"Sympathie mit dem Tode" - Pfitzners Palestrina

  • "Ich hörte Hans Pfitzners musikalische Legende "Palestrina" dreimal bisher, und merkwürdig rasch und leicht ist mir das spröde und kühne Produkt zum Eigentum, zum vertrauten Besitz geworden. Dies Werk, etwas Letztes und mit Bewußtsein Letztes aus der schopenhauerisch-wagnerischen, der romantischen Sphäre, mit seinen dürerisch-faustischen Wesenszügen, seiner metaphysischen Stimmung, seinem Ethos von "Kreuz, Tod und Gruft", seiner Mischung aus Musik, Pessimismus und Humor...."


    Das schreibt Thomas Mann in seinen " Betrachtungen eines Unpolitischen", und später heißt es dann:


    "An einem Sommerabend zwischen der zweiten und dritten Palestrina-Aufführung unerhielt man sich, auf einer Gartenterrasse sitzend, über das Werk, indem man es, was nahe liegt, als Künstlerdrama und als Kunstwerk überhaupt mit den Meistersingern verglich; man stellte Ighino gegen David, Palestrina gegen Stolzing und Sachs, die Messe gegen das Preislied, man sprach von Bach und der italienischen Kirchenmusik als stilisierenden Kräften. Pfitzner sagte: >> Der Unterschied drückt sich am sinnfälligsten in den szenischen Schlußbildern aus. Am Ende der Meistersinger eine lichtstrahlende Bühne, Volksjubel, Verlöbnis, Glanz und Gloria: bei mir der freilich auch gefeierte Palestrina allein im Halbdunkel seines Zimmers unter dem Bild der Verstorbenen an der Orgel träumend. Die Meistersinger sind die Apotheose des Lebens, im Palestrina neigt alles zum Vergangenen, es herrscht darin Sympathie mit dem Tode.>> Man schwieg, und nach seiner Art, einer Musikantenart, ließ er seine Augen schräg aufwärts ins Vage entgleiten."


    Bei aller Zeitgebundenheit der Perspektive halte ich Manns Ausführungen zum Palestrina - in den "Betrachtungen" gehen sie noch viel weiter und erstrecken sich über einige Seiten - für sehr lesenswert, wenn man sich mit dieser Oper näher beschäftigen will. Um ein "kühnes und sprödes" Werk handelt es sich in der Tat, manche bezeichnen es als "komponierte Philosophie" und machen das zum Ausgangspunkt einer kritischen Sichtweise.


    Uraufgeführt wurde die "musikalische Legende" am Münchener Prinzregententheater am 12. Juni 1917, die Titelrolle sang Karl Erb, die musikalische Leitung hatte Bruno Walter, der diese Oper Zeit seines Lebens sehr geliebt hat. Der Erfolg des Stückes war groß, und auch ein Züricher Gastspiel im November des gleichen Jahres stieß auf relativ große Begeisterung.


    Besonders interessant ist, daß es sich um die einzige von fünf Opern handelt, zu der sich Pfitzner selber den Text geschrieben hat, und daß man diese Textvorlage wohl zweifelsfrei als großen Wurf bezeichnen kann. Rudolf Kloiber schreibt in seinem Handbuch der Oper: " Bei der Qualitätsgleichheit von Dichtung und Musik ist es schwer zu unterscheiden, welcher von beiden der Vorzug zu geben ist. Schon allein die Idee und ihre dramaturgische Gestaltung in einem Bühnenwerk trägt den Stempel des Außergewöhnlichen. Das in seiner Gegensätzlichkeit und Symbolhaftigkeit wohlausgewogene Geschehen ohne Erotik, die mit dichterischem Feingefühl behandelte Sprache ohne Pathos und die realistische Darstellung der typenhaft wirkenden Personen sind die Komponenten dieses Operntextes von seltenem Niveau."


    Für mich geht die eigentliche Magie des Stückes aber doch von der Musik aus, von der einzigartigen Mischung aus Sprödigkeit und romantischer Innigkeit, aus Kirchentonalität, Diatonik und spätesttonaler Grenzharmonik, aus historisierend-asketisch-leisen Klängen und massiver Blechwucht (im 2.Akt), aus atmosphärischer, beinahe "impressionistischer" Vergangenheitsbeschwörung und klaren, süßen melodischen Linien.


    Es gab einige bekannte Dirigenten, die sich sehr für den Palestrina begeistert haben. Neben Bruno Walter sind hier vor allem noch Robert Heger, Joseph Keilberth, Rafael Kubelik, Heinrich Hollreiser und Christian Thielemann :D zu nennen.


    Ich selber konnte den Palestrina bislang in Nürnberg, München (mit Peter Schreier), Berlin (mit René Kollo) und Düsseldorf live erleben. Das waren jeweils Abende, die ich nicht so schnell vergessen werde. Vor allem der nahezu unhörbar verklingende, resignative, in seiner Schlichtheit unglaublich raffinierte Schluß gehört für meine Ohren zu den beeindruckensten Momenten der Oper (und der europäischen Musik) überhaupt.


    Auf eure (kontroversen?) Meinungen bin ich gespannt!


    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo Bernd!!


    Zuerst einmal DANKE für den Thread!!!


    Aber: Welche Aufnahme(n) würdest du empfehlen???? Wenn geht, auch noch nicht zu teuer!!


    LG Joschi


    PS: Danke im Voraus!!

  • Hallo Joschi,



    ich selber besitze drei Aufnahmen, bei denen jeweils Robert Heger, Otmar Suitner und Rafael Kubelik dirigieren.
    Jede dieser Einspielungen hat ihre Vor-und Nachteile. Bei Suitner und Kubelik gefällt mir das Orchester sehr gut, aber Schreier bzw. Gedda in der Titelparie sind für meinen Geschmack nicht die ideale Besetzung.
    Wunderlich (unter Heger) singt den Palestrina fantastisch, aber das Orchester der Wiener Staatsoper hat 1964 nicht so geklungen, wie ich mir das vorstelle. Sehr preiswert ist diese Aufnahme:



    Ich kenne sie leider nicht, aber Patzak soll ein idealer Palestrina gewesen sein. Jede CD-Box (1. und 2. Teil) bekommt man für konkurrenzlose 4,99. Zum Kennenlernen vielleicht nicht verkehrt?!


    Ansonsten ist die Kubelik-Aufnahme mit knapp 30 Euro für drei CDs auch noch erschwinglich.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Ich habe nur Kubelik - und der ist fabelhaft. Gleichertig (wenn nicht sogar eine Spur besser) ist IMO aber die Aufnahme unter Suitner bei Berlin Classics, leider etwas teurer (ca. 35 Euro).
    Was Heger betrifft (den ich im Fall des "Palestrina" nicht kenne), bin ich stets skeptisch, weil er, der selbst Komponist war, sich immer klüger glaubte als die Komponisten, die er dirigierte - und nach Herzenslust Kürzungen anbrachte.

    ...

  • Suitner und die Staatskapelle Berlin leisten Hervorragendes, aber mit Peter Schreiers Stimme komme ich (nicht nur in dieser Aufnahme) überhaupt nicht klar. Als ich ihn in München live als Palestrina erlebt habe, war seine Darstellung der Rolle so eindrucksvoll, daß mich das quäkige Timbre kaum gestört hat. Aber auf CD macht es mir immens zu schaffen.


    Viele Grüße


    Bernd

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  • Ich besitze insgesamt 5 Aufnahmen von Palestrina, ldeiglich die Münchner Aufnahme unter Keilberth (bei Orfeo erschienen), kenne ich nicht. Sie ist vielleicht aber die am besten dirigierte.


    Wunderlich ist für mich als Palestrina das Maß der Dinge. Man kann ihn sich in dieser Rolle vielleicht nur schwer vorstellen, er gestaltet ihn mit seiner Prachtstimme aber wirklich unglaublich gut, ist nicht der jugendliche Held, sondern wirklich der nachdenkliche Meister. Eine seiner besten Aufnahmen, nur leider schwer zu kriegen. Leider ist der Rest nicht so optimal, v.a. Oto Wiener als Borromeo ist im Vergleich zu den anderen Aufnahmen sicher der am wenigsten überzeugende. Man kann an ihm eigentlich nur die Textverständlichkeit loben. Interessant an der Myto-Ausgabe dieser Aufnahme: der Anhang mit der Szene Palestrina - Borromeo aus dem 1. Akt aus einer Produktion der Salzburger Festspiele 1955 unter Rudolf Kempe mit Max Lorenz als Palestrina. Hier wünsche ich mir eine Gesamtaufnahme!


    Hegers andere Aufnahme (München 1951) bietet mit Julius Patzak den Palestrina der 50er Jahre, die Stimme muss man freilich mögen ... Daneben Hans Hotter, der Borromeo schlechthin, leider nicht allzu gut bei Stimme. Dann ist dies vielleicht das einzige Aufeinandertreffen der beiden besten Wotane der50er Jahre: Ferdinand Frantz (Morone) und Hans Hotter (Borromeo) (Übrigens war es Hans Hotter der als Regisseur in Wien 1964 Wunderlich dazu animieren konnte, den Palestrina zu singen).


    Eine sehr interessante Aufnahme entstand 1952 in Köln für den Westdeutschen Rundfunk: Es dirigierte Richard Kraus, den Palestrina sang erneut Julius Patzak, Hotter wieder den Borromeo. Die Aufnahme klingt sehr gut (mono), Hotter und Patzak sind im Studio in besserer Form (IMO). Daneben: der junge FiDi als Morone.


    Die beiden Stereoaufnahmen finde ich gleichwertig mit geringen Vorteilen für Kubelik. Ich halte FiDi für einen ausgeezeichneten Borromeo, hier passt seine Stimme und sdeine Art zu singen IMO richtig gut; Schreier ist IMO einn nahezu optimaler Palstrina (in der Tradition von Erb und Patzak), Gedda ist auch ausgezeichnet, steht eher in der Tradition von Wunderlich.


    Sechs Gesamtaufnahmen, mehrere Inszenierungen in den letzten 15 Jahren - eigentlich nicht schlecht für so ein aufwendiges, inhaltlich wie musikalisch doch recht sperriges Werk ohne Liebesgeschichte!


    Gruß, Dieter

  • Edwin, "drei Akte lang" - naja, im dritten Akt tritt Borromeo für etwa 2 Minuten auf...


    Kannst du noch mal präzisieren, warum dir Fischer-Diskau in dieser Rolle nicht gefällt? Ich bin da nämlich ganz subjektiv viel näher bei Dieter als bei dir.


    Auch wenn Palestrina im zweiten Akt schweigt, ist für mich die Besetzung der Titelpartie ungleich wichtiger. Mit Gedda werde ich nur bedingt froh, er macht seine Sache gewiß nicht schlecht, aber er wirkt mir etwas zu sportlich.


    Dieter, ich betreibe jetzt etwas Wortklauberei: Wenn ich Thomas Mann, der die Oper "spröde und kühn" nennt, zustimme, bin ich trotzdem nicht mit dem Attribut "sperrig" einverstanden.
    Gerade die bei aller Gewagtheit weitgehend diatonische Harmonik in Kombination mit der vielfach linearen Stimmführung macht den "Palestrina" im Gegensatz zu diversen chromatischen Schwimmfesten des frühen 20. Jahrhunderts für etwas geübte Ohren auf einem ziemlich direkten Weg zugänglich. An atmosphärischer Dichte fehlt es auch nicht - ebesowenig wie an prägnanten, melodisch inspirierten "Leitmotiven".
    Nachdem ich heute morgen bei der Arbeit :D noch einmal den dritten Akt (mit Heger/Wunderlich) komplett gehört habe, bewundere ich Pfitzners Musik mehr denn je. Genialer als in dieser Oper kann man die verschiedensten Gegensätze (sinnlicher Schönklang - zurückgenommene, aufs rein Kontrapunktische reduzierte Askese, bewußte Zeitlosigkeit - progressive Linearität ,"romantisch- impressionistische" Vorherrschaft der Atmosphäre - klare, prägnante Motivik) wohl kaum zum Ausdruck bringen oder gar synthetisieren.


    Ein scheinbar einseitiger Komponist hat es geschafft, in dieser Oper vielen kontroversen Elementen (die humoristisch-sarkastische Ebene im zweiten Akt darf man nicht vernachlässigen) eine eindrucksvolle Gestalt zu verleihen.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Bernd,
    um die Wortklauberei fortzusetzen, mit sperrig meine ich das Werk als ganzes. Die Musik zählt sicher zu dem eingängisten, was Pfitzner komponiert hat (etwa die Szene mit den 9 Meistern und anschließende Messe, so emotional kennt man Pfitzner sonst kaum).


    Aber die historisch-philosophischen Debatten des 2. Aktes oder der lange Monolog des Borromeo, das sind schon Herausforderungen für den Gelegenheitshörer. Das ganze Werk spricht doch eher den Kopf als den Bauch an.


    Gruß, Dieter

  • Hallo Dieter, hallo Bernd,


    Zitat

    Aber die historisch-philosophischen Debatten des 2. Aktes oder der lange Monolog des Borromeo, das sind schon Herausforderungen für den Gelegenheitshörer. Das ganze Werk spricht doch eher den Kopf als den Bauch an.


    Das sehe ich genauso. Die erwähnte Szene mit den Meistern und der anschließenden Messe mag ich am liebsten. Hier blüht die Musik richtig auf.
    Den Rest finde ich für das Hören zu Hause doch etwas langatmig und teilweise recht spröde. Besonders wenn man Vergleiche zieht zu zur selben Zeit komponierten Opern von Schreker, Korngold oder Zemlinsky mit ihren fast durchgängig höchst sinnlichen Klängen.
    Auf der Bühne würde ich mir den Riesenschinken aber doch gerne mal antun.


    Schöne Grüße
    Johannes

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  • Für meine Ohren hat alleine der Monolog des Borromeo ziemlich Längen (die es aber in fast allen Opern gibt, z.b. beim zweiten Akt Walküre bin ich immer kurz davor, einzuschlafen).
    Den Konzilsakt finde ich textlich und musikalisch ausgesprochen kurzweilig.


    Johannes, ich muß gestehen, daß mich gerade das schwül Sinnliche bei Korngold und Schreker auf Dauer ermüdet. So fesselnd die Klänge zunächst auch wirken, nach zehn oder fünfzehn Minuten fühle ich mich so, als ob ich ununterbrochen fette Sahnetorte gegessen hätte. Und das ist halt beim Palestrina nicht der Fall.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo Bernd!
    Mich stören Fidis Manierismen in der großen Auseinandersetzung des Ersten Aktes und im Zweiten Akt nachhaltig. Ich finde, er singt den Borromeo nicht, er bellt ihn. Man mag das als Interpretation eines Machtmenschen akzeptieren - mir ist einfach Siegfried Lorenz lieber: Ich finde ihn facettenreicher, weniger eindimensional, eher der Diplomat, der zwischen Überredungskunst und Machtausübung pendelt.
    Ich muß auch gestehen, daß mir Schreier lieber ist als Gedda - und zwar, weil ich glaube, daß Gedda etwas viel Italianità in den Part legt, während Schreier die Rolle fast wie einen Evangelisten anlegt. Das Timbre ist gewöhnungsbedürftig, zweifellos. Dennoch...
    Ich finde es schade, daß man keine Aufnahme mit Anton Dermota bekommt. Ich habe ihn selbst in der Wiener Staatsoper erlebt, der Palestrina war die letzte Rolle, die er auf der Bühne sang. Es war atemberaubend!


    Übrigens: Ich finde das Werk weder spröde noch langatmig. Es ist eine Oper, die (wie auch Wagners "Parsifal") dann sogar ziemlich spannend wird, wenn man den Text versteht und verfolgt.


    LG


    LG

    ...

  • Zitat

    Aufnahme unter Suitner bei Berlin Classics, leider etwas teurer (ca. 35 Euro).



    Oh, was für ein Glück! Habe ich doch diese Aufnahme bei 2**1 in Berlin (Kantstraße) am vergangenen Wochende in der Wühlauslage für EUR 2,99 erworben.


    :baeh01:

  • Bernd Schulz:


    Zitat

    daß mich gerade das schwül Sinnliche bei Korngold und Schreker auf Dauer ermüdet. So fesselnd die Klänge zunächst auch wirken, nach zehn oder fünfzehn Minuten fühle ich mich so, als ob ich ununterbrochen fette Sahnetorte gegessen hätte. Und das ist halt beim Palestrina nicht der Fall.



    :jubel: :jubel: :jubel:


    So etwa hätte ich das auch gesagt, wobei zu den beiden genannten Herren
    auch noch Zemlinsky hinzugefügt werden kann.


    Ganz sicher hängt das auch damit zusammen, daß sowohl Korngold wie auch Schreker und Zemlinsky aus Wien stammen bzw. dort ihre Sozialisation erfahren haben. Der Hintergrund bei Pfitznr ist ein anderer.
    Trotzdem sollte man sich aber davor hüten, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
    Die Wiener Herrschaften wollten einfach etwas anderes als Pfitzner. Powidl-Tascherln, Sachertorte und Kolatschen sind wunderbare Erfindungen und richtig zubereitet, geradezu anbetungswürdig. Will sagen: MAL MIT ist ja in Ordnung. Mir persönlich sind die "herberen Genüsse" Pfitzners lieber, es berührt mich einfach mehr... (und soll nach Auskunft der Ärzte auch noch gesünder sein ! :D )

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo Bernd, hallo BBB,


    Zitat

    ich muß gestehen, daß mich gerade das schwül Sinnliche bei Korngold und Schreker auf Dauer ermüdet.


    Genau das ist bei mir eben nicht der Fall. Ganz im Gegenteil: Die Opulenz der Klänge, die Übersteigerung des Ausdrucks, die unbändige Leidenschaft und Ekstase, die Maßlosigkeit dieser Musik fesselt mich zutiefst! Befinde ich mich für ein paar Minuten in einem solchen Klangrausch, möchte und kann ich mich davon nicht mehr lösen.


    Das Bild mit den Sahnetorten ist zwar auch ganz schön gewählt - ich assoziiere mit der Musik der genannten Komponisten aber eher das für den Menschen unberechenbare Element Wasser - ein Meer, das den Zuhörer mit sich trägt, wie in einen gewaltigen Sog hineinzieht und in letzter Konsequenz . . . . . . . . . . . .
    Insofern ist BBBs Hinweis auf die (Un-)Gesundheit durchaus richtig. :D


    Somit ist das Verhältnis bei mir genau umgekehrt: den etwas herberen Pfitzner gelegentlich genossen, ist zwar ganz reizvoll, aber auf die Dauer nicht so an- und aufregend, um über weite Strecken davon gefesselt oder verzaubert zu werden.
    Aber, wie ich in meinem obigen Beitrag schrieb, bezog ich meine Äußerung auf das Hören aus der Konserve. Der Eindruck mag bei einer szenischen Aufführung durchaus ein anderer sein. (Das Vergnügen hatte ich leider bisher noch nicht. Wird aber auch wirklich Zeit!)


    Schöne Grüße
    Johannes

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  • Diese "schön gemischten" Aussagen bringen doch vor allem eines in Spiel:


    Individuelle Empfindungen beim Hören ein und derselben Musik sind, je nach "Anlage des Hörenden", Tagesform, Aufnahmebereitschaft verschieden !


    Folgendes jedoch fiel mir auf: wer seine musikalische Prägung über die "herkömmlichen" Wege, als da sind Medien, Unterricht, Konzerterfahrungen
    bekam, tendiert sehr häufig (Ausnahmen bestätigen die Regel ! :D ) doch eher in die romantisch-chromatische Richtung.


    Jemand wie z.b. Salisburgensis oder noch extremer ich, die aus einem Musikerhaushalt stammen, wo Bach eher der Endpunkt war, entwickelten ganz unabhängig voneinander musikalische Prämissen., die von den Werken
    der Renaissance und des (Früh)Barock geformt sind.


    Meine erste Begegnung mit Mozart z.b. (ich war 12, glaub ich) werde ich nie vergessen, denn die zu singende "Krönungsmesse" empfand ich, verglichen mit den Werken Schützens und Palestrinas als unglaublich banal...


    Ähnlich ging es mir dann später mit Zemlinsky, Korngold, Schreker, die ich, im Vergleich zum "Vorbild" Wagner eher als wenig originell empfand...


    Ganz anders jedoch bei Pfitzner, der sich ebenfalls auf Wagner berief. Was ich hier zu hören bekam, war für mich neu und als "uralt" empfunden zugleich.
    Ein Interesse war geweckt, das bis heite anhält...

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo,



    Johannes, es hanlelt sich natürlich um eine Frage der persönlichen Disposition....und ich wollte Korngold und Schreker auch in keinster Weise abwerten. Ihre Musik ist hochinteressant.


    BigBerlinBear,auf meine persönlichen Vorlieben trifft deine Prägungstheorie nicht so richtig zu. Ich komme aus einem Haushalt, in welchem Bach überhaupt nicht präsent war. Meine Eltern konnten (bei einem gewisssen Interesse an Oper und Konzert) keine Noten lesen, ihre Lieblingsmusik kam weitgehend aus der Romantik.
    Und meine Entwicklung in Bezug auf Musik ist dann durchaus über die herkömmlichen Wege verlaufen - sehr wichtig waren für mich die Opernerlebnisse im Aachener Theater (dort wurden damals noch die richtiog großen Schinken vom Tristan bis zum Boris Godunow gegeben) und der eindrucksvolle Unterricht bei meinem von mir sehr bewunderten ersten Lehrer.
    Zu Bach habe ich erst viel später gefunden.


    Trotzdem schätze ich die konservativen" Spät-und Nachromantiker mehr als die großen Koloristen und Chromatiker. Damit Musik mich im Innersten anspricht, benötigt ich eine klare melodische Linie. Und die findet sich bei Pfitzner immer wieder. Auch wenn die Melodien manchmal herb anmuten, verläuft die Musik dennoch nicht so "ziellos" wie bei Schreker und Co.....
    Und gerade im Palestrina kann man genug melodisch schlagende Motive entdecken - ich ertappe mich zum Beispiel manchmal dabei, wie ich ich unbewußt das Kaiser-Ferdinand-Thema unter der Dusche pfeife....


    Viele Grüße


    Bernd

  • Ich glaube nicht, daß es sinnvoll ist, Schreker und Pfitzner gegeneinander auszuspielen. Das sind zwei ästhetisch grundverschiedene Ansatzpunkte - und wenn es um die Darstellung von Triebhaftigkeit und Erotik geht, ist Schreker dem viel trockeneren Pfitzner weit überlegen.
    Andererseits ist Pfitzner gerade durch den ausgesparteren Ansatz ungeheuer stark.
    Ich jedenfalls möchte keinen von beiden missen und stelle auch keinen über den anderen.

    ...

  • Zitat

    Original von DonBasilio
    Hallo Bernd!!
    Zuerst einmal DANKE für den Thread!!!
    Aber: Welche Aufnahme(n) würdest du empfehlen???? Wenn geht, auch noch nicht zu teuer!!
    LG Joschi
    PS: Danke im Voraus!!



    Ich hab diese und brauche keine andere mehr.

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Zitat

    Original von Siegfried
    [


    Ich hab diese und brauche keine andere mehr.


    Hallo!
    Du solltest allerdings darauf verweisen, daß es von diesem Mitschnitt auch eine vollständige Version bei Myto gibt. Der zweite Akt ist in seiner Dramaturgie zu bemerkenswert und wichtig, als daß man ihn unterschlagen sollte. Alternativ muß man immer noch auf die Studioaufnahme Kubeliks mit Gedda verweisen (die anderen Mitschnitte sind durch die Tenöre Patzak bzw. Schreier zu stark gehandicapped)

  • Ich habe Patzak im "Palestrina" noch live gehört ( da muß er wohl schon an die 70 gewesen sein), aber mit erstaunlichem Durchhaltevermögen und eben sehr wienerischem Tonfall. Er war ja wohl der UA-Palestrina? Mit Schreier würde ich ihn dann doch nicht vergleichen; er hat ja immerhin auch den Florestan gesungen.

  • Zitat

    Original von brighella
    Ich habe Patzak im "Palestrina" noch live gehört ( da muß er wohl schon an die 70 gewesen sein), aber mit erstaunlichem Durchhaltevermögen und eben sehr wienerischem Tonfall. Er war ja wohl der UA-Palestrina?



    Patzak war 1917 erst 19 Jahre alt - das wäre dann doch eine erstaunliche Besetzung gewesen... ;)



    Zitat

    Original von Bernd Schulz
    Uraufgeführt wurde die "musikalische Legende" am Münchener Prinzregententheater am 12. Juni 1917, die Titelrolle sang Karl Erb, die musikalische Leitung hatte Bruno Walter, der diese Oper Zeit seines Lebens sehr geliebt hat.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von brighella
    Ich habe Patzak im "Palestrina" noch live gehört ( da muß er wohl schon an die 70 gewesen sein), aber mit erstaunlichem Durchhaltevermögen und eben sehr wienerischem Tonfall. Er war ja wohl der UA-Palestrina? Mit Schreier würde ich ihn dann doch nicht vergleichen; er hat ja immerhin auch den Florestan gesungen.


    Du hast Dir als noch nicht Zehnjähriger Pfitzners "Palestrina" angeschaut - und die "Durchschlagskraft" von Patzak noch in bester Erinnerung? Respekt!


    Zu Patzaks Florestan hat ein Kritiker angemerkt, dass es erstaunlich sei, wie man auch mit wenig Stimme grossen Eindruck machen kann (und das ist absolut positiv gemeint!).

  • Pfitzners "Palestrina" habe ich in jüngeren Jahren im ersten und dritten Akt als arg ermüdend empfunden. Der zweite, in dem eindeutig mehr los ist (inklusive seiner satirischen Momente), erschloss sich mir wesentlich leichter.


    Ich lernte andere Pfitzner-Stücke kennen ("Die Rose vom Liebesgarten", "Das Herz", "Der arme Heinrich", "Christelflein"), mit denen ich besser zurecht kam.


    Vor einigen Jahren machte ich einen neuerlichen Versuch mit "Palestrina" - und es funktionierte. Besonders das Ende des ersten Aktes berührt mich sehr. Aber auch die Entwicklung innerhalb dieses ersten Teils, diese enorme Breite, die der Diskussion zwischen Borromeo und Palestrina eingeräumt wird, die Begegnung mit den verstorbenen Meistern der Tonkunst, die dann in den Schöpfungskat der Messe übergeht, empfinde ich heute als ausgesprochen stark.


    Was ich ein klein wenig schade finde: Pfitzner selbst hat angemerkt, dass ein Sänger, dem das notierte "hohe C" (im Finale des ersten Aktes) unbequem liegt, diesen Ton transponieren kann. Die meisten Sänger machen davon Gebrauch (und es ist sicher die richtige Entscheidung) - Gedda singt das vorbildlich.

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  • Meine Favorit-Palestrinas: Wunderlich und Schreier; der erstere ist absolut TOP!!
    Schreier braucht sich nicht zu verstecken, die Gedda-Aufnahme habe ich nicht, Patzaks Stimme ist nicht so mein Ding, er macht aber viel aus der Partie.


    :hello:Heldenbariton

    Wie aus der Ferne längst vergang´ner Zeiten
    GB

  • Die Wunderlich-Aufnahme fehlt mir leider - vermutlich ist auch die übrige Besetzung hörenswert. Allein die drei Engeslstimmen dürften Luxus sein (Coertse, Popp, Janowitz).


    Schreier finde ich auch ganz ausgezeichnet - nicht nur sängerisch, auch von der Gestaltung her, wie er dicht am Wort, am Text bleibt, beweist grosses Können.


    Nicolai Gedda erreicht diese Kraft nicht - er bleibt distanzierter (das kann man auch bei anderen seiner Rollenpotraits beobachten), legt aber auch grossen Wert auf eine genaue Wortbehandlung. Die Aufnahme kam für ihn zu einem günstigen Zeitpunkt - er ist gut bei Stimme und hat so etwas introvertiertes, was gut zum Palestrina passt.


    Patzak ist eher ein guter Gestalter, als ein perfekter Sänger. Seine Stimme verfügt nicht über eine breite Palette an Schattierungen oder Strahlkraft - aber wie er mit seinen stimmlichen Mitteln umgeht, um eine Figur glaubhaft zu formen, hat durchaus Vorbildcharakter.


    Die zweite grosse Partie im "Palestrina" ist der Borromeo. Ich gebe gerne zu, dass ich Fischer-Dieskau auch in dieser Rolle ausgezeichnet finde. Mich stört seine deklamatorische Rollengestaltung (inklusive gewisser Manierismen) nicht - das Schmeicheln, die unterschwellige Wut, die Ausbrüche, ich finde das sehr gelungen.


    Aber auch Siegfried Lorenz muss da nicht zurückstehen. Seine Darstellung wird alle die zufriedenstellen, die kantable Elemente bei Fischer-Dieskau vermissen.


    Hans Hotter fällt da für mich allein schon wegen seinem etwas unsicherem Gesang und seiner beengten Höhe ab.

  • Die Einspielung von "Palestrina" unter Ralf Kubelik war meine erste Opern-Gesamtaufnahme auf CD. Der vielleicht etwas ungewöhnliche Einstieg war aber so bedeutend für mich, dass die Handlung und Musik bis heute für mich das Non-plus-ultra der Oper überhaupt sind:
    Jedesmal, wenn das Hauptthema des 1. Vorspiels in der Flöte erklingt, weiß ich, warum ich klassische Musik liebe. Und das gewaltige 2. Vorspiel
    ist für mich zum Inbegriff von Kraft und Macht geworden.
    Das Werk als Huldigung der Inspiration ist für mich selbst Inspiration für mein Leben geworden.


    Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu kitschig...

    "Das Höchste in der Kunst - vor Gott besagt's nicht viel.
    Hat doch die Welt zuletzt nur ein moralisch Ziel."
    (Hans Pfitzner)

  • Der Pfitznersche Palestrina ist für mich seit meiner Jugend eines meiner liebsten Werke und ich bedaure es sehr dass er (im Gegensatz zu Straussschen Werken, die m.E. allesamt viel bedeutungsloser sind) so selten aufgeführt wird.
    Die Wunderlich - Aufnahme wäre, abgesehen von einer leider zentralen Partie, nahezu ideal. Und leider ist diese Partie Borromeo, der von Otto Wiener mit seiner hellen (und für mein Ohr äusserst unangenehmen) Stimme geradezu verschenkt wird. Hätte man doch diese Vorstellung aufgenommen, in welcher Hotter in dieser, seiner eigenen Iszenierung gesungen hat!
    Die Kubelik-Aufnahme ist ein Kompromiss, da relativ viele Partien (wie übrigens bei allen Kubelik Opernaufnahmen, der sich für Stimmen nie sehr interessiert zu haben scheint) etwas merkwürdig besetzt worden sind. Vor allem möchte ich hier Heribert Steinbachs verunglückten Novagerio aufführen, und diese Besetzung ist mir unerklärlich, da Wolfgang Windgassen, ein exklusiver DGG-Sänger, diese Partie damals in sein Repertoire aufgenommen und mit grossem Erfolg auch in Wien Gesungen hatte.
    So bleiben noch (da für mich die Schreier-Aufnahme an keine der genannten herankommt) die nahezu gleichwertigen Aufnahmen unter Keilberth und unter Heger. Der Letzteren würde ich deshalb den Vorzug geben, da der, wie ich sagen würde unübertroffene Hotter da noch etwas frischer tönt, Fischer-Dieskau in der Partie des Morone unerreicht ist und vor allem, da Richard Holms Timbre eher für den Novagerio, als die Titelrolle geeignet ist.

    Einmal editiert, zuletzt von m.joho ()

  • Dann wäre da noch die Aufnahme unter Richard Kraus aus Köln, in gutem Rundffunk-Mono mit Hotter in guter Form, Patzak und Fischer-Dieskau als Morone.


    Interessant wäre aber auch die Komplettversion der Salzburger Aufführung unter Rudolf Kempe (war bestimmt ein guter Pfitzner-Dirigent) und Max Lorenz als Palestrina. Als Bonus-Track gibts auf der Myto-Version der Wunderlich-Aufnahme die Szene mit Borromeo (Paul Schöffler) bis kurz vor dem Auftritt der verstorbenen Meister.


    Gruß aus Lübeck
    Dieter

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