Händel – Concerti grossi Op. 6 und Op. 3

  • Wie ich feststelle, gibt es noch keinen Thread über die schönen Concerti grossi oder irre ich mich?


    Da ich kein Profi oder „Fastprofi“ bin, kann ich auch nicht viel über die Hintergründe dieser Werke schreiben, alle Experten sind eingeladen, Ergänzungen zu schreiben.


    Die 12 Grands Concertos Opus 6 für Streicher und Continuo erschienen 1740. In meinem Musiklexikon heißt es: “Sie weichen vom Cocerto-grosso-Typ stark ab. Zwar stellen sie ein Concertino einem Tutti gegenüber, halten sich aber nicht an die übliche Dreisätzigkeit. Es handelt sich um eine Synthese von Suiten- und Konzertform, die Werke entsprechen jedoch auf alle Fälle dem Titel „Große Konzerte““.


    Die 6 Concerti Grossi op. 3 erschienen 1734 und werden auch als „Oboenkonzerte für Bläser. Streicher und Continuo“ bezeichnet. Zitat: “Es handelt sich nicht um ausgesprochene Instrumentalkonzerte und ebenso wenig um echte Concerti grossi.“


    Wie dem auch sei, mir gefallen die Op. 3 Konzerte durchweg sehr gut. Einige der Op. 6 Konzerte ebenso, andere weniger.
    Ich besitze sie von Iona Brown und der Academy of. St. Martin in the Fields auf modernen Instrumenten gespielt und sie gefallen mir auch gut.


    Und nun zu meiner Frage: Welche Einspielungen habt ihr und welche sind zu empfehlen? Ganz besonders ist die Frage auch an die „HIP-Fans“ gerichtet. Wie ist die Harnoncourt-Aufnahme zu bewerten? Welche anderen HIP- Einspielungen sind zu empfehlen?
    Da wir hier einige Barockspezialisten haben bin ich auf Empfehlungen gespannt
    Gruß

    Günter

  • Zitat

    Original von fohlenfanatiker
    Wie ich feststelle, gibt es noch keinen Thread über die schönen Concerti grossi oder irre ich mich?


    Es scheint so, skandalös! Umso wichtiger dein Thread-Start! :D


    Zitat


    Die 12 Grands Concertos Opus 6 für Streicher und Continuo erschienen 1740. In meinem Musiklexikon heißt es: “Sie weichen vom Cocerto-grosso-Typ stark ab. Zwar stellen sie ein Concertino einem Tutti gegenüber, halten sich aber nicht an die übliche Dreisätzigkeit. Es handelt sich um eine Synthese von Suiten- und Konzertform, die Werke entsprechen jedoch auf alle Fälle dem Titel „Große Konzerte““.


    Die 6 Concerti Grossi op. 3 erschienen 1734 und werden auch als „Oboenkonzerte für Bläser. Streicher und Continuo“ bezeichnet. Zitat: “Es handelt sich nicht um ausgesprochene Instrumentalkonzerte und ebenso wenig um echte Concerti grossi.“


    Der Konzertführer ist hier m.E etwas ungenau. Die Vorbilder für diese Stücke sind klar Corellis Konzerte op.6, die sind nie dreisätzig, sondern haben meist als Basis die Kirchensonatenform langsam-schnell-langsam-schnell, teils auch mit zusätzlichen Sätzen. Ich finde Händels Stücke zwar abwechslungsreicher als Corellis und gewiß verarbeitet er noch etliche andere Einflüsse, aber die Mischung von Ouverturen/Suitenform mit Tanzsätzen und der Concerto- oder Sonata-da-Chiesa-Form scheint mir nicht so außergewöhnlich.


    Zumindest zwei Konzerte aus op.3, nämlich Nr. 3 und Nr. 6 dürften Zusammenstellungen des Verlegers (Walsh), allerdings aus originalen Händel-Sätzen sein, auch sonst hat man mitunter den Eindruck, dass ein zusätzlicher Satz angehängt wurde. Den geschlossensten Eindruck machen auf mich das 4. und das 5. Konzert, aber auch die ersten beiden schätze ich sehr. Zwei Sätze des 2. Konzertes fungierten als Ouverture zur Brockes-Passion (1717), auch ander Stück des Opus dürften auf Älteres zurückgehen.


    Insgesamt bevorzuge ich jedoch die geschlosseneren Konzerte op.6, die Konzerte in a-moll, g-moll, h-moll, G-Dur, B-dur und D-Dur u.a. gehören zu meinen liebsten barocken Instrumentalstücken.


    Zitat


    Und nun zu meiner Frage: Welche Einspielungen habt ihr und welche sind zu empfehlen? Ganz besonders ist die Frage auch an die „HIP-Fans“ gerichtet. Wie ist die Harnoncourt-Aufnahme zu bewerten? Welche anderen HIP- Einspielungen sind zu empfehlen?


    Ich habe Harnoncourt und Hogwood jeweils komplett, dazu Gardiner in op.3. Harnoncourt dürfte wie häufig nicht jedermanns Sache sein, aber ich finde diese Aufnahmen wesentlich spannender als die Konkurrenz (jedenfalls op.6), kontrastreicher in Klang, Artikulation, tempi und Ausdruck. In op.3 teils etwas rauh... Aber Hogwood ist auch ziemlich gut, eleganter und glatter. Wenn Du eine möglichst starken Kontrast zu dem, was Du schon hast, suchst, empfehle ich Harnoncourt (leider ist nur das m.E. weniger hervorragende op.3 separat erhältlich), wenn Du einen ähnlichen Zugriff wie Marrinner, Leppard, Brown auf alten Instrumenten wünscht, Hogwood.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mir hat es vor allem die Nr.2 aus op. 3 angetan. Zufälligerweise habe ich gerade gestern noch meine CD-Box mit der Academy of St. Martin in the Fields herausgekramt.
    Allerdings begeistert mich diese Interpretation überhaupt nicht, ich finde sie sehr unterkühlt und steril. Meine Freundin verfügt über die Hanoncourt/Concentus Musicus-Version, die mir vom musikalischen Duktus her viel besser gefällt. Nur stört mich da mal wieder der schräpig-verhaltene Klang der historischen Instrumente.


    Kennt jemand eine einigermaßen mitreißende Aufnahme auf neuem Instrumentarium? Ich bin für jede Empfehlung dankbar!


    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo Johannes, vielen Dank für die Empfehlungen. Dem Tip mit Hogwood bin ich gefolgt und habe die Op. 3 geordert. Kamen heute an, gehört und für gut befunden. Sicher eine gute Ergänzugn zu dem was ich schon habe.
    Mich wundert ein bisschen, dass dieser Thread nicht in Gang kommt angesichts einiger Barockfans und Spezialisten in diesem Forum.
    Auch weitere Empfehlungen werden gern entgegengenommen :] :]
    Gruß

    Günter

  • Für Op. 3 kann ich neben der hervorragenden Hogwood-Aufnahme auch diese Einspielung in gemäßigter HIP empfehlen:



    Brandenburg Consort, Roy Goodman.


    Bei Op. 6 habe ich mich vor ein paar Jahren für diese Einspielung mit der Händel And Haydn Society, Dirigent Christopher Hogwood, entschieden und habe sie gerade vor ein paar Tagen noch einmal begeistert gehört:



    Freundliche Grüße, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • ... auch wenn mich manche "Historiker" wieder steinigen werden - ich liebe die Richter-Einspielungen der Concerti grossi (vor allem op. 6 Nr. 5 und Nr. 12!!) sehr:



    Mag sein, dass diese gut 40 Jahre alten Aufnahmen in den Augen Vieler nicht "historisch" genug klingen mögen - mich überzeugt das Ergebnis persönlich dennoch sehr!
    Es "klingt" für mich einfach gut, volltönend und mitreißend.
    Gut, dass Geschmäcker verschieden sind :]


    Ich kenne Vergleichseinspielungen dieser Concerti (u. a. op. 3 von Harnoncourt) und -es ist schwer zu beschreiben- ich finde es persönlich musikalisch oft nicht überzeugend genug: Das klingt oft so dröge und spröde, so leidenschaftslos und unsinnlich. Und entspricht mit seinem trockenen Klangbild so gar nicht der Vorstellung, die ich vom Barockzeitalter als einer unheimlich üppigen, festlichen und sinnlichen Epoche habe.


    Mag sein, dass es zu Händels Zeiten eben tatsächlich eher geklungen haben mag, wie Harnoncourt und andere es vorexerzieren - aber mich persönlich spricht es in dieser Form einfach nicht an - gut, dass es Alternativen gibt.


    Da lobe ich mir den mittlerweile heutzutage vielfach eingeschlagenen "Königsweg": Man spielt "historisch informiert" auf modernen Instrumenten und hat sich viel Interessantes von den "Historikern" abgeguckt, aber wahrt doch ein an heutigen Hörgewohnheiten und -erwartungen orientiertes Klangbild.
    Helmut Brühl mit seinem Kölner Kammerorchester ist da ein gutes Beispiel, finde ich.

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Hallo Marc,


    ich könnte mir vorstellen, dass die empfohlenen Einspielungen mit Goodman und Hogwood Dir durchaus gefallen. Sie bewegen sich aus einer anderen Richtung auf Dein Klangideal zu.


    Freundliche Grüße, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Für Anregungen und neue "Einblicke" in gern gehörte Werke bin ich immer zu haben!


    Danke für den Hinweis :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Hallo,


    Marc, danke für den Hinweis. Die Richter-Aufnahme werde ich mir besorgen, obwohl mich Richters Bach-Suiten (im Gegensatz zu seinen Kantateneinpielungen) nicht so sehr begeistern.


    Das, was du über das "historisch informierte" Spielen auf modenen Instrumenten als "Königsweg" schreibst, trifft genau meine Linie. Aber die Hardcore-HIP-Fans sind natürlich der Auffassung, daß man auf heutigem Intrumentarium nicht entsprechend artikulieren bzw. im Falle der Bläser leise genug spielen kann. Und da ist leider durchaus was dran....


    Viele Grüße


    Bernd

  • Das ist ja das Dilemma aus meiner Sicht:


    Die HIP-Musiker (und deren Verfechter) mögen ja sicher recht haben mit ihren ganzen Einwänden und ihren historischen Erkenntnissen, die sie in ihre Interpretationen einfließen lassen. Das alles erkenne ich als wichtig und richtig an - große Verdienste haben die sich in den letzten 35 Jahren erworben - und vieles ist heute zum Glück ja auch längst Allgemeingut geworden.


    Aber:
    Es handelt sich bei alldem doch immer noch um Musik - eine durch und durch emotionale Angelegenheit für jeden einzelnen Hörer.
    Und da steckt mir manchmal ein bisschen zu viel Theorie und ein bisschen zu wenig Gefühl in diesen Aufführungen.
    Es entsteht für mich da oft der Eindruck, dass vor lauter theoretischem Hintergrund, den es unbedingt zu beachten gilt, die Spielfreude und die Klangentfaltung, die sich auch auf den Zuhörer übertragen sollte, ein bisschen auf der Strecke bleibt. Dabei sollte der gespielte (oft unbekannte) Komponist doch gerade den Zuhörern als "attraktiv" und hörenswert näher gebracht werden.
    Bei mir entfachen aber solche "trocken" und dünn (v. a. die Streicher!) klingenden Aufnahmen dann einfach keine Begeisterung für die gehörten Werke. Es ist wie ein tönendes Museum - alles liebevoll und aufwendig aufbereitet und präsentiert, aber letzten Endes doch irgendwie "tot", weil lange vorbei...


    Ist schwer zu beschreiben...


    Aber wie gesagt: Die Erkenntnisse, die uns die letzten 35 Jahre historischer Aufführungspraxis beschert haben, möchte ich nicht missen - es geht mir nur um eine praxistaugliche, an heutigen Hörgewohnheiten etwas orientierte Präsentation derselben.

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    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

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  • Merkwürdig, normalerweise wird andersherum argumentiert:


    Die Aufführungen auf alten Instrumenten wirken frischer, lebendiger und so, als wäre das Stück ganz neu.
    Dem heutigen Hörer ist die romantische Sauce bei Barockmusik unerträglich.


    Allerdings gibt es eigene Threads für derlei (keineswegs Händel-spezifischen) Überlegungen!


  • Ich will Dir das Selberhören gewiß nicht absprechen, aber das klingt für mich stark nach Klischees aus der Mottenkiste der HIP-Vorurteile. Bei guten HIP-Aufnahmen gilt meinem Eindruck nach genau das Gegenteil: sie sind wesentlich farbiger, in jeder Hinsicht lebendiger und abwechslungsreicher als (fast alle) tradtionelle Aufnahmen. Wer einmal Naturhörner in der Wassermusik gehört hat, wird die präzisen, aber glatten modernen Instrumente nur als 2. Wahl sehen. Ich schätze durchaus auch Leppards u.ä. Aufnahmen aus den 70ern. Richters Konzerte kenne ich nicht, den deutschsprachigen Messias fand ich aber ziemlich enttäuschend, unflexibel, eintönig, teils schlicht lahm. C. Davis etwa aus der gleichen Zeit ist sehr viel frischer.
    Harnoncourt etwa ist in op.3 teils etwas ruppig, ich kann verstehen, dass das gegen manche Schönklangpräferenzen verstößt und mancher gewisse Konstraste übertrieben findet. Aber kein bißchen trocken, sehr abwechslungsreich. In op.6 klingt das Orchester für mich "größer" als viele Kammerorchestereinspielungen auf modernen Instrumenten; die Vielfalt an Phrasierungen und Artikulationen sind sehr weit von der "Nähmaschine" vieler Barockinterpretationen entfernt. Durch und durch emotional eben, dagegn finde ich vieles andere einseitig oder schlicht bieder und langweilig. Allzuviele Händelinterpretationen klingen nur nach hohlen Pomp, schöpfen das Potential der Musik nicht annähernd aus.


    viele Grüße


    JR

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  • Ich will ja auch nicht pauschal alle historisch orientierten Einspielungen als für mich unpassend ablehnen, aber gerade bei den Händel-Werken, um die es hier in diesem Thread geht, ist mir das eben besonders aufgefallen.
    Viellleicht, nein: ganz bestimmt sogar habe ich damals einfach die für meinen Geschmack/ meine Hörerwartungen komplett falschen HIP-Aufnahmen erwischt und dass ich seit jeher eine Vorliebe für Karl Richter und seine Einspielungen habe, war in dem Zusammenhang bestimmt auch nicht förderlich...


    Ich sehe es mittlerweile so: Die "Grabenkämpfe" von Gegnern und Verfechtern aus der HIP-Anfangszeit sind mittlerweile zum Glück vorbei, man orientiert und inspiriert sich jetzt gegenseitig (auch von Thielemann - um mal ein anderes "Extrem" zu nennen- habe ich neulich in einem Interview anerkennende Worte über die "Historiker" und "Original-Klang-Verfechter" und die von ihnen ausgehenden Interpretations-Impulse für alle Musiker gelesen!) und zieht künstlerischen Nutzen aus den Erkenntnissen, die die Forschung hier gebracht hat.


    Die Ensembles, die damals mit diesem radikal klingenden "Original-Klang" begonnen haben (Concentus musicus Wien, u. a.), mussten als absolute Pioniere ihren Weg/ ihren optimalen Klang schließlich erstmal finden - dass das klanglich und interpretatorisch nicht jedem zugesagt hat, ist eigentlich keine Überraschung.


    Und heute klingen selbst ganz traditionelle Sinfonie-Orchester, wenn sie z. B. Mozart spielen, schon ganz anders, als noch vor 40 Jahren und wiederum die Barockensemble und Kammerorchester "trauen" sich mittlerweile, ihre Interpretation von barocker, oder (früh-)klassischer Musik auch mal auf modernen Instrumenten zu spielen.
    Das ist -wie ich finde- ein guter Weg auf beiden Seiten. Gut, dass die "Glaubenskämpfe" nicht mehr so radikal gespaltene, quasi unversöhnlich einander gegenüberstehende Lager besitzen.

    "Historisch informiertes Musizieren" - eine Bezeichnung für eine Interpretationsweise/ einen Orchesterklang, die immer häufger zu lesen/ hören ist.
    Das musikalische Ergebnis hieraus lässt sich -selbst in meinen "reaktionären Ohren" :D - sehr gut anhören und überzeugt mich.
    Damit dürften wohl die meisten "traditionellen" Hörer gut leben können ;)


    A propos Händels "Concerti grossi":
    Ich höre gerade op. 6 Nr. 6 - hatte ich irgendwo oben gar nicht erwähnt: Gehört neben den schon genannten op. 6 Nr. 5 und 12 ebenfalls zu meinen besonderen Favoriten!

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
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  • Hallo fohlenfanatiker,


    wenn dir Hogwood zusagt, dann sicher auch Pinnock. Des ersteren Aufnahme der Concerti kenne ich zwar nicht, kann folglich auch nicht direkt vergelichen, aber die Ensembles der beiden Dirigenten verfolgen ein ähnliches Klangideal: schlanker Schönklang, die Extreme meidend. Das brachte beiden aber auch den Vorwurf von gewisser Glätte und Beliebigkeit der Interpretation ein.


    In gewisser Weise habe ich genau das an Pinnocks Concerti grossi auch auszusetzen, aber ich finde die Aufnahme trotzdem lohnenswert und gelungen. Man muß ja nicht alle Concerti hintereinander hören, dann würde mich die Aufnahme wahrscheinlich mit der Zeit langweilen.


    Du bekommst die CDs wahlweise als teure Einzel-CD oder günstiger im Sechserpack, wobei da noch Wassermusik; Feuerwerksmusik sowie Concerti a due cori Nr. 2 & 3 enthalten sind.





    Noch ein paar Worte dazu:

    Zitat

    Original von fohlenfanatiker
    Mich wundert ein bisschen, dass dieser Thread nicht in Gang kommt angesichts einiger Barockfans und Spezialisten in diesem Forum.


    Deine Eingangsfrage war anderthalb Tage alt, als du schon ungeduldig wurdest und Obiges schriebst. Das war m.E. etwas arg ungeduldig. Manchmal geht es eben nicht so flott; die Gründe dafür sind vielfältig. Z.B. Auslastung im Job oder durch familiäre Termine; die Aufnahmen lange nicht gehört und nochmal reinhören wollen, bevor man was dazu schreibt (geht mir oft so); oder schlicht Unkenntnis...


    Ich warte teilweise schon seit Monaten auf Antworten zu einigen Fragen, da sind anderhalb Tage doch ein Klacks gegen....




    Bernd Schulz
    Wenn dir Richters Bachsuiten schon nicht gefallen haben, dann werden seine Händelschen Concerti grossi vermutlich Geldverschwendung sein.




    liebe Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Hallo salisburgensis,

    Zitat

    Deine Eingangsfrage war anderthalb Tage alt, als du schon ungeduldig wurdest und Obiges schriebst. Das war m.E. etwas arg ungeduldig.


    du hast recht, manchmal bin ich etwas ungeduldig und angesichts der WM verstehe ich gut, wenn man gerade mal keine Zeit zu antworten hat, schließlich verbringe ich im Moment selbst die meiste Zeit vorm Fernseher.
    Aber vielen Dank für die verspätete :D Antwort. Ich werde mal in die Pinnockaufnehmen reinhören.
    Gruß

    Günter

  • Ich möchte an dieser Stelle Salisbuirgensis iun einem Punkt widersprechen:


    Ich konnte nie nachvollziehen, daß "The English Concert" (unter Trevor Pinnock) und Christopher Hogwoods "Academy of Ancient Music" als "ähnlich klingend" bezeichnet wurden.


    The English Conzert klingt klar durchsichtig, manchmal ein wenig hart und überbrillant, aber jenes (IMO) unangenehm "weinerliche Sirren", daß ich als "Markenzeichen" von Howoods Formation bezeichnen möchte - das fehlt (glücklicherweise) ganz.


    mfg


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ich möchte an dieser Stelle Salisbuirgensis iun einem Punkt widersprechen:


    Ich konnte nie nachvollziehen, daß "The English Concert" (unter Trevor Pinnock) und Christopher Hogwoods "Academy of Ancient Music" als "ähnlich klingend" bezeichnet wurden.


    The English Conzert klingt klar durchsichtig, manchmal ein wenig hart und überbrillant, aber jenes (IMO) unangenehm "weinerliche Sirren", daß ich als "Markenzeichen" von Howoods Formation bezeichnen möchte - das fehlt (glücklicherweise) ganz.


    Die erwähnten Händel-Concerti sind mit der (meines Wissens in Boston beheimateten) "Händel&Haydn Society" gemacht worden und leiden nicht unter dem manchmal etwas anämischen Klang der früheren Aufnahmen des anderen Ensembles (aber die Academy klingt inzwischen auch nicht mehr so wie in den 70ern!). Sie sind wirklich ziemlich gut, klanglich und auch interpretatorisch.
    Die Gemeinsamkeit von Hogwood und Pinnock sehe ich weniger im Klang als im Zugang, der mehr mit den schlanken und geradlinigen Kammerorchesterversionen von Marriner oder Leppard gemein hat als mit den (für viele sicher überzeichneten) rhetorischen und kontrastreichen Interpretationen Harnoncourts (oder MAK oder in jüngerer Zeit Minkowski und Jacobs bei Oratorien und Opern).


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Bei den Concerti grossi sollten neben den erwähnten Pinnock, Harnoncourt und Hogwood auch noch genannt werden:


    Jeanne Lamon mit dem Ensemble Tafelmusik (bei op 3 Aufnahme von 1991).


    Zu der Aufnahme mit Jeanne Lamon greife ich immer wieder besonders gern.


    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • fohlenfanatiker
    Die von Dir genannte Aufnahme ist aus meiner Sicht durchaus empfehlenswert.
    Auffällig ist die hohe Spielkultur des Ensembles und der federnde, durchhörbare und schlanke Interpretationsansatz.
    Vor einiger Zeit sah und hörte ich Manze im norwegischen Fernsehen.
    Es war die Aufzeichnung eines Gesprächskonzertes aus Oslo mit einem Konzert für zwei Violinen von J.S.Bach.
    Es war absolut ergreifend, warm, feurig und mitreissend.
    Das Barockorchester stammte aus Norwegen.
    Wenn ich dann seine Aufnahmen mit dem englischen Orchester höre, bin ich im Vergleich dazu etwas enttäuscht. Das ist mir einfach noch zu viel Understatement, zu sehr die feine, englische Art.
    Auch bei den Händelschen Concerti Grossi könnte es m.E. noch mehr zur Sache gehen, ohne die Grenzen des guten Geschmacks zu verletzen.
    In den Details finde ich, dass Manze noch stärker die Kontraste herausarbeiten könnte und mehr Mut beim Thema Artikulation haben könnte ( z.B. überraschende Quasi-Bindungen von Sekundintervallen auch bei schnellen Sätzen)
    Spitzentöne vertragen durchaus mehr Vibrato, sie sollten im wahrsten Sinne des Wortes "beben".
    Es klingt nach sehr schönem Konzert, aber nicht nach einem Drama, in dem sich radikale Abgründe und "blutige" Kontraste auftun.


    So etwas hört man wohl nur beim Concentus musicus Wien unter Harnoncourt. Seine hier schon genannte Einspielung ist daher auch meine Referenz:



    Zu dieser Aufnahme habe ich im letzten Jahr etwas geschrieben:


    Seit geraumer Zeit beobachte ich das bedauerliche Phänomen, dass neu erschienene Aufnahmen bekannter Werke des 18.Jahrhunderts in der Öffentlichkeit überaus gelobt werden und schnell der Begriff der "neuen Referenz" herausgeholt wird.
    Eine auch nur etwas ältere Aufnahme ist damit automatisch irgendwie überholt, lahmer und irgendwie museumsreif - ähnlich wir es heute bei Autos oder Mobiltelefonen tagtäglich erleben.
    Auch angesichts der hier vorliegenden Einspielung der Händelschen Concerti grossi op.3 und op.6 kann ich den naiven Glauben an den Fortschritt im Bereich der Interpretation Alter Musik nicht nachvollziehen.
    Hier ist nämlich nicht mehr und nicht weniger als einer der Höhepunkte in der instrumentalen Interpretations- und Aufnahmegeschichte im gesamten Bereich der nach 1950 aufgeführten und eingespielten Barockmusik zu hören, die nicht von Bach komponiert wurde.
    Sicher kann man auch und gerade bei Harnoncourt so etwas wie einen Verbesserungs-Fortschritt in seinen Interpretationen hören, wenn man erste Aufnahmen aus den 60er-Jahren mit den heutigen oder auch mit dieser Einspielung vergleicht. Dies liegt aber vor allem daran, dass Harnoncourt und sein Concentus musicus Wien immer auch als Pioniere gearbeitet haben, also Neuland erschlossen.
    Die ersten Schritte mussten naturgemäss vorsichtiger klingen, als das, was wir heute gewohnt sind ( manche Leute in den 60er und 70er-Jahren empfanden auch jene ersten Schritte als skandalös)
    Als der Concentus diese Händel-Aufnahme machte ( es muss in den 80er -90er Jahren gewesen sein) beherrschte die Musiker bereits souverän sowohl die musikalische Sprache des 18.Jahrhunderts, als auch ihre alten Instrumente.
    Das Hauptmerkmal dieser Aufnahme ist loderndes Feuer, Leidenschaft, gekonnt zum Ausdruck gebrachte Emotion, verbunden mit grosser Einsicht und erstaunlicher intellektueller Werkdurchdringung. Ich habe sämtliche Concerti mit Partitur gehört und muss sagen, dass mich Harnoncourts Ideen zur Artikulation und Dynamik, zum Tempo, zur Agogik, zum bewussten Einsatz oder Weglassen des Vibratos und auch zu Fragen der räumlich getrennten Aufstellung von Concertino und Tutti nicht nur überzeugen, sondern auch begeistern können.
    Nirgendwo sonst höre ich die Klangrede so deutlich und sprechend wie hier beim Concentus musicus Wien.
    Der Affektreichtum der Konzerte und ihrer einzelnen Sätze wird sehr deutlich von den Musikern empfunden und herausgearbeitet.
    Durch manche Sätze wird der Hörer regelrecht hindurchgerissen.
    Hierzu trägt auch der Umstand bei, dass Sekundintervalle in einem springenden Staccato-Zusammenhang oftmals überraschend quasi-legato verbunden mit einer "ziehenden" Dynamik gespielt werden. Dasselbe gilt auch Auftaktfiguren, bei denen man normalerweise ein abgesetztes Spiel erwarten würde.
    Überraschung, Störung und Irritation innerhalb der Artikulation und Dynamik sind ja wichtige Elemente der Klangrede des 18.Jahrhunderts, und deswegen m.E. unverzichtbar.
    Als ich die Aufnahmen zum ersten Mal hörte, konnte ich nur immer wiederholen: " die sind auf eine Weise total verrückt, aber sie haben recht, Händel wollte das wohl so ! "
    Ich meine, dass die Musik Händels nach diesem besselten, frischen, fetzigen und aber gleichzeitig auch durchdachten Interpretationsansatz geradezu schreit, weil sie sonst von ihrer komponierten Struktur her in einem unverbindlichen, gefälligen Wohlklangseinerlei ertrinkt.


    Wer den Concentus musicus Wien auf dem Höhepunkt seines Schaffens erleben will und das menschliche Drama in Händels Musik hören möchte, dem empfehle ich diese CD`s nachdrücklich.
    Diese Aufnahme wird kaum "von links" überholt werden können, vielleicht nicht einmal von Harnoncourt selbst.


    Bis heute stehe ich zu voll zu dieser Meinung.
    Gäbe es diese Aufnahme jedoch nicht, würde ich die von Manze eventuell an die erste Stelle setzen.
    Manze traue ich es durchaus zu, in der vielleicht etwas festgefahrenen Alte-Musik-Szene etwas einzubringen, was neu und dann sogar auch noch gut wäre.
    Aus meiner Sicht ist er ein Hoffnungsträger.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Hallo, Glockenton,
    aha, dann stammt die Rezension auf amazon also von dir. Es kam mir irgendwie bekannt vor. Danke für die Antwort.


    Ich hatte diesen Thread begonnen,
    1. weil es hier noch keinen über die Concerti grossi gab und
    2. weil ich sehr gespannt auf Tipps war, welche Hip-Version denn empfehlenswert sei. Nach den Ratschlägen hier im Forum schaffte ich mir die Hogwood-Version an und finde sie auch durchaus gelungen. Nebenbei ersteigerte ich mir bei ebay für 1,50 € eine einzelne Cd von Harnoncourt mit den Concerti op.6 Nr. 4,5,6,8,12 und was ich da hörte, begeisterte mich regelrecht vom ersten Moment an und ich sagte zu mir selbst, dass das wohl die beste CD sei, die ich mir in den letzten Monaten angeschafft hatte. Ich spiele daher mit dem Gedanken, mir die Gesamteinspielung auch anzuschaffen. Hoogwood ist irgendwie etwas glatter, so wie Johannes es oben schon beschrieben hat. Ich glaube es ist eine Frage der Gewohnheit. Seit ich Barock vorwiegend als Hip höre, kann ich mir diese Musik kaum noch auf modernen Instrumenten anhören. Was Harnoncourt hier geleistet hat...... Hut ab!!!
    Gruß nach Norwegen

    Günter

  • Zitat

    Original von fohlenfanatiker
    Nebenbei ersteigerte ich mir bei ebay für 1,50 € eine einzelne Cd von Harnoncourt mit den Concerti op.6 Nr. 4,5,6,8,12 und was ich da hörte, begeisterte mich regelrecht vom ersten Moment an und ich sagte zu mir selbst, dass das wohl die beste CD sei, die ich mir in den letzten Monaten angeschafft hatte. Ich spiele daher mit dem Gedanken, mir die Gesamteinspielung auch anzuschaffen.


    das op.3 gibt es ja einzeln als elatus-CD, vielleicht erscheint da auch noch der Rest. Er benötigt allerdings 3 CDs für op.6. Die 4 CD-Box mit op..3 &6 habe ich vor ein paar jahren für ca. 28 EUR gekauft (gibt es immer noch, die hat leider keinerlei Beitext über minimale Informationen hinaus). Da Du Dich ja erstmal an der highlights-CD (die mein Einstieg in diese Musik war) festhalten kannst, lohnt evtl. ein paar Monate warten. Warner verscherbelt ja momentan alles möglich in sehr preiswerten Boxen (z.B. die von Andrew anderswo genannten Londoner Sinfonien.


    Nachdrücklich empfehlen möchte ich die Doppel-CD mit den Orgelkonzerten opp. 4&7 mit Harnoncourt/Tachezi empfehlen, über marketplace noch lieferbar:



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Nachdrücklich empfehlen möchte ich die Doppel-CD mit den Orgelkonzerten opp. 4&7 mit Harnoncourt/Tachezi empfehlen, über marketplace noch lieferbar:


    Vielen Dank für den Tip, ich werde gleich mal reinklicken.
    Der Empfehlung kann ich mich auch wegen der hohen Variationskunst des Herrn Tachezi voll anschliessen.
    Die Aufnahme kenne ich bereits, aber eben nur als LP, und mein Plattenspieler ist seit fast 20 Jahren kaputt...


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich weiß nicht genau, ob es die sind, die Bernd Schulz weiter oben gemeint hat (es könnte spätere andere Marriner-Aufnahmen geben), aber ich habe kürzlich auf Ebay diese Box geschossen (zur beginnenden Weihnachtszeit kann etwas mehr Barockmusik nicht schaden):



    zwar habe ich noch nicht alles durchgehört, aber die Concerti op. 6 und 3 sind eine ernstzunehmende Alternative auf modernen Instrumenten. Wie von Marriner zu erwarten, elegante, transparente und spritzige Interpretationen in hervorragender Klangqualität. Für die 60er Jahre sogar "Beinah-HIP" durch prominentes Cembalo, flotte tempi und teils kammermusikalisches Klangbild. Gut gefällt mir auch, dass Marriner die optionalen Tutti-Oboen in einigen der Konzerte aus op.6 mitspielen lässt. Ich bevorzuge diese rustikalere Klangfarbe gegenüber dem reinen Streicherklang.
    Gewiß jedoch gegenüber Harnoncourt "neutral", um nicht zu sagen unemotional oder unpersönlich (aber das sind auch die mir bekannten anderen HIPisten).
    Auch die Orgelkonzerte scheinen recht gut zu sein (interessanterweise spielt Malcolm zwei davon, op.7,6 und op.4,3 auf dem Cembalo, was mir persönlich aber weniger zusagt). Auch hier wird die Klangrede von Tachezi/Harnoncourt nicht erreicht, aber die Orgel klingt erfreulich schlank und flexibel.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von fohlenfanatiker

    Kennt jemand diese Aufnahme und wenn ja : wie ist sie zu bewerten?


    Ab morgen eine weitere neue Einspielung von op. 3 -diesmal unter Richard Egarr- erhältlich



    Darf man gespannt sein ? ?( ?(


    Gruß aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Also nochmal was zu Concerti Grossi im allgemeinen von Händel:



    Op. 3 würde ich eher als "Concerti per molti instrumenti" bezeichnen, am ehesten vergleichbar mit Bachs Brandenburgischen Konzerten, oder den Concerti von Heinichen oder Pisendel.
    Formal entfernen sich die Concerti auch teilweise vom großen Vorbild Corellis.
    Das Concerto No.4a beginnt z.B. im Stil einer frz. Ouverture.


    Eben wegen der zusätzlichen Verwendung des Bläsertrios (oboen und Fagott) und der Flöten.
    Solche Instrumente haben in reinen Concerti Grossi nichst verloren.
    Das sind dann auch keine Solokonzerte.



    Op. 6 sind im Gegensatz dazu echte Concerti Grossi nach dem Vorbild Corellis.
    Sowohl was die Mehrsätzigkeit anbelangt, als auch die reine Streicherbesetzung.
    Corellis Concerti (und auch alle anderen Werke nach diesem Vorbild) haben immer mehr als 3 Sätze - aber es gibt auch Concerti die 3 Sätze haben - auch welche mit nur 2 oder einem Satz.
    Mit einer Suite hat das auch nichts zu tun, sondern wie JR schon schrieb basieren diese Concerti auf der barocken Sonatenform - und da war es recht üblich auch tänzerische (aber nicht wirklich tanzbare) Sätze mit aufzunehmen.


    Ich würde den Konzertführer in den Müll schmeißen :D


    weil so etwas:


    Zitat


    Die 12 Grands Concertos Opus 6 für Streicher und Continuo erschienen 1740. In meinem Musiklexikon heißt es: “Sie weichen vom Cocerto-grosso-Typ stark ab. Zwar stellen sie ein Concertino einem Tutti gegenüber, halten sich aber nicht an die übliche Dreisätzigkeit. Es handelt sich um eine Synthese von Suiten- und Konzertform, die Werke entsprechen jedoch auf alle Fälle dem Titel „Große Konzerte““.


    Die 6 Concerti Grossi op. 3 erschienen 1734 und werden auch als „Oboenkonzerte für Bläser. Streicher und Continuo“ bezeichnet. Zitat: “Es handelt sich nicht um ausgesprochene Instrumentalkonzerte und ebenso wenig um echte Concerti grossi.“



    ist doch unter aller Würde :no:
    und das in einem Lexikon.... das ist nicht nur verwirrend sondern schlicht falsch.

  • Die Bezeichnung von Händels op. 3 als Concerti Grossi ist etwa genauso korrekt wie die von Bachs Kirchenmusik als "Kantaten" .... :rolleyes:


    Manze's Einspielung von op. 6 ist eine der besten, die man sich derzeit kaufen kann. Er hat für alles einen guten Ansatz und das Orchester setzt es sehr gut um. Sie bekam rundherum zu recht gute Kritiken. Der Grundklang ist eher schlank - wer es etwas fülliger mag, dem sei die von Simon Standage mit dem Collegium Musicum 90 auf Chandos empfohlen, die klingt etwas "festlicher".

  • Naja, op. 3 ist schon ein wenig unkonventionell bzw. disparat. Man könnte aber auch sagen: kühn! Wobei sich naklar die Frage stellt, ob hier des Komponisten Wille für die formale Kühnheit gesorgt hat oder des Verlegers wirtschaftliches Gespür... Ist aber ganz gleich: Die Musik ist GROSS!


    Bei op. 6 sieht die Sache ja durchaus anders aus (nicht was die Größe der Musik angeht sondern die Formstrenge :D ). Im Grunde folgen die Concerti - wenn ich das richtig sehe - dem Formprinzip der sonata da chiesa, das Händel aber nicht sklavisch genau erfüllt, sondern es gemäß einer lockeren Pragmatik in form- oder gattungästhetischen Fragen eher frei verwendet. Jedenfalls entsprechen die Concerti 2 und 4 genau der klassischen da chiesa-Form, die meisten der anderen lockern die Form auf, indem Händel auf den jeweils zweiten schnellen Satz ein oder zwei stilisierte Tänze folgen läßt (Concerti 1, 5, 6, 7, 9) und/oder einen solchen Tanzsatz zwischen den Mittelsätzen einschiebt (Concerti 3, 6, 12). Wirkliche Abweichungen zeigen doch eigentlich allenfalls in den Concerti 8 (das mit einer Allemande einsetzt - danach folgt dann aber eigentlich auch eine Sonata da chiesa, der vor dem Schlußallegro noch ein - hinreißendes! - Siciliana eingefügt ist) und 10, das mit einer Overture im französischen Stil beginnt, dann mit einer langsamen Air fortgesetzt werden, auf die drei schnelle Sätze folgen. Der für die italienische Sonaten-Form typische langsam-schnell-Wechsel wird - wenn man die eingeschobenen oder angehängten Tanzsätze mal ausblendet - ansonsten doch nur selten durchbrochen (eigentlich nur noch in den Concerti 3. und 5.).
    Ergo kann ich JR und dem Lullisten nur zustimmen: recht formstrenge Werke - mit einigen künstlerischen Freiheiten.


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Selbst Corelli, der die Mustervorgabe lieferte, ergänzt das Sonata da chiesa-Gerüst manchmal um zusätzliche Sätze (etwa die angehängte Pastorale im "Weihnachtskonzert"). Ich muß zwar gestehen, außer Händel und Corelli ur sehr vereinzelte Concerti grossi zu kenne, aber insgesamt scheint mir op.6 durch diese Freiheiten nicht aus dem Rahmen zu fallen.


    op.3 ist ein ziemlicher Mischmasch. Die irreführende Bezeichung "Oboenkonzerte" geht wohl auf frühe Ausgaben noch im 18. Jhd. zurück.
    Die "regulärsten" Stücke sind m.E. 4 und 5, die mit franz. Ouverturen bzw. dem langsam- schnell (und meistens fugiert) der Kirchensonate beginnen und dann entsprechende Sätze folgen lassen. Die beiden haben jedenfalls mehr mit dem Concerto grosso als mit Concerti für viele konzertierende Einzelinstrumente wie von Vivalidi, Heinichen oder Bach zu tun (obwohl natürlich Oboen/Fagotte drin mitspielen).
    Auch 3, obwohl vermutlich Verlegerkreation folgt der Kirchensonatenform (hier scheint es überdies die Möglichkeit zu geben, statt der Oboe die Flöte solo spielen zu lassen). Das 6. sind einfach (ebenfalls vom Verleger) zusammengestellte Einzelsätze ohne großen Zusammenhang.


    Auch die (für mich musikalisch vielleicht faszinierendsten) Concerti 1 und 2 sind buntscheckig. Sie ähneln mehr als der Rest Concerti per molti'stromenti, das erste regulär dreisätzig, das 2. mit zwei angehängten Tanzsätzen.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Selbst Corelli, der die Mustervorgabe lieferte, ergänzt das Sonata da chiesa-Gerüst manchmal um zusätzliche Sätze (etwa die angehängte Pastorale im "Weihnachtskonzert"). Ich muß zwar gestehen, außer Händel und Corelli ur sehr vereinzelte Concerti grossi zu kenne, aber insgesamt scheint mir op.6 durch diese Freiheiten nicht aus dem Rahmen zu fallen.


    Tut es auch nicht. Die 6 Concerti grossi von Alessandro Scarlatti, der gemeinhin durchaus Formstrenge walten ließ, basieren in ihrer Grundstruktur ebenfalls auf der da-chiesa-Form. Dabei läßt Scarlatti zumindest in einigen der Concerti zum Beispiel schlicht den typischen langsamen Eingangssatz weg. Daher könnte man auf die Idee kommen, das c-moll-Konzert (das ist das 2.) mit der Satzfolge schnell-langsam-schnell würde der Sonata da camera-Struktur folgen. Dagegen spricht dann aber die extrem streng gearbeitet Fuge im Eingangsallegro, die dem 1. Allegro resp. dem zweiten Satz einer da-chiesa entspricht. Abgesehen von diesen vereinzelten Aussparungen des einleitenden langsamen Satzes fügt auch Scarlatti in einigen Concerti Tarantellas oder Menuette ein (etwa der Schlußsatz des c-moll Concertos ist ein Menuet - 8o was im Falle dieses dreisätzigen Konzerts wieder für die da-camera-Form sprechen würde). In den 12 »Sinfonie di Concerto grosso« behandelt Scarlatti die da-chiesa-Form noch freier. Mischformen scheinen bei einer festen Grundstruktur also durchaus gängig gewesen zu sein - bei Komponisten, die unter französischem Einfluß gestanden haben (wie etwa Georg Muffat) zeichnet sich das sogar noch deutlicher ab.
    Also: Händel ist da mit Corelli und Scarlatti in bester Gesellschaft.


    Bestens,
    Medard

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