichen CD weniger, einmal abgesehen von der Reihenfolge in der Schiff die Etüden spielt) Ad secundam: Welche Einspielungen hast Du?


    Nein, ich habe jetzt erst gesehen, dass Schiff weiter oben gelobt wurde, nach dem wenigen, was ich von ihm kenne (bes. Mozart) war er mit vom Temperament her als denkbar ungeeignet für diese zwischen innerlichsten und exaltierten Extremen oszillierenden Musik erschienen, aber ich hatte in einem englischsprachigen Foum vor einiger Zeit positives über diese Aufn. gelesen.


    Berezovsky, Anda live, Anda Studio (DG), Zacharias (EMI) und vielleicht noch eine, die mir jetzt entfallen ist (ich bin gerade nicht in der Nähe meiner CDs) ich glaube sie fehlen in Yves Nats Schumann-Box (EMI)?)


    viele Grüße


    JR

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  • Hallo zusammen,


    ich besitze die von Johannes genannte Studio-Aufnahme der DG mit Géza Anda (gekoppelt mit Mozart KK Nr. 14 KV 449 + Liszt: "Waldrauschen").
    Mir gefällt Aufnahme sehr gut, habe allerdings keine Vergleichsmöglichkeiten.
    Kennt noch jemand diese Aufnahme und kann sie in Relation zu anderen setzen?


    :hello:
    Wulf.

  • Ich habe diesen Thread in unser neues Projekt "Robert Schumann: Werke für Soloklavier" als Vol 2, integriert, er wird also unter dem Serientitel fortgeführt und nicht ersetzt. Er ist noch relativ kurz und daher übersichtlichj - ein Neustart war also nicht nötig.
    Vielleich sollte man den Begriff "Davidsbündler" noch kurz erläutern, denn das hat der Threadstarter in seinem sonst sehr guten Einführungsbeitrag vergessen.
    Bei den "Davidsbündlern" handelt es sich um einen "Künstlerkreis" ,der allersdings nur zum Teil aus lebenden Personen bestand, der Rest war fiktiv, also verstorbene oder erdachte Charaktäre. Es gab Treffen an denen aber natürlich nur die lebenden Personen teilnamen - und zwar i, "Arabischen Coffe Baum"


    Die Davidsbündler waren ein 1833 von Robert Schumann ins Leben gerufener fiktiver Künstlerkreis lebender und verstorbener Künstler. Die Lebenden trafen sich regelmäßig im Leipziger Kaffehaus "Zum Arabischen Coffe Baum" (Das Lokal besteht noch heute) Jedes Mitglied trug einen Decknamen. Jener von Schuman war Jeanquirit oder auch Julius -zusätzlich vertrat Schumann die Charaktäre "Eusebius" und "Florestan". Auch "Mitglieder", die man aus Gründen von angelblicher "Seelenverwandtschaft" in den Bund aufgenommen hatte erhielten Pseudonyme, selbst wenn sie an keinem der Treffen anwesend waren. Der Sinn des Bundes war der Kampf gegen die "Philister" - daher war "David" der Schutzpatron und Namensgeber des Bundes....


    Einige Kompositionen Schumann nehmen Bezug auf diesen fiktiven Bund - in allererster Linie natürlich die 1838 fertiggestellten "Davisbündlertänze" (siehe Beitrag Nr 1 dieses Threads), die aus 2 mal 9 Charakterstücken bestehen, wobei ein 19. Stück unvollendet blieb..
    Wem dies alles wie unverständliches wirre Zeug erscheint, dem kann ich es nicht verdenken, möchte aber darauf hinweisen, daß derlei im späten 18. und beginnenden 19 Jahrhundert nichts aussergewöhnliches war - eine Vorstufe zu den heutigen "Rollenspielen"
    Vielleicht findet sich jemand, der weitere Erläuterungen geben kann - und will, oder jemand, der einzelne Stücke dieses Zyklus analysieren möchte. Darüber hinaus sind natürlich Aufnahmeempfehlungen willkommen...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Bei den "Davidsbündlern" handelt es sich um einen "Künstlerkreis" ,der allersdings nur zum Teil aus lebenden Personen bestand, der Rest war fiktiv, also verstorbene oder erdachte Charaktäre. Es gab Treffen an denen aber natürlich nur die lebenden Personen teilnamen - und zwar i, "Arabischen Coffe Baum"


    Die Davidsbündler waren ein 1833 von Robert Schumann ins Leben gerufener fiktiver Künstlerkreis lebender und verstorbener Künstler. Die Lebenden trafen sich regelmäßig im Leipziger Kaffehaus "Zum Arabischen Coffe Baum" (Das Lokal besteht noch heute) Jedes Mitglied trug einen Decknamen. Jener von Schuman war Jeanquirit oder auch Julius -zusätzlich vertrat Schumann die Charaktäre "Eusebius" und "Florestan". Auch "Mitglieder", die man aus Gründen von angelblicher "Seelenverwandtschaft" in den Bund aufgenommen hatte erhielten Pseudonyme, selbst wenn sie an keinem der Treffen anwesend waren. Der Sinn des Bundes war der Kampf gegen die "Philister" - daher war "David" der Schutzpatron und Namensgeber des Bundes....


    Lieber Alfred,


    wer nach Leipzig fährt, sollte wirklich "Coffe Baum" besuchen - das älteste Kaffeehaus in Europa mit Kaffeemuseum. Eine "Schumann-Torte" haben sie auch zum Probieren! :) Der Konditor ist übrigens hervorragend. Schumann selbst würde diese Schumann-Torte allerdings wohl eher als Philisterstreich empfinden. :D Mit dem "Marsch der Davidsbündler gegen die Philister" endet ja auch der Carnaval op. 9 - da gibt es also Bezüge zu den Davidsbündlertänzen. Auch im Carnaval gibt es diese Maskerade - mit noch eindeutigerer Zuordnung.


    Ich mag die Davidsbündlertänze ganz besonders! Am Schluss - vor dem Epuilog - bricht dann die Verzweiflung durch, wo die humoristisch-ironische Distanz aufgehoben wird. Pollini hat das in Salzburg mal so drastisch ausgespielt (in den 80igern, habe ich aus dem Radio mitgeschnitten). Pollinis Aufnahme ist eine seiner Sternstunden - wird vielleicht nur noch übertroffen von der wahrlich genialischen von Walter Gieseking. Ganz ausgezeichnet ist auch Geza Anda - diese drei Aufnahmen sollte man haben, finde ich.



    Deutlich günstiger in dieser Box aller Schumann Aufnahmen von Pollini:





    Schöne Grüße
    Holger

  • Aus irgendwelchen Gründen scheinen die Davidsbündlertänze weniger populär als zB Carnaval, Kreisleriana und die Sinfonischen Etüden. Ich halte sie aber auch für ein außerordentliches Werk, vielleicht am deutlichsten von allen Zyklen Schumanns eine Art "Liederzyklus ohne Worte".
    Charles Rosen hat einen ausführlichen Abschnitt in "The romantic generation"/"Musik der Romantik", wie das erste und das letzte Stück des Zyklus gleichsam sowohl "drinnen" als auch "draußen" sind, was beim letzten Stück auch durch einen Kommentar Schumanns (den Wortlaut müsste ich nachsehen) angedeutet wird. Die magische Stelle ist für mich im vorletzten? Stück "wie aus der Ferne", eine Quintessenz der Romantik in einer Minute oder so.


    Insgesamt scheint der Zyklus eine Art freier Variationen über zwei unterschiedliche Themen zu sein.


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  • Von Geza Anda gibt es noch diesen Mitschnitt aus Lugano - für 2.87 Euro gebraucht. Die DGG-Box ist leider nur noch zum Mondpreis (150 Euro) oder als MP3-Download erhältlich.




    Coffe Baum - ist wahrlich einen Besuch wert (auch Wagner hat dort gesessen) :) :




    In den Rosen schaue ich nachher mal rein... (Buch in der tollen Chicagoer Uni-Kellerbuchhandlung gekauft!) :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Die von Dr. Holger Kaletha erwähnte Geza-Anda-Interpretation der Davidbündlertänze op. 6 (Live-Mitschnitt) gibt es in dieser BOX des Labels Documents. Hörschnipsel sind auf der siebten Scheibe zu hören.



    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Diese Interpretation der schumannschen Davidbündlertänze Op. 6 hat mich mit ihrer besonderen Klanglichkeit gefangen genommen.


    Die andere Hälfte der Aufnahme sind die Humoreske op. 20, die Melodie op. 68 Nr. , die Träumerei op. 15 Nr. 7 sowie der Fröhlicher Landmann op. 68 Nr. 10


    Der Franzose Jean-Marc Luisada hat eine differenzierte Anschlagkultur, die mir gefällt. Die in der Produktinformation erwähnte Beschreibung der Plattenfirma zu seinem Stil passt.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • 41VUqyI4UfL._SS280.jpg

    Die Aufnahme von Gieseking ist ja irre gut, Holger, die kannte ich gar nicht! Sowohl der genialische Überschwang der Stücke als auch ihre Poesie kommen wunderbar zur Geltung. Mit soviel Zug spielt das kaum jemand, da wirkt die kürzlich erschienen Aufnahme von Gerhard Oppitz im Vergleich doch etwas behäbig.


    Offenbar ist diese Gieseking-Aufnahme aber gar nicht in der neuen großen EMI-Box enthalten?


    Viele Grüße

    Christian

  • Der Oppitz ist ein klein wenig bräsig ;). Er ist halt eher ein Brahms Interpret, da fehlt ihm vielleicht etwas vom irrlichternden Schumann....


    Kennst Du die Aufnahme von Geza Anda aus dem Jahre 1966



    Ich hoffe, dass es diese ist ...



    Sehe gerade, dass die Aufnahme schon gezeigt wurde...


    Auf jeden Fall sollte man auch einmal die Aufnahme mit Éric le Sage hören. Etwas kultivierter als Anda, aber mit viel Feingefühl für Schumanns durchschimmernden Wahnsinn ...;)



    Man findet die Einspielung auch im Web, aber leider nur in Einzeltteilen ....

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  • Die Aufnahme von Gieseking ist ja irre gut, Holger, die kannte ich gar nicht! Sowohl der genialische Überschwang der Stücke als auch ihre Poesie kommen wunderbar zur Geltung. Mit soviel Zug spielt das kaum jemand, da wirkt die kürzlich erschienen Aufnahme von Gerhard Oppitz im Vergleich doch etwas behäbig.


    Offenbar ist diese Gieseking-Aufnahme aber gar nicht in der neuen großen EMI-Box enthalten?

    Lieber Christian,


    das freut mich, dass Du die genialische Gieseking-Aufnahme entdeckt hast! :) Das ist dann offenbar keine EMI-Aufnahme, wenn sie in der Box nicht drin ist. Oppitz kenne ich nicht. Es gibt noch eine Aufnahme, die ich neben Pollini und Anda stellen würde, die wirklich überragend gespielt ist: Jerome Rose. Leider ist die CD total vergriffen:


    41DPATWF5EL.jpg


    Die von Moderato verlinkte Luisada-CD gefällt mir von den Hörschnipseln her spontan auch.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Die Aufnahme von Jerome Rose kenne ich nicht, Holger! Dann werde ich mich mal auf die Suche begeben. Bei Spotify gibt es von ihm "nur" Carnaval, Fantasie und Humoreske (alles Live!). Muss ich mir auch mal anhören, aber bisher bin ich an diesem Pianisten nicht hängen geblieben.


    astewes : Vielen Dank für den Hinweis, die Aufnahme von Eric le Sage muss ich mir mal wieder anhören, ich fand immer, dass er bei Schumann über die harmonischen Reibungen leichtgewichtig hinwegspielt und er sich nicht genügend in die Musik 'hineinbegibt'. Bei Gieseking ist das anders, er ist ja auch rasend unterwegs, aber er nützt das Tempo, um die Dissonanzen zuzuspitzen. Und in poetischen Passagen spielt er einfach traumhaft schön und natürlich. Und ich bin wahrlich kein Fan historischer Aufnahmen, aber das ist eine Schumann-Sternstunde!

  • Vielen Dank für den Hinweis, die Aufnahme von Eric le Sage muss ich mir mal wieder anhören, ich fand immer, dass er bei Schumann über die harmonischen Reibungen leichtgewichtig hinwegspielt und er sich nicht genügend in die Musik 'hineinbegibt'.


    Höre es Dir einfach noch einmal an! Es gibt bei Le Sage nichts Ostentatives! Aber auch die von moderato erwähnte Einspielung von Luisada sollte man mindestens einmal gehört haben. :)

  • Auch mir erscheint Le Sage nicht "leichtgewichtig". Und aufnahmetechnisch ist sein Schumann erstklassig. Pollini habe ich mir auch noch einmal angehört, ich höre nicht analytisch, aber der ist auch sehr, sehr gut. Kempff ist später noch dran. Mehr Aufnahmen habe ich nicht - und brauche ich auch nicht.

  • Die Aufnahme von Gieseking ist ja irre gut, Holger, die kannte ich gar nicht! Sowohl der genialische Überschwang der Stücke als auch ihre Poesie kommen wunderbar zur Geltung.

    Ich finde, dass die Poesie besser zur Geltung kommt als der "genialische Überschwang" ;). Stücke wie der zweite Tanz ("innig") oder besonders der 14. ("zart und singend") sind bei Gieseking wirklich außerordentlich schön. Der 5. ist vielleicht nicht unbedingt "einfach" gespielt aber doch schön ausdrucks- und phantasievoll. Aber schon das Eröffnungsstück ist doch nach der Einleitung einfach verhetzt, ohne erkennbare Taktschwerpunkte, wodurch dann auch die synkopischen Überbindungen rechts verpuffen, außerdem sind die Figuren links ziemlich schlampig ausgeführt. Beim 8. Tanz ("frisch") verfällt Gieseking für mein Empfinden in vollkommen sinnlose Raserei, wodurch dann der eigentlich schön gespielte 9. gar nicht so besonders "lebhaft" wirkt. Ganz verfehlt finde ich den 10. Tanz ("Balladenmäßig, sehr rasch"): Dort gibt es eigentlich eine Überlagerung von 6/8 (rechte Hand) und 3/4 (links), die besonders bei den Auftakten hörbar sein muss, indem die Linke (einfaches Viertel) jeweils nach der rechten (punktiertes Viertel) spielt, was an einigen Stellen noch durch zusätzliche "verschobene" Akzente besonders hervorgehoben ist. Gieseking spielt diese Auftakte quasi gleichzeitig. Der 11. Tanz ("einfach") ist wieder sehr schön, der 12. ("mit Humor") abgesehen von einigen Fehlgriffen ebenfalls. Der 13. ist ohne Zweifel "wild" (inklusive einer Vielzahl falscher Töne) aber kaum "lustig". Der choralartige Mittelteil ist schön abgesetzt, allerdings so als hätte er mit dem A-Teil gar nichts zu tun. Ich finde, dass der Choral etwas unruhiger sein müsste, sozusagen "innerlich nachbebt". Sehr gut gefallen mir wieder die beiden Schlussstücke: die überraschende Steigerung am Ende des 17. Tanzes ("Wie aus der Ferne") bereitet Gieseking klug mit den Bassoktaven vor und fängt sie in den arpeggierten Akkorden wieder gut auf. Das letzte Stück ("Ganz zum Überfluß meinte Eusebius noch Folgendes, dabei sprach aber viel Seligkeit aus seinen Augen") ist bei Gieseking vielleicht eine Spur zu "parfümiert", aber das ist Geschmackssache. Schön ist es allemal.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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  • Danke für Deine genauen Hinweise! Ja, manches wirkt etwas verhetzt und Fehler macht er auch, aber nachdem ich zuletzt viele akkurate und fehlerfreie Versionen gehört habe, finde ich diese extreme Aufnahme sehr bereichernd! Sowas traut sich heute niemand mehr. Wer spielt schon wirklich Nummer 4 - darauf bist Du nicht eingegangen -„Ungeduldig“? Gieseking! Man muss auch festhalten, dass solche Aufnahmen heute nicht mehr durchgingen. Aber dieser Perfektionismus hat eben auch zu einer Ausdruckseinfalt geführt, finde ich.


    Viele Grüße, Christian


    Nachtrag: sehr gut gefällt mir bei Gieseking auch, dass er trotz aller Extreme im Ausdruck niemals mariniert wirkt, sondern immer natürlich. Nummer 10 und vor allem Nummer 13 (wild!) finde ich unwiderstehlich, aber leider habe ich keine Noten, Deine Einwände sind sicherlich treffend.

  • Danke für Deine genauen Hinweise! Ja, manches wirkt etwas verhetzt und Fehler macht er auch, aber nachdem ich zuletzt viele akkurate und fehlerfreie Versionen gehört habe, finde ich diese extreme Aufnahme sehr bereichernd! Sowas traut sich heute niemand mehr. Wer spielt schon wirklich Nummer 4 - darauf bist Du nicht eingegangen -„Ungeduldig“? Gieseking! Man muss auch festhalten, dass solche Aufnahmen heute nicht mehr durchgingen. Aber dieser Perfektionismus hat eben auch zu einer Ausdruckseinfalt geführt, finde ich.

    Die falschen Töne stören mich weniger, aber manches ist einfach schlampig artikuliert, z.B. gleich am Anfang die aufsteigenden Figuren der linken Hand, oder auch die besagten überlagerten Metren im 10. Tanz, und das geht in beiden Fällen zu Lasten des musikalischen Sinns. Der vierte Tanz ist wirklich gut gespielt, vor allem weil Gieseking der Versuchung widersteht, "ungeduldig" mit "schnell" zu verwechseln. Die Ungeduld drückt sich natürlich vor allem in der durchgehend synkopisch geführten Melodiestimme aus sowie in den Akzenten und kleinen crescendi zu den gradzahligen Takten, und "Ungeduld" bedeutet ja hier wohl vor allem die Spannung, weiter zu wollen. Wenn man dem einfach durch ein extremes Tempo nachgibt, geht diese Spannung verloren. Das passiert bei ihm gar nicht. Trotzdem ist mein Eindruck dieser Aufnahme insgesamt zwiespältig: Risiko ist gut, aber Schlampigkeit ist etwas anderes. Es ist ja wohl keine üble Nachrede, wenn man feststellt, dass Gieseking nicht gerade für seinen Übefleiß berühmt war...


    Ich finde, dass die Davidsbündler musikalisch und teilweise auch technisch zu den anspruchsvollsten Stücken Schumanns gehören. Man braucht Wildheit und Verträumtheit, Strenge und Freiheit, Humor, Skurrilität, Innigkeit, Exstase und Verrücktheit. Das alles muss sich zu einem großen Ganzen fügen, ganz zu schweigen von den erheblichen technischen Anforderungen. Ich kenne bisher keine einzige Aufnahme, die mich rundum zufriedenstellt, wohl aber etliche sehr gute. Ich weiß nicht, ob sie schon erwähnt wurde, aber zu den allerbesten Einspielungen gehört für mich die von Mitsuko Uchida. Außerdem (natürlich) Pollini, Arrau, Kuerti und einige andere. Arcadi Volodos hatte die Tänze ursprünglich auf das Programm seines diesjährigen Dortmunder Klavierabends gesetzt, dann aber leider durch (gleichwohl großartig gespielte) Stücke von Mompou ersetzt. Ich hoffe sehr, dass er das noch nachholt. Er ist für mich derzeit der "kompletteste" Pianist der Welt.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Man braucht Wildheit und Verträumtheit, Strenge und Freiheit, Humor, Skurrilität, Innigkeit, Exstase und Verrücktheit. Das alles muss sich zu einem großen Ganzen fügen, ganz zu schweigen von den erheblichen technischen Anforderungen.

    Schumanns Wahnsinn hat Methode. Der Wechsel von imtimster Stimmung zu seelischer Eruption ist zwar häufig ziemlich übergangslos, aber nie zusammenhanglos. Es sind zwei Seiten von ein und demselben. Das macht es, so finde ich, interpretatorisch so schwierig. Es sind Eusebius und Florestan und nicht Jekyll und Hyde....


    aber zu den allerbesten Einspielungen gehört für mich die von Mitsuko Uchida.

    Ich habe von ihr keine Davidsbündlertänze .... :(


    Aber eine andere Dame am Klavier, die man vielleicht nicht gleich Schumann zuordnen würde, hat für meine Ohren eine überzeugende (rundum, weiß ich nicht) Einspielung geliefert


    Eine fürchterliche Frisur, aber wundervolle Pianistik :)



    Leider nicht im Web zu finden ....

  • Ich habe sie gefunden,


    im großen Fluss. Gebraucht bestellt, ich schätze Hewitt sehr, Hyperion bietet hervorragende Aufnahme Qualität und der Fazioli ist ein toller Flügel. Aber ich gebe zu - so richtig vorstellen kann ich mir sie mit Schumann nicht vorstellen. Kempff habe ich mir heute angehört, so richtig gefallen hat mir das nicht. Kann am Alter liegen, irgendwie hat mir der Klang nicht gefallen, dass der Flügel nicht gut gestimmt war kann ja nicht sein.


    Kalli

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