Schostakowitsch: Sonate für Viola und Klavier op. 147

  • Ich möchte kurz eines meiner Lieblingswerke vorstellen.


    Die Sonate für Bratsche ist Schostakowitschs letztes Werk. Für die Komposition der ersten beiden Sätze benötigte er zehn Tage. Am 4. Juli 1975 sagte er dem Bratschisten des Beethoven-Quartetts (Fjodor Druschinin) am Telefon, dass er sich gesundheitlich sehr schlecht fühle und es sein könne, dass er die Arbeit deswegen unterbrechen müsse. Er brachte dann aber doch das Schluss-Adagio in nur zwei Tagen zu Papier, bevor ein Erstickungsanfall In der Nacht vom 6. auf den 7. Juni dafür sorgte, dass er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Gegen Lungenkrebs im Endstadium konnte man leider nicht viel ausrichten. Am 1. August wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und führte in den folgenden drei Tagen die letzten Korrekturen an der Partitur der Bratschensonate durch. Am 9. August starb Schostakowitsch. Die Bratschensonate wurde am 25. September in Leningrad uraufgeführt. Druschinin spielte Bratsche, Mikhail Muntian Klavier.


    Ich höre die Sonate verdammt gern. Ich mag überhaupt die letzten großen Werke besonders, auch das 15. Streichquartett und die 14. und 15. Symphonie. Die Klanglandschaften sind hier oft karg, die Musik aufs Wesentliche reduziert.


    Nun folgt der Versuch, einer subjektiven Beschreibung der drei Sätze. Insgesamt dauert das Stück eine gute halbe Stunde und das Adagio ist fast so lang, wie die beiden ersten Sätze gemeinsam.


    I Moderato
    Zaghaft und leise schleicht sich die Musik aus dem Nichts, wird aber immer nervöser und rastloser, verbreitet stellenweise großes Unbehagen. Am Ende schleicht sie ins Nichts zurück, als sei nichts gewesen.


    II Allegretto
    Hier steckt Musik aus dem Opernversuch "Die Spieler" nach Gogol drin. Die Fröhlichkeit der Musik wirkt manchmal trotzig und wird außerdem durch melancholische Musik und ungemütliche Pizzicato-Zupfer durchbrochen. Ein düsterer, humorvoller "Danse macabre".


    III Adagio
    Hier steckt Musik aus Beethovens Monscheinsonate drin. Die Musik ist lyrisch und traurig, sie trifft einen mitten ins Herz.




    Ich besitze zwei Aufnahmen, die ich beide uneingeschränkt empfehlen kann!


    a)
    Yuri Bashmet, Bratsche
    Mikhail Muntian, Klavier
    gekoppelt mit Bratschensonaten von Glinka und Roslavets
    RCA


    b)
    Annette Bartholdy, Bratsche
    Julius Drake, Klavier
    gekoppelt mit Schostakowitschs Cello-Sonate, arrangiert für Bratsche
    NAXOS

    3 Mal editiert, zuletzt von Myschkin ()

  • Sagitt meint:


    Danke für diesen Beitrag. Das ist mein liebstes Werk von Schostakovitcvh. Ich habe eine Aufnahme von Mintz und Postnikova, gekoppelt mit einer Violinsonate op. 134. Ich finde diese Aufnahme,speziell vom op. 147 sehr ergreifend.


  • Ich habe (angeregt durch meinen eigenen Beitrag) noch einmal beide Aufnahmen angehört und zu meinem Erstaunen festgestellt, dass mir Bartholdy/Drake besser gefällt als Bashmet/Muntian.
    Bei Bartholdy und Drake klingt die Musik unversöhnlicher und rauher. Die Bratsche klingt schärfer und das Klavier härter!
    Bashmet und Muntian sind lyrischer, alles klingt weicher und "schöner".
    Beide Ansätze passen sehr gut zum Stück und ich möchte auch beide Aufnahmen nicht missen, aber wenn ich nur eine behalten könnte, würde ich die NAXOS-Aufnahme wählen.

    Einmal editiert, zuletzt von Myschkin ()

  • Ich bin auf die folgenden beiden Einspielungen gestoßen, und würde gerne die Unterschiede wissen:



    Beide mit den selben Künstlern (Kagan, Bashmet und Richter), beide enthalten auch die Sonate für Violine und Klavier op. 134. Die Aufnahmedaten scheinen auch gleich zu sein (1982/1985). Allerdings heisst es bei der linken DDD, bei der rechten ADD.


    Kennt jemand diese Aufnahmen, und ist eine der anderen klar vorzuziehen?


    maticus

  • nur ganz kurz:


    das Thema op. 147 gibt es bereits; vielleicht besser der Übersicht wegen dort einfügen.


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Hallo Maticus,


    es handelt sich auf beiden CDs um dieselbe Aufnahme vom 26.09.1982 (Bashmet/Richter haben die Sonate auch 1985 in Freiburg aufgenommen, daneben gibt es noch diverse private Mitschnitte von weiteren Konzerten, bevor Nachfragen kommen: ich besitze keine). Die großartige September 1982-Aufnahme ist auf diversen Labels rausgekommen. Aufgenommen hat sie und ursprünglich erschienen ist sie auf Melodija.


    Ich habe nur die Regis-CD. Die habe ich gerade noch mal herausgekramt. Auch auf der Rückseite steht "DDD". Ich kann mir bei dem Aufnahme-Datum nicht vorstellen, dass das stimmt. Vermerkt ist, dass die Aufnahme remastered wurde von Paul Arden-Taylor. Ob auch die neue Melodija-CD, die ja offenbar erst 2006 erschienen ist, remastered wurde, weiß ich nicht.


    Zur Regis-CD findest du eine Kritik mit weiteren Informationen bei musicweb: "http://www.musicweb.uk.net/classrev/2003/July03/Shosvson.htm"


    Abschließend traue ich mich zu sagen: Wenn du dir die günstige Regis-Ausgabe kaufst, machst du nichts falsch.


    Viele Grüße
    Thomas


  • Habe diese Musik per Zufall mit obiger CD kennengelernt (Mintz wie immer fantastisch :jubel: )und war dann von Bashmet enttäuscht, der das irgendwie lieblos runterspielt. Details? Fehlanzeige. Wirkt fast ein bißchen schnoddrig auf mich....
    Am besten beide kaufen und vergleichen. :pfeif:

  • Hallo!


    Zitat

    Original von flotan


    Habe diese Musik per Zufall mit obiger CD kennengelernt (Mintz wie immer fantastisch :jubel: )


    Die CD hatte ich mir auch mal ausgekuckt, aber dann doch die Kammermusik-Box von Brilliant gekauft, als sie rauskam.
    Spielt Mintz denn da auch Bratsche?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat

    Die CD hatte ich mir auch mal ausgekuckt, aber dann doch die Kammermusik-Box von Brilliant gekauft, als sie rauskam. Spielt Mintz denn da auch Bratsche? Viele Grüße, Pius.


    Ich darf für flotan antworten: Ja tut er.



    Viele Grüße

  • Lieber flotan,

    Zitat

    Habe diese Musik per Zufall mit obiger CD kennengelernt (Mintz wie immer fantastisch )und war dann von Bashmet enttäuscht, der das irgendwie lieblos runterspielt


    Ich kann Dir versichern, daß auch Mintz in der Lage ist, ein Werk wie das Brahms-Konzert lieblos herunterzuspielen.
    [SIZE=7]Er hat das bei uns fertiggebracht, kam zu beiden Proben zu spät und hat sich durch sein überhebliches Auftreten hier keine Freunde gemacht.[/SIZE]Außerdem war er sich nicht zu schade,das Orchester durch falsche Einsätze zu verarschen.Ich saß direkt hinter Ihm und empfand das als eine Frechheit sondergleichen.


    :hello:


    Micha

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Hallo zusammen,


    kennen und lieben gelernt habe ich dieses Werk in der Aufnahme von Tabea Zimmermann mit Hartmut Höll. Die Brilliant-Kammermusik-Box besitze ich auch. Habe mir dort das Werk aber trotz der recht prominenten Besetzung - Isabelle van Keulen und Ronald Brautigam - noch nicht angehört. Wie Mintz, spielt dort van Keulen auch sowohl Violine in op. 134, wie auch die Viola in op. 147.


    Viele Grüße
    Frank

    From harmony, from heavenly harmony
    this universal frame began.

  • Also ich bin dem Vorschlag von Thomas gefolgt und habe die Regis-Version gekauft, also Op. 147 mit Bashmet/Richter und Op. 134 mit Kagan/Richter. Ich bin höchst zufrieden. Dass Bashmet das "lieblos runterspielt" kann ich überhaupt nicht bestätigen. Auch Op. 134 (das ich gerade kennen und lieben lerne) ist eine Wucht.


    Bei den Aufnahmen handelt es sich um live-Aufnahmen in guter Klangqualität, wobei die Liveatmosphäre hier noch zusätzliche Spannung erzeugt haben mag. Leise Huster im Hintergrund stören mich nicht. Einziger Schönheitsfehler: Im 3. Satz von Op. 134 gibt es einen sehr lauten Huster an einer leisen Stelle.


    maticus

  • Hallo,


    Schostakowitsch hat viele hervorragende Werke komponiert, am besten gefällt mir jedoch sein letztes Werk, die 1975 komponierte Sonate für Bratsche und Klavier. Ich habe eine Aufnahme mit Kim Kashkashian und Robert Levin, die mir sehr gefällt. Die Musik ist sehr ausdrucksvoll und emotional und sehr persönlich, im Finale wird die Mondscheinsonate von Ludwig van Beethoven verwendet. Es handelt sich hier harmonisch, melodisch und rhythmisch um einen neuartigen Schostakowitsch-Stil, den ich so von keinem seiner Werke kenne. Kim Kashkashian artikuliert und phrasiert ausgezeichnet und entfaltet eine phänomenale Dynamik auf der Bratsche, wie auch ihr Partner Robert Levin am Klavier. Zum hineinhören empfehle ich Titel 5:



    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

    Einmal editiert, zuletzt von Alfred_Schmidt ()

  • Lieber Andreas,
    Deine Liebe für das Werk teile ich- allerdings weniger die zur Interpretation.
    Was an meiner Neigung zum Authentischen liegt: es existiert ein Mitschnitt mit dem Widmungsträger, dem Bratscher des Beethoven-Quartetts.


    Ist schon irgendwie biestig: alle Mitglieder dieses Quartetts baten DSCH zum Solostücke- und alle verstarben kurz darauf.
    So dass er die Widmung der Viola-Sonate ablehnte, um doch vom Bratscher überlebt zu werden.


    Nichts desto trotz: es ist einfach wundervolle Musik, die sich am besten mit Schweigen erklären lässt.


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Was an meiner Neigung zum Authentischen liegt: es existiert ein Mitschnitt mit dem Widmungsträger, dem Bratscher des Beethoven-Quartetts.


    Lieber Melante
    könntest Du uns ein bisschen mehr Informationen zu dieser Aufnahme zukommen lassen oder existiert die nur auf dem Graumarkt.

  • Lieber Melante
    vielen Dank, das werde ich mir in Ruhe anhören. Die CD kann man bei amazon.com kaufen, allerdings für einen Preis, den ich nicht bereit bin zu zahlen.


    Ich besitze nur eine Aufnahme und zwar diese hier. Die wurde seinerzeit sehr positiv besprochen. Ich werde vergleichen und berichten.



    Liebe Grüße
    lutgra

  • /oEDzT1rI7vU


    P.S.: Meines Wissens wurde Schostakowitsch ausgerechnet vom Primgeiger Dimitri Tsiaganow überlebt, obwohl diesem Streichquartett Nummer 12 gewidmet war...