Lindorf-Coppelius-Dapertutto-Dr. Miracle - -Vier Bösewichte in einer Oper ?

  • Liebe Operfreunde,


    Vier Bösewichter, ein realer und dre fiktive (?) verfolgen Hoffman in "Les Contes d´Hoffmann", wobei man sich die Frage stellen muß - wo Traum sich mit Wirklichkeit vermischt, ob die Erzählungen Hoffmanns "real" sind - mit dazupahantasierten Figuren - oder die sogenannten "Erinnerungen" GENERELL seiner Phantasie entspringen, bzw ob es die entprechenden Figuen auch real gab - Hoffmann sie jedoch lediglich dämonisierte.
    Zumindest bei zwei dieser Figuren gibt es Anzeichen das letzteres möglich wäre - Lindorff , in manchen Unterlagen findet man "Stadtrat Lindorff" ist ja wohl eher ein ehrenwerter Bürger, dessen einziges Vergehen darin besteht, der Sängerin Stella den Hof zu machen - und seinem Widersacher Hoffmann mit nicht ganz sauberen Mitteln abspenstig zu machen. I
    Ist Coppelius ein Bösewicht, lediglich weil er die Puppe Olympia zerstört und sich auf diese Weise dafür rächt, daß man seine Mitarbeit an diesem Automaten mit einem ungedeckten Wechsel (und so´mit also nicht) bezahlt hat ?
    Die beiden anderen Bösewichte habe ein anderes Kaliber - juristisch sind sie nicht zu belangen -weil ihr "Vergehen" ja im Bereich der "Zauberkunst" oder "llusion" zu zu suchen wäre - so man die Existenz der Figuren überhaupt als real gelten lässt. Es wäre real durchaus möglich, daß Dr. Miracle ein völlig normaler Arzt wäre, der ohne Aussicht auf Erfolg Antonia behandelt, die an Schwindsucht leidet, an welcher schon die Mutter starb. In letzter Minute- wo Antonias Ende naht - beginnt sie noch einmal im Fieberwahn (wo sie ihre Mutter sieht) zu singen. Hoffmann sieht Dr Miracle dazu aufgeigen -und wir Zuschauer sehen das auch - aber letzlich sehen wir Zuschauer alles mit Hoffmanns Augen.....


    Am schwierigsten ist die Sache mit Dapertutto (in manchen Opernführern steht, "Zauberer Dapertutto" - aber "Dapertutto" heißt übersetzt "überall" und ist zugleich auch das Synonym für "der Teufel"
    Hier ist der "Bösewicht" wohl eindeutig definiert - gleichzeitg die farbloseste Rolle der der "irrealen" Bösewichte - Sie wurde allerdings durch die sogenannten "Spiegel-" oder "Diamanten-Arie" enorm aufgewertet - die allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Offenbach geschrieben wurde.....


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Am schwierigsten ist die Sache mit Dapertutto (in manchen Opernführern steht, "Zauberer Dapertutto" - aber "Dapertutto" heißt übersetzt "überall" und ist zugleich auch das Synonym für "der Teufel"
    Hier ist der "Bösewicht" wohl eindeutig definiert - gleichzeitg die farbloseste Rolle der der "irrealen" Bösewichte


    Ich glaube, das liegt in der Natur der Sache. Dapertutto ist "überall" und so universell böse, dass er in gewisser Hinsicht schon abstrakt ist, und daher natürlich farblos, nicht konkret. Wie sollen denn Teufel sonst sein? Ich finde ich Dapertutto durch seine Nicht-Greifbarkeit böser als etwa Boitos unterhaltsamen Mefistofele.


    Dr. Miracles Wirken geschieht allerdings kaum durch Zauberkunst oder Illusion, es ist vom Libretto her naturwissenschaftlich zu erklären. Antonia dreht sich nämlich nicht um, das wird extra erwähnt. Deshalb sieht sie auch den guten Doktor und die bestimmt mit großzügigem Honorar bedachte Elevin des ortsansässigen Opernhauses nicht, der die Rolle der Mutter wie auf den Leib geschneidert ist. :baeh01: Geheimtüren muss man in alten Gemäuern einfach voraussetzen...


    Post scriptum: Ich hab nocheinmal im Libretto nachgelesen, und im Hintergrund des Zimmers gibt es sogar zwei Türen, Dr. Miracle kann also auf ganz normalem Wege ein- und ausspazieren, samt Elevin!

  • Hallo,Alfred,
    zunächst: Die sogenannte "Spiegelarie"ist instrumental das Vorspiel zu
    der Operette "Die Reise zum Mond", die Barkarole ist ein Ballett
    in der Operette" Die Rheinnixen". Beide Zugnummern sind von
    Bearbeitern mit Texten versehen worden und nach Offenbachs Tod
    in den "Hoffmann" eingefügt worden.(Gott sei Dank!). Anstelle der Spiegelarie ist im Original ein Chanson vorgesehen,
    (Dreh dich du Spiegel, in dem sich die Lerche fängt) welches die
    Figur des Dapertutto viel harmloser erscheinen läßt. Nach meiner Meinung sind die "Bösewichte"auch keine Bösen im eigentlichen Sinn.
    Es sind alle Vier skurrile Fantasie-Gestalten, die aber meist durch
    Fehlinterpretation von Regisseuren oder schweren Heldenbariton's
    zu Pizarros, Jagos oder Scarpias gemacht werden.


    Grüße von Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

    Einmal editiert, zuletzt von Herbert Henn ()

  • hallo, ich sehe hier überhaupt keine fragestellung.
    die hoffmannschen antagonisten sind meiner meinung nach universell zu sehen, genauso wie die weiblichen protagonistinnen. hoffmann erkennt dies ja letztlich selbst: Trois femmes dans la même femme! Trois âmes dans une seule âme!
    die sogenannten "bösewichter" sind im faustischen sinne das böse, als anreiz des guten. emblematisch ist hierfür dr. miracel, nämlich "Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft ".
    mit den worten des mephisto: "Ich bin der Geist, der stets verneint!
    Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
    ist wert, dass es zugrunde geht;
    Drum besser wär's, dass nichts entstünde.
    So ist denn alles, was ihr Sünde,
    Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
    Mein eigentliches Element.", ist dann doch letztlich alles gesagt.
    gruß, kfb

    Beste Grüße, KFB
    _________________________________________
    Being individual is more important than being popular

  • Ich fand die Idee von Barthett Sher in seiner Met-Produktion gut, dass die "quatre villiains" ebenfalls von der Muse gesteurt werden. So kann es ihr gelingen, Hoffmanns Affairen zu zerstören und ihn zum Schreiben bewegen.
    So bekamen die Figuren viel Antrieb in der Szene, oftmals frage ich mich in manchen Inszenierungen warum die Bösweichter denn nun da sind? Weil jeder einen Widersacher haben muss?

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  • Zitat aus dem Beitrag von kfb


    "Ich bin der Geist, der stets verneint!
    Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
    ist wert, dass es zugrunde geht;
    Drum besser wär's, dass nichts entstünde.
    So ist denn alles, was ihr Sünde,
    Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
    Mein eigentliches Element."


    Damit ist eigentlich alles gesagt.
    Toller Beitrag von kfb, meinem "Lieblingsschauspieler"!


    Grüße aus Burgdorf


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • An dieser mephistophelischen Stelle möchte ich gerne auf das fabelhafte Gesprächskonzert mit Stefan Mickisch hinweisen, das kurze Zeit vor der Hoffmann-Premiere in der Volksoper stattfand. Es steht seinen Wagner-Einführungen um nichts nach - außer dass das Publikum an diesem Abend besonders undiszipliniert zu sein scheint, aber das ist in den beiden großen Wiener Opernhäusern ja nichts Neues - die Einblicke in Hoffmanns Erzählungen sind besonders erhellend, und selbst wem alles Kunst-, Musik-, Literaturhistorische, Musikwissenschaftliche und Philosophische fremd ist, der hat an den beiden CDs trotzdem seine Freude: sie sind ein Ohrenschmaus.


    Hier der entsprechende Link (ohne Anführungsstriche):
    "http://www.mickisch.de/2008-03-26_hoffmann.htm"

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.