Sind Bruckners Symphonien "katholisch"?

  • Eigentlich habe ich mich bemüht, einen Beitrag zu dem jetzt geschlossenen Wagner-Thread zu schreiben. Leider ist das nicht mehr möglich und bin jetzt etwas frustriert, dass wir nicht weiter diskutieren können.


    Ich werde also das Tabu-Thema weglassen und trotzdem versuchen, meine Fragen zu formulieren. Worum es mir im Folgenden geht, ist, ob man gewisse Eigenschaften aus der Musik per se heraushören kann.


    Inwiefern ist die Musik in den Meistersingern "deutscher" als z. B. der Ring oder z. B. die Zauberflöte?


    Mir fällt dazu immer ein Freund ein, der sagt, dass er Bruckners Symphonien nicht mag, "weil sie so katholisch sind", und dass die katholische Kirche schon so viel Unheil über die Menschheit gebracht hat. Der Freund vermengt also verschiedene Themen, was ich für sinnlos halte. Und ich verstehe immer noch nicht, wie Musik "katholisch" sein kann; oder "übertrieben Deutsch". Musik kann doch auch nicht per se gut oder böse sein, so a la "Dur ist lustig, Moll ist traurig."


    Noch mal zu der "deutschen Musik" (?) in den Meistersingern:
    Es geht in den Meistersingern um Kunst und den Konflikt zwischen Tradition und Freiheit bzw. Moderne. Vielleicht wäre der Stoff in Frankreich auch möglich gewesen, mit dem ganzen Stolz auf französische Kunst, französische Ehre oder was weiß ich. Wäre das dann auch abzulehnen?


    Wenn wir Schöpfer, Werk, und andere Aspekte und Gegebenheiten nicht manchmal auseinanderhalten könnten, müssten wir viele schöne Werke ablehnen.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • HalloMelot, und Rest der WElt


    ein Wort vorab: Ich habe den angesprochenen Thread mit Zähneknirschen geschlossen - indes hatte ich solchen Thread (Nr 202 - es ist mir in Schlechtester Erinnereung) schon einmal im Forum - Ihr braucht nicht zu suchen -er wurde auf vielfachen Wunsch vernichtet.
    Das Schliessen des Threads war also eine pragmatiosche Entscheidung - die mich keineswegs restlos glücklich macht.


    Nun will ich mich aber dem EIGENTLICHE Thema DIESES Threads widmen:


    Zitat

    Worum es mir im Folgenden geht, ist, ob man gewisse Eigenschaften aus der Musik per se heraushören kann.


    Jein.
    Zum einen kann man Italianitá in ein Werk einfliessen lassen, man kann unter Verwendung von Kastgnetten einen spanischen Eindruck erwecken etc.


    Natürlich kann ich mit "weihevoller" Muisik einen sakralen Eindruck erwecken, etc. Filmmusik bedient sich ja solcher Kunstkniffe andauern - und mit Erfolg.


    Dann gibt es aber auch Musikalische Werke - mit denen man automatisch etwas bestimmtes verbindet - obwohl die Assoziazion eine synthetische ist. Hier ist die Fernsehwerbung ein gutes Anschauungsbeispiel. Es hängt damit zusammen womit das entsprechende Musikstück "verknüpft wird.


    Bruckners Symphonien wurden gerne als "Weihefestspiele" "zelebriert" - daher die o.a Assiziation.


    In Opern werden gerne Scheinwelten gezeigt die - mit entsprechneder Musik und Handlung verbunden - teilweise sehr stark unsere Reale Welt prägen können. Als Beispierl sei hier der "Wikingerhelm" genannt - den es in Wahrheit nie gab - un der ein Genieblitz eines Wagener- Bühnenbildners war.
    Ähnliches Dinge gibt es auch in der Musik...


    LG


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine interessante Fragestellung.
    Ich will mich von der anderen Seite nähern: Ich habe eine Fernsehsendung über Gustav Mahler gut im Gedächtnis, in der niemand Geringerer als Leonard Bernstein behauptete, Mahler sei typisch jüdische Musik.
    Wenn Mahler typisch jüdisch ist, ist Bruckner typisch katholisch - warum denn auch nicht?
    Es ist jetzt die Frage, wie man als Zuhörer bzw., bei Opern, Zuseher mit dieser Erkenntnis umgeht.


    Zum Beispiel: Ich habe mit den Kommunisten ziemlich wenig am Hut (und das drücke ich jetzt sehr zurückhaltend aus) - dennoch finde ich Paul Dessaus Bach-Variationen brillant und es ist mir egal, daß Dessau sie als musikalischen Versuch über die Dialektik verstanden wissen wollte. Die Dialektik funktioniert jedenfalls - mich begeistert das Werk!
    Oder Rodion Schtschedrins Kantate "Lenin ist unter uns": Ich halte dieses Werk für eine der brillantesten Kompositionen Schtschedrins, für ein echtes Meisterwerk. Angesichts der musikalischen Qualitäten habe ich mit dem Inhalt kein Problem.


    Nun also Wagners "Meistersinger": Für mich eine der besten deutschen Opern, ein Höhepunkt des Opernschaffens überhaupt. Was macht sie so furchtbar deutsch? - Nichts, was nicht aus dem geschichtlichen Kontext hervorginge.
    Nicht die Handlung ist es, die könnte mit leichten Modifizierungen in anderen Ländern auch spielen. Der Knackpunkt ist die Sachs-Ansprache am Schluß. Aber worauf bezieht sich etwa der "welsche Dunst", "daß kein Fürst bald mehr sein Volk versteht"? Das ist eine Anspielung auf Macchiavelli und seine Lehre, wie man Macht instrumentalisiert; eine Lehre, die eine eindeutige Trennlinie zwischen Fürst und Volk zieht.
    Während Macchiavelli also den Volksunterdrücker als Ideal sieht, ist das deutsche Ideal der volksnahe Fürst. Ich persönlich halte das nicht für Deutschtümelei, und ich lasse mir das auch vom Starverbrecher der Geschichte nicht vermiesen, der mit dem "welschen Fürsten" Mussolini eine Allianz schloß. Toscanini, ein Gegner von Nationalsozialismus und Faschismus, fand nichts dabei, die "Meistersinger" in Salzburg zu dirigieren, obwohl Hitler zu dieser Zeit in Deutschland bereits an der Macht war. Wenn das kein Gegenbeweis ist...!


    Nationale bzw. politische Statements in der Musik findet man jedenfalls in nahezu allen Nationen, in England in einigen grauenhaften kriegshetzerischen Machwerken Elgars - aber ich bin der festen Überzeugung, daß auch Brittens "War Requiem" ein politisches, nämlich pazifistisches Statement ist.
    Wir haben massenhaft patriotische musikalische Statements in Frankreich, in Italien (bei Verdi etwa), natürlich in Rußland und der Sowjetunion und auch den Trabantenstaaten der Sowjetunion. Es gibt im ganzen sowjetischen Einflußbereich kaum ein Werk, das nicht ideologisch ausgerichtet war (und wenn Schostakowitsch Anti-Stalin-Symphonien schreibt, ist auch das ein politisches Statement!).


    Daher bin ich der Meinung, daß es auf die Qualität der Musik ankommt. Musik nicht zu mögen, weil die darin ausgedrückte Ideologie nicht meiner entspricht, hielte ich für ebenso unsinnig, wie mir einen Komponisten zu versagen, weil er menschlich ein A...loch war.
    Und das hielte ich für eine extrem frustrierende Einengung!



    Hallo Alfred!

    Zitat

    man kann unter Verwendung von Kastgnetten einen spanischen Eindruck erwecken etc.


    Klar - aber das ist reines Kolorit. Kolorit allein macht aber weder geografische Zugehörigkeit noch geistige Identifizierbarkeit aus. Überlege den himmelweiten Unterschied zwischen de Fallas frühem koloritgetränktem "Vida breve" und seinem späten, ohne direktes Kolorit immer noch "typisch spanischem" "Meister Pedros Puppenspiel".
    Kolorik aufsetzen kann auch ein Komponist, der mit dem Kulturkreis nichts zu tun hat: Tschaikowskij im "Capriccio italien", Rimskij-Korskaow in der "Capriccio espagnol" etc.
    LG

    ...

  • Danke für die Kommentare, die ich sehr plausibel finde. Ich bin auch der Meinung, dass Deutschtümelei nicht das Element ist, an dem man sich in den Meistersingern stoßen könnte. Jedenfalls nicht, wenn man die entsprechende Zeit mitbeachtet.


    Von Wagner gibt es ein einziges Werk, bei dem ich mich mit der Musik nicht wohl fühle (ohne dass ich es jetzt sagen könnte wieso), und das ist Rienzi. Ich kenne allerdings Das Liebesverbot und Die Feen nicht. Ab dem Holländer finde ich dann alles stimmig. Ich kenne Musiker, die weite Strecken der Musik in Wagners Stücken nicht herausragend finden, und dann spielen sie eine für mich Laien weniger bedeutende Stelle vor und sagen, dass sie wegen dieser "genialen Stelle" das Werk mögen. Da bin ich immer froh, dass ich Laie bin und ein Stück von Anfang bis zum Ende genießen kann mit all seinen musikalischen Gegebenheiten, an denen sowieso nichts mehr zu ändern ist, und die immer schöner werden können, je vertrauter ich mit ihnen bin.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

    Einmal editiert, zuletzt von Melot1967 ()

  • Zitat

    und das ist Rienzi


    Für mich ist das die Wagner-Oper, in der sich Wagner am meisten verleugnet. "Das Liebesverbot" ist typischer, obwohl es der Versuch einer italienischen Oper auf deutsch ist, aber man spürt Wagners Pranke. In den "Feen" sowieso. Der "Rienzi" hingegen ist in jeder Hinsicht "unwagnerisch" - hat aber eine IMO grandiose Ouvertüre, und das "Gebet" und ein paar Chöre ("Friedensboten") sind auch nicht übel. Aber als ganzes halte ich ihn für ein schwächeres Werk.


    Übrigens: Die deutschtümelndste Oper Wagners ist IMO der "Lohengrin". Bekanntlich fast durchgehend im Viervierteltakt geschrieben, weil Wagner das als den "deutschen Takt" betrachtete.
    Dennoch: Ich finde nach wie vor, daß Wagner nur deshalb der Lieblingskomponist der Nationalsozialisten war, weil sie seine Texte und seine Musik nicht verstanden haben bzw. die (angeblichen) Aussprüche Wagners in Cosimas Tagebuch überbewertet haben.

    ...

  • Hallo Melot,


    Wie Alfred reagiere auch ich auf die Fragestellung

    Zitat

    Worum es mir im Folgenden geht, ist, ob man gewisse Eigenschaften aus der Musik per se heraushören kann.


    Bei mir ist es jedenfalls aus dem Grund, daß ich Brucknermusik nicht so mag, und deshalb über das im Thread gestellte nicht urteilen kann.
    Dagegen weiß ich sehr viel über die Meinung von Katholieken und orthodoxe Protestanten in meinem Lande über Bachs MP.
    Jedes Dorf hat mindestens einmal und jede Stadt hat mehere Ausführungen der MP. Oft von verhältnismäßig große Chöre gesungen. Über das ganze Land.


    In einem Gurtel von SW nach O, sich quer über das Land ziehend, wohnen ziemlich viel orthodoxe Protestanten. Wenn sie befragt worden über das schönste in der MP, dann werden meistens die Chöre genannt. Das ist der Niederländischen Protestantischen Kirche inhärent, wo die Gemeindesang sehr wichtig ist.
    Die Katholische Hörer wurden auch befragt. Und da gab es andere Vorzüge. Sehr verschieden oft, ziemlich divers, aber nicht so massal konzentriert auf die Chöre.


    Und so hörten einmal zwei Freunden von mir - einer Katholik, der andere Protestant - Koopmans MP bei mir.
    Und da sagte der Protestant plötzlich "Dieser Mann ist ja nicht Protestant. Er versteht nicht was Bach sagen wollte." Ich mußte es nachschauen, aber es stimmte. Koopman ist Katholisch.


    Noch immer quält mich jetzt die Frage "Er versteht nicht was Bach sagen wollte." Hatte er recht. Ist die MP eigentlich eine Evangelische Komposition. Und das, obwohl ich auch Protestant bin.


    LG, Paul


    PS Vielleicht kann Andrew mehr hierzu sagen.

  • Salut tous ensemble,


    ich denke, dass es keinen beweisbaren Unterschied zwischen der Intensität einer Glaubensrichtung gibt, egal ob evangelisch/lutherisch/reformiert oder [erz]katholisch. Ja, selbst ein Atheist wird sich der Magie solcher Musik nicht entziehen können. Der [von sich und seinem Glauben] überzeugte Komponist wird jeden durchdringen, der es zulässt. Die Musik ist heilig [manmuß das jetzt nicht unter geistlichem Hintergrund verstehen!], keine Frage.


    Ob Bach "katholisch" komponierte, das hatten wir bereits hier besprochen.


    Was ist mit Mozart? Er war katholisch getauft und ein sehr gläubiger Mensch. Ist die Jupiter-Sinfonie [letzter Satz] ein "katholisches Machwerk" wegen des Credo-Zitates? Und die Zauberflöte - dann ein Teufelswerk? Man bezeichnet doch die Musik gemeinhin als göttlich!? Muß man Freimaurer sein, um die "Kleine Freimaurerkantate" und ggfs. sogar die Zauberflöte "richtig" zu interpretieren? Nein, ich glaube nach wie vor, dass die Musik selbst soviel aussagt, dass man sich dieser Aussage nicht verwehren kann - es sei denn, man schaltet ab.


    Alles, was lateinischen [Gesangs-]Text und/oder einen kontrapunktischen Aspekt in der Musik hat, gilt eigentlich doch als zumindest "geistlich angehauchte" Musik, oder? Vielleicht liegt hier Bruckners "Problem"? Ich kenne die Sinfonien nicht wirklich sehr gut - aber Bruckner ist mir als Kontrapunktfanatiker schon ein Begriff...


    Cordialement
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo Ulli,


    Was sagest Du zu die Bemerkung meines Freundes "Dieser Mann ist ja nicht Protestant".
    Das holt er ja aus dieser Weise von Ausführen.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Und so hörten einmal zwei Freunden von mir - einer Katholik, der andere Protestant - Koopmans MP bei mir.
    Und da sagte der Protestant plötzlich "Dieser Mann ist ja nicht Protestant. Er versteht nicht was Bach sagen wollte." Ich mußte es nachschauen, aber es stimmte. Koopman ist Katholisch.


    Noch immer quält mich jetzt die Frage "Er versteht nicht was Bach sagen wollte." Hatte er recht. Ist die MP eigentlich eine Evangelische Komposition. Und das, obwohl ich auch Protestant bin.


    Es ist sogar eine Lutherische Komposition, d.h. niederländische oder schottische Calvinisten verstehen sie genausowenig wie Katholiken ;)
    Harnoncourt ist IIRC auch Katholik und ich finde die von ihm dirigierte MP durchaus überzeugend.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von musicophil
    Hallo Ulli,


    Was sagest Du zu die Bemerkung meines Freundes "Dieser Mann ist ja nicht Protestant".
    Das holt er ja aus dieser Weise von Ausführen.


    LG, Paul


    Salut,


    er kannte die Aufnahme und hat Dich hinterlistig ins Erstaunen gebracht! 8o


    Ich möchte stark anzweifeln, dass eine katholische oder protestantische Interpretation wirklich zweifelsfrei möglich ist. Wie soll das im Detail aussehen? Vielleicht könnte Dein Bekannter sich hierzu präzise Rückäußern? Selbst wenn er katholische Züge einer Interpretation empfindet, so ist dies seine Empfindung - andere sehen das wieder anders. Wie würde beispielsweise ein Buddhist diese Aufführung interpretieren? Allgemein als christlich? Oder gar als atheistisch?


    ?(


    Und wie schaut's aus mit Gustav Mahlers 2. Sinfonie in c-moll "Auferstehung"? Ich denke, hier wird jeder von dem Schlußchor [außer jenen, die Sinfonien mit Schlußchören verabscheuen :evil: ] innigst ergriffen. Da ist es doch egal, ob evantholisch oder anders gesinnt... Selbst die Resurrektion negierende werden für den kurzen Moment dieser Musik an die Auferstehung glauben - zumindest hoffen, oder?


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Ich weiss nicht, ob es Sinn macht, weltanschauliche Perspektiven als ein kategoriales Kriterium in einer Komposition einzubringen.
    Und dies aus mehreren Gründen:
    einmal ist die Kategorie " katholisch " in sich unscharf, weil sie primär eine Lebensform und damit eine " Wie " aussagt und weniger ein " Was ".
    zum anderen ist die Musik eben ein Medium, das sich nicht sprachlich äussert und wo sie sich sprachlich ausdrückt z.B. in Messen oder Oratorien oder im Gesang ist die Sprache und die sprachliche Äusserung schon vorgegeben.
    Die Kategorie " katholisch " bei Bruckner kann also allenfalls affirmativ weiterhelfen, wenn ich mich denn vorab verständige, was diese Kategorie besagen soll und kann.
    Wenn ich sage, dass mir Bruckner nicht gefällt, weil er zu katholisch ist, ist dies ein Vorurteil, das weder der Kategorie Bruckner noch der Kategorie katholisch gerecht wird, denn es ist ein viel zu unscharfes Kriterium.
    Ich also halte weltanschauliche Fragen und Details, die zu einer Klärung, ob ein Werk einem gefällt für nicht zielführend.

  • Hallo,
    ob Musik katholisch, oder protestantisch ist,kann man doch wohl nur
    an Musiken mit Text erkennen (Messen sind z.B.kath.).
    Die Sinfonien von Bruckner sind keine Kirchenmusik;
    wohl aber christliche Musik.


    Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    ob Musik katholisch, oder protestantisch ist,kann man doch wohl nur
    an Musiken mit Text erkennen (Messen sind z.B.kath.).
    Die Sinfonien von Bruckner sind keine Kirchenmusik;
    wohl aber christliche Musik.


    Und woran erkennt man oder woraus schließt man das, wenn sie keinen Text haben?


    Was ist mit Bachs "catholischer" h-moll-Messe, komponiert von einem Lutheraner...?
    Ich bin ehrlich gesagt nicht sicher, ob das überhaupt sinnvolle Fragestellungen sind... :rolleyes:


    viele Grüße


    JR

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  • Ich finde, dass Musik an sich eine andere, übergeordnete Dimension darstellt, die über all diesen Bewertungen steht.


    Wenn ich sie in einem bestimmten Rahmen höre, z. B. bei einem Gottesdienst, bei einem Begräbnis, bei einer Krönung, bei einem Fest, auf einer Tanzveranstaltung, bei einem Gedenkkonzert, beim Festakt zur Eröffnung eines Nationalparkes, dann kann ich ihr einen gewissen Verwendungszweck zuschreiben. Aber ob sie von sich aus eine gewisse Eigenschaft besitzt (vom Komponisten bekommen hat), kann oft genug bezweifelt werden.


    Wir sind es, die etwas mit ihr assoziieren und sie in der Folge bewerten (oder sogar vorher schon bewerten!). Verschiedene Menschen bewerten sie verschieden, und man streitet sich wegen der Musik, aber dieselbe Musik bleibt dieselbe und steht über allem. Katholisch, protestantisch, jüdisch, deutsch, akademisch, fantasielos - das ist nicht die Musik, das sind wir.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

    Einmal editiert, zuletzt von Melot1967 ()

  • Hallo Johannes,
    ich meine mit christlicher Musik,die aus der christlich abendländischen
    Kultur entstandene Musik;im Gegensatz zu der Musik,die in außer=
    europäischen Kulturen entstand.


    Gruß Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Hallo,
    ob Musik katholisch, oder protestantisch ist,kann man doch wohl nur
    an Musiken mit Text erkennen


    Fragwürdig. Was ist mit Ouverturen zu Oratorien z.B. von Paisiello, Myslivecek und anderen? Losgelöst vom Werk - was kann man da "heraushören"?


    Oder - ganz speziell: Was ist mit Mozarts "Maurerischer Trauermusik" bzw. Kraus Symphonie funêbre? Sie enthalten jeweils Choralmelodien - sind aber eher weltliche Werke...


    Zitat


    (Messen sind z.B.kath.).


    Erkläre dies Herrn Bach.


    Zitat


    Die Sinfonien von Bruckner sind keine Kirchenmusik;
    wohl aber christliche Musik.


    Ohne sie näher zu kennen: Sie sind zumindest in einem überwiegend christlich orientiertem Land und [vermutlich] und dem Einfluss dieser Erziehung entstanden.


    :hello:


    Ulli

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    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Und woran erkennt man oder woraus schließt man das, wenn sie keinen Text haben?


    Das erkennt man nicht, wenn man sich weder mit dem Christentum noch mit Bruckner beschäftigt hat.
    Wenn man allerdings weiß, daß Bruckner z.B. mit drei Themenkomplexen zu arbeiten pflegte, um die Dreifaltigkeit abzubilden, ist das eine Symbolgeste. Wir haben es bei Bruckners Symphonien mit einer "Klangrede" zu tun, und diese "Klangrede" hat natürlich den Glauben an Gott zum Inhalt.

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Das erkennt man nicht, wenn man sich weder mit dem Christentum noch mit Bruckner beschäftigt hat.
    Wenn man allerdings weiß, daß Bruckner z.B. mit drei Themenkomplexen zu arbeiten pflegte, um die Dreifaltigkeit abzubilden, ist das eine Symbolgeste. Wir haben es bei Bruckners Symphonien mit einer "Klangrede" zu tun, und diese "Klangrede" hat natürlich den Glauben an Gott zum Inhalt.


    Naja. Mit ähnlichen Argumenten ist jede Musik von Bach oder Haydn christilich weil SDG o.ä. drüber oder druntersteht. Entspricht dann ein Themenkomplex Gottvater, einer dem Sohn und einer dem Heiligen Geist? Ist in der 5. das erste Thema Gottvater, in der 6. aber das 2.? Wohl eher nicht.
    Das Problem mit solch einem Label ist m.E., dass es entweder zuwenig aussagen will (nämlich das praktisch alle Musik von Bach, Bruckner, Händel usw. in einem vagen Sinne christlich ist). Oder zuviel, nämlich solch einen Unsinn, wie ich ihn gerade mit der Zuordnung der Themen zur Hl. Dreifaltigkeit zusammenphantasiert habe. [1]
    Noch was im Ernst: ich habe nie verstanden, warum aus den "drei Themen" bei Bruckner immer soviel Aufhebens gemacht wird, wo es zig Werke von Mozart oder Beethoven mit sehr prägnanten "dritten Themen" (oder vierten) gibt, meist in der Schlußgruppe, oft aber auch vorher in überleitenden Abschnitten.


    [1]
    Die Heilige Dreifaltigkeit will verreisen, Gottvater schlägt Jerusalem vor; der Sohn ist dagegen, das letzte Mal dort haben sie ihm übel mitgespielt, lieber nach Rom? "Prima", freut sich der Heilige Geist, "dort bin ich noch nie gewesen!" :D


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • JR:


    Zitat

    Was ist mit Bachs "catholischer" h-moll-Messe, komponiert von einem Lutheraner...?


    Diese entstand aus purem Pragmatismus. Bach hatte sich in Dresden um das Amt eines "Kapellmeisters von Hause aus" beworben.


    Das kann man nicht besser unterstreichen, als für diesen Zweck eine komplette
    Messe nach (Dresdener) katholischem Ritus einzureichen, quasi als "Nachweis" dafür, daß Bach einer solchen Position, die er wohl in erster Linie dafür benötigte, um damit gegenüber seinem Brotgeber, dem hochgelahrten und
    WohlWeysen Rath zu Leipzigk punkten zu können, der ihn "auf dem Kieker" hatte weil der Cantor Bach (oder vielmehr der Herr Capelldirektor) zum wiederholten Male vertragsbrüchig geworden war.


    Zu diesem Zweck griff Bach zu seinem altbewährten "Rezept der Reste-Verwertung"; er integrierte Teile einer Missa brevis, wie sie auch im lutherischen Ritus üblich war, in neu komponierte Sätze und verschmolz das alles zu seiner berühmten "Catholischen Messe". Beraten wurde er dabei von seinem Freund Zelenka, zu dessen Aufgabenberech dergleichen Kompositionen gehörten und dessen (leider nicht vollständig überlieferte "Missae ultimae" der Bachschen Schöpfung um nichts nachstehen. Die Sache zahlte sich aus und Bach bekam das angestrebte Prädikat, wenn auch erst 2 Jahre später.

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Siehste BBB,


    jetzt hast Du mich viel schlauer gemacht, als ich es vorher war. Gleich drei Aspekte, die mir vorher fremd waren:


    1) Der Grund für die Entstehung der Messe
    2) Bach kannte Zelenka
    3) Zelenka überhaupt.


    Zu 3) [wenn auch OT] Von Zelenka kenne ich sein Magnificat, und die Missa pro defunctis. "Ab ira tua" :D Es soll noch etliche Messen geben, besonders reizvoll sollen die letzten Schöpfungen sein. Kannst Du da [bitte, bei Gelegenheit] Einspielungen empfehlen?


    Grüßle
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Anton Bruckner selbst war katholisch.


    Wie jedoch eine Sinfonie einer Religion angehören kann, ist mir unerklärlich.


    Gegenfrage: Auch wenn Bruckner alle Werke zur höheren Ehre Gottes komponiert hätte (und das immer wieder am Ende jeder Sinfonie ausgesprochene "non confundar" spricht dafür) - wäre es ihm recht, seine Sinfonien nur auf diesen einen Aspekt zu reduzieren?


    Ich bin übrigens der Ansicht, mit Mahler und Sibelius übrigens, das jede komponierte Sinfonie eine jeweils eigene Welt in sich bedeutet ...

  • Zitat

    Original von ben cohrs
    Ich bin übrigens der Ansicht, mit Mahler und Sibelius übrigens, das jede komponierte Sinfonie eine jeweils eigene Welt in sich bedeutet ...


    Salut,


    ich auch - und das schönste daran ist, es gibt einen greifbaren Schöpfer!


    Die Musik an sich ist ja quasi eine Art "Religion".


    LG
    Ulli

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  • Zitat

    er kannte die Aufnahme und hat Dich hinterlistig ins Erstaunen gebracht!


    Komisch - an das mußte ich sofort denken.


    Zudem ist bei SOLCH einer Aussage, die Wahrscheinlichkeit ins Schwarze zu
    treffen immerhin 50 !!! Prozent... :D


    Als Fazit:


    Wir hören was wir hören wollen - wir sehen was wir sehen wollen -
    und wir beurteilen es - mit unserem Weltbild im Hinterkopf


    Kein Kunststück, wenn man die Lebensgeschichte eines Komponisten (oder Dirigenten ..oder oder) kennt.


    Dah ört man dann "religiösen Schwulst", "Deutschtümelei" "Imperiales Imponiergehabe" oder was weiß ich sonst noch....


    Es hat sich herausgestellt, daß all diese eindeutigen Urteile ins Wanken geraten, und Experten sich winden wie ein Wurm, wenn man solche "Kennzeichen" dazu benutzen möchte, den Komponisten eines bisher nicht bekannten Werkes eindeutig zu benennen.......


    Freundlche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Ulli + Alfred
    er kannte die Aufnahme und hat Dich hinterlistig ins Erstaunen gebracht!


    Ich fürchte, ich bin zu naiv. Daran habe ich bis jetzt nie gedacht.
    Er könnte soetwas tun. ;(


    LG, Paul

  • Zitat

    Wie jedoch eine Sinfonie einer Religion angehören kann, ist mir unerklärlich.


    Von "angehören" war nie die Rede. Es geht um die Frage, ob eine Symphonie eine Weltanschauung oder eine Religion ausdrücken kann. Meiner Meinung kann sie es, wenn ich die vom Komponisten benützten Chiffren kenne. Ob ich, wenn ich die Chiffren kenne, den Inhalt mitvollziehe, ist dann meine individuelle Entscheidung. Ich glaube, man kann sich auch von einem Inhalt distanzieren und das Werk dennoch schön finden.

    ...

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Hallo,
    ich bleibe dabei: Musik ist konfessionslos.AMEN.


    Gruß Herbert.


    Salut,


    das ist so natürlich auch wieder nicht ganz korrekt - die Musik erhält ja schon ein Portiönchen von ihrem Schöpfer injiziert.


    Die meisten Messen des 18. Jahrhunderts sind sofort als solche erkennbar - es ist ein gewisser Stil, der hier verwendet wird. Vielleicht sind gar manche musikalischen Ideen geradezu prädestiniert für ein geistliches Werk!? Sicher gibt es auch Überschneidungen wie z.B. das "Dona nobis"-solo aus Mozarts Krönungsmesse, was sich im Figaro wiederfindet [oder war es Cosí fan tutte - ich verwechsle das stets].


    Aber ganz interessant sind die beiden Passionen "del Nostro Signore Gesú Cristo" von Giovanni Paisiello und Joseph Myslivecek nach dem Libretto von Pietro Metastasio. Allein diese Vornamen... ;)


    Hier ist ganz deutlich die opera proibita zu spüren - in beiden Fällen. Wüsste man den Titel nicht [und bei Myslivecek von den drei Chören einmal abgesehen], könnte man beide Werke für eine ganz klassische Opera seria halten. Und genau so war es ja auch gedacht! Oper und vergleichbarer Krempel war zeitweise in geistlichem Umfeld ungern gesehen [wirklich? :P ] - auf die Musik aber wollte man nicht verzichten. Also "unterlegte" man einen Text mit christlichem/geistlichem Hintergrund... und fertig war der Lack! Kein Funke Geistlichkeit ist in diesen [dennoch sehr schönen] Werken zu hören, und sie hatten einen Bombenerfolg!


    Zitat

    Original von Taminophil
    Ich fürchte, ich bin zu naiv. Daran habe ich bis jetzt nie gedacht.


    Siehst Du - und ich bin von Geburt an [vermutlich deswegen] mehr als misstrauisch - ich traue jedem alles zu.


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Von Mendelssohns "Reformations-Sinfonie" könnt man dagegen schon sagen,
    daß sie "protestantisch" ist. Zum einen aufgrund des Anlasses, für den sie geschaffen wurde und zum anderen durch die Musik, die den Komponisten zu dem Werk inspirierte. Ich denke, es wird noch sehr viel Zeit vergehen, bis man dieses Werk auch einmal in einem katholischen Kultraum hören kann ! :D

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Hallo,
    ich lebe in einem "katholischen Kulturraum"und liebe die 5.Sinf.
    von Mendelssohn schon 50 jahre lang.Das einzige was darin an
    Luther erinnert,ist der Choral:"Ein feste Burg"und das ist nur
    ein Zitat.So etwas kommt in sehr vielen Werken vor,ohne,daß
    die Musik dadurch katholisch,oder evangelisch wird.
    Außerdem geht es ja in diesem Thread um Bruckner.


    Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Außerdem geht es ja in diesem Thread um Bruckner.


    Ja, das war mir ganz offensichtlich entgangen ! Sowas aber auch

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

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