Yrjö Kilpinen und sein Liedschaffen

  • Hallo zusammen,


    gerade habe ich den Namen "Kilpinen" in die Suchfunktion eingegeben und mit einigem Erstaunen festgestellt, daß der "finnische Schubert" hier offenbar mit noch keinem Wort erwähnt wurde.


    Nun ja, mit Schubert kann man Kilpinen sicherlich nur bedingt vergleichen, aber daß er ein bedeutender Liederkomponist war, steht für mich außer Frage. Hier einige Informationen zu ihm:


    Yrjö Kilpinen wurde am 4. Februar 1892 in Helsinki geboren.


    1908 begann er dort als Pianist sein Musikstudium, das er 1910 in Wien bei R. Heuberger und J. Hoffmann fortsetzte, allerdings dann schon mit dem Hauptfach Komposition. 1913-1914 war er in Berlin Schüler bei O. Taubmann und P. Juon.
    Kilpinen verdiente sich nach dem Studium seinen Lebensunterhalt als Klavierlehrer, Begleiter, Korrepetitor und Kritiker. Bald fanden seine Kompositionen in Finnland große Beachtung. Seit 1925 erhielt Kilpinen ein Staatsstipendium, welches 1935 in eine lebenslange Pension umgewandelt wurde.


    Seit 1948 war Kilpinen Mitglied der finnischen Akademie und 1952 wurde er vom Tonkünstlerverband und der Komponistenvereinigung Finnlands zum Ehrenmitglied ernannt. 1959 verstarb er im Alter von 67 Jahren.
    Neben einigen Instrumentalkompositionen hat Kilpinen etwa 700 Lieder geschrieben. Oft handelt es sich um Zyklen nach Gedichten finnischer, schwedischer und deutscher Lyriker. Unter den deutschen Dichtern ist besonders Christian Morgenstern hervorzuheben, von dem Kilpinen 74 Gedichte vertont hat.


    (Frei nach Wikipedia, aber der Text dort stammt bis auf winzige Korrekturen auch von mir).


    Kilpinens Kompositionen stehen stets auf tonalem Boden, wobei der Komponist bewußt mit bestimmten "Primitivismen" wie gebrochenen Dreiklängen und harmonischen Rückungen arbeitet. Nicht wenige Lieder zeichnen sich durch eine eindringliche Melodik aus (daher wohl die Apostrophierung als "finnischer Schubert").


    Es gibt ein paar schöne CDs mit Liedern von Kilpinen. Besonders hervorheben möchte ich die Aufnahmen mit dem großen Bariton Gerhard Hüsch in der Reihe "Historische Vergangenheit". Die "Lieder um den Tod" nach Morgenstern beeindrucken mich allesamt immer wieder sehr, und auch die sonst nirgendwo auf Tonträger dokumentierten "Fjeldlieder" mit Orchesterbegleitung liebe ich ganz besonders.


    In der Hoffnung, bei dem einen oder anderen etwas Interesse geweckt zu haben, grüßt aus Aachen


    Bernd

  • Hallo Bernd,


    ich schätze zwar Kilpinen nicht sehr hoch ein, finde aber doch einen Reiz an dieser - wie Du treffend gesagt hast - eindringlichen Melodik über recht eigenwilliger Harmonik (gar so romantisch ist sie nicht, aber ist sie wirklich neoklassizistisch?). Allerdings ist mir mitunter doch allzulang nur eine Arpeggio-Begleitung im Klavier, für mich als eher vertikal Hörenden eine Herausforderung ...


    Sehr billig ist momentan noch die cpo-Einspielung zu haben, die mir doch in jedem Falle ordentlich zu sein scheint:


  • Hallo Kurzstückmeister,


    uff, doch noch ein Beitrag, danke!


    Kilpinens Harmonik würde ich schon "romantisch" nennen. Allerdings wirkt sein mit Rückungen gespickter Stil völlig anders als die extremen Moduationsgeschichten der ebenfalls noch tonal komponierenden "Kollegen".


    Speziell mit dem "Kanteletar"-Zyklus kann ich nicht sooo viel anfangen. Am unmittelbarsten wirken auf mich wirklich die Morgenstern-Lieder (die natürlich auch auf Gedichtvorlagen von höchstem Sprachniveau basieren). "Vöglein Schwermut", "Der Tod und der einsame Trinker" und "Winternacht" rechne ich (ganz subjektiv natürlich) zu den fesselnsten Liedkompositionen überhaupt.
    Deshalb empfehle ich allen, die den Komponisten Kilpinen überhaupt einmal kennenlernen wollen, 3 Euronen mehr zu investieren und die folgende CD zu erwerben:



    Wenn es um vergriffene Aufnahmen geht, kann man sich vertrauensvoll per PM an mich wenden....


    Herzliche Grüße


    Bernd

  • ja, ich muss mich korrigieren.
    (das kommt davon, wenn man einen thread beleben will, ohne vorher nochmals die musik anzuhören)


    die harmonik geht nicht über sibelius hinaus, hat mit neoklassizismus nichts zu tun.
    dennoch wirkt es nicht romantisch.
    es gibt auch keine arpeggien als permanente begleitfloskel.
    dennoch tut sich im klavier irgendwie nichts.


    wie kommt das?
    nun es ist gewissermaßen ebenso "anti-richard-strauss" wie sibelius, nielsen und stenhammar, keine übersteigerte chromatik sondern diatonik und alte skalen.
    und es wird nicht so recht definiert, was jetzt "der akkord" ist, z.b. indem die hände abwechselnd doppelgriffe (in gleicher lage) anschlagen, wobei man dann nicht weiß, ob die summe der töne den akkord ergeben, oder ob es ein wechsel von angedeuteten akkorden ist - oder ob es gar keine akkorde sein sollen, keine funktionsharmonik, womit es aber auch keine romantische harmonik mehr ist. dieses schema bleibt dann einen ganzen abschnitt lang im klavier liegen und die stimme singt die melodie drüber.


    fazit: sehr karg.
    (und nicht reizlos, aber mir wird recht bald langweilig dabei)